Ein anderes Leben – Teil 12

Meine Eltern hatten sich ein Taxi genommen, nachdem sie mit Hyun-Woos Mutter ein langes Gespräch geführt hatten. Sie wollten mit Mia am letzten Tag noch einmal mit der Familie verbringen.

Ich dagegen saß geistesabwesend

vor meinem Kaffee und rührte darin herum. Ich hörte nicht zu, was Hyun-Woo mit seiner Mutter redete. Zu sehr machte mir die erhaltene Kurzmitteilung Kopf zerbrechen.

Man war uns also wirklich gefolgt und man wollte nicht, dass mein Vater Young-Sung in der Praxis anstellte. Aber was machte das für einen Sinn, weshalb wollte man, oder besser gesagt, dieser Professor nicht, dass Young-Sung wieder einer geregelten Arbeit nachging?

Etwas griff nach meiner Hand und ich fuhr zusammen. Meine Kaffeetasse kippte um. Mir war wieder schlecht. Würde das nie aufhören? War es wirklich ein Fehler hier her zu kommen?

„Lucas…, Lucas?“

Ich hörte Hyun-Woos Stimme wie durch Watte. Erst als er an meiner Schulter rüttelte sah ich in die zwei verschreckten Gesichtern mir gegenüber.

„Lucas, ist dir nicht gut?“, fragte Hyun-Woo besorgt.

„Oh Gott Kind, du bist ja ganz blass um die Nase, sollen wir einen Arzt holen?“

Erschreckt schaute ich mich um.

„Bitte nicht…! Es tut mir leid Mrs. Lim, dass sie mich so erleben, aber mir wurde und wird hier übel mitgespielt.“

Hyun-Woo sah mich verwirrt und fragend an.

„Ich hoffe ihrer Schwiegermutter geht es bald besser und sie kann dieses Krankenhaus bald verlassen!“

„Danke mein Junge. Ich hoffe nicht, du hast mich damit gemeint, weil ich mich so ablehnend meinem Sohn und dir benommen habe?“

Ich hob abwehrend die Hände.

„Nein, Mrs. Lim, dass dürfen sie nicht denken, bitte nicht.“

„Mutter du siehst selbst, Lucas ist in einer schlechten Verfassung. Ich werde ihn heim bringen.“

„Tu das mein Sohn, wir telefonieren heute Abend.“

„Machen wir“, lächelte Hyun-Woo und gab seiner Mutter einen Kuss auf die Wange.

*-*-*

Die ganze Zeit hatte Hyun-Woo nichts gesagt. Still waren wir zum Auto gelaufen. Nervös schaute ich mich um, ob uns irgendjemand folgte, aber ich konnte niemand entdecken. Trotzdem hatte ich das Gefühl, wir beide wurden beobachtet.

Hyun-Woo öffnete per Funkschlüssel den Wagen und machte mir die Tür auf. Dann lief er auf seine Seite und stieg ebenso ein. Kräftig heulte der Motor auf, als der Wagen vom Parkplatz rollte und zügig ordnete sich Hyun-Woo in den Verkehr ein.

Ich weiß nicht wie lange wir gefahren waren, als Hyun-Woo ruckartig das Lenkrad herum riss und in eine Seitenstraße donnerte. Das ging alles so schnell, dass ich mich gar nicht richtig festhalten konnte und es mich zu Hyun-Woo hinüber drückte.

Ich spürte seine Hand auf meiner Schulter, wie er mich auf meinen Sitz zurück drückte und Gas gab.

„Halt dich fest!“, sagte er nur laut und raste weiter die Straße entlang. Bei der nächsten Kreuzung bog er scharf nach links ab, um bei einer Einfahrt auf der rechten Seite gleich wieder einzubiegen.

Ich hörte die Reifen quietschen und bekam es immer mehr mit der Angst zu tun. Recht dicht sauste die Hausmauer auf meiner Seite an mir vorbei. Als vor uns eine Parkbucht auftauchte, heizte Hyun-Woo hinein, machte eine Vollbremsung, so dass der Wagen mit quietschenden Reifen zum stehen kam.

„Kopf runter!”, rief er und drückte mich nach vorne.

Ich hörte ein Auto vorbei rasen, aber auch meinen keuchenden Atem. Dann spürte ich die Hand von Hyun-Woo, wie er mich sanft hochzog. Er löste seinen Gurt und beugte sich zu mir herüber.

„Es tut mir leid, Lucas…, ich wusste nicht, wie ich unsere Verfolger sonst los werden sollte.“

Also hatte ich mich mit meinem Gefühl beobachtet zu werden nicht getäuscht.

„Und jetzt sag mir bitte, was los ist.“

Ängstlich und auch traurig schaute ich ihn an. Dann streckte ich mich und pfriemelte aus meiner Hosentasche den Umschlag, den man mir im Krankenhaus zugesteckt hatte und reichte ihn ihm, mit zitterten Händen.

„Was ist das?“

„Das…, das hat mir jemand im Krankenhaus… gegeben…“

Hyun-Woo nahm den Umschlag entgegen und öffnete ihn, Kurz lass er die Mitteilung und sah sich das Bild an. Ich hatte die Befürchtung er würde mir zusammen klappen, aber das Gegenteil geschah. Er griff nach seinem Handy, wählte eine Nummer und wartete.

„Hallo So-Woi…, bitte hör mir zu! Ein Notfall! Können wir uns bitte bei deiner Großmutter treffen und bitte Mr. Ri darum, die Wachen zu verstärken… ich möchte das nicht am Telefon sagen… bitte… ja bis gleich!“

Er drückte das Gespräch weg, gurte sich wieder an und startete den Motor.

„Hyun-Woo was ist, was wird aus deiner Großmutter…? Müssen wir deine Mutter nicht warnen?“, fragte ich ängstlich.

„Versuche ruhig zu bleiben Lucas… bitte!“

Er legte den Rückwärtsgang ein und setzte zurück. Ein Wagen, der die Straße gerade durchfuhr, musste in die Eisen steigen, weil wir mit dem unserem Auto, ihm die Weiterfahrt blockierten. Kräftig zog der SUV an und schnell waren wir wieder auf einer der zahlreichen Hauptverkehrsstraßen.

Wenig später fuhren wir auf dieser großen Straße, auf der wir schon öfter zu So-Wois Großmutter unterwegs waren. Plötzlich nahm Hyun-Woo sein Head-Set, legte es an und wählte erneut eine Nummer.

„Mutter? Hier spricht Hyun-Woo… ja… ich weiß! Könntest du mir bitte einen riesen Gefallen tun? Bitte bleibe diese Nacht über bei Großmutter im Zimmer, ich werde dir alles erklären, aber ich kann jetzt nicht! Danke…, danke Mutter, ja versprochen, ich pass auf mich auf… ich muss jetzt Schluss machen… ja… bis später.“

Hyun-Woo drückte das Gespräch weg und wählte erneut eine Nummer.

„Park Min-Chul? Hier spricht Cho Hyun-Woo! Ja, der Freund von Lucas… nein ihm ist nichts passiert, noch nicht…“

Woher hatte Hyun-Woo Onkel Min-Chuls Nummer?

„Ich kann ihnen das am Telefon jetzt nicht erklären… wäre es ihnen vielleicht möglich zu Chung So-Wois Großmutter zu kommen? … Ja danke, sehr nett von ihnen… dann sehen wir uns gleich… ja der sitzt neben mir… einem Moment.“

Hyun-Woo pfriemelte das Head-Set vom Ohr und reichte es mir.

„Dein Onkel möchte dich sprechen!“

 Mit zitterten Händen nahm ich es entgegen und legte es an.

„Onkel Min-Chul?“

„Junge, geht es dir gut?“

„Nicht wirklich…“

„Wo bist du nur da hinein geraten, Großvater hat mir da etwas erzählt.“

„Wenn es das ist, was ich denke, hat mit dem alles seinen Anfang genommen.“

„Gut, ich mach jetzt Schluss und versuche unauffällig das Haus zu verlassen.“

„Okay…“, sagte ich, weil ich nicht wusste, was ich drauf erwidern sollte.

„Wir sehen uns gleich…, versuch ruhig zu bleiben.“

„Werde ich, Onkel Min-Chul.“

Und schon war das Gespräch beendet. Vorsichtig nahm ich das Head-Set ab und reichte es an Hyun-Woo zurück. Er legte es erneut an, aber tätigte kein weiteres Gespräch. Er griff nach meiner Hand.

„Wir schaffen das zusammen!“, meinte er und lächelte mir kurz zu.

Auch ich musste etwas lächeln.

„Das ist eigentlich mein Satz!“

Er grinste, konzentrierte sich aber auf die Straße. Natürlich war mir aufgefallen, dass er mehr als sonst auf die Rückspiegel schaute.

„Sie sie wieder da?“, fragte ich leise.

„Hm?“, fragte Hyun-Woo, „ ach so, nein niemand verfolgt uns. Aber ich werde nachher zur Sicherheit Mr. Ri bitten unseren Wagen nach einem Peilsender zu untersuchen.“

Peilsender, Verfolgungsjagd…, das alles war wie in einem schlechten Film, der sich schon zum zweiten Mal wiederholte. Dachte ich noch, als In-Jook eingesperrt wurde, jetzt ist endlich alles vorbei, ging nun wieder alles von vorne los.

Gut bisher hat noch niemand nach meinem Leben getrachtet. Aber damit zu drohen, es könnte Hyun-Woos Großmutter etwas passieren, ging mir doch schon sehr an die Substanz. Meine Eltern kamen mir in den Sinn.

Wenn Mama davon erfahren würde, müsste ich Morgen mit ihnen nach Hause fliegen. Keine Sekunde länger dürfte ich hier bleiben. Aber ich konnte sie auch nicht anlügen. Verzweifelt schüttelte ich den Kopf.

„Ich versteh das alles nicht…“, jammerte ich.

„Was verstehst du nicht, Lucas?“, fragte Hyun-Woo.

„Ich versteh nicht, warum diesem Mensch so viel daran liegt, dass der Freund von Papa keine Arbeit mehr kriegt, das macht keinen Sinn!“

„Muss es denn einen Sinn haben?“

„Hyun-Woo, ohne Grund wird er doch nicht solche Sachen auffahren, um eine Anstellung verhindern.“

Hyun-Woo zuckte mit den Schultern und setzte den Blinker. Er fuhr die Ausfahrt hinaus und eine weitere viertel Stunde später rollte der Wagen vor dem geschlossenen Tor des Grundstücks von So-Wois Grandma aus.

Anscheinend hatte So-Woi schon angerufen. Anstatt der zwei Personen vom Wachpersonal, befanden sie nun sechs Männer am Tor. Zwei davor und vier drinnen. Sofort kam einer der beiden auf unser Wagen zu gelaufen und Hyun-Woo ließ das Fenster herunter fahren.

„Ah, Mr. Cho, sie werden schon erwartet“, meinte der Mann und gab ein Zeichen.

Sofort setzte sich das Tor in Gang und öffnete sich.

„Danke!“, meinte Hyun-Woo und fuhr langsam durch das Tor.

Mit dieser Geschwindigkeit rollte er weiter bis zum Haus. Überall in irgendwelchen Ecken sah ich Wachpersonal stehen. Das große Haus kam ins Blickfeld und Hyun-Woo ließ den Wagen ausrollen.

Wie immer stand schon Mr. Ri bereit. Hyun-Woo zog das Head-Set ab und stellte den Motor aus. Ohne etwas zu sagen stieg er aus und kam auf meine Seite. Er öffnete mir die Tür und reichte mir die Hand.

„Hyun-Woo ich kann selbst aussteigen“, meinte ich etwas trotz, stellte mich auf den rechten Fuß, um auszusteigen.

Doch schon bei Aussteigen merkte ich, dass meine Beine nicht so gehorchten, wie sie sollten und ich knickte leicht weg.

„“Wie ich mir gedacht habe!“, kam es leicht säuerlich von Hyun-Woo.

Er zog meinen Arm über seine Schulter und half mir die Treppe hinauf.

„Mr. Ri“, meinte er und nickte leicht mit dem Kopf.

„Hyun-Woo…, Lucas, sie werden bereits erwartet“, meinte er nur und lief voraus.

Wir wurden in die Bibliothek geführt, wo mich Hyun-Woo auf einer kleinen Couch niederließ.

„Wäre es möglich eine Decke und einen heißen Tee für Lucas zu bekommen?“

„Ich werde mich darum kümmern… Mrs. Jeong wird gleich bei ihnen sein.“

Und schon waren wir alleine.

„Woher wusstest du, dass ich nicht richtig laufen kann?“, fragte ich.

„Weil ich dich mittlerweile kenne, deinen Körper, wie er auf Stress reagiert und bevor du mir draußen auf den Kies knallst, habe ich dir eben geholfen.“

„Danke Schatz!“

Ich hob die Arme und Hyun-Woo kam zu mir her. Er umarmte mich fest. Hinter ihm öffnete sich die Tür, durch die Mr. Ri eben verschwunden war. Ein Mädchen kam herein, gefolgt von Mr. Ri.

Sie trug ein Tablett mit einem Kännchen und einer Tasse. Mr. Ri dagegen hatte eine Decke über dem Arm. Das Tablett wurde neben der Couch auf einem kleinen Tischchen abgestellt, während Mr. Ri Hyun-Woo die Decke reichte.

Dieser kam zu mir, schlug die Decke auf und legte sie mir über die Beine. Das Mädchen verschwand und Mr. Ri blieb. Dafür kam Grandma Shin-Sook in den Raum. Während sich Mr. Ri und Hyun-Woo verbeugten, wollte ich aufstehen, aber Hyun-Woo hinderte mich daran.

„Bleib bitte sitzen und schone dich, krank bist du nicht zu gebrauchen!“, meinte Hyun-Woo sanft.

„Ich geben deinem Freund recht“, konnte ich Grandma Shin-Sook sagen hören, die sich gerade in einen der Ohrensessel niederließ.

Hyun-Woo reichte Mr. Ri den leicht verknitterten Umschlag, den man mir im Krankenhaus zugesteckt hatte. Wie auch Hyun-Woo lass er die Nachricht, ohne eine Miene zu verziehen. Anschließend reichte er den Umschlag Grandma Shin-Sook.

„Ich hoffe deiner Großmutter geht es wieder besser?“, fragte sie.

Hyun-Woo nickte.

„Ist sie alleine dort?“

„Nein, im Augenblick ist meine Mutter Lim Hae-Soon bei ihr. Ich habe sie bereits verständigt, dass sie bei meinem Großmutter bleiben solle.“

Irgendetwas fiepte an Mr. Ri und drehte sich weg.

„Gut!“, sagte So-Wois Grandma und überlegte kurz, „ Mr. Ri, nehmen sie sich vier Männer und fahren sie ins Krankenhaus. Informieren sie sich, in welches andere Krankenhaus man Hyun-Woos Großmutter unterbringen könnte.“

„Wie sie wünschen, Ceo!“, meinte Mr. Ri und verbeugte sich leicht, „ihr Enkel ist gerade angekommen.“

„Aber…“, wand Hyun-Woo ein, wurde aber sofort von Grandma Shin-Sook unterbrochen, denn sie wusste anscheinend wie ich, dass Hyun-Woo Einwände hatte.

„Deine Großmutter muss aus der Schusslinie und wer auch immer diese Nachricht Lucas zukommen lassen hat, sollte der Wind aus den Segeln genommen werden.“

Darauf erwiderte Hyun-Woo nichts und reichte mir die Tasse Tee.

„Mr. Ri sie reden vielleicht zuerst mit Hyun-Woos Mutter und bringen ihr die Sache schonend bei.“

Wieder nickte Mr. Ri und verließ das Zimmer. Er ließ die Tür offen und aus dem Flur waren Stimmen zu hören.

„Wo sind sie?“, hörte ich So-Wois Stimme.

„In der Bibliothek, bei ihrer Großmutter“, antwortete Mr. Ri.

Wenige Sekunden später kamen So-Woi und Jack herein. Beide begrüßten seine Großmutter kurz, bevor sie sich zu mir wandten. Hyun-Woo teilte ihnen nun mit, was geschehen war. So-Woi und Jack hatten beide Platz genommen.

„Grandma Shin-Sook, entschuldigen sie bitte! Ich habe mir erlaubt, Lucas Onkel dazu zu bitten, denn ich denke, jemand bei der Polizei zu haben, wäre hilfreich“, meinte Hyun-Woo plötzlich, „er wird sicher bald eintreffen.“

„Mach dir keine Gedanken, wir können jede Hilfe gebrauchen und mit Park Min-Chul bleibt es ja in der Familie“, sagte sie lächelnd.

„Ich… ich habe Hyun-Woo schon vorhin gesagt“, meldete ich mich nun zu Wort, „dass alles keinen Sinn macht! Warum will man jemand davon abhalten, der arbeiten möchte.“

„Verletzter Stolz…, angekratzte Image… such dir etwas aus, es gibt viele Gründe“, antwortete So-Woi, „mit einem können wir uns sicher sein, es handelt sich sicher um diesen Professor.“

Mir kam etwas in den Sinn.

„Mein Vater hat mir ein Dossier von Lee Young-Soon gezeigt und da stand drin, weil er dieses neuen Medikament damals genehmigt hatte, trifft in die Hauptschuld. Aber was ich hier in Korea mittlerweile gelernt habe, ist, wenn etwas so Wichtiges beschlossen wird, muss das nicht mit dem Vorgesetzten, also dem Professor abgestimmt werden?“

Bei dieser Frage schaute ich Grandma Shin-Sook an. Sie schien zu überlegen.

„Da ist etwas dran, Lucas. Ich habe bereits Mr. Ri beauftragt, mehr über diesen Professor Kim Byung-Hwan. Aber die ganze Sache zeigte sich als schwierig, Es gibt da einige Stellen, die schützend ihre Hand über ihn halten.“

„Dann hat dieser Arzt Dreck am Stecken und versucht was zu verbergen“, kam es von So-Woi.

„So-Woi, solange wir keine Fakten haben, können wir spekulieren, so viel wir wollen. Aber ich gebe dir Recht, das folgere ich daraus auch.“

Es klopfte und ich zuckte leicht zusammen. Hyun-Woo, der immer noch auf der Lehne neben mir saß, legte seinen Arm um mich.

„Ja, herein!“, rief So-Wois Grandma.

Die Tür wurde aufgezogen und das Mädchen von vorhin kam herein.

„Entschuldigen sie die Störung, aber ein Park Min-Chul wünscht sie zu sprechen, Ceo.“

„Er wird bereits erwartet“, sagte Grandma Shin-Woo.

Das Mädchen verneigte sich leicht und verließ den Raum, um etwas später mit Onkel Min-Chul wieder zurück zu kommen. Grandma Shin-Sook erhob sich, wie die anderen auch. Ich wurde von Hyun-Woos Hand an meiner Schulter daran gehindert.

Die üblichen Begrüßungsfloskeln wurden ausgetauscht und man setzte sich wieder. Hyun-Woo erklärte kurz, was sich genau zugetragen hatte und mein Onkel schaute mich mitleidend an.

Ich senkte den Kopf, weil ich mittlerweile ein schlechtes Gewissen bekam. Ich hatte den Ärger und die anderen wurden mit hinein gezogen.

„Nachdem Lucas Großvater mir von der Sache erzählt hatte, habe ich mir erlaubt, Informationen über diesen Kim Byung-Hwan einzuziehen. Was mir dabei aufgefallen ist, er ist mit seinen knapp vierzig noch recht jung, für diese Professorenstelle am Krankenhaus. Dies ist eigentlich nur möglich, wenn man sehr viele Beziehungen hat.“

„Der ist jünger als Papa?“, fragte ich und Onkel Min-Chul nickte.

„Zudem habe ich vorhin eine Nachricht von einem Kollegen bekommen, da heißt es, dass dieser Professor Kim gute Connections zu der Pharmaindustrie hat. Auch ist der Name der Witwe des verunglückten zweiten Arztes gefallen. Sie scheint recht wohlhabend zu sein, seit ihr Mann verstorben ist.“

Ich merkte Onkel Min Chul war sehr gut informiert, nicht nur aus den Erzählungen Großvaters. Meine Eltern kamen mir wieder in den Sinn.

„Ähm… bevor wir irgendetwas entscheiden oder machen, hätte ich noch eine Bitte!“, meinte ich.

„Abgelehnt!“, kam es lächelnd von So-Woi.

„Jetzt lass ihn doch ausreden“, flüsterte Jack ihm zu, zwar leise, aber wir verstanden es alle.

So-Wois Grandma grinste.

„Würdet ihr bitte meine Eltern da heraus halten, denn wenn sie das erfahren, sitze ich morgen im Flieger und muss mit nach Deutschland zurück.“

Die anderen schwiegen.

„Ich kann das nicht versprechen, werde es aber versuchen“, sagte mein Onkel neben mir.

„Für uns ist das nicht so schwer, wie für deinen Onkel, aber wir werden es auch versuchen“, meinte So-Woi und seine Großmutter und Jack nickten.

Mein Blick fiel auf Hyun-Woo.

„Ich habe deinem Vater versprochen, sollte etwas vorfallen, soll ich ihn sofort informieren…, du warst dabei!“

„Aber du…“

„Lucas, bis jetzt habe ich ihm noch nichts gesagt…, ich habe lediglich deine Onkel zu Rate gezogen!“

Er lächelte, als er dies sagte.

*-*-*

Am Abend hatte mir Hyun-Woo, irgendein Kräutergebräu verabreicht, dass er von So-Wois Grandma erhalten hatte. Es schmeckte scheußlich, aber er entfaltete seine ganze Pracht, sprich, ich schlief die ganze Nacht durch und stand am nächsten Morgen erholt und frisch am Flughafen.

Natürlich musste ich mir noch einmal die Predigt meiner Mutter anhören ja vorsichtig zu sein und keinen Ärger zu produzieren. Während sie mit Mia dann bei den anderen stand, um sich zu verabschieden, sogar Jae-Joong war gekommen, kam mein Vater zu mir und nahm mich in den Arm.

„Du passt auf dich auf und hörst auf Min-Chul und die anderen. Wir sind zwar nicht die Ärmsten, aber diese Flüge hier her kosten Geld!“

Erschrocken schaute ich ihn an.

„Du weißt…?“

„Ja, ich weiß Bescheid. Dein Onkel hat mir gestern Abend alles erzählt und ich habe nur zu gestimmt, dass du bleiben darfst, weil er persönlich auf dich aufpassen wird!“

„Und Mama?“

„Die weiß von nichts und wird vorerst auch nicht erfahren! Oder siehst du irgendwo dein Gepäck hier?“, fragte er lächelnd.

Ich schüttelte den Kopf und fiel ihm erneut um den Hals.

„Danke Papa!“

„Versprich mir nur gesund zu bleiben, mehr möchte ich nicht.“

„Versprochen!“

„Dann sehen wir uns spätestens Weihnachten wieder!“

„Ich freu mich…“

Er wuschelte mir durch meine Haare.

„Willst du sie wieder färben, oder lässt du dein schwarzes Haar wieder wachsen?“

Er hatte recht, meine Haare sahen komisch aus. Schwarzes Haare mit blonden Spitzen.

„Jemand sagte mir, schwarz stünde mir gut“, antworte ich.

Er grinste nur und nahm seine kleine Tasche wieder auf.

„Dann mal tschüss, mein Großer!“

Er gab mir einen Kuss auf die Wange, was er schon lange nicht mehr gemacht hatte und gesellte sich dann zu Mia und meiner Mutter. Wir standen noch lange an dem Schalter, bis sie nicht mehr zu sehen waren.

Danach verabschiedeten wir uns von den restlichen Familienmitgliedern, die mit zum Flughafen gekommen waren. Während Onkel Min-Chul mit den anderen ging, blieb Jae-Joong bei uns.

„Was steht an?“, fragte er.

Er wusste natürlich nicht, was mittlerweile vorgefallen war und ich überlegte, ob wir ihm etwas sagen sollten.

„So-Woi erwartet uns…, möchtest du mitkommen?“

„Öhm ja…, ich habe eigentlich nichts vor, es ist ja Sonntag. Wichtige Termine stehen erst morgen an.“

„Wichtige Termine? … entschuldige, ich bin wieder zu neugierig“, meinte ich, ertappte ich mich selbst, meinen Wissensdurst zu stillen.

Jae-Joong schaute zwischen mir und Hyun-Woo hin und her.

„Was ist los mit euch? Ihr beide seid mir heute so Ernst, kein Lächeln, jedenfalls kein echtes und eure Augen strahlen nicht wie sonst!“

Bisher hatte man immer das Gefühl, Jae-Joong ist eine Frohnatur und nimmt seine Umwelt nicht so ernst. Das aber zeigte, dass er sehr wohl sein Umfeld sehr genau beobachtete. Ich selbst druckste etwas herum, wollte nichts sagen.

Hyun-Woo atmete tief durch und erzählte, was seit dem Konzert abgelaufen war. Unseren sexuellen Ausflug ließ er natürlich aus. Jae-Joongs Mund stand offen und schaute mich mit großen Augen an.

„Und was jetzt? Geht die Scheiße wieder von vorne los, müssen wir uns wieder Sorgen um Lucas machen?“, waren seine ersten Worte, nach dem erzählten.

Traurig schaute ich ihn an.

„Es tut mir leid, Jae-Joong, wenn ich dir und den anderen so viel Kummer bereite.“

Hyun-Woo wollte etwas darauf erwidern, aber Jae-Joong war schneller.

„Hör auf, Lucas! Mit so etwas brauchst du mir oder uns nicht kommen! Du bist mein Freund! Und klar mache ich mir Sorgen, wenn es dir nicht gut geht, denn du bist der erste Mensch in meinem Leben, der mich richtig ernst nimmt!“

Oh, was hatte ich jetzt angerichtet?

„Ich weiß ja selbst, dass ich eine… naja etwas flapsige Art an den Tag lege und mich keiner richtig ernst nimmt. Das heißt aber nicht, dass ich Menschen, die mir etwas bedeuten nicht genauso respektvoll behandle, wie sie mich behandeln.“

Ich schmunzelte, denn das war schon fast wie eine klitze, kleine Liebeserklärung. Meine Arme um ihn legend, drückte ich ihn kurz fest an mich und flüsterte ihm „danke“ ins Ohr. Wir trennten uns wieder und verließen gemeinsam den Flughafen.

Aus dem Augenwinkel heraus, sah ich ein Mann, der auffallend viel zu uns schaute. Es nervte mich und so beschloss ich, dem ein Ende zu setzten. Ich änderte einfach meine Richtung und hielt auf den Mann zu.

„Lucas…?“, hörte ich hinter mir Hyun-Woo rufen.

Unbeirrt lief ich auf diesen Mann zu. Dort angekommen, schaute dieser recht verschreckt mich an und als ich begann ihn zu beschimpfen, schrumpfte er vor mir zusammen. Während Jae-Joong mich nur mit Mühe von dem Mann wegzerrte, entschuldigte sich Hyun-Woo mehrfach bei dem Mann.

„Lucas, komm wieder runter, du bist ja völlig kirre!“, meinte Jae-Joong.

Er hielt mich immer noch fest, denn meine Gegenwehr war immer noch groß. Zu sehr nahm mich das Ganze mit. Wurde ich jetzt paranoid? Plötzlich hatte ich das Gefühl, jeder würde mich anstarren.

Mit Mühe öffnete Jae-Joong die Wagentür und drückte mich auf den Rücksitz. Er zog an Sicherheitsgurt und gurtete mich an, bevor er die Tür schloss. Er selbst rannte auf die andere Seite, stieg ein und setzte sich zu mir.

Zur gleichen Zeit war Hyun-Woo gekommen und startete den Wagen. Zügig fuhren wir davon. Mein Kopf schaute sich in alle Richtungen, ob nicht doch ein Wagen uns folgte, bis plötzlich Jae-Joong seine Hände um mein Gesicht legte, hielt es fest.

„Hör auf!“, sagte er gereizt und sah mir dabei tief in die Augen.

Hyun-Woo telefonierte schon wieder, aber ich verstand nicht, was er sagte.

*-*-*

Um mich herum war alles still. Langsam öffnete ich meine Augen und nahm eine fremde Umgebung war. Mein Kopf schnellte hoch. Ich lag in einem karg eingerichteten Schlafzimmer, das ich nicht kannte.

Wo war ich? Ich richtete mich auf und lauschte, aber nichts war zu hören. Ein leichtes Ziehen im Arm lies mich hinunter schauen und ich entdeckte ein Pflaster am Arm. Plötzlich kam die Erinnerung zurück.

Wir waren in So-Wois Wohnung zurück gefahren, wo mich schon ein Arzt erwartete und mir eine Beruhigungsspritze verpasste. Danach konnte ich mich an nichts mehr erinnern. Ich stand auf und lief zur Tür.

Ich öffnete sie und lugte in das dahinterliegende Zimmer.

„Oh, wieder wach?“

Das war So-Woi, der auf einer großen Couch saß und irgendwelche Papiere auf dem Schoss hatte. Diese legte er neben sich und stand auf.

„Wo bin ich?“

„In Hyun-Woos Wohnung.“

„… Hyun-Woos Wohnung? Wo ist Hyun-Woo?“

„ Er ist mit Jack und Jae-Joong in seine alte Wohnung gefahren, um die wenigen Sachen und Möbel einzuladen, damit die Wohnung weiter vermietet werden kann.“

Viel konnte es nicht mehr sein, denn er hatte ja schon bereits den Großteil, als er bei So-Woi das Zimmer bezog, abgeholt.

„Aha…“, meinte ich, weil ich wieder einmal nicht wusste, was ich darauf sagen sollte.

Kopfkratzend schaute ich mich um.

„Möchtest du etwas trinken?“, fragte So-Woi und hielt auf die offene Küche zu, die neben dem Wohnzimmer war.

Ich nickte ihm zu. Verwirrt beobachtete ich ihn. Zielstrebig lief er zum Kühlschrank und öffnete diesen. Aus den gut gefüllten Fächern zog er einen Krug heraus. Wie lange hatte ich geschlafen?

Was hatte ich verpasst. Ich schaute mich weiter um und konnte einige Sachen aus Hyun-Woos obigem Zimmer entdecken. Von mir sah ich nichts. So-Woi forderte wieder meine Aufmerksamkeit ein, als er das Glas Wasser vor mir abstellte.

„Wie geht es dir?“, wollte So-Woi wissen.

„Kann ich dir nicht sagen…, etwas verwirrt bin ich, weil ich das hier“, ich ließ meinen zeigende Hand durch den Raum wandern, „nicht kenne. Sind meine Sachen auch irgendwo?“

So-Woi ließ sich auf die Couch fallen und begann zu lachen.

„Warum lachst du jetzt?“

„Weißt du, wie goldig du und Hyun-Woo seid? Du machst dir Gedanken, ob Hyun-Woo dich in der Wohnung haben will und Hyun-Woo macht sich Gedanken darüber, ob du bei ihm einziehen willst. Ihr solltet dringend miteinander reden!“

Verlegen kratzte ich mich am Kopf und ließ mich auf einer der Sessel bei So-Woi nieder. Das Glas stellte ich auf dem kleinen Tisch vor mir ab.

„Du scheinst viel Arbeit zu haben…“, sagte ich und zeigte auf die Papiere, die neben So-Woi und auf dem Tisch verteilt waren.

„Bürokram, um den sich hoffentlich bald Hyun-Woo kümmern kann“, entgegnete So-Woi, „das ist nicht wirklich meine Welt!“

„Glaube ich dir gerne. Weißt du, ob hier irgendwelche Sachen sind, die ich anziehen kann, mir ist etwas kalt…“

„Oh, entschuldige Lucas! Hyun-Woo hat extra Sachen für dich heraus gelegt, Moment ich hole sie dir.“

Bevor ich etwas sagen konnte, war er aufgesprungen und in dem Zimmer verschwunden, aus dem ich gekommen war. Es dauerte auch nicht lange, da erschien er wieder, mit meinem Jogginganzug, schön gestapelt mit Socken oben drauf.

Er reichte sie mir und ließ sich wieder auf seinen Platz nieder.

„Danke“, meinte ich und begann mich anzuziehen.

„Was würdest du von einer direkten Verbindung zwischen den beiden Wohnungen halten?“, fragte So-Woi plötzlich.

„Direkte Verbindung…?“, fragte ich überrascht, „ich kenne nicht mal die Wohnung.“

Bisher hatte ich nur den Raum, in dem ich schlafen hatte und diesen Wohnbereich gesehen. Aber es gab wesentlich mehr Türen und wenn sie nur annähernd so groß war, wie oben bei So-Woi waren diese Räume nicht klein.

„Ja, wir haben vorhin schnell gemerkt, dass es nervig ist, immer mit dem Aufzug hin und her zu fahren, da kam mir die Idee, eventuell mit einer Wendeltreppe die beiden Wohnräume miteinander zu verbinden.“

„Wenn es eure Privatsphäre nicht stört…, du weißt, wie ich auf Aufzüge zu sprechen bin, ich laufe lieber die Treppe auf und ab!“

„Ja ich weiß, ich habe deine Reaktion oft genug gesehen…“

„… und trotzdem benutzen wir immer den Aufzug…“, lächelte ich gequält.

Vom irgendwoher waren Stimmen und Gelächter zu hören. Eine der Türen öffnete sich und Jae-Joong kam ins Sichtfeld. Er trug ein Regal, dass er stöhnend einfach mitten im Raum abstellte.

Ihm folgte Hyun-Woo, der einen viel zu großen Karton trug. Ohne zu sehen, wo er stand ließ er die Kiste zu Boden sinken. Zu guter Letzt kam Jack herein, der einige Tüten in seinen Händen trug.

„Lucas, du bist wach?“, kam es von Hyun-Woo, der gleich zu mir kam, als er mich entdeckte.

„Ja und ich war etwas überrascht in einem fremden Bett aufzuwachen“, meinte ich und stand auf um ihn zu umarmen.

„Entschuldige, aber der Arzt meinte, du bräuchtest völlige Ruhe, da haben wir uns entschieden, dich hier unten ins Bett zu bringen. In deinem Zimmer hättest du uns immer noch gehört.“

„Und wie bin ich hier runter gekommen?“

Hyun-Woo grinste und schaute zu Jack.

„Er hat dich herunter getragen“, antwortete So-Woi, ebenso grinsend.

„Lass uns den Rest hoch holen“, meinte Jae-Joong, „bevor ich keine Lust mehr habe.“

„Noch mehr?“, meinte ich erstaunt.

„Du weißt gar nicht, was in so ein kleines Zimmer alles hineinpasst“, sagte Jae-Joong und lief hinaus.

Hyun-Woo wurde rot und folgte ihm.

*-*-*

Ich saß in meinem Zimmer und legte meine Sachen in den Koffer. Nach einem langen Gespräch hatten mich alle überzeugt zu Hyun-Woo in die Wohnung zu ziehen. Anfänglich hatte ich Bedenken So-Wois Gefühle zu verletzten, wenn ich ihn nun alleine ließe, aber dieser versprach hoch und heilig, dass dies nicht der Fall sein würde.

Zudem war ich ja nicht aus der Welt. Und der Bau der Wendeltreppe sollte bald möglichst in Auftrag gegeben werden. So war dies schon der zweite Umzug, seit ich in Korea war. Es klopfte und Hyun-Woo kam herein.

„Wie geht es dir?“

„Relativ gut“, antwortete ich.

Er setzte sich neben mich.

„Dein Onkel will nachher noch vorbei schauen…“

Ich ließ den Wollpullover auf meinen Schoss sinken, den ich gerade in den Händen hielt und ließ den Kopf sinken.

„Es… es geht mir nicht gut… Hyun-Woo. Das alles hier ist mir zu viel, es wächst mir über den Kopf. Ich weiß nicht damit umzugehen.“

Hyun-Woos Gesichtsausdruck wurde traurig.

„Willst du lieber hier bei So-Woi wohnen bleiben?“

„Das meinte ich nicht…, ich meine das mit dem Professor. Mir wird gedroht, das jemand Schaden nimmt, wenn ich die ganze Sache mit Young-Sung nicht abblase, dabei habe ich mit der Sache nicht mal was zu tun. Ich steh lediglich als Eigentümer des Hauses auf den Papieren…“

War da eine Erleichterung in Hyun-Woos Augen zu erkennen? Er griff nach meiner Hand.

„Es tut mir leid, Lucas, dass du so viel Ärger hast, seit du hier in Korea zu Besuch bist. Ich hoffe immer, dass du nicht einen allzu schlechten Eindruck hast…, verübeln würde es dir keiner.“

„Das Land ist schön und ich hoffe ich werde noch viel zu sehen bekommen. Beängstigend ist eher, was Leute hier für kriminelle Energien an den Tag legen.“

Hyun-Woo nickte.

„Zuhause wir es nicht anders sein, nur bekomme ich da es nicht so hautnah mit…, sehe es vielleicht im Fernsehen, weit weg von mir. Aber hier bekomme ich es am eigenen Körper zu spüren, es ist alles Realität. Du sagtest, du möchtest nie einen Zusammenbruch von mir erleben und langsam wird das zum Dauerzustand… und du meintest auch, irgendwann werde ich Schaden davon tragen.“

Dicke Tränen rannen über meine Wangen. Hyun-Woo zog mich zu sich und ich legte meinen Kopf auf seine Schulter. Seine Hand streichelte mir durch mein Haar.

„Du möchtest heim…“, hörte ich seine tonlose Stimme.

Mein Kopf fuhr hoch und mit verweinten Augen schaute ich ihn geschockt an.

„Nein…! Will ich nicht, ich will bei dir bleiben…“, sagte ich mit weinerlichen Stimme, „… ich…, ich will nur, dass das aufhört. Ich kann nicht mehr und weiß auch nicht, wie ich den Umstand ändern soll.“

Hyun-Woo kullerte eine einzelne Träne über die Wange.

„Es tut mir so leid, Lucas, dass ich dich nicht besser beschützen kann.“

„Nein, bitte tu das nicht…, du bist immer für mich da, hilfst mir so gut du kannst, wie es dir möglich ist. Ich fühle mich bei dir wirklich richtig wohl und geborgen…“

*-*-*

Als ich das nächste Mal erwachte war es spät am Abend. Hyun-Woo schien im Wohnbereich zu sein, von dort kamen Geräusche. Ich schälte mich mühsam aus dem Bett und wechselte das Zimmer.

Es sah nun viel wohnlicher aus. Regale waren mit Büchern gefüllt, hier und da stand etwas als Dekoration. Ich wunderte mich wie vorher das alles in Hyun-Woos kleine Einzimmerwohnung gepasst hatte.

„Hallo“, meinte ich und kratze mich am Kopf.

Hyun-Woo, der in irgendetwas vertieft war schaute auf. Augenblick änderte er diesen Zustand und kam zu mir.

„Du siehst besser aus, das schlafen tut dir richtig gut.“

„Danke, so fühle ich mich auch. Zumindest meine körperliche Energie scheint zurück gekehrt zu sein, im Kopf herrscht aber immer noch Chaos.“

Zärtlich legte Hyun-Woo seine Hand auf meine Wange und sein Daumen streichelte sanft über meine Haut. Ich lächelte.

„Egal was kommt, Lucas, ich halte immer zu dir und bin immer für dich da!“

Dann beugte er sich vor und gab mir einen Kuss.

„Danke…“

Das drückte zwar schon wieder auf die Tränendrüse, aber ich versuchte mich zu beherrschen.

„Ähm… hast du etwas dagegen, dass meine Mutter vorbei kommt und heute Nacht hier schläft?“

Entsetzt schaute ich ihn an.

„Hyun-Woo, es ist deine Mutter und deine Wohnung, warum sollte ich da etwas dagegen haben?“

„Ich meine… ja nur, wenn es dir nicht gut geht…, ob du überhaupt Gesellschaft erträgst?“

„Das ist ja wohl egal, es ist immerhin deine Mutter!“

„Mir ist es nicht egal, denn mir liegt dein Wohl am Herzen!“

Lange schaute ich ihn an.

„Wie gesagt, mir macht das sicherlich nichts aus und ich finde es lieb von dir, dass du dich so um mich sorgst. Aber sag mal, wolltest du nicht, dass deine Mutter bei deiner Großmutter bleibt?“

„Mr. Ri ist sehr verlässlich, denn meine Großmutter wurde schon in ein anderes Krankenhaus gebracht.“

„… es ist Sonntag…“, meinte ich verwundert.

Hyun Woo nickte und ein Gong war zu hören.

„Ist sie das schon?“, fragte ich leicht panisch, mir bewusst, dass ich hier nur in Shorts und Shirt saß.

„Ich weiß es nicht“, antwortete Hyun-Woo und stand auf.

„Dann geh ich mal mir etwas anziehen, so will ich deiner Mutter nicht entgegen treten.“

„Wieso? Ich finde dich so ganz süß und du brauchst dich sicher nicht zu verstecken. Ich habe mir übrigends erlaubt, deine Sachen in den großen Schrank im Schlafzimmer einzuräumen.“

Auch ich erhob mich, während Hyun-Woo an die Sprechanlage lief. Schnell war ich im Schlafzimmer und schloss hinter mir die Tür. Ich ging zum Schrank und öffnete die erste Tür. Fein säuberlich war alles eingeräumt.

Wann Hyun-Woo das eingeräumt hatte, war mir ein Rätsel, ich hatte es auf alle Fälle nicht mitbekommen. Mein Blick fiel auf den Jogginganzug, aber schnell war mir klar, dass ich vielleicht etwas besser angezogen sein sollte.

So wählte ich eine Jeans und ein Hemd. Vorsichtig zog ich die Hose heraus, um diese heilige Ordnung im Schrank nicht durcheinander zu bringen. Ich öffnete eine weitere Tür, denn ich konnte meine Hemden nicht finden.

Diese Fächer schienen Hyun-Woo zu gehören, denn ich kannte keines der Pullover oder Shirts. So schloss ich die Tür und öffnete die Nächste. Hier fand ich meine Hemden, aufgehängt auf einen Bügel, neben den Anzügen.

Auch hier war alles, wie mit dem Lineal abgemessen, aufgehängt. Ich entschied mich für das blaugestreifte. Im Nebenraum hörte ich Stimme, so sputete ich mich fertig zu werden. Durch die Verbindungstür betrat ich das Bad und besah mich im Spiegel.

Ich hatte dunkle Ringe unter den Augen und mein Haar stand wie immer in sämtliche Richtungen. Manchmal waren die Gene väterlicherseits nicht vorteilhaft. Ich hatte zwar die schwarzen Haare meiner Mutter, aber eben auch die leichten Locken meines Vaters.

So war es schon immer ein Problem für mich, meine Haare ordentlich, wie Mama immer betonte, hinzubekommen. Ich erwischte mich dabei, wie ich bei Hyun-Woos Mutter Eindruck schinden wollte.

Ich senkte den Kopf und schloss die Augen. Was ist bloß los mit dir Lukas Dremmler, so hast du früher nie gedacht. Ich drehte den Wasserhahn auf und wusch mein Gesicht. Nach mühsamen Kämmversuchen gab ich es einfach auf und beschloss, in den folgenden Tagen, irgendwann zum Friseur zu gehen.

Ich atmete noch einmal tief durch und wechselte wieder in den Wohnraum, wo ich Hyun-Woo mit seiner Mutter vorfand. Beide schauten zu mir, als ich die Tür hinter mir schloss.

„Guten Abend!“, meinte ich und verbeugte mich leicht.

„Guten Abend, Lucas, ich sehe dir geht es wieder besser!“

Ich ging zu ihr hin, streckte, wie gelernt meine Hand aus und verbeugte mich nochmals.

„Danke, Mrs. Lim… und ich wollte mich noch entschuldigen, dass ich mich im Krankenhaus so … komisch benommen habe.“

Ich erhob mich wieder und sah, dass Hyun-Woos Mutter mich seltsam anlächelte.

„Da mir Mr. Ri und mein Sohn alles erklärt hat, gibt es nichts, wofür du dich entschuldigen müsstest…“

Sie ließ meine Hand wieder los.

„… und wie wäre es, wenn du einfach Mutter zu mir sagst, du bist schließlich der Freund meines Sohnes.“

Hyun-Woo strahlte über das ganze Gesicht. Ich wollte etwas darauf erwidern, aber es fiel mir nichts Passendes ein.

„Wie du weißt, hatte ich ein langes Gespräch mit deinen Eltern und dein Vater, ein sehr netter Mann übrigends, hat meine Sichtweise zu Recht gerückt. Er meinte ich verliere keinen Sohn, sondern bekomme einen dazu.“

Verlegen lächelnd und immer noch nicht wissend, was ich darauf antworten sollte nickte ich nur.

„So, aber jetzt genug geredet, ihr habt doch sicherlich noch nichts gegessen und Hunger?“

Erst jetzt bemerkte ich, auf der Küchentheke, die zwei großen Stoffbündel. Passender Weise knurrte jetzt auch noch mein Magen. Hyun-Woos Mutter schnappte sich meine Hand und zog mich Richtung Küche.

Hilflos schaute ich zu Hyun-Woo, der mich aber nur angrinste.

„Du hast es wirklich schön hier mein Sohn, dein Vater wäre echt stolz auf dich, wie weit du es jetzt schon gebracht hast.“

„Meinst du wirklich?“, kam es von Hyun-Woo, der bis jetzt noch nichts gesprochen hatte.

Seine Mutter legte ihre Tasche auf einen der Hocker und begann ihren Mantel auszuziehen. Da ich direkt neben ihr stand half ich ihr natürlich dabei.

„Danke, sehr nett von dir“, sagte sie zu mir und drehte sich zu Hyun-Woo.

„Dein Vater hat immer gesagt, aus dir wird mal etwas Großes. Schade eigentlich, dass er das nicht mehr erleben durfte.“

Sie umrundete die Theke und begann am ersten Stoffbündel oben den Knoten zu lösen.

„Aber… das mit Lucas…?“, sagte Hyun-Woo leise.

Der Knoten war geöffnet und der leichte Seidenstoff glitt an den Seiten herunter. Zum Vorschein kamen mehrere Boxen aus Plastik, jede gefüllt mit Essen. Bei dem zweiten Bündel, gab sie Hyun-Woo dann Antwort.

„Hyun-Woo, dein Vater war ein besonderer Mann. Erinnerst du dich an die zwei Park Brüder in der Nachbarschaft, die das Feld neben unserem besaßen?“

Hyun-Woo nickte. Ich ließ mich einfach auf einen der Hocker nieder.

„Niemand im Dorf wusste, dass sie gar keine Brüder waren.“

„Nicht?“, kam es von Hyun-Woo erstaunt.

„Nein. Durch Zufall hat dein Vater ihre Geschichte mitbekommen, sie außer mir aber nie jemanden erzählt.“

Auch beim zweiten Bündel fiel der Stoff auseinander und ebenso wie zuvor kamen auch hier Plastikboxen zum Vorschein. Wer sollte das alles essen?“

„Nam Kil und Kong Nua sind beide Flüchtlinge aus Nordkorea. Die beiden hatten es geschafft, in die nordkoreanische Armee zu kommen und waren beide an die Grenze versetzt worden. So war es für sie leichter nach Südkorea zu fliehen.“

„Es tut mir leid, ich vergesse immer wieder, dass ihre beider Länder verfeindet sind“, warf ich ein, aber schnell wurde mir bewusst, dass ich ihre Erzählung unterbrochen hatte.

Leicht verlegen sank ich etwas in mich zusammen, aber Hyun-Woos Mutter lächelte.

„… und was hat das jetzt mit mir zu tun?“, fragte Hyun-Woo.

Mrs. Lim schaute ihren Sohn an.

„Die zwei Männer waren nicht nur gute Freunde…, sie waren mehr…, aber weil sie in der Nachbarschaft als Brüder galten, fiel das nie jemandem auf.“

„Und Vater wusste das?“

Mrs. Lim nickte.

„Und es hat ihn nicht gestört?“

Nun schüttelte sie den Kopf.

„Er brauchte etwas Zeit, um sich daran zu gewöhnen, hat aber den beiden nie einen Vorwurf gemacht. Leider sind beide vor kurzer Zeit nach langer Krankheit verstorben. Es waren wirklich zwei sehr freundliche und hilfsbereite Männer.“

„Krankheit…?“, fragte Hyun-Woo nach.

„Unser Dorfdoktor erzählte mir im Vertrauen, dass beide in jungen Jahren irgendetwas giftigen ausgesetzt sein mussten, dass vermutete er auf alle Fälle, denn beide hatten Krebs…“

„Das ist traurig…“, meinte ich nur.

„Auf alle Fälle zeigt es dir, dass dein Vater deswegen nicht böse gewesen wäre… so wie ich… leider.“

„Mutter, bitte…“

„Ja ich weiß, aber Schluss damit, wir wollen etwas essen!“

Wann hatte sie das alles gekocht? Zwischen Hyun-Woos Heimatort und Seoul war es schon ein Stückchen mit dem Zug zu fahren. Ich bewunderte diese Frau schon jetzt. Sie nahm die ersten Boxen und lief zum Kühlschrank, der schon jetzt recht gefüllt war und versuchte alles unterzubringen.

„Wo stehen die Töpfe?“, fragte sie Hyun-Woo.

„In der Schublade unter dem Gasherd“, gab Hyun-Woo zur Antwort.

Ich stellte peinlich fest, dass ich mich hier überhaupt nicht auskannte. So konnte ich nicht mal meine Hilfe anbieten.

*-*-*

Sonst abgefüllt, wie bei Großmutter Kil-Soon, saß ich nun an der Theke. Hyun-Woo war bereits aufgestanden und verräumte das schmutzige Geschirr in der Spülmaschine, während seine Mutter die Reste des Essens verstaute.

Ich war dazu verdonnert worden, still da zu sitzen und nichts zu tun. Hyun-Woo hatte darauf bestanden, hätte ich doch vor kurzem im Krankenhaus so übel ausgesehen. Schonen sollte ich mich und ich wusste jetzt schon, wo Hyun-Woo seine fürsorgliche Art her hatte.

„Du kannst Großmutter jederzeit mitbringen, das Gästezimmer ist groß genug. Sie braucht nicht alleine zu Hause bleiben.“

„Ach was, Sohn. Ihr jungen Leute wollt doch für euch bleiben, da stören doch so Fossilien wie Großmutter und ich nur!“

Hyun-Woo ging zu seiner Mutter und nahm ihre Hände. Mit großen Augen schaute sie ihn an.

„Warum sollte ich euch nicht bei mir haben wollen? Ihr seid meine Familie!“

Es war Hyun-Woo wirklich ernst und ich konnte eine gewisse Traurigkeit in seiner Stimme feststellen. Seine Mutter tätschelte seine Wangen.

„Dazu haben wir immer noch Zeit, erst einmal muss deine Großmutter gesund werden.“

Hyun-Woos Handy meldete sich und er ging dran. Es schien So-Woi zu sein, denn es wurde von oben geredet. Er steckte sein Handy wieder weg und schloss die Spülmaschine.

„Wir sollen nach oben kommen, Lucas. Dein Onkel und Mr. Ri haben anscheinend Neuigkeiten, die interessant für uns sein könnten… Mutter du kommst mit!“

„Ach was Junge, ich mache es mir hier gemütlich und warte auf euch.“

„Mutter es war der Wunsch von So-Woi, dass ich dich mit nach oben bringe!“

Sie schien zu überlegen.

„Gut, aber dann muss ich mich noch etwas zurecht machen“, meinte sie.

„Sie sehen doch gut aus“, rutschte mir heraus und Hyun-Woo musste grinsen.

Verlegen schaute ich zu ihm.

„Du hast dir einen ganz schöne Süßholzraspler heraus gesucht, Hyun-Woo“, meinte sie zu ihrem Sohn, bevor sie sich zu mir wandte.

„Danke Lucas, ich habe schon lange nicht mehr so ein nettes Kompliment bekommen!“

Sie hängte sich bei mir ein und zusammen liefen wir zur Wohnungstür. Eine kurze Aufzugsfahrt später kamen wir bei So-Woi an, wo wir bereits erwartet wurden. Das neben Onkel Min-Chul und Mr. Ri auch So-Wois Grandma Shin-Sook anwesend war, hatte Hyun-Woo nicht gesagt.

Aber er schien es genauso wenig gewusst zu haben, was mir sein verblüffter Gesichtsausdruck verriet. Die üblichen Begrüßungsfloskeln wurden ausgetauscht, wo bei sich Hyun-Woos Mutter und So-Wois Grandma länger unterhielten.

Onkel Min-Chul hatte mich länger gedrückt, war er doch froh, dass ich anscheinend wieder wohlauf war. Auch brachte er Nachtrichten meiner Großeltern mit, die sich anscheinend etwas vernachlässig fühlten, weil ich mich so wenig blicken ließ.

Jack hatte Tee gekocht, den er nun mit So-Woi verteilte. Als alle saßen, begann Mr. Ri zu berichten, was er bis jetzt alles heraus gefunden hatte. Es war wirklich nicht viel, was er heraus bekommen hatte.

Dieser Professor Kim Byung-Hwan schien gut abgeschirmt zu sein. Dagegen konnte Onkel Min-Chul mehr erzählen. Er hatte sich die Mühe gemacht und alte Unterlagen gesichtet. Dabei waren ihm Unregelmäßigkeiten aufgefallen.

„Seine Frau sagte aus, dass ihr Mann so gut wie nie etwas trank“, erzählte mein Onkel über den verunglückten Arzt, der das Mittel verabreicht hatte.

„Im Obduktionsbericht steht nichts vom Alkohol im Blut, dafür aber im Polizeibericht, dass das Auto nach Alkohol gestunken hätte. Man ging davon ein, dass der Fahrer unter Alkoholeinfluss stand und am Steuer einschlief und dann gegen den Baum fuhr, an dessen Folgen er noch am Unfallort starb.“

„Schrecklich…“, meinte Hyun-Woos Mutter.

Er nahm ihre Hand und lächelte leicht unbeholfen.

„Konnten sie mit der Frau sprechen?“, wollte So-Wois Grandma wissen.

„Nein, sie hat jedes Gespräch abgelehnt… am Telefon und auch als ich sie aufsuchte. Aber bei Gesprächen mit den Nachbarn, wo mir die Familie als sehr nett und hilfsbereit beschrieben wurde, erzählten die Nachbarn, dass es seit dem Unfall ihres Mannes Yoon Sang-Ho sehr gut ginge und sie nicht aufs Geld schauen bräuchte. Man vermutete, dass sie entweder eine größere Erbschaft oder eine Lebensversicherung ausbezahlt bekommen hatte.“

„War einer der beiden aus vermögender Familie?“, wollte So-Woi wissen.

“Davon ist nichts bekannt.“

„Für mich sieht das eher wie Schweigegeld aus“, sagte ich.

„Aber über was soll sie schweigen, Lucas. Was ist so brisant, dass man ihr Geldmittel zukommen lässt?“, meinte mein Onkel.

„So brisant, dass man mit allen Mitteln verhindern will, dass mein Vater Dr. Lee Young-Soon einstellt“, antwortete ich.

„Das würde auch bedeuten, dass der Unfall kein Unfall war“, sprach Mr. Ri.

„Was kann Dr. Lee schon tun, wenn er wieder eine richtige feste Doktorstelle hat, es ändert sich doch nur die Bezahlung, zu dem was er jetzt bekommt“, sagte ich.

„Weiß ich nicht“, antwortete Onkel Min-Chul, „aber dies müsste ja heraus zu kriegen sein.“

„Kann es etwas mit dem Arzneimittel zu tun haben?“, legte ich nach.

„Welches Arzneimittel?“, wollte Hyun-Woos Mutter wissen, die bis jetzt nur zugehört hatte.

„Mutter. In dem Krankenhaus, in dem Großmutter bis gestern gelegen hatte, wurde ein Arzneimittel verabreicht, an dem ein Mensch gestorben ist. Der leitende Arzt war der Doktor von dem Lucas gesprochen hat und der Mann, der in seinem Auto gestorben ist, hatte dieses Mittel verabreicht“, erklärte Hyun-Woo seiner Mutter.

„Jetzt wo du das sagst, erinnere ich mich, dass ich gefragt wurde, ob an Großmutter ein neues Kreislaufmittel ausprobiert werden dürfte. Ich habe das abgelehnt!“

Mein Blick wanderte durch die Runde. Hing es wirklich an den Medikamenten?“

„So-Woi, wäre es möglich kurz dein Schlafzimmer zu benutzen?“, wollte So-Wois Grandma wissen, „ich müsste kurz ein vertrauliches Gespräch führen.“

„Aber gewiss, Grandma“, antwortete So-Woi und erhob sich, um sie in sein Schlafzimmer zu bringen.

„Mr. Ri könnten sie nicht diesen Reporter anrufen, sie wissen schon, wen ich meine. Fragen sie ihn, was er über dieses Krankenhaus zu berichten hat.“

„Wie sie wünschen, Ceo!“

Hyun-Woos Mutter schaute mich besorgt an.

„Junge, wo bist du hier nur hinein geraten?“

„Das weiß ich auch nicht. Das passiert mir ständig, seit ich in Seoul bin“, seufzte ich.

Die anderen erhoben sich, während ich neben Hyun-Woos Mutter sitzen blieb undmeinen Tee trank. Gedankenverloren starrte ich ins nichts, bis ich eine Hand an meiner Hand spürte.

„Lucas…?“

Ich schaute auf und starrte direkt in Hyun-Woos wunderschönen Augen.

„Alles klar mit dir?“, wollte er wissen.

„Ja“, nickte ich.

„Pass mir ja gut auf Lucas auf“, mahnte ihn plötzlich seine Mutter.

Ich musste grinsen.

*-*-*

Mr. Ri erzählte später, dass dieses Krankenhaus eng mit der Pharmaindustrie zusammen arbeitete, aber sonst gäbe es keine neuen Erkenntnisse, die sie nicht schon wüssten. Grandma Shin-Sooks Bericht war da schon etwas interessanter, denn sie hatte von ihrem Informant, wie sie ihn nannte, erfahren, dass die Rate der Sterbefälle in diesem Krankenhaus in den letzten zehn Jahren sehr angestiegen sei.

So wurde entschieden, dass Onkel Min-Chul sich der Todesfälle annahm, um darüber näheres zu erfahren. Mr. Ri dagegen wollte mehr über die bestehenden Verträge mit der Farmerindustrie in Erfahrungen bringen.

Jae-Joong und Jack begleiteten mich zu Dr. Lee, damit ich ihn die bisherigen Ergebnisse mitteilen konnte und er mir erklärte, was für ein Unterschied es machte, wenn er in einer richtige Arztstelle arbeiten durfte.

Hyun-Woo schaute mich etwas traurig an, denn er musste mit So-Woi zurück zur Manufaktur, wo sehr viel Arbeit auf sie wartete. Wir versprachen danach zu ihnen zu kommen, um zu helfen.

Ich erwischte mich dabei, dass ich des Öfteren den Kopf nach hinten wandte, um nach Wagen Ausschau zu halten, die uns folgten könnten. Natürlich konnte ich keinen entdecken, aber nervös machte mich das Ganze trotzdem.

Hyun-Woo riet mir mit irgendwelchen Gedanken mich abzulenken, aber dies gelang nicht. Mit gemischten Gefühlen saß ich alleine hinten im Wagen und beteiligte mich nicht am Gespräch, das Jae-Joong und Jack vorne führten.

„Ich hatte gestern Abend noch ein Gespräch mit meinem Vater“, sagte Jae-Joong.

„Und du lebst noch?“, grinste Jack.

„So schlimm ist mein Vater nun auch wieder nicht! Ich heiße ja nicht So-Woi.“

„Ich will So-Wois Vater zwar nicht in Schutz nehmen, aber er führt die Firma doch recht gut, sonst würde es bei Sender so gut laufen.“

„Es arbeiten auch genug Leute dafür, dass es so läuft, wie es läuft.“

„Und über was hast du mit deinem Vater geredet?“

„Über meine Zukunft. Er ist nicht gerade begeistert, dass ich bei So-Woi anfange. Er meinte, das wäre eine ungewisse Zukunft. Er wolle nicht, dass ich ewig an seinem Rockzipfel hinge, wenn es um Geld ginge.“

„Hast du ihn schon irgendwann wegen Geld gefragt?“

„Nein nie, darum kümmerte sich immer meine Mutter.“

„Wie geht es ihr, ich habe sie sehr lange nicht mehr gesehen?“

„Es geht ihr so weit gut, wie es ihr eben in dieser Situation gehen kann. Vater lässt sich überhaupt nicht mehr zu Hause blicken. Dafür macht sie jetzt den Führerschein, um nicht mehr so von Vaters Fuhrpark abhängig zu sein.“

Ich musste schmunzeln. Hatte vielleicht, die Bekanntschaft mit mir und meiner Mutter abgefärbt?

„Freut mich zu hören“, meinte Jack.

Jae-Joong ließ den Wagen ausrollen und stellte den Wagen an den gleichen Platz, wie beim letzten Mal. Auch dieses Mal wollte er beim Wagen bleiben, denn die Gegend hier schien nach wie vor nicht sehr vertrauenswürdig.

Jack dagegen bestand darauf mich zu begleiten. Auf keinen Fall wollte er mich irgendwo alleine hingehen lassen. So stiegen wir gemeinsam aus und ließen Jae-Joong alleine im Wagen.

Ich wollte gerade die Klinke der Tür hinunter drücken, als diese von innen aufgerissen wurde und uns zwei Männer entgegen stürmten. Der eine riss mich um und ich knallte auf den Boden.

Jack reagierte schneller als ich und wich aus. Aber seine Reaktion war noch etwas schneller, denn er holte aus und boxte den Mann, der mich umgerannt hatte, direkt ins Gesicht. Dieser torkelte zwar kurz, wurde aber von dem anderen mit gezerrt.

Beide stiegen in einen Wagen, der Reifenquietschend davon brauste. Jae-Joong war mittlerweile zu mir geeilt und half mir auf.

„Alles in Ordnung, Lucas?“

Auch Jack half mir auf.

„Ja, geht schon, ich habe mich nur sehr erschrocken.“

Als ich wieder auf den Füßen stand, war von dem Wagen nichts mehr zu sehen.

„Diese Idioten, konnten die nicht besser aufpassen?“, meckerte Jae-Joong.

„Egal, ich frag mich eher, was sie hier wollten“, erwiderte ich und lief auf die offene Tür zu.

„Young-Sung!“, rief ich laut, aber bekam keine Antwort.

Ich bekam keine Antwort. Besorgt nahm ich sogar zwei Stufen auf einmal, als wir die Treppe hinauf rannten. Sie knarrte dabei so laut, dass ich es wirklich mit der Angst bekam, dass sie unter uns zusammen brechen würde.

Auf dem oberen Stockwerk angekommen, sah ich, dass Dr. Lees Tür offenstand. Schnell war die Tür erreicht und ich traute meinen Augen nicht. Schwester Duk kniete neben Dr. Lee, der mit blutüberströmten Gesicht auf dem Boden lag.

 

 

 

 

 

 

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1 Kommentar

  1. Huhu, Pit, schön dass das andere leben wieder weitergeht. Und erneut sehr spannend und top geschrieben, freu mich schon auf den nächsten teil.

    VlG Andi

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