Traumschiff – Teil 105

Alte Wunden… Bluttest mit Folgen… Halle?… Einsicht… Messer… Philipp… Bus

Kai, Mittwoch, 13.10. 2010, 12:30 Uhr, in der Wohnung
Ich sitze am Tisch, halte immer noch diesen Brief in meinen Händen, die gerade leicht zittern, weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Das andere Kuvert habe ich noch gar nicht geöffnet, weiß ich doch aus dem Brief schon, was drinnen ist. Meine Schwester hat mir mitgeteilt, dass nun mein Vater gestorben ist, nach dem vor vier Monaten meine Mutter einem Krebsleiden erlegen ist. Die Polizei geht bei meinem Vater von einem Suizid aus, verursacht durch Medikamenteneinnahme, ein Fremdverschulden wird ausgeschlossen. Er hat auch einen Brief hinterlassen, in dem er mir eine Mitschuld am Krebsleiden meiner Mutter gibt, die angeblich nie darüber hinweg gekommen ist, einen schwulen Sohn zu haben. So ein Schwachsinn.
Ich bin gerade so sauer auf diesen Mistkerl, ich kann gar nicht sagen wie. Vor über siebzehn Jahren haben sie mich raus gesetzt, fort gejagt bei Nacht und Nebel. Geraucht haben beide und nicht wenig und locker zwanzig Kilo zu viel angefressen und ich soll jetzt Mitschuld haben an ihrem Krebs. So eine gequirlte Kacke, da muss man erst mal drauf kommen. Meine Schwester teilt mir mit, dass die Beerdigung schon stattgefunden hat und das er ausdrücklich in seinem Brief verlangt hat, das ich dort nicht zu erscheinen habe. Das kränkt mich zwar, ob ich aber hin gefahren wäre, das weiß ich jetzt echt nicht, ist jetzt ja auch eh egal.
Beim Notar wurde dann verlesen, das ich enterbt bin, aber und das ist wohl gesetzlich so geregelt, habe ich einen Rechtsanspruch auf einen Pflichtteil, der sich, da sie wohl nicht arm gestorben sind, auf immerhin sechsundvierzig tausend Euro beläuft. Sie schreibt weiter, dass ich ihr eine aktuelle Kontonummer mailen soll, damit der Notar meinen Anteil überweisen kann. Am Telefon will sie nicht mit mir reden und will auch in Zukunft keinen Kontakt zu mir haben. Ihre Kinder wüssten nicht, dass es da noch einen Onkel gibt und das wäre wohl auch die beste Lösung für alle, weil sie nicht will, dass sie mit einem schwulen Onkel konfrontiert werden.
Ich koche jetzt vor Wut, diese blöde F…, die hat doch weder Hirn noch Verstand. Ich werde ihnen eine Hochzeitsanzeige von Martin und mir mit Bild vorm Standesamt schicken und eine Zeitung mit dem Bericht über unseren Event und hoffe, dass ihre Kinder das irgendwie zu lesen kriegen. Ich werde auch mal auf Facebook schauen, ob ich da nicht jemanden finde unter dem Namen Stukenbrock, der ist ja nicht gerade alltäglich und so heißt ihr Mann und wenn ich das richtig in Erinnerung habe, hat der eine kleine Spedition in Hann.-Münden.
Ihre Kinder sollen ruhig wissen, dass sie einen schwulen Onkel haben und dann Fragen stellen an mein „liebes“ Schwesterlein. Ich öffne nun das andere Kuvert, stelle fest, dass er schon drei Wochen begraben ist, streng katholisch mit allem drum und dran und das trotz Suizid. Wer weiß, wie sie das wieder gedreht haben.
Martin kommt rein, schaut mich entgeistert an. „Was um Himmels Willen ist denn passiert, du schaust ja echt gefrustet aus?“, fragt er. Wortlos schiebe ich ihm den Brief hin und er beginnt zu lesen. Ich beobachte sein Minenspiel, sehe dass auch er sehr wütend geworden ist und als er fertig ist, zieht er mich vom Stuhl hoch und umarmt mich. Seine Hände streichen beruhigend über meinen Rücken.
Das tut mir gut, hier, das hier ist meine Familie und nicht meine blöde Schwester mit ihren Leuten. Mein Bär hier und die beiden Jungs und auch die Remmers, hier bin ich zu Hause und hier geht es mir gut und ich werde mich von dieser dummen Schnalle nicht runter ziehen lassen. Wir küssen uns lang und innig, mein Schatz und ich, mein Frust verfliegt und mein Kopf wird wieder frei. Das hier ist „zu Hause“, aber so was von.
„Du könntest klagen, wegen der Enterbung“, sagt Martin jetzt, „das ist nicht Rechtens und Schwul sein ist schon lange kein Grund mehr für eine Enterbung, das reicht nicht und andere Gründe gibt es ja wohl auch nicht.“
„Ich weiß nicht so recht, ob ich das will“, sag ich, „es würde einen Prozess geben und die Kinder meiner Schwester würden von meiner Existenz erfahren, sie in einen Erklärungsnotstand bringen.“ „Das wäre aber doch mal was neues und mehr Kohle ist bestimmt auch noch drin“, sagt Martin grinsend, „der Pflichtteil ist bestimmt nicht mehr als ein Viertel und wer weiß, was sich deine liebe Schwester noch zu Lebzeiten deines Vaters unter den Nagel gerissen hat. War da nicht noch ein Haus, ich meine, du hättest das mal erwähnt. Wenn sie dich schon totschweigen wollen, sollen sie wenigstens gerecht mit dir teilen, finde ich. Carl August leistet dir bestimmt Rechtsbeistand über die Firma, also überlege es dir.“
„Eigentlich hast du recht“, sag ich überlegend und über die Folgen einer Klage nach denkend. „Wenn ich den Chef nachher abhole in Bremen, werde ich ihm den Brief zeigen. Mal sehen, was der dazu meint.“ Martin gibt mir noch einen Kuss, sagt: „Gut so, mein Schatz, wir müssen den Schwanz in der heutigen Zeit hier in Deutschland nicht mehr einziehen bei solchen Sachen. Was kann dir denn da schon groß passieren. Wie ich den Chef kenne, wird er gerne alle Register ziehen, um der Dame da in Hann.-Münden den dringend erforderlichen Anstand bei zu bringen und ihr vermitteln, das Schwul sein nichts über den Charakter eines Menschen aussagt.“
Er muss los jetzt, Lis muss jetzt zum Frauenarzt, Ultraschall, zur Kontrolle halt, ob alles OK mit dem Zwillingspäckchen ist. Es geht ihr gut, das sagt sie öfter und sie sieht auch gut aus und der kleine Bauchansatz passt zu ihr und zu ihrer Stimmung. Ich glaube, sie freut sich so richtig auf diese schöne Herausforderung und auch dem Chef scheint die veränderte Situation recht gut zu gefallen.
Am meisten aufgeregt sind Oma und Frieda. Da wird schon fleißig gestrickt und so, wie es Carl August sagte, in bunten Farben, nicht blau und rosa, nein. Gelb, grün und rot, aber auch blau und weiß sind Strümpfchen, Jäckchen und Schals in der Produktion. Es geht richtig ab und die Nadeln laufen heiß. Die werden dann mit Cremant gekühlt, hat Frau Jensen uns lachend erzählt.
Martin ist los und ich gehe hoch an den neuen SUV, schaue nach, ob alles darin ist, was rein gehört. Verbandskasten, Wagenheber und Radmutternschlüssel, Feuerlöscher, Freisprecheinrichtung und auch ein Eiskratzer sollte im Winter, der ja bald kommt, nicht fehlen. Zwei neue Warnwesten lege ich noch hinein in den Wagen, der jetzt komplett ausgestattet ist. Die Winterbereifung vom Vorgängermodell passt auch hier auf den Neuen und die liegt ordentlich auf dem Boden über der Garage.
Eigentlich könnte ich ja nachher noch kurz in die WG fahren, gucken, ob unser Junge da ist. Ich weiß gar nicht, was er für eine Schicht hat, diese Woche. Bevor ich los fahre muss ich noch bei der Oma fragen, ob sie und die Tante noch wo hin wollen.
Der Bentley steht in der Garage und wird nur raus geholt, wenn die zwei fort wollen. Vielleicht soll ich ja auch Natascha noch abholen, Lex und Robin auch, mal sehen, Frau Gut weiß bestimmt Bescheid, da geh ich mal schnell fragen. Oma und Frieda wollen heute nicht mehr fort, haben morgen um zehn einen Arzttermin und brauchen mich heute nicht mehr.
Frau Gut sagt mir, das ich wohl vergessen habe, dass gerade Ferien sind und niemand an der Schule abgeholt werden muss. OK, das darf ja wohl auch mal vergessen können, nach so einem beschissenen Brief, dann eben zur WG und dann den Chef abholen.
Natascha kommt mit dem Hund und im Trainingsanzug, fragt, wo ich denn hin will und entschließt sich kurzfristig, mit mir in die WG zum Training zu fahren. Sie schreibt Matze, der sie eigentlich hier abholen wollte, eine SMS, das sie mit mir im neuen SUV nach Bremen fährt. „WOW, ganz neu, das riecht man“, sagt Natascha beim Einsteigen in den neuen Q7 und schnallt sich an, nachdem sie den Hund in den Fußraum gesetzt hat. Als sie fertig angeschnallt ist, nimmt sie den Hund auf den Schoß.
Oma steht plötzlich in der Haustüre und winkt. Natascha lässt die Scheibe runter und fragt, was Oma möchte. „Lass uns den Hund hier, wir gehen mit ihm spazieren“, sagt die Oma, „der stört euch doch beim Training bestimmt. Frieda und ich gehen mit ihm und wenn ihr zurück seid, kann Kai ihn nochmal mit nach unten nehmen.“
„Gute Idee“, sagt Natascha, „da hätte ich auch selber drauf kommen können.“ Sie schnallt sich wieder ab und bringt den Hund zur Oma an die Haustüre. Als sie wieder im Auto sitzt, fahren wir gleich los, es läuft gut nach Bremen, dreißig Minuten später sind wir auf dem großen Hof angekommen.
Dort haben ein paar der Jungs schon mit dem Training begonnen. Kevin ist aber noch nicht da und so warte ich. Kurz darauf kommt er mit Wolfi und beide wollen auch ins Training gehen, sobald sie umgezogen sind.
Ich drücke beide Jungs kurz, knuddel sie und deute auf den neuen SUV, den sie noch kurz an sehen und bewundern, bevor sie hoch zum Umziehen gehen. Sie trainieren oft im Moment, machen sich fit und das nicht nur zu den festen Trainingszeiten. Paolo kommt nachher auch noch und er nimmt Natascha dann mit zu Remmers, wo er wohl über Nacht bleibt und von dort zur Arbeit fährt.
Ich steige wieder ein und fahre los, mache mich auf den Weg zur Firma, Carl August abholen. Den Brief meiner Schwester habe ich eingesteckt, den will ich dem Chef später zeigen, hören, was er dazu meint.

Lex, Donnerstag, 14.10.2010 15:10 Uhr, mit Ralf auf ihrem Zimmer in der WG, kurz vor dem Training.

Jetzt liegt unser Besuch in Bonn schon wieder drei Tage hinter mir und während Ralf, wir lümmeln auf dem Bett, meine Haare krault, denke ich noch mal an den Montag zurück.
Wieder bei den Buchmanns zu sein, machte alles noch mal so real, meine Liebe zu Uwe, unsere schöne Zeit und ihr abruptes Ende, England und die Prügel zu Hause, Berlin, meine Flucht und dann die Erkenntnis, dass mein Uwe tot ist, das alles kam plötzlich wieder hoch und obwohl Ralf bei mir war, fing ich an, zu zittern.
Eine enorme Anspannung spürte ich, die erst vergeht, als mich Frau Buchmann umarmt hat. Sie, die selber so viel Leid durch meinen Bruder erfahren hat, tröstete mich, gab mir den Mut und die Kraft zurück, das alles zu überstehen.
Ich stellte ihr Ralf vor und wir gingen ins Wohnzimmer, wo der Rest der Familie und ein durchaus sehr hübscher junger Mann saßen, einer mit roten Haaren, so wie ich und auch mit Sommersprossen. Das musste wohl dann der Jürgen sein, Uwes Freund nach mir. Er sieht gut aus und zur Begrüßung drückte er meine Hand und sagte, mit traurigem Unterton: „Hey, ich bin Jürgen, du musst Alexander sein.“ „Alex oder Lex reicht“, sagte ich, „und seit ein paar Tagen heiße ich Remmers mit Familiennamen. Den Titel und den vorherigen Namen habe ich offiziell abgelegt, will nichts mehr mit dieser Brut zu tun haben. An der Beisetzung des Mörders haben weder ich noch meine neue Familie teilgenommen.“
Da sehe ich schon Staunen und auch Anerkennung im Blick von Uwes Vater. „Geht es dir gut dort bei deiner neuen Familie?“, fragt Uwes Mutter. „Ja, sehr sogar“, sag ich und erzähle, wie alles so gekommen ist und auch, wie es in Bremerhaven so läuft, von Lis, das sie nochmal schwanger ist, von dem super coolen Carl August, von Oma und Frieda, von allem eben, was mein neues, geiles Leben jetzt aus macht.
Natürlich auch von Ralf, unserer Liebe und seiner großen Hilfe bei der Bewältigung all der vielen schlimmen Sachen, die passiert sind. Sie freuen sich für mich, dass es mir jetzt gut geht und dann, nach einer Tasse Kaffee, gingen wir alle noch mal zu Uwe auf den Friedhof. Das Grab ist super schön, gepflegt, mit viel Liebe, das sah man und es war noch mal ein Moment, in dem sich eine große Faust um mein Herz legte, alle Trauer wieder da war, wohl bei allen hier, außer Ralf vielleicht, der Uwe ja nicht gekannt hatte.
Auch Jürgen sieht gequält aus, weint ein paar Tränen. Er tut mir genau so leid, wie es Uwes Familie tut.
Dann ist die Zeit des Abschieds gekommen und wir versprechen uns, dass wir am ersten Todestag Uwes uns alle wieder hier treffen wollen, um seiner zu gedenken. Dann gehen wir den Weg zum Haus zurück, etwa fünfzehn Minuten und dort wartete Martin auf uns mit dem Wagen.
Nach einer Abschiedsumarmung mit allen stiegen wir schweigsam ein und Martin fuhr los in Richtung Autobahn. Uwe bleibt zurück, nicht ganz, aber doch so, das jetzt Ralf endgültig seinen Platz in meinem Herzen ein nimmt, der einmal seiner war. Ich schließe die Augen und sein lächelndes Gesicht erscheint und er winkt mir zum Abschied. Er sieht so friedlich aus, mein Uwe, ganz friedlich.
Die zwei Tränen, die jetzt laufen, werden von dem mich aufmerksam betrachtenden Mann neben mir weg geküsst und er drückt mich an sich. Gut, ihn zu haben, noch besser, ihn zu fühlen. Ich liebe ihn so, meinen Ralf.

Noah, Freitag, 15.10. 2010, 18:30 Uhr zu Hause, mit Rico und Ulf beim Abendbrot.

Gestern Morgen war ich mit Papa in der Klinik und habe mich typisieren lassen. Das ging, da mir nur Blut abgenommen wurde, sehr schnell und das Blut wurde dann in einem Speziellen Labor aus getestet. Dabei kommt es wohl auf einen speziellen Wert, HLA genannt, an. Das Ergebnis wurde dann von dort direkt an die Klinik, in der Philipp liegt, gemailt und dort mit seinen, aber auch mit den anderen Testpersonen aus der Familie verglichen.
Der Professor bekam dann eine Rückmeldung aus Hildesheim und siehe da „BINGO“, ich bin dabei. Ich will ja nicht sagen, dass ich es geahnt habe, aber unterschwellig konnte ich mir es schon vorstellen, dass meine schwuchteligen Stammzellen eine Hauptrolle in dem Drama um meinen kranken Cousin spielen. Ich würde es fast ja schon eine Posse nennen, wenn da nicht der todkranke Junge wäre.
Ob seine homophobe Mutter mich überhaupt als Spender akzeptiert, wer weiß, ich hoffe aber, dass man sie notfalls zwingen kann, es zu zulassen. Ich habe den Professor gebeten, mich bei der Klinik in Hildesheim als anonymen Spender an zu geben, so dass die Mutter von Phillip nicht weiß, dass die Stammzellen von mir sind.
Jetzt geht es nach einem festen Zeitplan weiter. Sieben Tage lang, es hat gestern Nachmittag schon begonnen, bekomme ich eine Infusion mit einem hormonhaltigen Medikament, das die Bildung neuer Stammzellen in meinem Blut beschleunigt, einen Turbo, so zu sagen. Wenn das geschehen ist, filtert man die Stammzellen aus meinem Blut, bringt sie nach Hildesheim per Kurier und dort verabreicht man sie intravenös an den Patienten, dessen krankes Blut und Knochenmark vor der Spende chemisch oder per Bestrahlung weitestgehend zerstört wird.
Die neu zugeführten Stammzellen wachsen dann im Körper des Empfängers und produzieren gesundes Blut, wenn alles gut läuft. Es dauert wohl ein paar Wochen, bis man sicher sein kann, dass die Transplantation gelungen ist. Das Immunsystem des Empfängers braucht oft Jahre, bis es wieder normal gut ist. Bei jungen Patienten ist aber die Chance auf eine vollständige Heilung ziemlich gut, hat der Professor gesagt. Er hat auch gesagt, das der Philipp durch die Spende in Zukunft meine Blutgruppe hat, wenn es denn geklappt hat hinterher.
Papa hat dann auch gleich Oma und Mama informiert, das ich wohl der bin mit der größten Übereinstimmung bei den HLA Werten und das ich auch bereit sei, zu spenden, das sie aber zu niemandem sagen sollen, das ich der Spender bin. Da es durch die Gabe des Hormon haltigen Medikaments beim den Spendern zu grippeähnlichen Reaktionen kommen kann, ist es möglich, das ich noch für zwei oder drei Tage zur Beobachtung in die Klinik komme, aber was macht man nicht alles für die Verwandtschaft.
Parallel zu meiner Behandlung werden bei Philipp Blut und Knochenmark bestrahlt oder mit Chemotherapie behandelt und so viele Krebszellen wie möglich zerstört. Dabei machen sie auch sein ganzes Immunsystem platt und in dieser Phase ist er stark gefährdet. Er liegt dann in einer vollkommen sterilen Umgebung, kein Besuch, keine Bücher oder Zeitschriften, nur keimfreie Luft zum atmen. Dort wird er wohl auch nach der Spende eine gewisse Zeit bleiben müssen.
Hoffentlich klappt alles und der Junge übersteht den Scheiß und wird gesund. Er ist jetzt so etwas wie mein „Robin“ und ich bin eigentlich stolz und ganz froh, ihm helfen zu können. Es ist einfach ein tolles Gefühl für mich, jemanden so helfen zu können. Ähnlich wird es Jerome und Natascha gehen, wenn sie sehen, wie Robin wächst und gedeiht, toll ist das. Für das inakzeptable Verhalten seiner Mutter kann ja der Junge nichts, seiner Mutter würde ich wohl eher nicht spenden, denk ich.
„Ich fahre dich morgen um vier Uhr nochmal in die Klinik“, sagt Papa jetzt, „Rico nehmen wir mit und danach gehen wir was essen.“ „Können wir, wenn Rico einverstanden ist, mal zu Scarlotti fahren?“, frag ich.
Rico verschluckt sich fast am Tee und sieht mich an. „He, der Alte dreht durch, wenn wir beide zusammen dort aufschlagen. Willst du das wirklich, Noah?“, sagt er.

„Ich glaube nicht, dass er das wagt, wenn ich dabei bin“, sagt Papa jetzt zu Enrico, „wir könnten Carl August, Lis und auch Paolo und Natascha einladen. Die Oma und Frieda kämen bestimmt auch gern dort hin mit, denk ich. Da wird er es kaum wagen, frech zu werden. Deine Mutter hat auch letztens gemeint, es würde sich was tun in seinem Dickschädel.“
„Unter diesen Umständen könnte es ohne Stress ablaufen“, meint Rico, „ich weiß aber nicht, wie ich mich ihm gegenüber verhalten soll. Ich werde auf keinen Fall den reuigen Sohn spielen, der gerne seinen Vater wiederhaben will. Vater habe ich hier genug und zwar so, wie ich es mir immer so oft gewünscht habe.“
WOW, Papa wird ein bisschen rot und freut sich sichtlich über Ricos Kompliment, denn das war es wohl. Er strubbelt durch seine Locken und sagt: „Danke, mein Junge.“, was wiederum Rico erröten lässt. Papa nimmt sein Handy und zehn Minuten später steht der Termin.
Essen bei Scarlotti, Freitag 17:45 Uhr mit den von Papa genannten Personen. Als ich das Jerome bei einem Anruf erzähle, sagt er: „Oh, Ossobuco, das hört sich gut an. Ich glaube, wir kommen auch dort hin.“ Das wäre dann der Hammer.
Volles Haus bei Scarlotti und da ich jetzt nicht genau weiß, wen er mit „wir“ alles gemeint hat, gebe ich die Info an Papa weiter. Rico meint, wenn wir so früh da sind, ist auf jeden Fall Platz genug für alle. Reservierungen gibt es normal nur Samstagabend oder Sonntagmittag und 46 Plätze gibt es ja dort. Ich bin gespannt, wie das abläuft morgen bei meinem „Schwiegervater“, den ich bis her noch gar nicht persönlich kenne, von dem ich aber weiß, dass er bisher immer das homophobe Arschloch in der Familie Scarlotti war.

Carl August, Freitag, 15.10.2010, nach Mittag, 13:30 mit Oliver Salm in dessen Büro in Bremen.

Unser Kai hat mir am Montag einen Brief seiner Schwester gegeben und nach dem ich ihn gelesen habe, war ich sehr, sehr wütend. Wenn diese dumme Nuss wüsste, was für ein toller und herzensguter Mensch ihr Bruder ist, würde sie sich nicht so asozial und gemein ihm gegenüber verhalten.
Deswegen sitze ich nun hier in der Rechtsabteilung bei meinem Freund Oliver und warte darauf dass er mit dem Lesen dieses Briefes fertig ist. Seinem Gesicht nach zu urteilen, man kennt sich ja schon ewig, läuft das da auf einen Prozess hinaus, wenn sich Kais „nette Schwester“ nicht lieber mit Kai vergleichen will, was das Erbe angeht. Mir wäre es lieber, es käme zum Prozess, um öffentlich zu machen, was das für eine linke Tante ist. Die Kinder sollen ruhig sehen, zu welch krummen Winkelzügen ihre Mutter fähig ist.
Dass sie dabei erfahren, dass sie einen schwulen Onkel haben, dürfte sie zumindest verwundern, ich hoffe aber, dass sie ihren Eltern dann mal ein paar peinliche Fragen zu ihren Großeltern, aber auch zu dem gestörten Verhältnis zu dem Onkel stellen. Ich denke, das könnte ganz schön peinlich werden, vor allem für die Mutter.
Oliver ist mit Lesen fertig und sagt: „Ich brauche eine Vollmacht von Kai und dann werden wir uns der netten Dame einmal ein bisschen mehr widmen, als es ihr lieb sein dürfte.“, sagt er. „Kommt Kai dich nach her abholen?“, fragt er. „Ja.“, sag ich. „Er soll kurz hochkommen, ich bereite eine Vollmacht vor“, sagt Olli, „die braucht er dann nur zu unterschreiben. Den Rest werden wir übernehmen. Die Jungs und Mädels hier sind immer mal ganz heiß auf Fälle außerhalb der täglichen Firmenroutine und hängen sich da voll rein. Ich muss mal überlegen, wer da am besten in Frage kommt, wir haben da bestimmt jemanden, der vor seiner Zeit hier bei uns im Erbrecht Erfahrungen sammeln konnte.“
„Prima“, sage ich und rufe Kai an, bitte ihn, nachher bei Oliver vorbei zu gehen, bevor er in mein Büro kommt.
„Olli, hast du nicht Lust, um halb sechs mit uns Essen zu gehen?“, frag ich ihn und erzähle im von Ulfs Vorhaben und das wir, Lis, Natascha mit Freund und Mutter und Frieda auch dabei sind. „Da muss ich erst mal mit meiner Eva reden, ob das so kurzfristig geht“, sagt er und greift zum Telefon. „Sag mir Bescheid, ich gehe in mein Büro“ und als er nickt, lass ich ihn mit seiner Eva allein.
Ich lasse ihn allein, geh zurück in mein Büro und schaue nach, was in der nächsten Woche noch alles auf mich zu kommt.
Am 20.10. fliegen wir, 4 Manager und ich nach Oslo, da geht es um Erzlieferungen für unsere Stahlproduktion für die Werftbetriebe und dem Maschinenbau. Wir kaufen die Erze immer selber ein und bringen sie mit eigenen Schiffen von Norwegen hier her, nach Hamburg oder nach Bremerhaven, von wo aus es dann mit Binnenschiff oder Bahn zu den jeweils für uns arbeitenden Hütten und Walzwerken gebracht wird. Als fertiger Stahl, meist in Form großer Tafeln unterschiedlicher Dicke kommt es dann per Bahn, Schiff oder auch LKW von den Hütten zurück nach Bremerhaven.
Da man zum Schmelzen eines Waggons Erz sieben Waggons Kohle benötigt, wird das Erz immer zur Kohle transportiert. Das war schon immer so und wird sich auch wohl nicht ändern. Da in unseren Werften und Firmen viel Stahl benötigt wird, bin ich vor etwa 10 Jahren auf die Idee gekommen, das Erz vor Ort selber auf zu kaufen und es auch selber zu transportieren. Das spart Kosten beim Einkauf und meine Frachter haben immer Ladung und fahren nicht leer in der Weltgeschichte herum. Dadurch wird der Stahl für uns billiger und alles, was wir nicht selber brauchen, verkauft unsere Stahlhandelsgesellschaft meist bietend auf dem Weltmarkt, in der Regel mit guten Gewinnen.
So greift ein Rädchen ins andere und weil wir viele und vor allem überwiegend gute Mitarbeiter haben, läuft der Laden recht ordentlich. Im Laufe der letzten Jahre haben wir uns auch aus dem Sektor „Rüstungsgüter“ stark zurück gezogen. Wenn da was produziert wird, dann ausschließlich für bundesdeutschen Bedarf. Waffen oder Kriegsgerät ins Ausland produzieren wir seit einigen Jahren nicht mehr. Das war früher, zu Vaters Zeiten und Vertrags bedingt noch ein paar Jahre danach anders, da habe ich aber dann Zug um Zug einen Ausstieg herbei geführt.
Ich führe noch einige wichtige Telefonate und lese den Börsenteil der Zeitung, weil ich, bis Kai kommt, noch etwas Zeit habe und wir ja später essen gehen, sonst lese ich den Börsenkram immer zu Hause, abends nach dem Abendbrot, bei einem guten Whisky im Arbeitszimmer.
Die Klinik, in der Robin operiert worden ist, hat übrigens eine Summe von 170.000 Euro an die Firma in New York zurück überwiesen, weil nur drei OPs nötig waren. Die Firma hat es dann an mich überwiesen und ich werde das je zur Hälfte an meine Kinder zurück überweisen. Den beiden habe ich aber noch nichts dazu gesagt, das werde ich heute Abend machen. Jetzt klopft es und Kai kommt.
Ich sage ihm, das wir heute noch zu Scarlotti fahren, er mit dem Bentley, Martin mit dem Achter, er und Martin in der ungeliebten Uniform, aber das konnte er sich ja gleich denken. Die Leute zu Hause wissen Bescheid, das wir um kurz nach fünf los fahren, damit wir und um viertel vor sechs mit Ulf dort in dem Lokal treffen können. Er will dafür sorgen, dass wir einen zusammengestellten langen Tisch haben, an dem wir alle sitzen können. Enrico hat gesagt, das wäre ohne weiteres möglich.
Ich fahre jetzt mit Kai nach Hause, wo alle schon, als wir ankommen, fertig und entsprechend gekleidet sind. Matze und Chris haben Robin vom Hausaufgaben machen abgeholt, so das sonst niemand mehr im Haus ist. Martin hat den Bentley schon raus gefahren und auch der Achter steht bereit.
Eine halbe Stunde später sind wir auf dem Weg, Mutter und Frieda mit Paolo und Natascha im Bentley, Lis, ich und Lex und Ralf im Achter. Ralf sitzt vorn neben Martin, Lex zwischen Lis und mir hinten und auf die Frage von Lis, wie es denn in Bonn war, erzählt Alex uns wie es abgelaufen ist. Auch, dass sie ein jährliches Treffen an Uwes Todestag vereinbart haben, was Lis und ich sehr gut finden. Auch den Kontakt mit dem Jürgen möchte er nicht abreißen lassen und Lis sagt: „Du kannst ihn ja zu den nächsten Osterferien mal hier zu uns einladen, wenn du das möchtest?“ „Echt jetzt“, sagt er, „das darf ich? Cool, ihr seid so Klasse, ich bin echt glücklich, so wie jetzt alles gekommen ist, das ich bei euch sein darf, so als ob ich euer Sohn wäre. Manches Mal kommt es mir immer noch wie ein toller Traum vor und ich warte darauf, dass ich in diesem Internat auf wache.“
„Nun“, sagt Lis, „diese Gefahr besteht ja nun nicht mehr und dein Weg in die Zukunft, den bestimmst jetzt du und nicht mehr die Leute, die dich nicht verdient haben. Jetzt bist du hier bei uns zu Hause und hier stehen alle fest hinter dir.“ Ich finde, das hat meine Frau schön gesagt.
Als wir vor das Ristorante fahren, ist Ulf schon da und wohl auch schon hinein gegangen. Wir folgen jetzt einfach mal, Olli wird auch gleich kommen und an den Autos sieht er ja dann, dass wir schon drinnen sind.
Als wir rein kommen, sind alle außer Ulf und Noah, allen voran Enrico, dann seine Schwestern und Mama Scarlotti dabei, letzte Hand an die sehr lange Tafel zu legen. Sie sind gerade beim Eindecken, als Noah mir sagt, das noch mindestens sechs Leute aus der WG kommen, es könnten aber auch zehn werden. Dann sind wir dreiundzwanzig und das macht jetzt die Länge der Tafel verständlich.
Mama Scarlotti begrüßt nun zuerst Paolo und Natascha mit Umarmungen und Küsschen, was wohl bei Enrico und bei Noah, wie dieser leise bestätigt, auch schon passiert ist als sie an kamen. Jetzt wendet sie sich Lis und mir zu, sagt: „Signore und Signora Remmers, schön, sie zu sehen. Sie hätten anrufen sollen, dann wäre alles fertig gewesen, aber mit Ricos und Noahs Hilfe ging es ja sehr flott. Herzlich willkommen bei uns und Danke, das sie unsere Jungs mitgebracht haben, denen es ja beiden sehr gut geht, wie sie mir sagen.“
Der Vater steht hinten hinter dem Buffet und guckt uns irgendwie komisch an. Er weiß wohl noch nicht, ob er sich freuen soll über so viele und dann zum Teil noch bekannte Gäste oder eher nicht. Über mangelnde Arbeit in der Küche kann er sich ja nun echt nicht beklagen.
Olli kommt jetzt, mit Frau und wir begrüßen uns. Kai und Martin haben sich an einen Zweiertisch gesetzt und schauen unserem Treiben schmunzelnd zu.
Jetzt kommen noch Jerome und Sergej, gefolgt von Ole, Frank, Kevin und Wolfi, den Schluss machen Mike und Dirk, Paul wird wohl bei Rolf sein, weil die zwei nicht dabei sind. Das bestätigt dann auch gleich Jerome auf die Frage meiner Mutter nach Pauls Verbleiben. Rolfs Oma hat heute Geburtstag und da ist der Paul selbstverständlich auch eingeladen und Jerome hat im den Yeti überlassen, das er dorthin fahren konnte.
Autos sind ja in der WG ausreichend zur Verfügung und Rolf musste nicht extra mit dem Roller kommen, um Paul abzuholen. Darüber hinaus kann Paul so auch Fahrpraxis sammeln. Jerome hat dem Paul versprochen, ihn des Öfteren mit einem der Wagen fahren zu lassen. Der Prozess gegen seinen Vater wird wohl erst zum Ende November hin stattfinden. Die Ermittlungen sind abgeschlossen, der Alte sitzt aber noch in U-Haft und wird dort wohl auch bis zum Prozessbeginn bleiben. Je nach Höhe des Schmerzensgeldes, das der Richter Paul zuspricht kann er ja dann, wenn er will, selber ein Auto kaufen.
Nach dem nun jeder einen Platz und auch schon was zum trinken hat, wird das Essen bestellt und es kommt erwartungsgemäß einiges ab Ossobucco und auch an Fisch zusammen. Hoffentlich bekommt der Alte das hin.
Das auch viel Fisch bestellt wird, ist das nur schwer zu schaffen für den Alten allein in der Küche. Man hört aufgeregte Stimmen aus der Küche, nach dem die Mädels die Bestellungen aufgenommen und abgegeben haben. Zweiundzwanzig Essen mit je einer Vorspeise, das will gemacht werden und die Gäste wollen ja auch nicht zwei Stunden aufs Essen warten.

Enrico, Freitag, 15.10.2010 um 18:10 Uhr im Ristorante Scarlotti, am langen Tisch zwischen Ulf und Noah.

Ich höre Mama und Papa streiten in der Küche, er hat jetzt wohl voll den Stress und ich höre, wie er schreit: „Rosetta e`malato, perche non posso farne a meno, Andare frah“.(Rosetta ist krank, dafür kann ich nichts, geh frag ihn).“Jetzt Mama: „Lui Chiedetevi, che hai venduto lui Testardo (Frag selber, du hast in ja vertrieben, du Sturkopf).“
Er wieder: „Non mi fido, de me stesso, le tante persone“ (Ich trau mich nicht, die vielen Leute). Jetzt Mama: „Basta andare,il rospo si deve, inguare colpa tua“ (Geh einfach, die Kröte muss du schlucken, selber Schuld) Auch Paolo spitzt die Ohren, grinst ein bisschen schadenfroh. „Haben sie Streit?“, fragt die Oma, die ihm gegenüber sitzt. „Nein, er ist wohl überfordert“, sagt Paolo, „er will wohl, das Mama Rico fragt, ob er helfen kann, weil Rosetta krank ist und er ist allein in der Küche.“
Oma grinst: „Und wer gewinnt?“, fragt sie. „Mama“, sagt Paolo und grinst weiter. „Mama gewinnt immer in letzter Zeit, da, schau hin“, sagt er zur Oma.
Paolo weist in Richtung Buffet, da kommt er mit reuiger Mine und geht auf mich zu. Ich stehe auf, für alle Fälle und auch Noah hält es nicht auf dem Stuhl. Es wird ganz ruhig und dann bleibt er zwei Meter vor uns stehen, Noah hat demonstrativ meine Hand genommen und aus den Augenwinkeln sehe ich, dass Martin und Kai aufgestanden sind.
„Enrico“, fängt er an und es fällt ihm nicht leicht, er zittert. „Mio Figlio, Perdonami, ero cosi stupido, mi dispiace, (Mein Sohn, verzeih mir, ich war so dumm, es tut mir leid.) ho rovinato tutto,
(ich habe alles kaputt gemacht), io sono stato di Idiota, (Ich bin ein Idiot gewesen) prego Perdonami, ero cosi stupido, mi dispiace, (Bitte, verzeih mir, ich war so dumm) Voglio stare conte si, prega di (Ich möchte mich mit dir vertragen, bitte).“
Er hat Tränen in den Augen, meint er es ehrlich? Ich weiß es nicht, da schiebt mich Noah einen Schritt vor. Papa öffnet die Arme, kommt auf mich zu und dann umarmt er mich und weint, er weint richtig. „Figlio mio, dimmi, puoi mai perdonami?“ (Mein Sohn, kannst du mir jemals verzeihen)
Mama kommt jetzt auf uns zu. „Chechero`, Papa (Ich werde es versuchen, Papa)“, sag ich. Er lässt mich los, sagt, jetzt aber auf Deutsch, das kann er ja: „Rosetta ist krank, ich bin allein. Freitags ist Pizzatag, das hätte ich mit Mama geschafft. Mit eurer Bestellung bin ich überfordert und bitte dich, komm koch mit mir.“ „Nur, wenn Noah mit kommen darf.“, sag ich, immer noch Noahs Hand haltend. “Ja, gerne“, sagt er, „kommt mit.“ und er dreht sich rum, strahlt erleichtert und rennt an Mamma vorbei zur Küche.
„Bravo, mein Sohn“, sagt Mama, „Das ist wahre Größe, mein Held. Dann zeig ihm, was er sich verscherzt hat, koch ihn in Grund und Boden und du, Noah, schneide dich bitte nicht in der Küche.“
Sie drückt uns nacheinander und einen Kuss gibt es auch, für beide und er schmeckt leicht nach Knoblauch. Hinter uns her gibt es verhalten Applaus und auch die Gespräche kommen langsam wieder in Schwung nach dieser Einlage.
Auf geht’s, den Fisch mach heute ich und Schatzi darf mir zur Hand gehen, so wie wir es zu Hause und ab und zu auch in der WG machen. Er hat schon einiges gelernt und nun gilt es.
Als wir in die Küche kommen, hat Papa einen schmalen Holzkasten in der Hand. „Hier“, sagt er, für dich, ich habe es damals schon gekauft, als du die Lehre begonnen hast. Jetzt ist es dein, nimm es als Zeichen, das ich es heute sehr bereue, wie ich dich behandelt habe, bitte nimm es an.“ Als ich den Kasten öffne, auf dem vorne eine Windmühle aufgedruckt ist, sehe ich zwei Messer, ein Kochmesser und ein Tranchiermesser aus Solingen, Serie 1922 mit Griffen aus Pflaumenholz im Set mit einem Tuch und einem Ölfläschchen. Richtig gute Messer sind nicht rostfrei, müssen sehr gut gepflegt werden, sind aber einfach nur gut. Das hier ist mit 300 Euro bestimmt nicht bezahlt, ist sehr edel und sehr gut und ich freue mich gerade wahnsinnig. Was der Markus wohl sagen wird, wenn er die Messer sieht.
„Danke, Papa, ich sage dir, wir fangen heute noch mal bei null an“, sage ich, „Danke für diese tollen Messer, sie sind fantastisch. Du wirst sehen, alles wird wieder gut. Nimm mich, oder nimm uns, so wie wir eben sind, wir sind jetzt fest zusammen, lieben uns und wollen für immer zusammen bleiben. Den Job im Hilton werde ich behalten, nur wenn hier wie heute, Not am Mann ist, kommen wir, die Betonung liegt auf wir und helfen, wenn nötig und jetzt, jetzt geht es richtig los hier.“
Nachdem ich mir einen Überblick verschafft habe, teile ich mir die Fischgerichte zu, Papa macht Ossobuco und ein oder zwei Steaks, Noah weise ich ein den Salat auf die Teller zu verteilen und Dressing darauf zu machen. Da auch noch Krabbencocktail bestellt ist, mache ich den, in der Zeit bis die Pfannen die richtig Temperatur haben. Da ich hier gelernt habe, brauche ich ja nach nichts zu suchen und es geht mir alles gut von der Hand.
Auch Papa haut voll rein und Mama und die Mädels können die ersten Vorspeisen gleich raus bringen, es läuft wie früher, nur dieses Mal ohne dumme Sprüche und Beleidigungen.
Ich merke, wie eine Last, die ich fast 4 Jahre mit mir herum getragen habe, Stück für Stück von mir abfällt. Mein Sohn, hat er gesagt, nicht dumme Schwuchtel oder so was, mein Sohn, das ich das hier und heute erlebe, ist so fantastisch, macht mich froh und zufrieden.
Paolo kommt, sagt nichts, umarmt mich einfach von hinten und fragt dann auf die Messer deutend: „Von ihm, für dich?“ Ich nicke und dann geht er zu Papa und sie umarmen sich.
„Geh, helfe Mama“, sag ich, „du hältst uns nur vom Kochen ab. Da draußen sitzt eine hungrige Meute, will Futter. Helfen oder raus.“ Er geht lachend, sagt: „Arsch, aber ein Lieber“ zu mir und hilft dann aber beim Auftragen und bei den Getränken. Noah hat auf meine Bitte hin Weißbrot aufgeschnitten und mehre Körbchen gefüllt. Paolo bringt das an den langen Tisch, verteilt es dort und kommt zurück, nach dem er Natascha geküsst hat. Noah bekommt auch ab und zu einen Kuss von mir und Papa sagt nichts dazu, ich denke er hat seine Lektion gelernt, anderenfalls wäre die Familie in absehbarer Zeit wohl auch ohne ihn zurecht gekommen.
Eine Stunde später gehen mein Schatz und ich mit unseren Tellern zurück an den Tisch, mit zwei Mal Ossobuco auf den Tellern. Die Vorspeise, einen Salat, essen wir jetzt einfach dazu. Papa, der jetzt gerade ein paar Pizzen macht, es sind mittlerweile noch andere Gäste gekommen, schafft das jetzt allein. Josefine bringt mir den tollen Messerkasten an den Tisch, nach dem wir uns gesetzt haben und wir essen zunächst mal, was alle anderen ja schon hinter sich haben. Unser Essen, das wir in der Küche zubereitet haben, wird von allen gelobt und dass Papa jetzt zur Vernunft gekommen ist, freut auch alle.
Eine solche Entwicklung hätte ich nicht erwartet, als Noah den Vorschlag machte, doch einfach mal hier her zum Essen zu fahren.
„Darf ich mal darein schauen?“, fragt mich Ulf jetzt und zeigt auf den Kasten. „Ja klar“, sag ich, „mach nur auf“, und schiebe die Messer rüber zu ihm. Er pfeift leicht, als er den Inhalt sieht und sagt: „Die sehen ja echt toll aus, die Messer, da hast du ein Leben lang Freude dran, einfach Klasse und bestimmt sehr teuer.“
„300 Euro langen nicht“, sag ich ein bisschen stolz. „So viel kosten die?“ fragt Noah erstaunt, „Das hätte ich jetzt nicht vermutet.“ „Die sind von Windmühle aus Solingen“, sag ich, „mit das Beste, was es in Deutschland gibt und auch in Europa ist das ein Begriff bei vielen Köchen.“
Nun geht der Kasten rund am langen Tisch, jeder möchte mal reinschauen in den Kasten. Raus nehmen tut die Messer aber niemand und das ist auch gut so.
Mama kommt jetzt und sie schaut sehr zufrieden aus. Sie drückt mich von hinten und sagt: „Jetzt werden wir uns ja hoffentlich öfter mal wieder sehen und wenn ihr 2, Noah und du, morgen Abend nicht wisst, was ihr machen sollt, Rosetta kommt erst am Sonntag wieder und samstags ist ja immer viel Betrieb. Ich und Papa würden uns sehr freuen. Es wird natürlich auch bezahlt, 12,00 Euro die Stunde will er geben, jedem von euch, hat er gesagt.“
Ich schaue Noah an und als der grinsend nickt, beginnt Mama zu strahlen. „Wenn es mir nach der Infusion am Nachmittag immer noch gut ist“, sagt Noah, „komme ich gerne mit. Mit Enrico zusammen zu kochen, das ist schön für mich und das mache ich gern.“ Dafür gibt es jetzt einen Kuss von mir und später bestimmt noch mehr.
Nun, da alle fertig sind, verlangt die Oma die Rechnung.
„Alles zusammen“, sagt sie und grinst verschmitzt, weil sie Carl August geschickt ausgebremst hat. „Heute bezahlt mal der mit der dicksten Karre“, sagt sie und nimmt von Josephine die Rechnung entgegen. Mit Wein und allem drum und dran zahlt sie mal eben 812,00 Euro, mit der Karte und einen 50,00 Euroschein für die 2 Mädchen zum teilen legt sie auch noch oben drauf.
Mama gibt mir dann 60,30 Euro für mich und 30,00 für Noah, hat Papa zu ihr gesagt. Das nehmen wir gern, mein Schatz und ich. Da müssen wir uns nicht zwingen. 20:15 Uhr brechen wir dann auf, fahren heim und ich bin echt froh, dass wir heute hier waren. Jetzt doch wieder einen Vater zu haben, ist ein gutes Gefühl.
Um 21 Uhr stehen wir unter der Dusche, alles steht und wird für das, was noch kommt heute Abend gut gereinigt und gepflegt. Das Licht aus zum Schlafen machen wir um 23 Uhr und es geht uns echt gut, meinem Schatz und mir und das heilige Kanonenrohr stecke ich jetzt auch so gut weg, wie Mike Dirks Klarinette wegsteckt, man gewöhnt sich an alles und weniger wäre mir mittlerweile vielleicht schon nicht mehr genug. Auch wenn es hinterher immer etwas länger ziept, aber das nehme ich gerne in Kauf, außerdem gibt es ja Bepanthen, alles Salbe oder was.

Ole, Sonntag 17.10.2010, Morgens um 9:00 Uhr, mit Frank noch im Bett

Schatzi schläft noch, es ist noch sehr ruhig in der WG, Sonntags gibt es selten vor 10 Uhr Frühstück. Heute sind wir dran mit Küchendienst und wir sind auch nur 11 Leute insgesamt heute Morgen. Alle anderen, die sonst an Wochenenden hier sind, sind alle zu Hause.
Jerome, Sergej, Wolfi und Kevin und Ralf und Alex sind hier, Matze, Chris und auch Robin haben hier geschlafen, nachdem wir gestern Nachmittag eine extra Trainingseinheit absolviert haben und dann anschließend, nach einem Essen vom Thai Lieferservice einen schön langen Filmabend gemacht haben mit „Harry Potter“.
Um 18 Uhr kam das Essen, um 19 Uhr lief der 1. Teil. Nach Folge 3 waren die meisten müde und es ging in die Betten, wobei Robin, Jerome und Sergej wieder weich gekocht hat und zwischen den beiden schlafen durfte. Chris und Matze nahmen eins der 4 noch freien, zurzeit noch als ständige Gästezimmer deklarierten Zimmer für sich.
Nun wecke ich meinen Hasen, will mit ihm duschen und dann Frühstück machen, ich denke, dass die 3 im anderen Zimmer auch bald ins Bad wollen. Wir sind ja zurzeit die einzigen, die sich ein Bad mit Jerome und Sergej teilen. Die anderen der je zwei Doppelzimmer mit Bad werden je von Wolfi und Kevin und von Dirk und Mike genutzt. Das zweite Zimmer bei Dirk und Mike ist ja als Arbeits und Studierzimmer eingerichtet und da Wolfi und Kevin in einem Zimmer schlafen, ebenso wie Jerome mit Sergej und Frank und ich, ist bei den beiden noch ein Schlafzimmer ganz frei.
Gegenüber sind ja dann Zimmer mit Duschbad, in denen aber auch ein großes Doppelbett eingebaut ist, so dass locker zwei darin wohnen können. Eins davon hat Paul fest und Alex und Ralf haben auch eins für sich, der Rest, noch 4 Zimmer, sind quasi frei und werden bei Bedarf von unseren Freunden genutzt, wenn sie hier bei uns bleiben wollen.
Nach dem Frühstück wollen dann die Jungs noch zu ihren Eltern fahren und auch wir fahren zu Franks Eltern nach Nordenham, so dass hier wohl vor 6 heute Abend keiner da sein wird. Um 7 können Frank und ich ja für die, die noch wollen, ein kleines Abendbrot machen, aber meist haben die Jungs, wenn sie von zu Hause kommen, keinen Hunger mehr, das sehen wir dann heute Abend.
Als wir nun ins Bad wollen, ist das schon besetzt, das macht aber nichts, gehen wir kurzer Hand in eins der freien Duschbäder gegenüber, sonst wird die Zeit zum Frühstück machen zu kurz.
Flott wird geduscht, ohne besondere Einlagen, und nach dem schnellen Anziehen stehen wir um 9:40 Uhr in der Küche. Backofen und Kaffeemaschine sind an und Frank holt aus dem Kühlschrank, was halt so alles zum Frühstück gebraucht wird. Ich schiebe nun 2 Backbleche mit je 12 Aufbackbrötchen in den Heißluftofen und bald zieht der Duft von frisch gebackenen Brötchen durch die Küche. Frank hat derweil bereits 2 Kaffee für uns gemacht, den wir vorab genießen. Dabei decken wir den Tisch und warten dann auf die anderen, die auch nicht allzu lange auf sich warten lassen. Robin war wohl als erster munter, brabbelt jetzt auch ununterbrochen von Harry Potter, das hatte er wohl vorher noch nicht gesehen und dann auf der großen Beamerleinwand, das ist wie Kino. „Stopfe mal ein Nutella Brötchen in den Mund“, sagt Chris zu ihm, „da freust du dich doch immer drauf, weil wir das nie zu Hause haben.“
Auf meine Frage, warum sie das nicht im Haus haben, erklärt Chris: „Das durfte Robin auf Grund der nicht gerade geringen und nicht sonderlich gesunden Fettanteile mit reichlich gesättigten Fettsäuren nicht essen. Auch jetzt meint Alex Brunner, das es besser für ihn ist, nicht viel von dem Zeugs zu essen, es ist einfach nicht so gut für ihn. Also haben wir beschlossen, es auch weiterhin nicht zu kaufen. Auch ein Aspekt ist dabei, das zur Gewinnung von Palmöl, davon wird Nutella gemacht, der Regenwald immer weiteren Palmen Plantagen weichen muss, also ist es auch schlecht für das Klima und die Umwelt. Daran denken aber die meisten nicht und ähnliche Produkte mit anderer Bezeichnung sind auch nicht besser.“
„Aber immer, wenn ich bei Jerome war“, sagt jetzt der Kleine, „habe ich 1 gegessen, denn schmecken tut es Sau geil.“ Wo er recht hat…..man darf halt nicht übertreiben. Es soll ja Leute geben, die es mit dem Löffel in sich rein schaufeln. Wir essen es zum Frühstück auch gern, aber mit dem Löffel…..nee, das nun doch nicht. Jerome, das habe ich schon öfter beobachtet, isst auch kein Nutella, sondern Marmelade mit Quark drauf. Darum muss auch immer Quark im Kühlschrank sein. Wenn mal keiner da ist, dann macht er Joghurt auf die Marmelade.
Leander Seidel, der Sohn der Frau, in deren Autotüre ich geknallt bin, hat sich per SMS bei mir gemeldet, hat mich und Frank zum Essen eingeladen, er und sein Freund wollen was für uns Kochen. Der Freund ist Koch und kocht bei einem Catterer Betrieb, der unter anderem auch ein Seniorenheim sowie zwei Ganztagsschulen beliefert und einen Partyservice betreibt. Es war einige lange SMS und jetzt weiß ich schon einiges mehr über die beiden, er aber auch über uns. Am kommenden Freitag, an den 22 Oktober um 18 Uhr sollen wir dort sein.
Sein Jochen und er haben bei Jochens Eltern eine Wohnung im Dachgeschoss und sie wohnen in der Gleiwitzer Straße 13, das ist direkt bei dem Friedhof, wo wir bei der Beisetzung von Kevins Mutter waren. Ich bin mal gespannt, wie die da wohnen, die beiden und ob mir der Jochen auch so sympathisch ist, wie der Leander.
Jochen schafft beim Catterer „Partyservice Zur Mühle“, im Stadtteil Geestland, die haben auch einen Teil der Fingerfood Sachen zu Wolfis Ausstellung geliefert. Leander arbeitet seit seinem Studienabschluss bei einer IT Firma, die zum Remmerskonzern gehört und die in Bremen ist. Nach dem alle satt sind, räumen Frank und ich ab und so nach und nach fahren dann auch alle fort, wir sind die Letzten, die das Gebäude und den Hof verlassen. Wir sperren die schwere Eingangstüre zu und aktivieren die Alarmanlage, die unsere WG vor ungebetenen Gästen schützen soll. Zusätzlich schließt sich das große Rolltor an der Außenmauer des Geländes auf Knopfdruck automatisch hinter uns.
Alle, die hier wohnen und auch die, die bei der Firma Weiden schaffen, haben einen Öffner für das Rolltor, um es aus dem Auto heraus auf und zu machen zu können. Wir brechen mit Jo`s Golf auf und fahren nach Nordenham und verbringen dort den Rest des Tages, gehen mit dem neuen Hund und Franks Eltern spazieren. Wir fahren zuerst ein Stück mit dem Auto und gehen dann von Schockumer Deich auf der Deichstraße entlang.
Nach ein paar 100 Metern beginnt das Naturschutzgebiet National Niedersächsisches Wattenmeer. Den Hund an der Leine, wandern wir am Deich entlang. Es ist bedeckt, aber trocken und 12 Grad warm. Ein leichter Nordwestwind lässt die Luft deutlich kälter scheinen, aber wir haben uns schon warm angezogen. Frank und ich laufen Hand in Hand mit dem Hund etwas voraus. Andere Spaziergänger sind hier momentan keine unterwegs, es würde uns aber auch nicht davon abhalten, Hand in Hand zu gehen. Die Menschen hier an der Küste sind meist tolerant, in Dresden würden wir das wohl eher nicht machen. Wir laufen bis nach Tettens, einem kleinen Ort hier hinter dem Deich. Später laufen wir zum Auto zurück und bei Frank zu Hause angekommen, nach Kaffee und Kuchen, müssen wir dann auch los, zurück in die WG.
Dort bereiten wir dann für halb 7 ein kleines Abendbrot zu. Dirk und Mike sind schon zurück und Lex und Ralf waren wohl doch nicht fort, sondern haben den Nachmittag in ihrem Zimmer verbracht. Kevin, Wolfi, Jerome und Sergej waren mit Wolfis Auto bei Remmers und kommen jetzt auch zurück, so dass wir zusammen Abendbrot essen können. Morgen beginnt wieder der normale Unitag und so ist es um 22 Uhr ruhig in der WG, wohl weil alle bereits in den Betten liegen nach dem wir zusammen noch einen Film geguckt haben.

Micha, Dienstag, 19.10.2010, 11:30Uhr in der City Bremerhaven.

Hurra, geschafft, ich habe die Fahrprüfung bestanden und da am letzten Tag im September mein 18. Geburtstag war, habe ich jetzt meinen lang ersehnten Führerschein. Meinen Geburtstag konnten wir nicht groß feiern, weil es Mama zu der Zeit sehr schlecht ging und sie wieder mal in Reha war. MS ist eine scheiß Krankheit, verläuft in unregelmäßigen Schüben und ist heimtückisch.
Aufgeregt rufe ich Tom an, der heute Mittagsschicht hat und zu Hause ist. Er verspricht, sich gleich auf den Roller zu schwingen und mich ab zu holen.
Im ersten Anlauf habe ich es gepackt, jetzt fehlt nur noch ein Auto, aber das kommt bald, denn ich habe schon über 6.000 Euro angespart. Mama will auch was dazu geben und Prozente werde ich wohl vom Chef auch bekommen, denk ich.
Meinen Geburtstag werde ich mit dem Führerschein zusammen dann später mit den Anderen, die ebenfalls den Führerschein gemacht haben und denen, die auch zwischenzeitlich Geburtstag hatten oder so wie Robin und Noah bald haben, feiern. Robin wird am 23 Oktober 16, Noah wird bald 18, ich glaube, am 29. und auch die Sigrid hatte erst kürzlich, am 17. diesen Monats, also vorgestern, ihren 16. Geburtstag. Matze dürfte auch bald haben.
Jerome hat gesagt, ich soll mich an Ole halten, der hat alle Geburtstage im Handy gespeichert und der soll auch einen gemeinsamen Feiertermin mit uns abstimmen. Die Party soll dann in der WG oder wenn Jeromes Mutter es möchte, bei Remmers stattfinden, das soll dann noch besprochen werden. Jeder, der was zu feiern hat, beteiligt sich dann auch an den Kosten.
Tom kommt und nimmt den Helm ab. „Herzlichen Glückwunsch, mein Hase“, sagt er und drückt mich kurz und küsst mich zart, mehr kommt nachher zu Hause. Wir haben ja noch ein einhalb Stunden, bis er zur Arbeit muss und bei ihm ist keiner daheim, also Helm auf und dann ab, heim.
Seit der Flussfahrt mit den anderen sind wir freier und haben ein absolut gutes Verhältnis mit einander, wir stehen zu uns und haben auch beim Billardspielen, zu dem wir jeden 2. Freitag gehen, keinen Hehl daraus gemacht, das wir jetzt so richtig zusammen sind. Alle reden noch und spielen auch mit uns, böse Worte gab es noch nicht, wohl ab und an mal ein Schwulenwitzchen, aber nichts bösartiges, das können wir ab.
Auch zu Hause, in beiden Familien haben sich alle daran gewöhnt, dass wir uns mal küssen oder mit Schatz anreden oder Hase. Toms Papa hat mir neulich, als ich zu ihnen kam, eine Möhre hingehalten und gesagt: „Da, geh hoch, dein Hase ist oben, gib ihm mal ne Möhre.“, dann hat er gelacht. „Der ist aber so eine Möhre von mir nicht gewohnt“, habe ich lachend gesagt und bin auf die Treppe los. Als er gemerkt hat, welche Möhre ich gemeint habe, hat er nicht mehr gelacht und nur gesagt: „Du Sack“ und ist mit der Möhre wieder in die Küche. Tom war dann wie immer mit meiner „Möhre“ sehr zufrieden und hat auch sehr über das Gespräch gelacht.
Unsere Eltern und auch die Geschwister machen nicht viel Aufhebens um unser Schwul sein, für sie ist das jetzt so und da wir früher schon immer unzertrennlich waren, ist das ja auch jetzt nichts total neues, nur das wir uns jetzt lieben ist neu und damit kommen sie klar und akzeptieren es.
Als Tom um 13:45 Uhr zur Arbeit geht, haben wir die erste intime Feier der Fahrprüfung hinter uns und ob ihm jetzt auf dem Roller der Po ziept, das weiß nur er.
Ich gehe jetzt rüber zu uns und teile meinen Lieben jetzt mit, dass wir den ersten Führerschein in der Familie haben. Alle, besonders Mama freuen sich und Mama sagt, wenn ich ein Familienauto, vielleicht einen kleinen Bus kaufe, in den alle rein passen, sieben Leute und ein Rollstuhl, dann steuert sie 10.000 Euro dazu bei. „Das habe ich und noch etwas mehr, von einer Tante geerbt vor 12 Jahren. Das Konto war für 10Jahre gesperrt und ist seit vorigem Jahr zu meiner Verfügung. Die Summe, die dann noch darauf ist, werden wir in 2 bis 3 Jahren für ein neues Dach brauchen und dann kann man auch gerade noch die 2 Bäder erneuern.“
„WOW, Mama, mit meinem Ersparten kriegen wir dann bestimmt einen guten Bus“, sag ich, „Ich schau Morgen mal in der Firma, ob wir was da haben. Ich meine, da wäre vor ein paar Wochen ein Bus in Zahlung genommen worden, allerdings ist das wohl ein Renault, also ein Auto, das in Frankreich gebaut ist. Das wäre aber egal und wenn der Preis und der Zustand stimmt, ist es ja gleich, dass es keine Marke von uns ist. Herr Koch sagt, er ist immer froh, wenn die Fremdmarken vom Hof sind.“ Ich könnte ja auch mal den Herrn Fischer anrufen und fragen, ob der Bus noch zu haben ist und ob er auf unserer Webseite zu sehen ist. Der Fischer kann mich gut leiden, seit er neulich gesehen hat, wie ich Tom geküsst habe, als der mich abgeholt hat. Wir passen eigentlich immer auf in der Firma, aber der Fischer hat im Verkaufsraum hinter einem Auto gestanden und durchs Fenster hat er uns gesehen. 2 Tage später hat er gefragt, ob der junge Mann mit dem Roller mein Freund wäre. Ich habe dann einfach nur gesagt: „Ja, aber nicht weitersagen.“ „Mach ich nicht, versprochen.“, hat er geantwortet und dann: „Sag Klaus zu mir.“ „OK, Micha.“ sagte ich.
In der Firma wissen alle, das ich heute Führerscheinprüfung habe und als ich den Klaus anrufe, fragt er gleich: „Hallo, Micha und, bestanden?“ „Ja, alles Paletti“, sag ich. „Und jetzt willste wohl gleich ein Auto kaufen, oder?“, fragt er weiter. „Du solltest Hellseher werden, Klaus“; sag ich lachend.
„Und an was haste so gedacht?“, fragt er, „A3 oder A4 oder lieber Skoda?“ „Weder noch“, sag ich, „wir sind zu 7 in der Familie, Mama hat MS, also Rollstuhl an Bord, ein Bus wäre da schon gut. Ist da nicht noch einer von Renault auf dem Hof?“
„Ja, der ist noch da und der ist auch echt gut in Schuss, kannst du dir ja schon mal zu Hause online anschauen“, sagt er, „da macht dir der Koch bestimmt einen guten Preis. Der ist froh, wenn der vom Hof ist. Mir hat er einen Hunni extra versprochen, wenn ich den verkaufe. Soll ich ihn mal fragen, was er dich kosten soll?“ „Ja, bitte“, sag ich, „und dann ruf mich an.“ Wir beenden das Gespräch und ich geh hoch an meinen Laptop und ruf die Firmenseite auf. Schnell habe ich ihn gefunden, den Renault Trafic. Grün ist er, mit einer echten Vollausstattung, Klima, Navi, Radio und AHK und noch viel mehr, 145 PS, ein Diesel mit 2,5 Litern Hubraum. Gelaufen ist er 127.000 KM, der Zahnriemen wurde bei 100.000 gewechselt, TÜV wird neu gemacht und im Februar 2007 ist er erstmals zugelassen, also gut 2,5 Jahre jung.
Das liest sich alles gut, morgen schau ich ihn an. Kosten soll er noch 19.000 Euro, für 15 nehme ich ihn, eventuell auch für 16, mehr kann ich nicht und Schulden will ich nicht machen. Es ist zwar nicht mein Traumauto, wenn aber Mama das so möchte, dann mache ich das auch, meine Familie und vor allem Mama, für die habe ich dann eben einen Bus. Wenn wir ihn auf Mama anmelden, mit mir als Fahrer, können wir bestimmt Steuern sparen. Da frag ich mal den Klaus Fischer, der kennt sich da aus, weil der unsere Autos in der Firma immer zulassen geht.
Um 14:15 Uhr ruft der Klaus wieder an: „Ich habe mit dem Chef geredet, du kannst den Wagen haben, wenn du einverstanden bist mit einer Werbung für unsere Firma hinten auf der Heckklappe für mindestens 2 Jahre, dann kostet er dich getüvt und zugelassen 15.000 Euro, erst wollte er 16.000, aber die kranke Mutter und der Rollstuhl, da ist er dann runter auf 15. Wie habe ich das gedeichselt?“ „Das ist ganz toll, Klaus, danke. Wenn Mama ihr OK gibt“, sag ich, „können wir den Vertrag morgen machen.“ Das gefällt ihm natürlich. Wir beenden das Gespräch und ich geh mit dem Laptop runter, um Mama das Auto zu zeigen.
Wie geil ist das denn, 4.000 weniger als er angesetzt ist, da werde ich mich bei Herrn Koch bedanken, das ist das Mindeste. Mama gefällt der Wagen gut und wir beschließen, den zu den Bedingungen, die Klaus genannt hat, zu kaufen, morgen schon und wenn alles soweit klar ist, kann Klaus ihn ja vielleicht noch zulassen. Das Geld überweisen wir dann, Mama 10.000, ich 5.000. Dann habe ich noch 1.000, für die Versicherung. Ich bin gespannt, was Tom dazu sagt. Jetzt werde ich gleich mal den Ole anrufen, so um 15 Uhr dürfte der ja von der Uni zurück sein, um über das Feiern zu reden, das wann und das wo und wer alles beteiligt ist an der Feier, besser gesagt, an den Kosten.

Oma Gesine, Mittwoch, 20.10.2010, 12:30 Uhr beim Mittagessen mit Tante Frieda und Natascha.

Frau Jensen hat Königsberger Klopse gemacht, mit Kapernsauce und da meine Enkeltochter die so gerne ist, sitzt sie heute mit bei uns am Tisch. Die Entwicklung der Lage im Hause Scarlotti war schon vor dem Essen ein ausführliches Thema und Natascha hat erzählt, dass es Paolo und vor allem Enrico wesentlich besser geht. Es hat sie doch mehr belastet, als sie sich selber eingestehen wollten.
Das es jetzt so ist und das Verhältnis zum Vater sich normalisiert, ist einfach gut.
Enrico war dann mit Noah Samstagabend dort und sie haben bis 11 Uhr geholfen. Alles lief gut und Enricos Papa hat beide sehr gelobt. Zu dem versprochenen Geld hat er beiden zum Ende noch eine echt gute Flasche Wein geschenkt und sich nochmal für die Hilfe bedankt. Sonntag in 4 Wochen, am 21. November hat er eine Geburtstagsgesellschaft und da hat er die 2 Jungs gefragt, ob sie dann noch mal helfen könnten, Mittag und am Abend. Natürlich haben die beiden zu gesagt.
Ich erzähle jetzt Natascha, dass Frieda und ich mit Kai für ein paar Tage nach Berlin fahren wollen. Frieda möchte die ein oder andere alte Freundin aus der Berliner Zeit besuchen und die Hauptstadt wollen wir 2 uns dann auch mal anschauen. Als Termin haben wir uns den 1. November gedacht und wir wollen 2 Wochen dort bleiben, damit wir auch was zu sehen kriegen.
Frau Jensen bekommt in der Zeit frei und wenn sie will, dann nehmen wir sie mit, das haben wir ihr angeboten und sie möchte auch gern.
Wir werden dort im Adlon Kempinski wohnen, mal ein wenig den Dicken machen, haben wir uns vorgenommen. Wir haben eine Suite gebucht und je ein tolles Zimmer für Kai und eins für Frau Jensen, die schon zu 90 Prozent zu gesagt hat. Ole ist ja in der WG und Marie will heute noch klären, ob sie in der Zeit bei Marvin bleiben kann, was eigentlich kein Problem ist. Sie wollte aber der Form halber Marvins Mutter fragen, ob das OK ist.
„Deinen Eltern haben wir das bereits gesagt, dass wir das so vorhaben und eigentlich wollten wir schon an dem Samstag vorher fahren“, sag ich, „aber deine Mutter möchte, das die Party für verschiedene, unter anderem auch Robins Geburtstag und die Führerscheine hier im Haus stattfindet und zwar an dem Samstag, den 30. Oktober und sie hat Ole gebeten, mit allen zu sprechen und das klar zu machen. Sie hat gemeint, hier im Haus feiert es sich besser als in der WG und es könnte ja ähnlich wie beim letzten Mal ablaufen.“
„Cool“, sagt Natascha, „da freuen wir uns drauf und ihr, lasst es euch da in Berlin mal richtig gut gehen.“ „Ach, Kind“, sagt Frieda, „das tut es doch eigentlich immer, ob hier oder auf Borkum oder in Berlin. Am besten ist es immer, wenn das Haus voll ist mit euch jungen Leuten, wenn was los ist. Wenn ich an unsere verstaubte Jugend denke, dann bin ich froh, dass es für euch in vielen Dingen um so vieles besser geht und das gönnen wir euch von ganzem Herzen.

So, Ihr Lieben, das war 105, ich hoffe, es hat gefallen?

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3 Kommentare

  1. Endlich geht es weiter
    wieder mit einem tollen Teil.
    Und die Details sind wirklich gut.
    Und immer wieder wird der Bogen in die Vergangenheit
    gepannt und gute Schnittpunkte geknöpft.
    Bitte weiter so
    Danke

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    1. Kommen alle online bis Teil 111
      LG Pit

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  2. danke, pit, das es weitergeht hier

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