Traumschiff – Teil 116

Problem Sitte… Erster Dan… der Kapitän… Bescherungen… Pläne… Sühne
Roland, Samstag, 11.12.12:20 Uhr, mit Robin unter der Dusche in einem der freien WG Zimmer.
Sanft wäscht Robin meine Rücken, die gegenüberliegende Seite ist schon sauber und entspannt, bei ihm auch schon. Wenn wie fertig sind, fahren wir mit Ria wieder zu uns und

erst gegen Abend wollen wir zwei zu Fuß zu Wegmanns laufen, wo wir dann über Nacht bleiben. Ria duscht derweil im Zimmer neben an, Platz ist hier ja immer genug. Nächstes Jahr wollen dann noch andere Pärchen hier einziehen, wenn einer von ihnen beiden zur Uni wechselt. Das hat Robin mir erzählt, als ich gefragt habe, warum noch fünf Zimmer leer stehen.
Den Schock von gestern Abend, mit Opas Reaktion auf die Tatsache, dass ich schwul bin, ist heute nicht mehr gerade so intensiv. Mein Verhältnis zu Papas Vater war immer sehr gut, deshalb trifft mich seine Reaktion umso mehr. Gestern Abend war alle positive Stimmung, die wir nach der Anprobe der geilen Höschen hatten und die auch durch Mamas Kommentare nicht getrübt war, auf einen Schlag dahin und wir haben einfach nur auf dem Bett gelegen und geredet. Auch von sich hat er noch einiges erzählt, von der Krankheit, von Chris, der immer für ihn da war. Von dem Doktor Alex, der auch schwul ist und der jetzt nach so vielen Jahren wieder einen lieben Freund gefunden hat.
Robin hat dann von Paul und dessen Vater erzählt, von Enricos Torturen mit seinem Vater, von Kevin, von Wolfi und auch von Franks durchgeknallten Freund und ich weiß jetzt, dass das mit meinem Opa nicht so schlimm ist, wie das was die Anderen Jungs da im Einzelnen mit machen mussten.
Papa wollte ja heute Morgen noch mal hin, mit Oma und Opa reden, obwohl mir die Lösung, mit Robin hier zu bleiben, von Stunde zu Stunde besser gefällt, mal sehen ob wir Papa und Mama davon überzeugen können.
Das Opa seine Überzeugung von heute auf Morgen ändert, glaube ich eher nicht, auf längere Sicht vielleicht schon aber ständig vorwurfsvolle Blicke auf uns zu spüren, gedisst zu werden, weil wir verliebt ineinander sind, das will ich so nicht haben vom 26.12. an bis zum 4.01., das kann doch ernsthaft keiner von uns wollen.
Gebucht ist alles, auch für die Großeltern, alle auf einem Flur. Nach her meint der noch, er müsste an unserer Türe horchen und uns, wenn er was hört, verhaften wie er es wohl früher getan hat. Ob er uns jetzt auch als Verbrecher wahrnimmt, weil wir Sex miteinander haben? Ob er viele und die aus Überzeugung verhaftet und damit hinter Gitter gebracht hat? Vielleicht spinne ich jetzt ein bisschen, aber solche Gedanken habe ich seit gestern Abend. Ich bin immer noch der gleiche Roland, der ich all die Zeit für ihn war und er war auch immer sehr nett zu mir, halt so, wie man sich einen Opa wünscht. Klar, manchmal hat man den Expolizisten schon gemerkt, aber es war nie schlimm. Diese Situation belastet mich sehr und ich bin nicht so richtig bei der Sache gewesen heute Morgen beim Training.
Das Duschen mit ihm, meinem Robin, diese Intimität und die Schönheit der gegenseitigen, liebevollen Zärtlichkeiten beim Waschen des anderen, das versöhnt mein Ego wieder mit mir selber. Ich bin halt schwul und in ihn verliebt, das ist mein Leben und wenn Opa nicht klar kommt damit, dann kann er mich am Arsch lecken, obwohl Robin das bestimmt besser und lieber tun wird in naher Zukunft. Also ein Urlaub unter diesen Umständen, mit Opa auf demselben Flur, nee, das geht gar nicht. Vielleicht gibt es für uns ein Zimmer unterm Dach oder wir bleiben einfach hier bei ihm zu Hause.
„Du bist so abwesend“, sagt Robin und beginnt sich ab zu trocknen. Ich habe nicht einmal gemerkt jetzt, dass er das Wasser abgedreht hat. „Dein Opa spukt dir im Kopf herum, stimmt`s?“, fragt er. „Ja“, sag ich, „das tut er wohl. Ich bin mir nicht im Klaren darüber, wie ich damit um gehen soll. Er war immer voll OK und jetzt?“
„Du musst abwarten, wie es weitergeht“, sagt er, „am besten wird es sein, wir bleiben hier in der Zeit und unternehmen was mit unseren Freunden oder bist du geil auf das Ski fahren?“ „Nein, bin ich nicht unbedingt, obwohl es immer schön war dort“, sag ich, „so mit der ganzen Familie, mein ich. Mal sehen, ob wir sie überreden können, uns hier zu lassen, bei Euch. Ich will keinen Stress und auch keinen Streit in der Familie.“
Wir sind fertig angezogen und gehen rüber zu dem großen Wohnraum, wo Ria schon auf uns wartet. Sie ist mit dem Alwin im Gespräch, der ja auch in ihre Klasse geht und hier der Cheftrainer ist. Der ist echt gut und hat bereits Dan 10 und Leute, die in Bremen und Umgebung Karate machen, kennen ihn. Robin, Kevin, Lex und noch ein paar haben auch bald Prüfung für den ersten Dan. Alwin hat gesagt, die Prüfung ist am Freitag, den 17.12. Abends um 18:30 Uhr in Nordenham, in der Sporthalle Mitte, da müssen dann alle hin, die zur Prüfung angemeldet sind.
Wir brechen auf und fahren zu uns heim.
Papa ist noch nicht zurück und Mama weiß nichts Neues zu berichten. Wir gehen hoch, in mein Zimmer, bis zum Essen ist noch etwas Zeit. Ich zeige Robin Bilder von Berchtesgaden, die ich auf dem PC gespeichert habe. Es ist schon toll dort im Winter und man kann einiges unternehmen. Er schaut schon sehr interessiert und hört mir auch aufmerksam zu, als ich ihm die Bilder erkläre. „Schön ist es da, ich war noch nie in den Bergen, eigentlich auch noch nie in Urlaub.“, sagt Robin jetzt leise, „Der Flug in die Staaten, mein erster Flug überhaupt, war meine erste Reise weg von zu Hause. Halt, stopp, jetzt habe ich geflunkert, ich durfte ja mit auf die Schiffstour nach Dresden und Berlin.“
Und dann erzählt er mir von dieser Tour, mit glänzenden Augen, von dem etwas älteren, aber super tollen Schiff, das „August Remmers“ heißt, von der Fahrt über die Nordsee nach Cuxhaven und dann die Elbe hoch bis nach Dresden, von der Fahrt durch Kanäle, Schleusen und Seen nach Berlin, wo nach Sergejs Familie in Dresden nun auch Jeromes Eltern mit Kevin, Wolfi und dem Cousin Lex an Bord kamen.
Eine tolle Geschichte und dann, sein Gesicht glüht vor Begeisterung, kommt der Kapitän des Schiffes, ein Herr Sundermann ins Spiel und dann, das er mit Herrn Sundermann auf der Brücke war, oft Stunden und das Schiff steuern durfte, er allein. Die Freude, die er dabei hatte, ist für mich real spürbar, er strahlt das Erlebte förmlich aus.
Zum Ende hin teilt er mir dann seinen Wunsch mit, einmal selber Kapitän eines Schiffes zu werden. Dann hält er inne, schaut mich an und sagt dann: „Das blöde an dem Seemannsberuf ist aber, das man oft weg ist von zu Hause, weit weg und auch lange. Ich weiß nicht, ob ich meinen Schatz einfach so lange und so oft alleine lassen könnte.“
Jetzt guckt er ganz traurig, mein kleiner Robin. Ich schlinge meine Arme um ihn, drücke ihn an mich und sage dann: „Es gibt doch bestimmt noch andere Jobs auf so einem Schiff als nur Kapitän. Dann komm ich eben mit, als erster Offizier oder so was.“ Erstaunt sieht er zu mir auf: „Das würdest du tun, mit zur See fahren mit mir?“
„Robin“, sag ich, „ wir sind 16, zuerst müssen wir die Schule zu Ende machen und das dauert noch über 2 Jahre. Wenn wir, was ich mir sehr wünsche, dann immer noch oder erst recht ein Paar sind, müssen wir den Weg in unsere weitere Ausbildung wählen.
Da es aber noch dauert, bis es soweit ist, sollten wir uns auf das hier und jetzt konzentrieren, die jetzt für uns beide anliegenden Herausforderungen meistern und testen, ob unser Zusammensein von Dauer ist. Wenn wir uns sicher sind, einen Partner fürs Leben gefunden zu haben, werden wir auch, wenn es soweit ist, die für unsere gemeinsame Zukunft richtigen Entscheidungen treffen, findest du nicht?“
Das habe ich jetzt aber sehr altklug formuliert, denk ich aber es ist mir halt so aus dem Herzen über die Zunge gesprudelt, ganz einfach, weil ich sooo viel für ihn empfinde. Er ist in wenigen Tagen zum wichtigsten Menschen für mich geworden und ich kann einfach nicht anders, als so zu fühlen.
„Du hast recht“, sagt er, „lassen wir es wachsen, folgen wir unseren Gefühlen, vergessen aber dabei den Verstand nicht und stellen wir uns den Herausforderungen. Zuerst müssen wir uns dann wohl mit dem Opa-Problem auseinander setzen. Wenn dein Vater nichts Neues mitbringt, fahren wir einfach hin zu deinem Opa und konfrontieren in mit uns, Auge in Auge, was meinst d?. Lass uns kämpfen, wir haben nichts zu verlieren.“
Ein mutiger, vielleicht gar nicht so schlechter Entschluss, finde ich. Ob Opa uns seine Abneigung ins Gesicht sagen kann, in Omas Beisein. Ich war immer der Lieblingsenkel, schon, weil ich der jüngste war. Mal sehen, ob wir das so machen, wir warten mal, was Papa erreicht hat. Der Gedanke, es zu tun, ist mir sehr sympathisch, vor allem, da er dann nicht kneifen oder sich raus reden kann, der Vater meines Vaters.
Mein Vater und auch Mama sind beide Einzelkinder, das ist auch ein Grund, dass sie 3 Kinder bekommen haben. Beide empfanden das Dasein als Einzelkind nicht so prickelnd, immer im Focus zu stehen, niemanden zu Hause zum spielen oder zum Ärgern zu haben, einfach bei allem dabei sein zu müssen.
Aus materieller Sicht war es wohl ein Vorteil, nichts teilen zu müssen, aber die Nachteile sind einfach aus der Sicht meiner Eltern wesentlich größer. Ich liebe meine Geschwister sehr mein großer Bruder war immer mein Held, den konnte ich alles fragen, alles. Ria war zum Spielen und zanken da und wir teilen heute noch alles miteinander und vertrauen uns blind.
Wenn wir uns gegen Papa oder Mama verbündet haben, kriegten die nichts aus ins heraus, wir haben uns nie verpetzt, wenn einer was gemacht hatte. Die Ferien und Wochenenden am Spaadener See waren einfach das Beste im Sommer.
Wir fuhren zwar immer noch 2, manchmal 3 Wochen nach Dänemark in ein Ferienhaus, aber den Rest der Ferien waren wir auf dem tollen Campingplatz, oft auch bis in den Herbst an den Wochenenden. Papa und auch Mama fuhren von dort aus zur Arbeit oder Ria und ich waren auch schon öfter mal allein dort über Nacht. Wir hatten, das heißt, wir haben noch jede Menge Bekannte und auch Freunde dort und wenn Robin das auch mag, da draußen zu sein, dann werden wir das auch öfter tun.
Der Wohnwagen ist auch Winter tauglich, obwohl, wenn es richtig Arsch kalt ist, dann macht es keinen Spaß, dort zu wohnen. Es ist kalt draußen und es tanzen ein paar vereinzelte Schneeflocken durch die Luft. Winter ist nur dort schön, wo auch richtig viel Schnee liegt. Hier ist ja meist nur nass und matschig, selten mal weiß und hier an der Küste kommt dann immer noch der steife Wind dazu, der Nässe und Kälte noch schlimmer macht.
Hier ist einfach der Sommer die beste Zeit, im Gebirge wohl Winter und Sommer.
Papa ist noch nicht zurück und Mama wertet das als gutes Zeichen. Ich schneide dann noch mal an, das wir, Robin und ich unter den Umständen lieber hier in Bremerhaven bei Robin bleiben wollen und dann mit unseren Freunden ins neue Jahr feiern wollen.
„Da reden wir dann drüber, wenn dein Vater zurück ist. Morgen sind wir ja bei Robins Mama zum Kaffee und da können wir das ja dann endgültig klären“, sagt Mama, der unser Vorschlag nicht so richtig gefällt. Es ist jetzt eins und das Essen, ein Eintopf steht heute auf dem Plan, ist fertig. „Deck bitte mal den Tisch, mein Junge.“, sagt Mama und ich hole Teller und Löffel aus dem Schrank und verteile alles auf dem Tisch. Jetzt heißt es halt auf Papa warten.
Jerome, Samstag, 11. 12.2010, 14:00 Uhr mit Sergej, Ole und Frank am Esstisch der WG, beim Planen. Mike und Dirk sind auch zurück und sitzen dabei.
Wir haben mal zusammen getragen, wer wann an und über die Feiertage überhaupt anwesend ist, beziehungsweise frei hat. Ole hat eine Liste vorbereitet, in der wir alles eintragen wollen. Da sind zuerst mal die Studenten. Der letzte Vorlesungstag ist der 22.12. und am 03.01.2011 geht es dann auch gleich weiter. Das heißt für mich und Sergej, Ole und Frank, aber auch Wolfi und Paul, dass wir 11 freie Tage am Stück haben werden.
Die Schülerinnen und Schüler sind da doch deutlich besser dran. Der letzte Schultag ist der 21.12. und der 1. Schultag im neuen Jahr ist der 06.01.2011. Hier sind es locker 15 freie Tage.
Die Jungs, die einen Job haben, kommen da nicht annähernd so gut weg.
Tom und auch Micha haben erst ab dem 24.12 frei, müssen dann vom 27.12. bis einschließlich 30.12. arbeiten. Und dann auch ab dem 03.01. im neuen Jahr müssen sie wieder zum Schaffen in den Betrieb, außer sie nehmen Urlaub, was beide wohl nicht wollen.
Kevin, Ralf und auch Enrico haben vom 24.12. bis zum 27.12. Frühschicht, dann bis einschließlich 30.12. Mittagsschicht, 31., 01. und 02. ist frei für sie und ab dem 03. haben sie wieder Frühschicht. Da am 31.12. im Restaurant vom Hilton ein Ball des Arbeitgeberverbandes Bremen stattfindet, muss Enrico am letzten Tag des Jahres zur Vorbereitung eines kalten Buffets von 8 Uhr bis 16 Uhr arbeiten. Dafür bekommt er von Markus Meinle am 25. 12. ganz frei als Ausgleich.
Bei Rolf und auch bei Paolo sind die Betriebe, vom 24.12. bis zum 02.01. geschlossen, so dass sie immerhin 10 freie Tage am Stück haben. Gerry, der ja selbständig ist, hat am 24. 12. bis 14:00 Uhr noch geöffnet und am 31.12. auch. Ansonsten ist das Geschäft an allen Werktagen, außer Montag ganz normal geöffnet. Marvin unten im PC-Laden muss auch bis zum 24.12. um 16:00 Uhr arbeiten, hat aber dann frei bis zum 03.01., da der Laden zwischen den Feiertagen nur drei Stunden am Nachmittag öffnet und das macht Rufus mit seiner Frau und der Sabine selber, da muss kein Angestellter kommen.
Auf Mamas Wunsch hin planen wir jetzt eine große Silvesterparty im Haus in Bremerhaven und Mama hat schon aufgeschrieben, wer denn von den Erwachsenen eingeladen wird. Wir machen für uns einen Plan, werden unten wieder so eine Art Bade und Jogginganzugparty feiern, während die älteren Semester wieder oben feiern werden. Wie immer, geht das dann schon alles etwas durcheinander, schon allein, weil das Futter ja immer oben steht. Wer da nun im Einzelnen kommt, werden wir auch noch raus schreiben müssen, um ein bisschen genauer planen zu können. Eine gemeinsame Fahrt wäre unter diesen Umständen nicht zu Stande gekommen, vielleicht klappt das ja bei frühzeitiger Planung im Sommer mal. Mal sehen, ob ein Kreuzfahrttermin der MS Europa so günstig fällt, dass wir alle teilnehmen können.
Auf Kevins besonderen Wunsch hin werden wir hier im Wohnraum auch einen schönen, echten Weihnachtsbaum aufstellen, den er dann mit Wolfis Hilfe schmücken will und wir überlegen, ob wir am 24. Abends hier zusammen in die Weihnacht hinein feiern wollen und dann am 25.12. jeder zu seinen Eltern oder zu den Familien seines Freundes feiern geht. Das hängt von jedem selber ab und da ist auch jeder frei, auch was den 24. abends angeht, es gibt da kein Muss.
An der Baustelle, gestern nach der Uni war ich mit Sergej, Ole und Frank gucken, geht es voran. Der neue Unterboden aus Beton ist drin und trocknet. Die Dacharbeiten haben begonnen, ebenso das teilweise Aufbringen der Außenisolierung, nach dem die alten Fensteröffnungen von unten hoch bis auf eine Öffnung von zwei Metern Höhe zugemauert worden sind. Auch das große Eingangstor wurde entfernt, teilweise zugemauert und mit einem provisorischen Eingang versehen. Alle erforderlichen Verrohrungen im Boden sind vor dem Betonieren gemacht worden. Es läuft also alles nach Plan, gestützt durch die Trinkgelder, die Mike immer wieder verteilt.
Die neuen Fenster aus weißem Kunststoff sind in Arbeit und sollen Ende nächster Woche bereits kommen. Vier bis fünf Firmen, unter der Leitung von der Firma Stiefel arbeiten an Elektrik, Heizung, Wasser und Abwasser und Dach und Iso, es läuft also ähnlich gut, wie es hier gelaufen ist.
Als Termin für eine Fertigstellung nannte Herr Knauer Papa gegenüber etwa zwei Wochen vor Ostern.
Wir schicken jetzt eine Nachricht rund, die alle über die geplanten Aktivitäten informiert und die natürlich auch jedem unserer Freunde die Möglichkeit einräumt, am 24. Abends hier her zu uns in die WG zu kommen, wenn man die Atmosphäre zu Hause als zu weihnachtlich konservativ ansieht und es lieber jünger hat. Wir werden auf jeden Fall keine Weihnachtslieder singen unter dem Weihnachtsbaum.
Ein paar Filme und fetzige Muke, ein bisschen Alk, wir werden sehen. Drei Paare können dann ja auch hier zusätzlich noch in den freien Zimmern schlafen und hier im Wohnraum auf der zum Teil noch ausziehbaren Riesencouchlandschaft noch mindestens zwei Paare, zur Not auch drei. Wie wir das mit dem Essen regeln, mal sehen, an dem Tag, also am 24.12., sind einige Restaurants und Lieferdienste zu, da heißt es rechtzeitig planen oder selber was machen. Wir setzen eine Frist zur Anmeldung für den 24. auf den 17.12. und für Silvester auf den 21.12. fest, so das noch Zeit zum planen reicht. Je früher sich alle melden, umso besser.
Eine genaue Einkaufsliste machen wir dann, wenn ungefähr klar ist, wer alles kommt. Ole weist in der Nachricht ausdrücklich darauf hin, dass man am 24.12 auch erst später, also nach dem Essen mit der Familie zu Hause hier her zu uns kommen kann. Wir wollen nicht, dass es bei unseren Freunden zu Hause Zoff gibt, weil sie, aller Tradition zum Trotz, den Weihnachtsabend nicht zumindest teilweise mit der Familie verbringen.
Zu Hause bei Remmers war der Abend des 24. eher ruhig. Geschenke gab es erst am Morgen des 25., nach einem gemeinsamen Frühstück und diese Tradition wird auch bei behalten werden, da sind Oma und auch meine Eltern sehr konservativ eingestellt.
Ganz früher war der 24. 12. ein normaler Arbeitstag, dann war irgendwann ab Mittag um 12:00 Uhr frei und erst in den letzten fünf Jahren haben viele Firmen ganz frei gemacht an diesem Tag. Ausnahmen sind immer noch die Geschäfte und Läden, die begehrte Weihnachtsgeschenke verkaufen und bis um 14 oder in Ausnahmefällen gar bis 16 Uhr für die geöffnet haben, die Geschenke auf den letzten Drücker kaufen. So auch der PC-Laden hier unter uns, der bis 16 Uhr geöffnet hat am 24.12. Da läuft immer noch was und das will man ja dann auch noch mitnehmen, wenn man vom Verkauf lebt.
Hier auf dem Hof wird es ja dann spätestens ab 16:30 Uhr ruhig sein, kein Publikumsverkehr mehr.
Montag beginnend wird der Überbau unseres Pools montiert, ein tolles Holz und Glasgebilde, das es uns erlaubt, auch in der kalten Jahreszeit den Pool zu nutzen. Ein Heizsystem sorgt für angenehme Temperaturen im Inneren und da das Wasser mit Erdwärme so wie so immer mindestens 26 Grad hat, können wir jederzeit den Pool nutzen, auch zum Konditionstraining, wenn das Wetter ein Lauftraining unmöglich macht. Der Überbau ist natürlich um einiges größer als der Pool und stößt auf einer Seite an die Garagenfront, in der die Umkleide eingerichtet ist. Das Garagentor wird demontiert und es kommt eine Holz-Glaskonstruktion zwischen Garage und Überbau, so dass es zusammenhängend ist.
Wolfi und Kevin wollten den Überbau bezahlen und dem habe ich dann auch zugestimmt. Sie wollen jetzt, wo sie es können, zeigen dass auch sie gerne zum Wohle aller etwas beitragen möchten.
Für Kevin ist das Gefühl, etwas zurück geben zu können, wohl sehr wichtig und da sie beide es jetzt auch problemlos können, nehme ich das Angebot gerne an. Das gesparte Geld werde ich dann wohl an Alex Brunner geben, zusätzlich zu der vorgesehenen Summe und mit Papa, Natascha, Oma und Frieda werden wir, öffentliche Mittel nicht zu vergessen, diese Station auf den Weg bringen und dem Dr. Alex Operationen hier in Deutschland ermöglichen, deren Kosten dann wohl auch die Krankenkassen übernehmen werden.
Robin, Samstag, 11.12. 21:00 Uhr, mit Roland in seinem Zimmer bei Wegmanns, am PC im Chat mit Winston.
13:30 Uhr ist sein Vater dann heim gekommen und wir haben zunächst mal den Eintopf gegessen. Erst dann hat sein Papa von den Gesprächen mit Opa und Oma berichtet, die wohl sehr schwierig waren, zumindest was den Opa anging. Er sah wohl ein, das es heute andere Zeiten sind, als es sie einst im Nachkriegsdeutschland waren, aber er hat wohl auch gesagt, das er, was das schwule Leben angeht, verdammt viele Dinge gesehen und erlebt hat, die es ihm schwer machen, es bei seinem Enkel zu akzeptieren.
Nach dem Essen, auf Rolands Zimmer, haben wir im Internet recherchiert, wie das alles war im Nachkriegsdeutschland, das die Leute, die das Grundgesetz und andere Gesetze gemacht haben, fromm waren und die Gesetzgebung, schwule Menschen betreffend fast eins zu eins aus dem gerade vergangenen dritten Reich übernommen haben mit Gefängnis, Zuchthaus und Strafen und Verfolgung. Schwule wurden systematisch in den gesellschaftlichen Untergrund gezwungen und offen lebende Schwule suchte man vergebens.
Im Laufe der Liberalisierung in der Bundesrepublik änderte sich auch langsam in den Köpfen vieler Menschen das Verhältnis zur Homosexualität. Die Erkenntnis, das auch Schwule Liebe suchen und nicht nur immer auf Sex aus sind, führte auf Dauer auch zu einer Änderung der Politik in Bezug auf das Schwul sein und so wurde das Gesetz dann 1969 und 1973 geändert und letztendlich dann aber erst 1994, da war Chris schon geboren, wurde der §175 ersatzlos gestrichen. Bis zu diesem Zeitpunkt waren in der Bundesrepublik über 140.000 Männer nach diesem Paragraphen verfolgt und bestraft und somit kriminalisiert worden.
Wir waren erschrocken über diese Erkenntnisse und das sein Opa aktiv an dieser Verfolgung und Verhaftung beteiligt war, war vor allem für meinen Roland kaum zu verstehen.
„Wo wohnt dein Opa?“, fragte ich. „In der Auestraße“, sagte er, „das ist die Deichstraße lang und dann ziemlich am Ende der Hafenstraße rechts rein, noch hinter dem Geestebogen.“ „Sollen wir hin fahren, bringt das was?“, frag ich. „Ich weiß nicht“, sagt er, „es käme auf einen Versuch an. Da wir ja später eh zu euch wollen, könnten wir das machen, aber das ist weit zu laufen.“
„Wir rufen uns ein Taxi“, sag ich, „das wird ja nicht die Welt kosten. Ich bezahle das und von dort zu uns machen wir das auch, Basta. Wir müssen das klären, jetzt und heute.“
Zunächst ziehen wir uns an, hier im Zimmer laufen wir in der neuen Winterunterwäsche rum, dann packen wir ein, was wir bis morgen brauchen, er bleibt über Nacht und ich habe ja noch die ganzen Trainingsklamotten im Rucksack. Fertig gehen wir dann runter und sagen der Mutter, dass wir jetzt zu uns gehen. Das wir mit dem Taxi zu seinem Opa wollen, sagen wir nicht, das erfahren sie ja noch früh genug, falls es zum Streit kommen sollte dort. Unten auf der Straße wähle ich die 40004, Taxi Lloyd und kurz darauf sind wir in einer Creme farbigen Daimler unterwegs in die Auestraße, zu seinen Großeltern, die dort ziemlich am Ende der Straße in einem Haus mit noch 5 Parteien wohnen, das ihnen gehört.
Im Erdgeschoss, rechts, da wohnen sie, sein Opa Werner und die Oma Erna und auf unser Klingeln öffnet sich die Haustüre und auch die Tür zur Wohnung wird von seiner Oma geöffnet. „Hallo, mein Junge“, sagt sie und schaut dann zu mir. „Dir auch ein Hallo, junger Mann. Ich nehme an, du bist der Auslöser für den Zirkus, den Rolands Opa seit gestern hier abhält“, sagt sie, „aber keine Angst, der Kessel hat schon deutlich an Druck verloren und der Verstand scheint sich auch langsam wieder ein zu stellen. Kommt mal rein, ihr beiden.“ „Oma, das ist Robin Wegmann“, sagt Roland jetzt zu ihr, nach dem sie uns in die Küche bugsiert hat, „und er ist mein Freund, das heißt, das wir uns beide ineinander verliebt haben. Das kam plötzlich und es ist auch das erste Mal, dass ich mich verliebt habe und das es ein Junge ist, dafür kann ich nichts.“
„Setzt euch, wollt ihr Kuchen und Kakao?“, fragt sie, „Ich habe im Stillen gehofft, das du her kommst, um mit deinem Opa zu reden. Er ist noch schnell mit dem Hund raus, der musste wohl dringend, aber er wird gleich wieder kommen.“
Sie stellt uns jedem einen Teller mit zwei Stückchen Donauwelle hin, Roland guckt erstaunt, sagt: „Du hast echt damit gerechnet, das ich her komme, Oma?“, und zu mir sagt er: „Das ist mein absoluter Lieblingskuchen, der von Opa übrigens auch.“ Auf das Stichwort Opa hört man den Schlüssel in die Wohnungstüre. Als erstes kommt ein deutscher Schäferhund herein, wedelt wie verrückt mit dem Schwanz und leckt Rolands Hand, die der ihm hinstreckt. Dann kommt er, sein Opa, etwas kleiner als Roland, Statur etwa wie ich und er bleibt auf der Schwelle stehen und sieht uns an, mich vor allem, aber richtig böse guckt er nicht, eher genervt. „Für Karo bin ich noch derselbe Roland, auch wenn ich jetzt schwul bin“, sagt Roland, „Hunde haben offensichtlich doch mehr Verstand als manche Menschen.“ An Opas Gesicht sieht man, das der gesessen hat, der Spruch und auch Oma nickt zustimmend.
„Ich bin mit Robin her gekommen, damit du mir ins Gesicht sagen kannst, was du von mir oder noch besser, von uns hältst“, sagt er zu seinem Opa, „wir haben genug Zeit mitgebracht, um alle deine Argumente gegen mich und unsere Liebe zu hören, die du vor zu bringen hast. Das Schwul sein an sich, ist ja heute, im Gegensatz zu früher, nicht mehr von Gesetzeswegen verfolgt und mit Strafe bedroht .“
Der Roland, er ist mutig, bereit zu kämpfen, für uns, für mich und eigentlich auch für die Familie.
Ich bin jetzt etwas stolz auf meinen Freund, der hier für wahr nicht den Schwanz einzieht und er imponiert mir, wie er dem Opa gegenüber auftritt.
Der knurrt was in seinen Bart und setzt sich dann an den Tisch, mir gegenüber. Roland sitzt am Kopfende auf der Eckbank und Oma setzt sich jetzt ihm gegenüber auf den Stuhl. Sie hat dem Opa keinen Kuchen hingestellt, fällt mir auf.
Opa räuspert sich, schluckt und fängt dann an, zu reden: „ Als dein Vater erzählt hat, das du jetzt wohl einen Freund hast, also wohl schwul bist, war ich geschockt, fühlte mich in eine Zeit zurück versetzt, die ich mehr oder weniger erfolgreich aus meinem Bewusstsein verdrängt habe. Ich war in meiner Zeit als Kripobeamter von 1982 bis 1995 bei der Abteilung Sitte, danach erst war ich bis zu meiner Pensionierung beim Raubdezernat tätig.
Nach dem 1994 der § 175 ersatzlos aus dem StGB. gestrichen wurde, war ja Homosexualität unter Erwachsenen nicht mehr mit Strafe bedroht. In den Jahren davor wurde in vielen Fällen, in denen es sich um Erwachsene handelte, auch nicht mehr ermittelt. Die Arbeit der Sitte beschränkte sich dann überwiegend auf die Szene, die es in allen größeren Städten gab und in der sich sexwillige Männer trafen, um mit anderen sexwilligen Männern zum Teil ausschweifende Orgien zu feiern, alles durcheinander, je wilder, je lieber. Dafür zu sorgen, dass diese Orte und die Orgien nicht von Minderjährigen besucht wurden und auch, zu verhindern, das Minderjährige bei der Produktion von Pornofilmen zum Einsatz kamen, das war unsere Hauptaufgabe geworden und diese besteht zum Teil heute noch.
Der Gedanke, dich in einer solchen Situation anzutreffen, erklärt meine erste Reaktion auf die Eröffnung deines Vaters, was deine sexuelle Orientierung betrifft. Nun, nach zwei Tagen, habe ich erkannt, dass ich nicht so über dich denken durfte, da ich dich ja 16 Jahre kenne und weiß, dass du nicht der Typ bist für ein solch oberflächliches Verhalten. Erfreut bin ich aber über dein Schwul sein nicht und hoffe, dass es sich hierbei um eine Phase handelt, die in absehbarer Zeit vorüber sein wird. Das gleiche hoffe ich auch für den jungen Mann, in den du glaubst, dich verliebt zu haben.“ Er schaut abwechselnd mich und Roland an, der jetzt bei den letzten beiden Sätzen eindeutig Farbe bekommen hat, vor Wut, wie ich annehme.
„Lieber Opa“, sagt Roland jetzt, „es tut mir ja leid, das ich als schwuler Enkel nicht mehr deinen Vorstellungen entspreche. Allerdings haben wir beide nicht vor, irgendwelche alten Klischees zu erfüllen, wir lieben uns halt, so wie es Papa und Mama tun und wie du und Oma euch geliebt habt und es wohl immer noch tun. Nichts anderes haben wir vor. Wir haben Freunde, die auch schwul sind, 8 Paare, die alle nur ihren Partner lieben und nicht durcheinander bumsen. Einige von Ihnen haben mit Eltern, Großeltern und anderen Personen viel Leid erfahren, weil sie schwul sind. Paul wurde vom eigenen Vater fast tot geschlagen, Enrico wurde drei Jahre übelst gemobbt, Kevin und Wolfi wurden sexuell missbraucht, weil sie aus Angst niemandem von ihrem Schwul sein erzählt haben.
Das alles wird uns beiden nicht passieren, wir werden, wenn es klappt mit uns, zusammen bleiben und unseren Weg gehen. Ob es auf diesem Weg auch einen Platz für dich gibt, das hängt von dir ab.
Robins Familie und auch meine zu Hause stehen hinter uns, wollen uns halt glücklich sehen und auch, wenn wir nicht in die von Leuten wie dir verteidigten sogenannten Normen passen, werden wir unser Leben und Lieben nach unserer Vorstellung leben und das werde ich auch ohne den Opa schaffen, der mich für abartig hält. Ich weiß nicht und will es auch nie wissen, wie viele der oft verzweifelten homosexuellen Männer du und deine Kollegen von der Sitte ins Unglück und in den Tod getrieben habt, was ihr natürlich damit rechtfertigt, das die Gesetze halt so waren. Die waren aber in der Zeit des dritten Reiches auch so, dass man millionenfach Menschen umgebracht hat. Ich hoffe für dich, dass die Opfer des § 175, die du hinter Gitter gebracht hast, dich trotzdem nachts ruhig schlafen lassen.
Robin und ich werden nicht mit nach Berchtesgaden fahren, ihr könnt also ruhig wie geplant dorthin fahren. Du brauchst also in deinem Winterurlaub nicht mit zwei schwulen Jungs auf einem Flur zu wohnen und die Gedanken darüber machen, was die zwei denn gerade so treiben. Komm, Robin, wir sind hier fertig. Danke für den Kuchen, Oma, ich rufe dich die nächste Woche mal an. Tschüss und es tut mir nicht leid, das ich schwul bin.“
Er nimmt meine Hand und zieht mich zur Türe und dann sind wir draußen. Er wischt sich zwei Tränen ab, während er ein Taxi ruft. „Das hast du ganz, ganz toll gemacht, Roland“, sag ich und dann schiebe ich ihn in einen Hauseingang. Ich muss ihn jetzt einfach küssen, meinen Helden. Sein Auftreten war einfach Klasse. Jetzt müssen wir nur noch unser Hierbleiben durchsetzen. Mal sehen, wie wir das hinkriegen. Wieder auf der Straße, winken wir dem ankommenden Taxi und sind zehn Minuten später bei uns. Dort wartet eine dicke Überraschung auf mich. Als wir in die Küche kommen, sitzt da……..Oh leck, ich fasse es nicht, …also….
Ole, Sonntag, 12.12.2010 16:30 Uhr in Nordenham, bei Franks Eltern zu Kaffee und so, seine Mama ist auch dabei.
Wir sind hauptsächlich her gefahren, um die weihnachtlichen Aktivitäten zu regeln, also wer wen wann besucht, zum Essen oder Kaffee trinken, halt das übliche, das ja in diesem Jahr erstmalig auch die Familie des Partners mit einbezieht. Das erscheint schon notwendig, um Stress zu vermeiden und den Feiertagsfrieden nicht unnötig zu gefährden.
Franks Mama hat Kuchen gebacken und während der Kaffeetafel erzählen Frank und ich, was es so an Neuigkeiten gibt in unserem Kreis, auch, was so über die Feiertage und den Jahreswechsel denn nun geplant ist.
Das jetzt keine Reise unternommen wird, das alle die Möglichkeit haben, in der Familie aber auch mit den Freunden Weihnachten zu feiern, das gefällt den Eltern aber das war ja schon klar und die große Silvesterfeier bei Remmers finden sie auch OK. Da sind dann alle in der Nähe und nicht irgendwo weit weg, so dass man sich spätestens am 1. Januar im Laufe des Tages sieht und sich ein gutes, neues Jahr wünschen kann. Für viele geht ja dann am 3. Januar, Montags, der Alltagstrott wieder los, Schluss mit feiern. Die meisten Eltern müssen ja dann auch wieder zur Arbeit, wir in die Uni und ab Donnerstag sind auch die Schüler wieder an der Reihe. Auf der Baustelle, so hat Mike erzählt, wird auch an einigen Gewerken, der Heizung und Lüftung zum Beispiel, zwischen den Feiertagen gearbeitet.
Mutsch und Franks Eltern machten ab, das wir am 25. bei Franks Eltern essen und feiern würden und am 26. dann bei uns.
Onkel Jo wird ja in diesem Jahr an Weihnachten und Silvester im Mittelmeer rum schippern mit der Europa, ein Besuch bei uns vor ihrem Urlaub hat wegen eines Schadens am Schiff und der damit verbundenen Verzögerung leider nicht geklappt und nun waren sie bestimmt schon fast in Genua. Ein Leben, das bestimmt viele schöne Seiten hat aber richtig zu Hause waren sie halt nur auf dem Schiff, die beiden. Immer, wenn wir schreiben, Skypen oder telefonieren, machen beide einen glücklichen, zufriedenen Eindruck, es geht ihnen gut und das freut uns natürlich auch sehr. Onkel Jo und auch der Doktor sind echt in Ordnung und sollen glücklich sein.
Mit Leander Seidel und seinem Freund Jochen wollen wir, Frank und ich, uns mal zwischen den Feiertagen treffen. Der Jochen hat noch Resturlaub und auch Leander hat sich zwischen den Tagen frei genommen. Am 2. Januar mit der Frühschicht fängt Jochen dann im Hilton in der Küche an.
Beide haben auch reges Interesse am neuen Verein, wollen das Training mal anschauen. Auf meine Bitte hin werden sie selber aber erst mit trainieren und dem Verein beitreten, wenn der Umbau fertig ist. Unter der WG ist einfach zu wenig Platz zum trainieren, das wird erst besser, wenn die neue Halle genutzt werden kann. Dann will auch der Ulli, Pauls Bruder kommen und sogar Martin und Kai wollen es dann mal probieren.
Mitgliedsanträge auf Fördermitgliedschaft sind auch schon welche eingegangen. Oma, Frieda und Jeromes Eltern waren die ersten, gefolgt von allen Eltern der Jungs und Mädels, die auf der Gründungsversammlung da waren. Der Verein entwickelt sich gut und wenn sich das wirklich so fort setzt, werden wir bis Mai, schätze ich, insgesamt 100 Mitglieder haben. Einmal pro Woche tauschen wir uns aus im Vorstand, besprechen was zu klären ist und es ist bisher reibungslos verlaufen. So langsam macht sich auch innerhalb unseres Freundeskreises ein bisschen Weihnachtshektik breit und das, obwohl ja eigentlich niemand besonders fromm ist. Es geht wohl darum, was man am ersten gemeinsamen Weihnachten seinem Schatz denn nun schenken soll. Das scheint bei fast allen für eine gewisse Unruhe zu sorgen, das ist schließlich eine total neue Herausforderung, die für einige echt schwierig scheint. Auch ich überlege noch, mit was ich meinen Frank denn überraschen will. Ich bin sicher, dass der ein oder andere einen extra für den Karatesport gefertigten Anzug bekommt, der wohl über Alwin bestellt wird. Vielleicht gibt es ja auch noch den ein oder anderen Sportartikel oder Muke auf CD. Mal sehen, zu was ich mich entschließe, Mutsch und Marie bekommen ja auch noch was, selbst für Marvin werde ich ein kleines Geschenk besorgen. Alles in allem habe ich mal 300 – 400 Euro vom Schmerzensgeld eingeplant, um den anderen eine Freude zu machen.
Nach dem meine und auch Paul und Ullis Verhandlungen vorbei sind, steht demnächst, noch vor Weihnachten Noah und Rolfs Verhandlung an, gegen den jungen van Straaten, wegen schwerer Körperverletzung, Trunkenheit am Steuer und Fahrerflucht. Termin ist da der 20.12. um 09:00 Uhr in Bremen am Amtsgericht. Paolo muss, neben Noah und Rolf, als Zeuge hin, weil er und der Lehrling das Auto gefunden haben.
Die Vertretung der Jungs hat Oliver Salm als Freund und Schulkamerad von Ulf Schroer diesem zu Liebe selber übernommen, mit Carl Augusts Einverständnis, versteht sich und die Forderungen der Nebenklage sind auf Grund der Schwere der erlittenen Verletzungen und der feigen Unfallflucht noch um einiges höher, als es bei mir der Fall war.
Da der junge van Straaten sich dann noch so bescheuert verhalten hat den zwei Jungs im Schwimmbad gegenüber, hatten diese eine finanzielle Entschädigung für den Fall einer Nicht Anzeige wegen der schweren Körperverletzung abgelehnt und Anzeige erstattet. Der junge Mann kann sich auf eine saftige Strafe gefasst machen und das der Richter wegen dem nahen Weihnachtsfest weniger gibt, kann ich mir nicht vorstellen. Auch diesen Fall werde ich mit Hilfe von Klaus Becker analysieren und dann eventuell als Grundlage für eine weitere Arbeit an der Uni nutzen.
Bisher habe ich die Entscheidung, Jura zu studieren, nicht bereut und es gefällt mir auch eigentlich ganz gut, auch wenn es viel Lernerei ist. Unser Professor sagt immer. „Man muss nicht alle Gesetze kennen, das ist nicht zu schaffen, man muss aber wissen, wo man es findet, das richtige Gesetz, wenn man es braucht.“
Da ich alle Unterstützung durch die Rechtsabteilung der Firma habe mit dem unendlichen Archiv an Texten zu Recht und Gesetz und auch durch die Anwälte selber, kann ich es, wenn überhaupt, nur selber verbocken, aber das wird nicht passieren. Natürlich sind die Freiräume jetzt geringer, als es zu Schulzeiten der Fall war aber das ist auf Grund der Studienwahl halt so und ich will, wie in der Schule auch, immer mein bestes geben und das in mich gesetzte Vertrauen rechtfertigen.
Frank hat bei BWL schon etwas weniger Arbeit und deshalb nimmt er mir viele Dinge in der WG wie Aufräumen, Bad putzen und auch Wäsche machen ab. Die dadurch gewonnene Zeit widmen wir uns beiden und es ist jetzt echt alles wieder, wie in der ersten Zeit bei uns. Beim Verbrauch der im Internet als Sammelbestellung erworbenen Menge an Kondomen liegen wir bestimmt mit an der Spitze hier in der WG und es ist immer toll, wenn wir richtig los legen, wobei der Verbrauch hier bestimmt einen Vollzeitarbeitsplatz in der Gummiherstellung sichert.
Um 18:00 fahren wir dann wieder zurück, Mutsch nach Bremerhaven, wir beide in die WG, wo wir nach dem Abendbrot mit den anderen Jungs einen Film gucken wollen. Das haben wir so abgesprochen und heute sind Dirk und Mike mit der Auswahl dran. Bei Mike läuft das oft auf einen Horrorstreifen raus, Dirk ist erstaunlicher Weise eher für romantische Filme. Mal sehen, wer sich heute durchgesetzt hat.
Zusätzlich zu den DVDs, die wir in der WG haben, gibt es auch Maxdome, Entertain und Amazon Prime, nicht zu vergessen Sky. Das hat Jerome alles so arrangiert, wie es zu Hause in seinem Zimmer war. Die Kosten werden von den Einlagen finanziert, die jeder jeden Monat hier macht und im Wohnraum steht ein Sparschwein, in das die Nichtbewohner, die hier öfter duschen und mit Essen und Trinken, auch öfter mal ein paar Euro, meist Münzen, rein werfen, um so die Kosten für die Annehmlichkeiten, die sie hier bei uns haben, mit zu tragen. Das klappt echt gut und ist ein Beweis dafür, dass sich unsere Freundschaft bewährt und jeder gern dabei ist.
Diejenigen die etwas mehr haben, stecken auch kleine Scheinchen hinein und um die 120,- Euro, mal etwas mehr oder weniger, ist immer pro Monat in dem Schwein, das ich als der Finanzminister hier über eine Öffnung im Bauch, die von einem Gummistopfen verschlossen ist, am ersten eines Monats entnehme.
Unser monatliches Budget zum Leben ist zur Zeit immer so um 950,- Euro, was davon nicht verbraucht wird, kommt in eine Kasse und wird am Jahresende für die Nebenkosten wie Strom, Wasser und so mit herangezogen. Was dann dafür noch fehlt, wird anteilig auf die Bewohner umgelegt.
Da wir über die Solaranlage auf dem großflächigen Dach Strom ins Netz einspeisen, für den wir Geld bekommen und über die Erdwärme ebenfalls Energiekosten sparen, kommt da nicht soo viel zusammen und das von dem großen Dach aufgefangene Regenwasser wird nach Aufbereitung für die Toiletten, aber auch zum Wäsche waschen hergenommen, was auch wiederum Nebenkosten einspart.
Diese Investitionen beim Umbau lohnen sich auf Dauer sehr und auch die an sich aufwändigen Isolierungsmaßnahmen senken die Betriebskosten nicht unerheblich. All diese Maßnahmen werden auch beim Umbau unserer Sportstätte durchgeführt und werden dort genau so zur sinnvollen Energieeinsparung beitragen. Einige der Maßnahmen sind förderungswürdig und werden vom Land und vom Staat bezuschusst. Das regelt aber alles Herr Knauer und wir brauchen uns um diese Fördermittelgeschichte nicht zu kümmern.
Carl August hat mal zu mir gesagt, wenn du ein Projekt planst, guck das du gute Leute an der Spitze hast. Bezahle lieber etwas mehr, es lohnt sich. Auf längere Sicht ist das Geld für gute Leute ein Garant für ein gutes Ergebnis. Geiz und Billigmentalität fördern nur Pfusch und Fehler, schlechte Ausführung und oft auch kein gutes Material. Gute Arbeit hat zwar ihren Preis, schützt auf Dauer aber vor Pannen, Ausfall und Ärger und unnötigen Folgekosten.
Kai, Montagmorgen,09:00 Uhr, bei seinem Anwalt, der ihn sehen wollte, hat Carl August im Auto auf der Fahrt nach Bremen gesagt.
Da sitze ich nun und staune über die Vermögensaufstellung, die der Notar wohl an meinen Anwalt geschickt hat. Dass meine Eltern, oder besser Erzeuger, beim Tode meiner Mutter so viel Vermögen hatten, hätte ich nicht für möglich gedacht. Es waren das große Haus, Geld und einiges an diversen Wertpapieren, Schmuck und Uhren, eine sehr interessante Münzsammlung und verschiedene Elfenbein Schnitzereien indischer Herkunft, 3 Pelzmäntel, Zobel, Nerz und Bisam, alles zusammen für etwa 700.000 Euro. Mein lieber Mann und mich wollte sie mit nur mal 46 000,- Euro abspeisen……so nicht, holdes Schwesterlein.
Meine Mutter war bei ihrer Heirat bei Leibe kein armes Mädel, brachte einiges an Vermögen mit in die Ehe und mein Vater, der auf einer Bank tätig war, vermehrte die Kohle kontinuierlich, ohne das an die große Glocke zu hängen. Ahnen konnte man das, wenn Mama bei bestimmten Anlässen ihre Klunker angelegt hatte und man von Schmuck etwas Ahnung hatte.
Bis zu meinem Hinauswurf nach dem Outing hat es mir nie an was gefehlt und meine Kleider und auch sonst alles war Markenware und immer gut und teuer. 1974, am 04. Januar, wurde ich geboren und 33 Tage nach meinem 17 Geburtstag, ich war nach der Realschule in einer Banklehre, erfuhr mein Vater von einem Bekannten, das dieser mich küssend, mit einem Jungen, der Elmar Weiß hieß, gesehen hat. Daraufhin von meinen erbosten Eltern im Beisein meiner älteren Schwester und ihrem damaligen Freund zur Rede gestellt, gab ich zu, schwul zu sein und auch, mich in Elmar verliebt zuhaben.
Zwei Stunden später, der Freund meiner Schwester hat mit ihr Schluss gemacht, stand ich mit einem Koffer und einem Rucksack mit meinem Fahrrad in der Einfahrt des großen Sechsparteien Hauses und hörte, bevor die Haustüre zu knallte, das ich für immer verschwinden solle und zwar schnellstens. Das Übelste, was er mir ins Gesicht geschrien hatte, war: „Ich hätte dich damals besser an einen Zug gespritzt, dann wärst du heute noch unterwegs.“ Mit solchen Nettigkeiten im Ohr stand ich an dem kalten Februarabend, am 06. 02.1991 da und überlegte, wo ich denn jetzt hin sollte. Ich war halt noch ein knappes Jahr minderjährig, Schwul sein war zu der Zeit immer noch strafbar und Elmar war nicht out zu Hause, was mein Vater bestimmt binnen kurzer Zeit ändern würde.
Wie seine Eltern reagieren würden, er war ein Einzelkind, konnte ich nicht einschätzen und deswegen war der Weg zu ihm wohl auch keine Option. Ein Handy besaß man noch nicht, erst ab 1992, mit dem Ausbau des D2 Netzes begann die Zeit der mobilen Telefone. Also konnte ich, wenn überhaupt, Elmar nur über eine Telefonzelle erreichen und ich hoffte, dass mein Alter da noch nicht angerufen hatte.
Ich machte den mittelgroßen Koffer, der fast nur Anziehsachen enthielt, „den anderen Scheiß kannst du später holen“, auf dem Gepäckträger fest. Fahren konnte ich so nicht, als schob ich, Richtung Bahnhof, das erschien mir als das Naheliegenste, um dort den Koffer in ein Schließfach zu machen.
Dort war dann auch eine Telefonzelle und ich wählte Elmars Anschluss an. Er war es, der abhob und ich schilderte kurz, was vorgefallen war und auch, wer uns verpetzt hatte. Dieser Mann hatte uns beobachtet und hat dann versucht Elmar zum Sex zu überreden, was der vehement abgelehnt hatte. Auf die Drohung, es seinen Eltern zu sagen, hat Elmar ihm mit einer Anzeige wegen dem Versuch, mit ihm Sex zu haben, gedroht. Da Elmar 16 war, also minderjährig, würde er für den Versuch ins Gefängnis kommen. Daraufhin zog er ab und verpetzte mich Tage darauf bei meinem Vater, dieses Schwein.
Elmar war nun aufgeregt, glaubte aber nicht an einen Rauswurf zu Hause, eher an andere Maßnahmen. Zu ihm konnte ich aber nicht, seine Eltern waren fromm und würden dem niemals zustimmen. Ich sagte ihm, das ich wohl versuchen würde, irgendwo in der Verwandtschaft unter zu kommen, bei Leuten, die meinen Vater nicht leiden konnten. Der einzige Onkel, der mir einfiel, war ein katholischer Pfarrer im Münsterland, bei dem wir vor 3 Jahren mal waren und der meinen Vater, der war evangelisch, nicht leiden konnte, weil er meine Mutter auf die lutherische Seite des Götzenkultes gezogen hatte. Die Lehre bei der Bank konnte ich auch gerade knicken, dafür würde mein Alter schon sorgen.
Ich überlegte, ob ich jetzt noch einmal zurück und noch Sachen holen sollte, was vom Münsterland aus wohl nicht so gut gehen würde. Ich hatte noch einen großen Wanderrucksack im Keller, und einiges würde ich da schon noch unterkriegen, außerdem hatte ich mein Sparbuch vergessen, auf dem schon etwas über 3.000 Mark waren, was mir einen Neustart ermöglichen, zumindest aber wesentlich erleichtern würde.
Ich rief also mit dem letzten Kleingeld an und sagte, dass ich noch kurz Sachen holen käme. Den Rucksack packte ich zu dem Koffer ins Schließfach, nach dem ich dicke Wollhandschuhe und eine Wollmütze heraus genommen hatte und fuhr zurück in mein ehemaliges zu Hause.
Nach dem ich aufgeschlossen hatte, verlangte er, der Erzeuger, direkt den Schlüssel und beim Einpacken war er auch dabei. Gepackt war schnell, das Sparbuch verschwand im Rucksack und einen, schon etwas älteren Parka packte ich oben drauf. Dann ging ich und als er Luft holte, um etwas zu sagen, knurrte ich ihn an: „Halt einfach das Maul, ich bin stärker als du und wenn du mich noch einmal beleidigst, hau ich dir in die Zähne.“ Er zog den Kopf ein und trat zur Seite. „Wenn irgendwas negatives kommt oder du den Elmar outest, werde ich der Polizei sagen, das du mich missbraucht hast, also hüte dich. Der Mann, dieser Heinrich, der hat versucht, Elmar mit dem Wissen über ihn zum Sex zu erpressen. Der wird angezeigt, wenn er was sagt und jetzt, aus dem Weg, du guter Vater. Es wird alles auf euch zurück fallen, was ihr getan habt, alles.“
Dann bin ich die Treppe runter.
Sie, die Alte, ließ sich nicht blicken und über die Schulter rief ich ihm zu: „Vielleicht bin ich ja gar nicht von dir, wo ich doch auch schon nicht so mickrig bin, wie du. Kommt gut in die Urne.“ Und raus war ich, ein wenig Stress hatte ich ihnen so bestimmt da gelassen. Von anderen Leuten hatte ich mal gehört, dass meine Mutter wohl nicht soo treu war und dass es fast schon mal zur Scheidung gekommen wäre. Zurück am Bahnhof, nach einer Currywurst mit Pommes, rief ich, jetzt wieder mit Kleingeld versorgt, Elmar noch mal an und sagte ihm, das ich meinem Alten gedroht habe, falls er es wagen sollte, ihn zu outen.
Dann suchte ich in den Fahrplänen nach einer Gelegenheit, von hier aus nach Münster zu kommen, genauer noch nach Paderborn, wo der Onkel als Pfarrer tätig war. Er war jünger wie meine Alten, vielleicht 35 und klein und schlank, in der schwulen Szene würde man “Twink” sagen.
Ich löste am Schalter eine Fahrkarte, fragte nach Anschluss und Umsteigeoptionen und saß dann eine Stunde später im Zug in Richtung Münsterland. In Paderborn kam ich am anderen Morgen um 8:56 an, müde, übernächtigt und hungrig und in einem beim Bahnhof befindlichen Café bestellte ich zunächst mal ein Frühstück.
Ich war damals schon 1,94 m groß und sah ziemlich erwachsen aus, so dass niemand auf die Idee kam, mich zu behelligen. Ich wusste noch, das die Kirche nicht so weit vom Bahnhof weg war und mit dem Koffer auf dem Rad, den großen Rucksack hinten und den kleinen vorn verließ ich den Bahnhof und hielt Ausschau nach dem Tempel, dessen hohen Turm ich in einiger Entfernung sehen konnte.
Also machte ich mich in diese Richtung auf den Weg. Bei unserem ersten und einzigen Besuch hier war ich 14 und nicht so groß und kompakt wie jetzt, aber als der Onkel nach meinem Klingeln öffnete, erkannte er mich sofort und rief erstaunt: „Kai? Junge, wie kommst du denn her und was verschafft mir das Vergnügen? Komm erst mal rein, das Fahrrad stell einfach dort an der Kellertreppe ab, das machen wir später runter in den Keller.“
Er nahm mir den Koffer ab und wir gingen ins Haus, in dem er mit einer Haushälterin, einem Fräulein Gellert, lebte. Diese Haushälterinnen sind die geschlechtslosen Wesen, auf deren Grabstein später steht: „Ungeöffnet zurück“, hat mein Alter immer fies grinsend gesagt. Ich jedenfalls bin froh, dass diese Frau jetzt Kaffee brachte und auch Milch und Zucker. Als sie den Raum verlassen hat, erzähle ich unaufgefordert meine Geschichte, umfassend und wahrheitsgemäß und er unterbricht mich nicht einmal.
„Nun denn“, sagt er, „das du homosexuell bist, ist für dich und deine Familie bestimmt nicht schön und für Christen auch schwer zu akzeptieren. Aus der Bibel geht hervor, dass es Sünde ist und es ist halt nicht einfach so zu akzeptieren. Du hast es dir aber, wie alle anderen Betroffenen wohl auch nicht, ausgesucht und kannst nichts dafür.
Dich aus dem Haus zu werfen, ist keine Lösung. Wenn du mir versprichst, dich keinem Jungen zu nähern und Sex zu suchen, kannst du, zumindest bis zu deiner Volljährigkeit, hier bleiben.
Es ist meine Christenpflicht, dich auf zu nehmen und dafür zu sorgen, dass du zurück auf den rechten Weg findest. Fräulein Gellert wird dir das Gästezimmer oben fertig machen, da kannst du auch dann deine Sachen einräumen, um 12 Uhr essen wir dann hier unten und danach bereden wir dann, wie es weitergeht mit dir.“ „ OK“, sag ich, „Danke zunächst mal, ich wusste echt nicht, wohin. Meine Schwester hätte mich bestimmt auch abgewiesen, denke ich und wo sonst noch Verwandte leben, weiß ich nicht. Ich werde dir nach Möglichkeit nicht zur Last fallen und auch versuchen, einen Ausbildungsplatz oder eine Arbeit zu finden.“
„Gut, dann komm, ich zeig dir alles hier im Haus und bring dich zu deinem neuen Zimmer.“, sagte er und ging vor zur Treppe und dann nach oben.
Philipp, Dienstag, 14.12.2010, um 10:30 Uhr, Chefvisite, das erste Mal in meinem Zimmer, alle sind durch die Schleuse, ein gutes Zeichen.
Mit Mundschutz und auch Überschuhen aus Plastik sind sie heute Morgen durch die Schleuse in meinen sterilen Raum gekommen. Handschuhe tragen sie auch und auch mir hält mein Pfleger Rüdiger einen verpackten, sterilen Mundschutz und Handschuhe hin. Nach dem ich das angelegt habe, reicht mir der Professor nach fast zwei vollen Monaten wieder eine Hand zur Begrüßung und fragt dann, wie ich mich fühle.
„Es geht mir ganz gut, ich habe keine Schmerzen, fühle mich noch etwas schlapp, allerdings kommt durch das Üben mit den Hanteln und dem Expander und durch die Krankengymnastik meine Kraft zurück und das ist gut.“, sag ich und zeige durch das Anspannen des Bizeps, das da wieder Muskeln sind. „Prima“, sagt er, „alle haben mir bestätigt, dass du gut mit machst und die Fortschritte nun auch deutlich sichtbar sind. Das ist sehr wichtig, es macht dir Mut und zeigt uns, das wir auf dem richtigen Weg sind.“ Er fragt jetzt bei meinem Dock die Werte ab und auch die findet er sehr gut.
„Leider wirst du das Weihnachtsfest hier verbringen müssen“, fährt er fort, „das war aber auch bisher nie anders von unserer Seite aus gesagt worden. Wir versuchen, es für euch so schön wie möglich zu machen und was Feines zum Essen wird es dann auch bestimmt geben.“
Nach Fragen, ob es noch etwas gibt, das ich gern hätte hier, um der Langweile Herr zu werden, frage ich, ob es noch jemanden in ähnlicher Lage hier geben würde in der Klinik und wenn ja, ob ich nicht zumindest über die Feiertage hier mit dem Patienten zusammen im Zimmer sein könnte.
Er überlegt und sagt dann zu meinem Arzt und zu Rüdiger: „Der junge Maxi Kling, ist der schon so weit wie Philipp, kann man die zwei unbedenklich und ohne Risiko zusammen legen?“
„Nächste Woche vielleicht, so ab dem 23. 12. müsste es gehen“, sagt mein Dock.
„Ihr könnt euch ja mal über den Laptop anschauen und euch kennen lernen. Wenn ihr dann wollt, legen wir ihn hier her zu dir, den Max.“ „Das wäre bestimmt toll, an den Feiertagen nicht ganz allein zu sein.“, sag ich, hoffnungsvoll. „Rüdiger kann die Daten von Maxi und dir tauschen und dann entscheidet ihr selber, ob es über den Laptop hinaus Kontakt geben soll.“, sagt der Chefarzt, dann lassen sie mich wieder allein. Gleich kommt so wie so die Krankengymnastik, dann habe ich was zu tun.
Allein schon der Gedanke, mit jemanden, der gleich alt ist, hier mal reden zu können, der ist schon toll. Wenn man in der Scheiße steckt, ist man mit wenig zufrieden zu stellen. Ich möchte nicht, das Mama den ganzen Tag da draußen vor der Scheibe sitzt und der Gedanke, sie hier drin zu haben, schreckt mich noch mehr. Ein Besuch, so eine Stunde da draußen, OK, mehr will ich aber nicht unbedingt und vorgelesene Passagen aus der Bibel, von der Geburt des Herrn, der mich schon so früh wieder zu sich holen wollte, auch bei diesem Gedanken bleibt jede Begeisterung aus.
Darüber hinaus steht immer noch die Frage im Raum, ob sie mich ohne Gernots Ultimatum überhaupt hier in die Klinik hätte bringen lassen oder doch lieber dem „Herrn“ im Himmel die Entscheidung über mein Leben oder meinen Tod überlassen hätte. Dieser Gedanke hat sich tief in mir fest gesetzt.
Hätte sie mich echt dem Wohl und Wehe eines Gottes ausgesetzt, so wie Opa es immer wollte. Dann wäre ich jetzt tot und ich frage mich natürlich, wie sie als Mutter zu so was fähig sein kann, ihr Kind einfach ohne medizinische Hilfe seinem Schicksal, in meinem Fall dem sicheren Tod zu überlassen. Ob sie sich über diese Konsequenz jemals richtig im Klaren war, oder hat sie ihrem Vater, dem Pfarrer wirklich vertraut und an ein Wunder geglaubt?
Solche Gedanken sind nicht gut für mich und deshalb werde ich jetzt mal über den Laptop versuchen, diesen Max oder Maxi zu kontaktieren, dem sie ja mittlerweile auch von der Möglichkeit erzählt haben dürften, über Weihnachten nicht allein im Zimmer sein zu müssen. Vielleicht will er auch lieber Gesellschaft an Stelle von Allein sein. Mal sehen, vielleicht klappt das ja, es wäre bestimmt nicht schlecht.
Das Bild, das auf meinem Laptop erscheint, als die Verbindung her gestellt ist, ist mir auf den ersten Blick sehr sympathisch und sein eher zaghaftes „Hi“ beantworte ich mit: „Hallo, Max, ich bin Philipp, liege nicht weit weg von dir seit Wochen allein im Zimmer, so wie du. Wenn du möchtest, legen sie uns in der nächsten Woche zusammen, damit wir nicht mehr so allein sein müssen, speziell über die Feiertage.“ Max ist etwas blass, so wie ich es auch bin, hat ein paar hellbraune Sommersprossen auf Nase und Wangen, aschblonde kurze Haare und blau graue Augen. Ich lächle ihn an und ein zaghaftes Lächeln kommt zurück.
Ich erzähle nun zunächst ein bisschen von mir, wie lange ich schon hier bin und wann ich die Spenderzellen bekommen habe. Dann rede ich von dem Vorschlag des Doktors, uns ab dem 22. zumindest über die Feiertage zusammen zu legen. Aus medizinischer Sicht ist das wohl problemlos möglich, die Entscheidung liegt aber bei uns. Er erzählt dann auch ein wenig von sich, er ist hier aus der Stadt, ist fast 2 Wochen weniger hier als ich, wohl auch, weil bei ihm direkt nach Feststellung der Krankheit gehandelt wurde und dann auch frühzeitig ein Spender zur Verfügung stand. Bei mir war ja vorher, Opa bedingt, noch die Gebets- und Lamentierphase, die mich fast umgebracht hätte.
Er hat, genau wie ich eine jüngere Schwester, aber auch einen um 6 Jahre älteren Bruder, der wohl auch sein Spender war. Ich erzähle ihm, dass ich meinen Spender nicht kenne, dass er aber wahrscheinlich aus dem familiären Umfeld kommt, weil es so schnell ging mit der Spende.
Nun kommt der Therapeut für die KG und wir wollen uns dann um 13:00 Uhr noch mal zum skypen treffen. Für die nächsten 45 Minuten bin ich jetzt beschäftigt, danach gehe ich Duschen und dann kommt das Mittagessen auch gleich. Duschen geht jetzt schon ohne Rüdiger, klappt schon einige Tage allein, ein weiterer Fortschritt, obwohl ich mich an seine Gegenwart im Bad längst gewöhnt hatte. Nackt sein vor ihm war mir nicht mehr peinlich, er war hier für mich einfach da, ohne wenn und aber und seine Anwesenheit bei allem, was war von Anfang an, ist nur am Anfang kurz peinlich für mich gewesen, dann aber war es einfach so, als wäre es immer schon so und nicht anders. Zu Hause war nackt sein vor anderen absolut tabu. Es fand einfach nicht statt und alles, was irgendwie etwas mit Nackt sein oder Sex zu tun hatte, wurde von uns Kindern fern gehalten.
Kaufhauskataloge und Werbung mit Menschen in Unterwäsche verschwanden direkt im Müll, noch bevor sie in unsere Hände gelangen konnten, dafür sorgte Mama schon und in Omas Haushalt gab es so etwas auch nicht.
Wenn Lucas und die Bravo seiner Schwestern nicht gewesen wären, hätte ich mit 13 noch nicht gewusst, wie so ein Busen oder eine Muschi unbekleidet aussehen würden, obwohl ich das jetzt auch nicht gerade soo aufregend fand, wie es Lucas tat. Heute bin ich natürlich schon etwas schlauer, halt durch das Internet. Auch wenn viele Seiten auf dem Laptop durch das aufgespielte Kinderschutzprogramm nicht erreichbar sind, gibt es ja Nischen und Lücken und den Lucas, der da schon weiß, wie man bestimmte Blockaden umgehen kann. Er ist da wesentlich verrückter danach, als ich es bin und ein wenig meldet sich auch gleich immer das schlechte Gewissen bei mir, von wegen Sünde und so. Wenn du jahrelang nichts anderes hörst, als das alles, was mit Nackt sein und Sex zu tun hat, schlecht und schmutzig, eben Sünde ist, dann sitzt das tief und du traust dich nicht richtig, etwas zu machen.
Robin, Mittwoch, 15. 12.2010, morgens um 9:30 Uhr in der Pause mit Roland bei den Anderen.
Wir stehen drinnen, unweit des Kiosk an unseren Stammplatz, wenn kein Wetter für draußen ist. Der Samstag, nach der Opa Aktion, brachte zunächst einen vollkommen unerwarteten Gast, als wir unser Haus betraten. In der Küche saß, Mama, klar wer sonst, aber bei ihr saß, ich konnte es kaum glauben, Kapitän Sundermann, in voller Uniform und strahlte mich an.
Nach einer sehr stürmischen Begrüßung, er zerdrückte mich fast, stellte ich ihm Roland vor und dann setzten wir uns dazu und es wurde viel erzählt. Für dieses Jahr hatte er nun frei, brauchte nicht mehr fort mit der „August Remmers“, die vertäut im Hafen lag und wohl auch jetzt ein wenig überholt und gepflegt werden sollte.
Ich erzählte ausführlich von Amerika, wie es gelaufen ist, von Winston und dem Spiel, von unserer Rückkehr und der neuen Schule und auch von Roland und mir. Als wir von unserem Besuch bei seinem Opa sprachen, meinte dann Mama, das es doch besser wäre, wenn wir beide an den Tagen vom 26.12. an bis zum letzten Ferientag hier bei uns bleiben würden. Sie wollte Morgen, wenn Rolands Eltern zum Kaffee kämen, noch mal mit denen darüber reden. Mama hatte Kaffee gemacht, für uns Kakao und hatte auch Weihnachtsgebäck auf den Tisch gestellt. Herr Sunderman schien ihr zu gefallen und auch der war sehr Charmant Mama gegenüber. Da fiel mir ein, dass ich gar nicht wusste, ob der Kapitän verheiratet war und ich beschloss, Jerome später Mal danach zu fragen, wenn wir im Training waren.
Matze und Chris kamen 14:00 Uhr, um Roland und mich ab zu holen. Auch sie freuten sich, den Kapitän zu sehen, der noch bei Mama blieb, als wir ins Training fuhren. Dort, in der WG erzählte ich Jerome, das Herr Sundermann bei uns ist und fragte auch, ob er wüsste, ob der verheiratet sei.
Jerome lachte über meine Frage, sagte aber dann, dass er seinen Papa fragen würde und mir dann sagen wollte, ob der Kapitän vielleicht noch ledig ist. Später, nach dem Training, erzählte er dann, das Herr Sundermann geschieden ist schon ein paar Jahre, weil die Frau die unregelmäßigen und doch oft auch längeren Abwesenheiten, als er noch ein Containerschiff kommandierte, nicht länger ertragen wollte. Seit der Zeit sei er wieder ledig. Warum mich dieses Wissen jetzt ein wenig froh stimmt, kann ich nicht genau sagen aber als wir heim kommen, ist der Kapitän noch da und er bleibt auch zum Abendbrot und danach. Erst nach 20 Uhr, 2 Flaschen Wein sind leer, verabschiedet er sich, sagt, er meldet sich in den Tagen noch mal und wenn wir, Roland und ich aber Mama auch, ihn mal auf dem Schiff besuchen wollten, wäre das kein Problem. Bevor ich was sagen kann, sagt Mama schon zu. Was geht denn hier ab, denk ich. Mit einem von Chris gerufenen Taxi lässt er sich zum Hafen bringen.
Am Sonntag, nach langem Ausschlafen und gemeinsamen Erlebnis duschen, Wahnsinn, haben wir um 11 Uhr gefrühstückt, mit Matze und Chris und Mama hat gesagt, das sie nichts kocht, sondern jetzt Kuchen backt für heute Nachmittag. Wir haben dann die Zeit, bis Rolands Eltern und Ria kamen, mit Zocken und chatten mit Winston verbracht, der stolz mit teilte, das das Spiel jetzt über 1,8 Millionen mal verkauft ist in den USA und es eine Auflage von 300.000 gibt für nach Europa, je 100.000 in Englisch, spanisch und deutsch. Das hat mich sehr froh gemacht und sorgt auch für viel Geld.
Beim gemeinsamen Kaffee trinken haben wir dann, mit Mamas und Rias Hilfe, aber auch mit Chris und Matzes Unterstützung erreicht, das wir zwei nicht mit nach Berchtesgaden müssen, sondern hier mit all unseren Freunden feiern dürfen. Seine Mama war nicht so wohl bei dem Gedanken, ihren jüngsten Spross hier zu lassen.  Die Erzählung über unseren spontanen Besuch bei dem Opa gab vielleicht den Ausschlag dafür, dass wir hier bei uns bleiben durften ab dem 26.12.
Montag, im Training, habe ich dann Jerome und Ole gesagt, dass Roland und ich jetzt auch mit feiern möchten und das hat sie auch gefreut, vor allem Jerome, der mich geknuddelt hat. Dann hat er gesagt: „Da wird sich meine Mama auch sehr freuen, wenn du bei uns mit feierst. Sie war schon ein wenig traurig, als sie gehört hat, das du weg fahren willst.“
Gestern nach der Schule und auch heute gehen wir zu Roland nach Hause.  Wir üben für eine Mathe Arbeit, die noch einen Tag vor den Ferien auf dem Plan steht. Mit Roland übe ich gern und dann sind ja da noch die Einlagen in Bio, die wir zwischen durch ab und zu haben, das bringt es, Leute, aber so was von.
Das wir jetzt abwechselnd, da wo wir Aufgaben machen, auch übernachten, das hat sich ganz von selbst entwickelt und wenn ich morgens neben ihm oder umgekehrt, er neben mir zum Frühstück erscheinen, wundert sich niemand, nicht bei Körners und nicht bei Wegmanns. Erst, wenn einer von uns allein auftaucht, gibt es erstaunte Blicke.
Die Pause ist rum und da heute Mittwoch ist, fahren wir am Nachmittag mit Ria wieder zum Training. Noch eine Woche, dann gibt es Ferien und dieses Mal kann ich mich auch richtig darauf freuen. Alles ist einfach nur toll.

So, das war 116, ich hoffe es gefiel. Jetzt im Sommer, auch wenn er etwas verregnet ist, über Weihnachten zu schreiben ist manch mal etwas komisch.
Alles Gute, bis Bald…….Niff

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5 Kommentare

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    • Gerd auf 9. September 2017 bei 00:44
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    Spitze,
    und jetzt am Urlaubsbeginn neue Folgen – könnte gar nicht besser sein

    Rating: 5.00/5. From 1 vote.
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  1. hallo hermann, danke für eine weitere folge, die ich hier auch gefunden habe, da ich hier auch geile geschichten lese. ich habe noch gar nicht mit einer fortsetzung gerechnet und ich hoffe auf eine weitere und mehrere folgen recht schnell – danke.

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    • Wulf auf 11. September 2017 bei 13:57
    • Antworten

    das waren ja mal wieder ein paar spannende und schöne Kapitel. Hoffe es gibt bald nachschub 🙂

    lg
    wulf

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    • Andi auf 11. September 2017 bei 19:04
    • Antworten

    Hey Hermann, vielen Dank für die schöne Fortsetzung, macht immer wieder Spaß was von dir zu lesen.

    VlG Andi

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  2. schreibt an 119, muss pit mal nachschub schicken

    lg hermann

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