Solarplexus Manipura – Teil 2

Ich weiß nicht, wie lange ich auf dem Boden im Schlafzimmer gelegen hatte, aber irgendwann waren meine Tränen versiegt und ich lag nur noch apathisch da. Vollkommen regungslos hatte ich auf den Boden vor mir gestarrt. Hatte keinerlei Gedanken. Fühlte meinen Körper nicht mehr. Es war, als würde ich mich in einer ganz anderen Welt befinden, eine Welt, in der ich keine Schmerzen mehr hatte. In der ich nicht nachdenken musste. Eine Welt, in der mich der seelische Schmerz nicht um den Verstand bringen konnte. Einfach nur sein.

Ein lautes Lachen aus dem Wohnzimmer kommend ließ mich hoch schrecken und ich schloss benommen meine Augen. Die beiden Männer schienen sich ausgelassen zu amüsieren, während ich noch immer wie ein Häufchen Elend im Schlafzimmer lag.

War es ihm denn so egal, wie es mir ging?

Wieder hörte ich das Lachen aus dem Wohnzimmer und kniff meine Augen fest zusammen. Ich kniff sie so fest zusammen, dass es schon weh tat, doch das lenkte mich wenigstens ab. Warum lachten die beiden so viel miteinander? Es klang schrill in meinem Kopf, schrill und kalt. Ich schluchzte leise. Das Zimmer drehte sich, mein Körper spannte sich schmerzhaft an und verkrampfte sich. Der Schmerz kam zurück und schien mich zu erdrücken. Ich krümmte mich unter den Schmerzen, die ich plötzlich mit aller Wucht wieder zu spüren bekam und stöhnte leise. ‚Ich will hier weg! Ich muss raus hier!’

Nur langsam konnte ich mich vom Boden hoch kämpfen, begleitet von Schwindelgefühl und Übelkeit. Meine Arme fühlten sich noch immer taub an und ein Blick darauf zeigte mir, dass sich manche Stellen bereits verfärbten.

Als ich endlich auf wackligen Beinen stand, schloss ich noch einmal kurz meine Augen und atmete tief durch. Selbst das tat so weh, dass ich erschrocken die Luft anhielt und dann so flach wie möglich weiter atmete. ‚Muss ich überhaupt atmen? Kann es denn nicht endlich einfach vorbei sein?’
Vorsichtig zog ich meine Hose hoch und versuchte die Schmerzen so weit wie möglich zu ignorieren. Genauso wie das ekelerregende Zeug, das mein ‚Freund’ auf mir verschmiert hatte. Es war mittlerweile schon getrocknet und überzog meinen Po wie eine zweite, lästige Haut.
Wieder angezogen wandte ich mich der Tür zu und blieb am Türrahmen kurz stehen. Ich hielt mich daran fest und schloss meine Augen erneut. Jede Bewegung tat so unglaublich weh, meine Tränen waren wieder gekehrt. Dennoch versuchte ich so leise wie möglich zu sein. Ich wollte Rolf nicht noch einen Grund geben, wieder ausrasten zu müssen.

Obwohl ich nahezu lautlos aus dem Schlafzimmer wankte, hörte ich wie in einem dichten Nebel Rolfs Stimme aus dem Wohnzimmer: „Du kannst den Schlüssel auf die Kommode legen.“

Unter Tränen und stiller Verzweiflung legte ich ihn dort hin und schlich aus der Wohnung.

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Ich hatte keine Ahnung wie ich wieder zu dem Lokal gekommen war. Noch weniger wusste ich warum. Aber ich hatte schon eine ganze Weile davor gestanden, mein Rad dabei an mich gelehnt. Ganz sicher konnte ich aber nicht damit gefahren sein, denn der Schmerz in meinen unteren Regionen war beinahe übermächtig.

Die Tür des „Orients“ war verschlossen, die Beleuchtung bereits ausgeschalten. Kein Mensch war weit und breit zu sehen und alles lag still vor mir. Hätte ich eigentlich Angst haben müssen? Mitten in der Nacht so ganz allein? Doch wovor, was hätte mir noch mehr Angst machen können, als es mein „Freund“ bereits getan hatte… Verwundert blickte ich auf die Szene vor mir, auf das abgedunkelte Lokal, in dem es Stunden vorher nur so vor Leben gestrotzt hatte. Auch ich hatte gelacht. Auch ich hatte mich wohl gefühlt … ein paar Stunden zuvor. Ein paar Stunden nur…

Waren es wirklich nur ein paar Stunden gewesen?
Oder eher eine Ewigkeit?

Ich fühlte mich ausgelaugt und leer. Es war, als würde meine Seele nur noch auf meinen Körper, meine Hülle blicken, anstatt in ihr zu wohnen. Verwirrt fragte ich mich immer wieder: Wo ist hier der Sinn? Warum bin ich hier? Warum lebe ich? Und warum musste ich das erleben…

Mechanisch und ohne jegliches Gefühl zog ich mein Handy aus der Jacke und tippte eine kurze SMS an Tanja: „Können wir uns treffen?“

Die Antwort kam sehr schnell, sie enthielt nur die einzelne Frage: „Wo bist du?“
Automatisch schrieb ich eine erneute sms, in der ich ihr mitteilte, dass ich vor dem „Orient“ stehen würde. Danach kam keine Nachricht mehr von ihr.

Stumpf bemerkte ich, dass im Orient ein Licht eingeschaltet wurde und dass jemand hastig den Schlüssel im Türschloss umdrehte. Heraus kam Tanja und als sie mich entdeckt hatte, riss sie erschrocken die Augen auf. Obwohl ich, zumindest sichtbar, keinerlei Verletzungen hatte, wusste sie sofort dass etwas nicht in Ordnung war. Ohne ein Wort zu sagen umarmte sie mich und schob mich ins Lokal.

Bis auf Kay war der Raum vollkommen leer. Als er mich sah, sprang er augenblicklich auf und kam sofort auf mich zu. Mit einem besorgten Blick wollte er wissen, was passiert sei, doch ich konnte ihn nur wortlos anstarren. Meine Stimme gehorchte mir nicht und ich hatte das Gefühl, nicht ich selbst zu sein, sondern ein Außenstehender. Ein Beobachter, der sich die ganzen Szenen nur ansieht, jedoch ohne eingreifen zu können. Ich war einfach beim besten Willen nicht in der Lage, überhaupt irgendetwas zu sagen und so antwortete Tanja an meiner Stelle: „Sein Macker macht wieder Ärger.“

Kay: „Ich mach uns noch nen Kaffee, dann erzählst du mal was los war, okay? Und jetzt setz dich erst mal.“

Nach diesen tröstend gemeinten Worten wollte er mich sanft an den Schultern auf den Stuhl drücken, doch ich wich erschrocken einen Schritt zurück. Die Schmerzen waren mir ins Gesicht geschrieben. Kay entschuldigte sich laufend und ich machte zumindest den Versuch, zu lächeln. Dass mir das gründlich misslang, zeigte sein nun noch mehr besorgter Blick.

Auch Tanja wurde sofort hellhörig und stürzte auf mich zu „Was ist los? Hast du Schmerzen?“

Ich nickte wortlos und versuchte dabei ihrem festen Blick standzuhalten, in dem sich nun eine geballte Ladung Zorn ansammelte. Schwach senkte ich meinen Blick. Ich hatte einfach nicht die Kraft dazu und meine Augen begannen sich mit Tränen zu füllen.

Immer wieder kreisten dieselben Gedankenfetzen in meinem Kopf umher … Rolf – Schmerz – Angst.

Kay war inzwischen zögernd in der Küche verschwunden und kam nun mit drei Tassen gefüllt mit Kaffee zurück. Langsam versuchte ich mich zu setzen, was mir mit einem von Schmerzen verzerrten Gesicht schließlich auch gelang.
Er stellte mit einem unsicheren Blick einen Kaffee vor mir auf den Tisch und ich nickte nur dankbar. Als sich Tanja und Kay ebenfalls gesetzt hatten, spürte ich ihre fragenden Blicke auf mir ruhen. Sie beide warteten auf eine Erklärung, doch drängten mich nicht.

Ich schloss erst meine Augen, um mich zu sammeln und schaute dann unsicher zwischen den beiden hin her.

Kay verstand diese Blicke auch gleich sehr falsch und beeilte sich zu sagen: „Tut mir leid, ich wollte mich nicht dazu drängen. Ich werde euch beide allein lassen, dann könnt ihr über alles reden. Lasst euch Zeit…“

„Nein, bitte bleib…“ flüsterte ich, als er sich bereits erhoben hatte.

Mit einem verwunderten Blick nickte er und ließ sich wieder auf den Stuhl sinken.

Ich holte tief Luft und meinte leise: „Tanja hat mir viel von dir vorgeschwärmt.“

Als ich ihn endlich auch ansah, lächelte er mich vorsichtig an und nickte wieder.

Nun wurde es in dem Lokal unglaublich still, keiner von uns sagte auch nur ein Wort. Wir alle drei saßen einfach nur da und nippten an unserem Kaffee.

Stockend begann ich: „Ich war vorhin noch bei Rolf…“ Langsam und stotternd erzählte ich, was geschehen war. Mit welchem Verdacht ich seine Wohnung betreten hatte. Wie er mich niedergemacht hatte. Erst bei dem Gedanken an das Erlebnis im Schlafzimmer versagte meine Stimme erneut.

Tränen wanderten wieder über mein Gesicht und ich spürte, wie sich Tanja näher an mich heransetzte und ihren Arm um meine Schultern legte, was mich etwas beruhigte und ich leise weiter sprach: „Er hat mich gezwungen…“ Verzweifelt suchte ich nach den richtigen Worten, die Erinnerung daran brach mit voller Gewalt über mich herein. Ich konnte es nicht aussprechen, immer wieder begann ich diesen Satz stotternd von vorne. Doch immer wieder versagte meine Stimme vollends.

Ich hörte Kay etwas sagen, doch erst mit Verzögerung konnte ich seine Worte zuordnen und verstehen. „Bastian, ganz ruhig. Wozu hat er dich gezwungen?“

„Ich … er …“, begann ich von neuem und blickte Kay verzweifelt an, wandte meinen Blick hilfesuchend zu Tanja.

„Hat er dich wieder geschlagen?“

Ich nickte nur.

„Aber da war noch mehr?“

Wieder nur ein Nicken von mir. Schließlich seufzte ich, schloss meine Augen und flüsterte: „Es war im Schlafzimmer … er …“. Ich holte tief Luft, wollte erneut ansetzen, doch plötzlich entglitt mir meine Fassung vollkommen. Unter Tränen brach ich in mir zusammen, fing an zu schluchzen. Ich hatte meinen Körper nicht mehr unter Kontrolle, wurde von heftigen Krämpfen geschüttelt.

„Bastian…“, Tanja schien ebenfalls nach Worten zu suchen, schließlich festigte sich ihr Blick und sie fragte leise: „Hat er dich vergewaltigt?“

Diese Frage zu hören war schließlich zu viel für mich. Hatte ich eben noch gedacht, es könne nicht schlimmer werden, so wurde ich nun eines Besseren belehrt. Die Tränen liefen in wahren Bächen über mein Gesicht, das Schluchzen wurde noch verzweifelter. Noch nie zuvor hatte ich solch einen Schmerz empfunden und ich wusste nicht, wie ich ihn ertragen sollte. Die Tränen halfen nicht. All das Schluchzen half nicht. Im Gegenteil, mir wurde umso schmerzhafter bewusst, was ich erlebt hatte. Mit wem ich es erlebt hatte. Wie viel Schmerz kann eine Seele ertragen? Und wieviel Schmerz kann ein Körper verkraften? Dieses Gefühl der Hilflosigkeit drängte mich an den Rand meines Verstandes. Warum nur konnte ich die Zeit nicht zurück drehen? Warum konnte ich es nicht ungeschehen machen? Warum musste ich unbedingt zu ihm fahren, wo ich doch gewusst hatte, dass er nicht alleine sein würde. Wo ich doch gewusst hatte, dass er wütend werden würde? Warum nur hatte ich so eigenwillig sein müssen und in meinem Trotz gedacht, ich müsse unbedingt wissen, mit wem er sich heute treffen wolle? Wie hatte ich nur so dumm sein können… Wäre ich nicht überraschend aufgetaucht, hätte das niemals passieren können…

Meine Tränen ließen etwas nach, als ich diese Gedanken immer wieder in meinem Kopf wiederholte. Schließlich hatte ich einfach nur noch dagesessen. Einfach so. Kein Laut drang mehr über meine Lippen, kein Zucken bewegte mein Gesicht. Ich saß einfach nur da und starrte vor mich hin. Die Gewissheit in mir begann sich zu verstärken. Ich hatte die Schuld daran. Ich ganz allein, denn ich hatte es in der Hand gehabt. Ich hätte nicht hinfahren dürfen. Ich hatte gewusst, dass er Besuch hatte und hätte ihn nicht stören dürfen. Wäre ich nicht hingefahren, hätte das nicht passieren können.

„Bastian … hat er dich vergewaltigt?“, fragte mich nun Tanja noch eindringlicher und mir wurde bewusst, dass ich nicht geantwortet hatte. Überrascht hob ich meinen Blick und starrte sie an. Meine Antwort bestand nur aus einem leichten Nicken, bevor ich wieder seltsam ruhig auf meinen Kaffee starrte. Ja, er hatte mich vergewaltigt. Aber ich selbst trug die Schuld daran.

Kay ließ mit einem entsetzten Blick seine Tasse auf den Tisch zurücksinken, obwohl er noch gar nicht getrunken hatte und auch Tanja war so erschüttert, dass sie erst mal gar nichts sagte.

Schließlich fand Kay als erster seine Sprache wieder und fragte vorsichtig: „Sollen wir ins Krankenhaus fahren?“

Doch ich schüttelte nur den Kopf. Auch seine nächste Frage, ob er die Polizei rufen solle, verneinte ich stumm.

Das jedoch brachte Tanja in Rage: „Du kannst doch nicht einfach nichts tun! Was willst du dir von dem Dreckskerl noch alles gefallen lassen?“ Nach einem entgeisterten Blick fügte sie noch hinzu: „Morgen is wieder Friede, Freude Eierkuchen, oder was?!“

Verzweifelt schüttelte ich nur den Kopf und flüsterte: „Nein, er hat mir den Schlüssel abgenommen, er hat mich danach einfach rausgeschmissen.“ Ich schloss meine Augen und sagte weinerlich: „Ich glaube es ist aus.“

„Du GLAUBST?!“, erhob Tanja ihre Stimme ungläubig.

Ich erschrak über ihren Ton und konnte meine mühsam niedergekämpften Tränen nun nicht mehr halten. Ein erneutes Schluchzen drang über meine Lippen und schnell legte ich meine Hand auf meinen Mund, um es zu unterdrücken. Doch es half nicht. Immer wieder wurde mein Körper von Weinkrämpfen geschüttelt. Mein Kopf dröhnte, Übelkeit überkam mich. Vor lauter Tränen bekam ich kaum noch atmen.

Ich registrierte nicht, wie eine Hand auf meine Schulter gelegt wurde. Auch als Tanja mich in den Arm nahm, reagierte ich nicht darauf. Es dauerte lange, bis ich mich wieder halten konnte und nur noch vereinzelt Tränen über meine Wangen liefen.

Tanja wartete noch einen Moment und fragte dann sanft: „Willst du ihn einfach so davon kommen lassen? Er hat ein Verbrechen begangen und MUSS dafür zur Rechenschaft gezogen werden.“

Ich war ihr dankbar, dass sie ES nicht direkt ausgesprochen hatte und entgegnete ihr: „Tanja, ich kann einfach nicht. Wenn ich ihn anzeige, lässt er mich doch nie wieder in Ruhe.“

Es entstand ein langes Schweigen, bis sich Kay schließlich zögerlich zu Wort meldete: „Und was machen wir jetzt?“

Mussten wir denn irgendetwas machen? Konnte die Zeit nicht einfach still stehen? Ich wollte nicht darüber nachdenken, wie es weiter gehen sollte. Wollte nicht einmal wahrhaben, was passiert war. Doch so sehr ich auch innerlich bettelte und flehte, die Erde drehte sich trotzdem weiter, die Uhr schritt trotzdem stur weiter voran. Und das Leben würde trotz allem einfach weiter gehen. Für die Welt war es bedeutungslos. Das Schicksal eines einzelnen … es erschien mir so unwichtig. Schon in ein paar Stunden würden die meisten Läden wieder öffnen, würden Besucherströme die Cafés besiedeln. Würden Mütter mit ihren Kindern einkaufen gehen und sich über die stetig steigenden Preise ärgern. Würden die Leute ihrer Arbeit nachgehen und sich über den Arbeitsplan ärgern. Vielleicht würden auch viele die nahe gelegenen Seen und Schwimmbäder besuchen und sich freuen, weil sie an diesem Tag nicht zur Arbeit mussten. Oder würden sich ärgern, weil die Sonne mal wieder viel zu heftig die Luft erhitzte. Würden sich darüber ärgern, weil wieder einmal viel zu viele Besucher um sie herum waren.

Es erschien mir so unsagbar unwichtig, wie es weiter gehen würde.

In meine Gedanken versunken überfiel mich eine drückende Müdigkeit. Ich verfing mich in irgendwelchen Gedanken und sie begannen sich im Kreis zu drehen. Die Erschöpfung legte sich wie ein dicker Mantel um meine Gedanken und erstickte sie schon im Keim. Mein Körper reagierte darauf und ich konnte nichts anderes als herzhaft zu gähnen.

„Ich lass dich auf keinen Fall allein zu dir nach Haus. Deine Eltern sind nicht da und wenn dir der Dreckskerl dort auflauert, kann dir keiner helfen.“, meinte Tanja dann in meine Richtung und ich musste ihr kleinlaut zustimmen.

Tanja nickte daraufhin nur und riss plötzlich erschrocken die Augen auf. Hektisch meinte sie: „Mist! Ich hab nicht mehr dran gedacht, dass meine Schwester momentan bei mir ist. Sie macht Urlaub in Deutschland und ist mit ihren Kindern da.“

Flehend blickte sie in Kays Richtung und der verstand auch gleich: „Kein Problem, er kommt erst mal mit zu mir.“

Ich wurde da gar nicht erst großartig gefragt, ob ich überhaupt mit zu Kay kommen wollte. Grundsätzlich hielt ich ihn ja schon für einen sympathischen Menschen, aber bei dem Gedanken daran wurde mir trotzdem sehr unwohl. Nicht dass ich irgendwie Angst vor ihm gehabt hätte, das war es gar nicht. Aber ich hatte ihn doch erst ein paar Stunden zuvor kennen gelernt, wie hätte ich denn von ihm verlangen können, dass ich bei ihm bleiben durfte? Als ich jedoch diesen Gedanken auch aussprach, schien es fast so, als ob er sauer werden würde.

„Erstens: Du hast gar nichts von mir verlangt, ich hab das von mir aus angeboten. Und zweitens fände ich es auch nicht gut, wenn du mutterseelenallein bei dir zu Hause rumhockst und der Kerl dich jederzeit finden könnte. Du kommst also mit zu mir und aus.“

Überrascht von dem energischen Ton seiner Worte starrte ich ihn nur an und wusste nichts darauf zu erwidern. Ich traute mich auch gar nicht, ihm zu widersprechen.

Hin- und her gerissen überlegte ich, was ich sagen sollte. Ich wollte nicht alleine nach Hause und dort genauso alleine die Nacht verbringen. Der Gedanke machte mir Angst. Aber konnte ich deshalb wirklich mit zu ihm gehen?

Als ich immer noch wortlos zwischen Kay und Tanja hin und her sah, wurde mir allerdings bewusst, dass ich eigentlich gar keine Wahl hatte. Sie würden mich nicht alleine lassen, selbst wenn ich das gewollt hätte.

Um Kay nicht in die Augen sehen zu müssen, senkte ich meinen Blick und nickte nur leicht.

Auch Kay nickte nur und Tanja sagte an mich gewandt: „Und wir telefonieren morgen und überlegen gemeinsam, was wir machen, okay?“

Unsicher nickte ich wieder nur wortlos.

Schweigend räumte Kay dann den Tisch ab und verschwand kurz in der Küche. Auch Tanja sagte nichts und so warteten wir einfach nur, bis Kay fertig war. „So, wir können los“, meinte er, als er wieder an den Tisch trat und so verließen wir gemeinsam das Lokal. Tanja hatte dabei ihren Arm um mich gelegt und streichelte leicht über meine Schulter.

Zur Verabschiedung umarmte sie Kay kurz und flüsterte: „Pass auf den Kleinen auf, ja? Ich komme morgen bei euch vorbei.“

Mit einem zustimmenden Lächeln wurde Tanja von Kay gedrückt und so wandte sie sich dann an mich, um sich auch von mir zu verabschieden. Zu mir flüsterte sie während der Umarmung: „Du kannst ihm vertrauen, okay?“

Ich lächelte leicht und sagte: „Bis morgen.“

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