Der Mensch ist ein Gewohnheitstier

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, ich bin da keine Ausnahme. Unter der Woche klingelt der Wecker jeden Morgen um 6:30, nach den Nachrichten erhebe ich mich dann von der Schlafstatt, begebe

mich nach dem Füllen des Kaffeeknechts ins Bad, um das morgendliche Duschritual zu zelebrieren. Den Gang aufs Klo erledige ich in der Duschtasse, kommt ja ei in die gleiche Kanalisation. Frisch gewaschen und gekämmt geht es dann über die Küche, der Toaster und der Eierkocher wollen ja auch gefüllt werden.

Auch das Frühstück läuft nach immer dem gleichen Schema ab: auf die erste Toastscheibe kommt Marmelade, auf die Zweite der Imkerhonig meines Nachbarn. Der dritte Toast wird nur gebuttert und mit Salz bestreut und zum mittelhart gekochten Ei, kommt von einem anderen Nachbarn, verzehrt. Das letzte geröstete Weißbrot wird mit Nutella beschmiert und meistens hastig verschlungen, denn wenn der Sport im Frühstücksfernsehen ausgestrahlt wird, haste ich ins Schlafzimmer, um mich fürs Büro fertig zu machen.

Meistens starte ich den Wagen, wenn der Nachrichtensprecher beginnt, die Regionalnachrichten zu verlesen. Wenn dann der Verkehrshinweis einen Stau am nahegelegenen Autobahnkreuz verkündet, biege ich rechts in die Hauptstraße ein, die mich zu meinem Büro in der 20 Kilometer entfernten Kreisstadt führt. An der ersten Kreuzung auf der Strecke, wenn man die beiden Einmündungen zu Bauernhöfen so nennen darf, stehen immer die gleichen Jugendlichen, die auf den Schulbus warten. Nur bei schlechtem Wetter nutzen sie den Unterstand.

Montag, der 31.03.2008, war der Tag in meinem Leben, der den Bruch mit meinen so sehr gehegten Gewohnheiten darstellte. Der Grund war meine Geburtstagsfeier am Samstag vorher.

Irgendwann, kurz vor Mitternacht, kam Chris, blonder Spaßvogel vor dem Herrn und ein sehr guter Freund von mir aus Saarbrücken, auf die bekloppte die Idee, man könne doch die Badesaison eröffnen. Es lag wohl am guten Landbier, dem schon reichlich zugesprochen worden war, aber alle stimmten dem Vorschlag fast begeistert zu und stürmten bei knapp 15° Außentemparatur den Pool im Garten. An Schwimmsachen hatte kein Mensch vorher gedacht und so entschloss man sich kurzerhand zum Nacktbaden. Gut, vier Badehosen hätte ich verteilen können, aber was sollte der Rest machen? Also ließ ich sie im Schrank und verteilte nur die Badelaken, ehe ich auch ins kühle Nass sprang.

16 nackte Männer tollten sich im Wasser und planschten wie die Kleinkinder im Becken. Es kam, wie es kommen musste, mein Burzeltag entwickelte sich langsam aber sicher zur Sex-Party, zur Gangbang, zur Orgie. Aber alle Anwesenden waren ja alt genug und mündige Bürger. Der Jüngste der Partygesellschaft, Marius, der Gartenbauingenieur, war 32 und der Ex von Markus, meinem Anwalt. Wir waren seit seiner Trennung ein paar Mal in der Kiste gewesen und ich habe den Sex mit dem fünf Jahre jüngeren Blonden einfach nur genossen.

Der Austausch diverser Körperflüssigkeiten dauerte bis in die frühen Morgenstunden, es wurde wie wild durch die Gegend gestreift, wenn man das so sagen kann; feste Paarungen gab es nicht, es war das altbekannte „Bäumchen, Bäumchen wechsle dich Spiel“, was da praktiziert wurde. Ich glaube, der Hahn meines Nachbarn krähte schon, als ich zusammen mit Chris endlich ins Bett ging. Marius lag zwar schon drinnen, wir nahmen ihn einfach in die Mitte. Es folgte ein gemeinsames Rührei-Frühstück gegen Nachmittag und nach einem kurzen Dreier auf der Terrasse im Abendrot, wir hatten inzwischen aufgeräumt, ließ ich den Tag mit einem Bier nackt am Pool ausklingen.

Besagter Montagmorgen begann wie jeder Wochenanfang, ziemlich schrecklich! Ich hörte zwar die Nachrichten im Radio, nahm sie aber kaum wahr. Auch das Frühstücksfernsehen bildete keinen großen Unterschied, erst als ich im Wagen saß und der Moderator, nachdem Verkehrshinweis ausgestrahlt worden war, mich auf die aktuelle Uhrzeit aufmerksam machte, fiel es mir wie Schuppen von den Augen: „Scheiße!“ Ich hatte vergessen, auf Sommerzeit umzustellen! Ich war exakt eine Stunde zu spät!

Allerdings schien es nicht nur mir so ergangen zu sein, an der Bushaltestelle stand Johannes, der Sohn meiner Nachbarn und hielt den Daumen raus. Normalerweise nehme ich ja keine Anhalter mit, aber bei dem Sprössling der Schulte-Beckendorfs machte ich eine Ausnahme und hielt an. Er kam angerannt und öffnete die Beifahrertür. „Guten Morgen, Herr Geldermann. Können sie mich in die Stadt mitnehmen?“

„Klar kann ich das! Steig ein, ich bring dich sogar zur Schule.“ Da ich eh schon zu spät dran war, kam es auf den kleinen Umweg nun auch nicht mehr an. Wo war meine Disziplin geblieben? „Aber sag mal, wo hast du eigentlich deine Schultasche? Oder gibt es neuerdings Spinde in der Penne?“

„Ach der scheiß Rucksack! Den hab ich in der ganzen Hektik total vergessen, aber den brauch ich heute eh nicht! Einen Taschenrechner und ‘nen Kuli kann ich mir auch leihen, ich schreib heute Gott sei Dank die letzte Matheklausur meines Lebens.“ Er grinste mich an.

„So schlimm?“

„Schlimmer! Wir haben den alten Grohlmann, ein echter Kotzbrocken.“ Er steckte sich den Finger in den Hals, naja, er deutete es jedenfalls an.

„Herzliches Beileid, den durfte ich schon genießen. Kam damals als frischer Studienrat zu uns. Der hat mich mit seinen Fragen im Mündlichen fast auflaufen lassen.“Ich hielt ihm meine Hand hin.

Er ergriff sie und schüttelte sie kurz. Ein leichter Stromschlag durchfuhr mich bei seiner Berührung, er musste geladen gewesen sein. „Dann sind wir ja Brüder im Leiden!“ Was sollte dieses schelmische Grinsen?

„Wenn du so willst, ja!“ Jetzt grinste ich auch. „Wann kommen eigentlich deine Eltern aus dem Urlaub wieder?“

„Übermorgen. Mama hätte mich ja geweckt, aber mein dämlicher Bruder ließ mich schlafen, das alte Ekel.“ Ich wusste, dass das Verhältnis zwischen dem 18-jährigem und dem vier Jahre älteren Wilhelm nicht gerade das Beste war. Wilhelm war der Hoferbe, er nur der Zweitgeborene und, sehr zur Belustigung seines Bruders, gerade durch die Führerscheinprüfung gefallen.

„Die zwei Tage wirst du auch noch überleben.“

„Denke ich auch. Aber wieso haben sie denn verschlafen? War die Fete so anstrengend?“ Er grinste immer noch.

Hatte man uns gehört oder gar gesehen? Der Pool war zu drei Seiten mehr oder minder geschützt und nur vom Haus her direkt einsehbar und so laut waren wir ja nicht gewesen. Gut, vom Gestöhne mal abgesehen, aber zwischen unseren Häusern liegen gut und gerne 500 Meter. Ich zögerte einige Sekunden mit der Antwort. „Naja, war feuchtfröhlich und unheimlich lustig.“

„Mit Schwimmen um Mitternacht!“ Er lachte mich an.

Hatte er tatsächlich was beobachtet? Das konnte eigentlich nicht sein, hoffte ich zumindest. „Woher weißt du?“

„Naja, ich kam um kurz nach zwölf mit dem Nachtbus aus der Stadt, war mit Freunden erst im Kino gewesen und dann noch kurz im Internetcafé. Als ich ausstieg und nach Hause lief, hörte ich Musik und das Spritzen von Wasser, muss wohl ne richtige Poolschlacht gewesen sein.“ Er grinste mich hämisch an.

Wurde ich bleich? Ich war ertappt. „Naja, es war halt ne ausgelassene Feier.“

„Hauptsache, es hat ihren Leuten Spaß gemacht.“ Was sollte dieser Unterton?

„Doch, Spaß hatten wir.“

„Glaub ich sofort. Darf man hier im Auto rauchen? Vor der Schule geht ja nicht mehr.“ Seit wann rauchte der Kleine?

„Normalerweise nicht, aber … ausnahmsweise … aber asch bitte aus dem Fenster.“ Hatte ich das gerade gesagt? Schon wieder ein Bruch, wo sollte der Tag nur enden?

„Danke. Haben sie mal Feuer?“ Die Strecke wurde kurvenreicher, ich hatte beide Hände am Lenkrad meines Wagens.

„Moment.“ Als ich wieder einen gerade Abschnitt vor mir hatte, griff ich in meine Hemdtasche und reichte ihm das Feuerzeug. Als sich unsere Hände berührten, durchzuckte es mich wieder, diesmal heftiger als beim ersten Mal. Himmel! Was ist mit dir los, Jost? Du stehst doch nicht auf so junges Gemüse, er könnte dein Sohn sein. Konzentrier dich, jetzt kommt die Unfallstrecke.

Ich hörte, wie er den Rauch tief einsog. „Hier, das Feuerzeug.“ Seine Hand ging wieder in meine Richtung. Was machte er denn da? Er steckte es wieder zurück in meine Hemdtasche. Was folgte, war klar! Ein erneuter Stromschlag durchzuckte meine Nervenbahnen, diesmal nah am Herzen. Entweder hatte der Knabe einen Elektroschocker in der Tasche oder ich sollte mal wieder zum Ausspannen in die Sauna. Das konnte echt nicht wahr sein!

Den Rest der Fahrt überlebte ich – Gott sei Dank! – ohne weitere Stromstöße. Nur als er mir beim Abschied die Hand gab und sich brav bedankte, durchzuckte es mich erneut.

Als ich im Büro ankam, funkelten mich die Augen von Claudia Westermann, meiner Sekretärin, erst böse an. „Chef! Wo waren sie? Ich habe mir schon Sorgen gemacht! An ihr Telefon gehen sie nicht und bei ihrem Handy erreiche ich nur die Mailbox.“

Ich tastete in meine Jackentasche. Tatsächlich, der Mobilknochen war nicht an seinem Platz. Was war das für ein beschissener Tag? „Das muss ich zu Hause vergessen haben. Aber jetzt bin ich ja da.“

„Das ist auch gut so. Der Alte hat schon nach Ihnen gefragt. Sie sollen sofort in sein Büro kommen.“

„Was will er denn?“ Normalerweise lässt er mich und meine Abteilung in Ruhe, es sei denn, er hat wieder ein Projekt aus dem Hut gezaubert und will, am besten Vorgestern, einen ausgearbeiteten Finanzierungsplan dafür.

Sie zuckte mit den Schultern. „Das kann ich ihnen auch nicht sagen, ich soll sie sofort zu ihm schicken. Nicht vergessen, ich hab ihm gesagt, sie wären beim Zahnarzt gewesen.“

Ich war erstaunt, sie hatte für mich gelogen. „Warum beim Zahnarzt?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Mir fiel spontan leider keine andere Ausrede ein, warum Mr. Perfect heute unpünktlich ist!“

„Claudia, sie sind ein Schatz. Wenn der Alte gute Laune hat, dann probier ich eine Gehaltserhöhung für sie rauszuschlagen.“ Ich grinste sie an.

Sie schüttelte ihren Kopf. „So, wie der sich angehört hat, wohl eher nicht. Aber egal: Bon Chance!“

Im Vorzimmer vom Alten wurde ich gleich durchgeschleust, es schien also wichtig zu sein. Dem Anklopfen folgte ein kurzes „Herein“, ich öffnete also die Tür und betrat das Allerheiligste. Konrad Schulze-Everding, seines Zeichens alleiniger Inhaber der Everding Bauelemente oHG, telefonierte gerade, anscheinend mit seiner Ehefrau, denn in jedem Satz war so etwas wie: „Ja, Gudrun, wird gemacht.“ Er winkte mich zu sich und bedeutete mir, mich zu setzen. Was für ein merkwürdiger Tag!

„Geldermann! Wo waren sie heute Morgen?“ Er hatte sein Telefonat mittlerweile beendet.

Ich legte alle Unschuld, die ich hatte, in meine Stimme. „Beim Zahnarzt, aber das hat ihnen doch Frau Westermann sicherlich erzählt. Was gibt es denn so Wichtiges?“

„Also, wie sie ja wissen, hat meine Frau bald Geburtstag. Eigentlich wollte ich sie zu ihrem 60.sten mit einer Kreuzfahrt überraschen, aber gestern habe ich erfahren, was sie sich tatsächlich wünscht.“ Er blickte mich fast hilfesuchend an.

Ich zog meine Augenbrauen hoch, das konnte nur teuer werden. „Und was wünscht ihre Gattin sich?“

„Ein Labyrinth!“ Er atmete deutlich höher war aus.

Ich war perplex, was war das für ein verrückter Tag! „Ein Labyrinth?“

Er seufzte und fasste sich ins schlohweiße Haar. „Ja! Sie will ein Labyrinth und den Rasen hinter unserem Haus in einen englischen Landschaftsgarten umgestalten. Ich glaube, ihre dämliche Schwester hat ihr diesen Floh ins Ohr gesetzt. Sybille ist ja mit diesem englischen Dandy verheiratet, der sein Lebtag noch nie gearbeitet hat.“

Die Grasfläche hinter der Fabrikantenbehausung hatte die Ausmaße von knapp drei Fußballfeldern, ab und an stand mal ein Baum oder Strauch vereinzelt herum, alles in Allem sehr pflegeleicht. Ich räusperte mich. „Und wie kann ich ihnen dabei helfen?“

„Geldermann, erstens will ich wissen, wie viel ich auf dem Konto habe und zweitens, sie haben doch da diesen Landschaftsgärtner an der Hand, der ihren Garten gemacht hat.“ Das war also der Grund, warum ich an Ort und Stelle war.

Ich blickte meinem Chef direkt in die Augen. „Auf ihrem Privatkonto sind knappe 180.000, ein Drittel davon in flüssigen Mitteln. Ich nehme ja nicht an, sie wollen ein Stück von der belgischen Schokolade naschen?“

Seine Gesichtszüge wurden leicht panisch. „Um Gottes Willen! Nie und nimmer!“ Das Kakaoprodukt war der Deckname für Geld, das, sagen wir es so, nicht der unmittelbaren Gewalt des deutschen Fiskus unterworfen war.

Ich grinste ihn an. „Dachte ich mir. Ich werde dann gleich Herrn Tenhagen anrufen und fragen, ob er den Auftrag übernehmen kann. Ich nehme mal an, so günstig wie möglich, also nicht mehr als 20?“

Erleichterung machte sich auf seinem Gesicht breit. „Geldermann, ich sehe, wir verstehen uns. Sie kümmern sich persönlich um die Angelegenheit, alles andere kann zurückgestellt werden. Ich will mit der Umsetzung nichts zu tun haben, das ist nichts für mich grobschlächtigen Bauern. Sie als … äh, sie haben doch das passende Händchen für sowas. Ich will heute noch Ergebnisse sehen.“

„Aber der Monatsabschluss?“

„Geldermann! Da drücken sie doch eh nur ein paar Tasten auf ihrem Rechner und schon ist das Dingen fertig. Sagen sie mir jetzt nicht, dass das Arbeit wäre!“ Da war es wieder, dass alte Vorurteile, unter dem jeder Buchhalter zu leiden hat.

„Alles klar, dann hat jetzt das Projekt … Greystoke absolute Priorität.“ Warum fiel mir ausgerechnet jetzt Tarzan ein?

Zurück in meinem Büro, brauchte ich erst einmal einen Kaffee. Man sah die Neugier in Claudias Augen, als sie mir den Türkentrank servierte. „Na? Kriege ich mehr Geld?“

Ich schüttelte den Kopf. „Daran ist im Moment nicht zu denken, leider. Der Alte hat gestern erfahren, was ich sich seine Frau zum Geburtstag wünscht. Und das ist nicht gerade wenig, wenn man das so sagen kann.“

Sie lachte. „Naja, die Chefin hatte ja immer schon einen, sagen wir, außergewöhnlichen Geschmack. Wenn ich da an das italienische Cabrio von vor zwei Jahren denke, dass sie eine Woche später in den Graben gesetzt hat.“ Sie kicherte wie ein Schulmädchen. „Die Geschichte mit der Kuh, der sie angeblich ausweichen musste, habe ich nie so richtig geglaubt.“

Ich musste grinsen, allein die Reparatur des Ausweichmanövers verursachte Kosten im vierstelligen Bereich. Danach wollte sie in den Wagen jedoch nicht mehr einsteigen, der Verkaufsverlust war enorm. „Jaja, freie laufende Kühe sind beide uns auf dem Land ja keine Seltenheit. Aber es gibt heute eine kleine Programmänderung: Wir fangen jetzt schon an und fahren den Monatsabschluss, heute Nachmittag bin ich in geheimer Mission unterwegs.“

Meine Schreibkraft war zwar erstaunt, dass sah man ihrem Gesicht an, sagte aber nichts dazu. „Wie sie meinen. Dann werde ich mir jetzt mal die Daten aus der Lohn-Buchhaltung holen, damit wir vor der Mittagspause fertig sind.“

Zwar dauerte es bis halb eins, bis ich das Ergebnis auf dem Rechner hatte, aber ich lag noch gut in der Zeit. Mit Marius hatte ich am Vormittag telefoniert und mich mit ihm zum Mittagessen verabredet, das Projekt Greystoke musste ja besprochen werden. Zuerst war er über die mögliche Mehrarbeit nicht gerade erfreut, aber da der Rat der Stadt über den Auftrag für den Generationenpark noch nicht entschieden hatte, war er froh, seine Leute beschäftigen zu können. Nach einer italienischen Teigscheibe und einem Glas Chianti entschlossen wir uns zu einem sofortigen Lokaltermin, um die Gegebenheiten zu inspizieren.

Der Landschaftsplaner war mehr als zufrieden, das bisherige Aussehen des Everdingschen Gartens ließ sich ohne weiteres in einen Landschaftsgarten englischer Prägung integrieren. Er würde sich sofort an die Pläne machen und mir heute Abend Bericht erstatten. Ich sollte die Sauna schon mal vorheizen.

Nachdem wir uns verabschiedet hatten, blickte ich auf die Uhr, wir hatten kurz nach Drei. Ich überlegte, was ich machen sollte. Ich könnte zwar zurück in die Firma, entschied mich dann aber doch, entgegen meiner sonstigen Gepflogenheiten, für Feierabend, schließlich würde am heutigen Abend für meinen Brötchengeber tätig werden müssen. Jedoch rief ich meinen Chef an und gab ihm brav das Zwischenergebnis durch, er war hellauf begeistert, zumal wir wahrscheinlich den Kostenrahmen nicht erreichen würden.

Auf der Fahrt nach Hause hielt ist erst einmal an der nächsten Drogerie, meine Melkfettvorräte bedurften dringend einer Auffüllung. Die Kassiererin wunderte sich zwar, sagte aber nichts und gab mir brav mein Wechselgeld heraus. Im Supermarkt nebenan war Sekt im Angebot, eine Kiste Freixenet Carta Nevada Semi-Seco wanderte in meinen Kofferraum. Bier hatte ich ja noch.

Die letzte Station der Einkaufstour war mein Nachbar und Eierlieferant Schulte-Beckendorf. Das letzte Ei hatte ich heute Morgen zum Frühstück verspeist, ich hätte am Freitag doch gleich eine ganze Stiege nehmen sollen und nicht nur eine Halbe.

Ich fuhr auf den Hof und der Jungbauer kam mir entgegen. „Hallo Wilhelm, hast du noch ein paar Eier für mich?“

Er grinste. „Herr Geldermann, sie werden lachen! Ich hab so viele, ich muss sie sogar verkaufen. Wie viele sollen es denn sein? Sechs, wie immer?“

Ich nickte. „Denke mal, damit komme ich für die Woche aus. Hab ja keine Frühstücksgäste mehr.“

Während er den 6er-Träger holte, kramte ich nach dem Geld. Der Austausch, Geld gegen Ware, verlief schweigend. „Sonst noch was?“

Ich schüttelte den Kopf. „Nein Danke, jetzt habe ich alles. Und? Wie fühlt man sich so als Herrscher auf dem Hof?“

Er zuckte mit den Schultern. „Herrscher? Wenn dann einer ohne Volk! Mein dummer Bruder treibt sich ja lieber in der Weltgeschichte rum, anstatt hier mit anzupacken, wo Papa im Urlaub ist. Der schafft es ja nicht einmal, sonntags die Hühner zu füttern, obwohl er es versprochen hatte. Wie soll der nur was aus seinem Leben machen, wenn er heute schon so unzuverlässig ist?“ Hatte ich jetzt den Senior oder den Junior vor mir? Er klang wie sein Vater!

Ich zog die Augenbrauen hoch. „Naja, er macht gerade Abi. Da hat man den Kopf voll anderer Dinge.“

Er wiegelte ab. „Mag ja alles sein, aber deshalb braucht man nicht erst am Sonntag um Sechs in der Frühe mit verdreckten Hosen nach Hause zu kommen, als hätte man sich besoffen in den Graben zum Schlafen gelegt. Dann pennt er bis in die Puppen und verschwindet, ohne ein Wort der Entschuldigung, und treibt sich dann bis zur Tagesschau wieder in der Weltgeschichte rum. Wenn sie mich fragen, mit dem stimmt hier oben was nicht.“ Er tippte sich an die Stirn. „Ich hoffe aber für ihn, er übernimmt heute Nachmittag den Hofladen, sonst …“ Er ballte die Faust.

Halt! Hier stimmte tatsächlich was nicht. Nach eigener Aussage war er mit dem Nachtbus um Mitternacht hier angekommen und für den Kilometer zwischen Bushaltestelle und dem elterlichen Hof braucht man, auch wenn man angetrunken ist, maximal zehn Minuten. Wenn Johannes tatsächlich erst um sechs Uhr auf dem Hof ankam, wie Wilhelm sagte, was hat er dann in der Zwischenzeit getrieben?

Meine grauen Zellen arbeiteten angesträngt und spulten die Feier am Samstag noch einmal im Schnelldurchgang ab. Ich ahnte nichts Gutes! Die Wasserschlacht begann gegen Zwölf, dann folgten die zwischenmenschlichen Interaktionen in wechselnden Konstellationen unter erheblicher Ausschüttung von Testosteron und anderen androgenen Hormonen am Pool und auf der Terrasse. Was meinte Marius, als wir nach dem Fick am Pool leicht zitternd bei einem Bier am Pool zusammensaßen? „Aufräumen können wir nach dem Aufstehen, komm jetzt ins Bett, du kleines Fickloch!“

„Ist ihnen nicht gut? Sie sehen plötzlich so blass aus, Herr Geldermann.“

Diesmal winkte ich ab. „Ich glaube, mir ist wohl das Mittagessen auf den Magen geschlagen. Ich leg mich wohl besser etwas hin.“ Schnell zahlte ich die Hühnerprodukte und verließ den Hof.

Nachdem ich die Einkäufe verstaut hatte, starrte ich geistesabwesend auf den Pool. Wenn ich Eins und Eins zusammenzählte, kam ich immer zu dem gleichen Ergebnis: der Abiturient war ein kleiner Spanner! Erst hatte er die nächtliche Aktion in Augenschein genommen und wohl auf eine Fortsetzung am Sonntag gehofft. Das würde dann auch zu dem Nachmittagsprogramm passen, dass Wilhelm beschreiben hatte.

Ich ging in den Garten und suchte nach Spuren. Erst konnte ich nichts Verdächtiges entdecken, aber auf dem Rückweg sah ich abgeknickte Zweige eines Rhododendrons. Ich schaute genauer nach, unter dem Schutz der Blätter hatte es sich wohl jemand gemütlich gemacht, die Erde war aufgewühlt und man sah etliche Zigarettenkippen. Er hatte von dieser Position aus sowohl den gesamten Poolbereich als auch die Terrasse, somit alle Akteure, im Blickfeld gehabt. Ich war fassungslos.

Als ich Marius, der eine Stunde später eintraf, von der Geschichte erzählte, war auch er erst bestürzt, fing dann aber an zu kichern. Ich schaute ihn ungläubig an. „Was gibbet denn da zu lachen?“

„Jost, der Kleine schient auch verzaubert zu sein!“

„Wie?“ Ich verstand nur Bahnhof.

„Überleg doch mal! Der Kleine weiß, dass du schwul bist, oder?“

Ich zuckte mit den Schultern. „Gesagt habe ich es ihm nicht, aber … anzunehmen, denn außer meiner Putzfrau kriege ich ja normalerweise keinen weiblichen Besuch.“

„Siehst du! Er kommt mit dem Bus hier an, hört die Musik, das Gelächter, das Geplansche. Der schwule Nachbar gibt ne Party.“ Er hob die Hand, kam fast ins Dozieren. „Eine Hete wäre direkt nach Hause, aber was macht der Bengel? Schleicht sich ins Unterholz, beobachtet uns. Die Temperaturen luden ja nicht gerade zum fröhlichen Verweilen im Freien ein. Wir waren ja in Bewegung, er nicht! Er hat wohl auf eine Livevorstellung gehofft.“

Ich war genervt. „Die hat er ja dann auch bekommen! Aber aus jugendlicher Neugier gleich auf sexuelle Präferenzen zu schließen … Marius, findest du das nicht etwas übertreiben?“

„Nein, nicht unbedingt. Wie viele Kippen hast du gefunden?“

Ich blickte ihn fragend an. „Dürfte fast ne Schachtel gewesen sein, wieso?“

„Also, da haben wir es! Wäre es nur reine Neugier gewesen, hätte er spätestens nach einer halben Stunde dem Strauch Adieu gesagt, denn er hat dann ja das gesehen, was er sehen wollte, nämlich was Neues, Unbekanntes!“ Er blickte mich grinsend an. „Aber der Knabe bleibt bis zum Schluss, ist also mehr als interessiert und kriegt sogar mit, dass wir am nächsten Tag … er will sich auch diese Vorstellung nicht entgehen lassen und kommt ein zweites Mal daher.“

„Du meinst also …“ Ich schüttelte immer noch den Kopf.

„Gaynau. Entweder er ist ein ausgemachter Spanner, was ich in dem Alter allerdings nicht annehme, oder er ist, was wahrscheinlicher ist, eine verkappte Schrankschwuchtel ohne Internet im Haus; Sonst bräuchte er nicht zu spannen, um was zu sehen.“

„Und was sollen wir jetzt machen?“ Ich war ratlos, was sollte man mit einem Spanner machen?

„Wie lange hat der Hofladen auf?“

Was sollte diese Frage? „Bis sechs.“

Er blickte auf die Uhr. „Noch zehn Minuten. Ich hab da so eine Idee. Bin gleich wieder da. Schmeiß du schon mal den Grill an und mach dich nackig.“

Ich blickte ihm fassungslos hinterher und sah nur noch die Haustür ins Schloss fallen.

Als er eine Viertelstunde später zurückkam, blickte er mich fast vorwurfsvoll an. „Du bist ja immer noch angezogen! Ist der Grill wenigstens schon an?“

„Marius! Für zwei Leute und vier Würstchen, denn mehr habe ich nicht mehr im Kühlschrank, lohnt es sich nicht, mit Holzkohle zu hantieren, das Elektronteil tut es dafür auch.“

„Wie du meinst!“ Er begann, sich auszuziehen. Als er nackt in der Küchentür stand, grinste er mich frech an. „Na Jost, worauf wartest du? Hol‘ endlich den Grill raus, ich decke derweil schon mal den Tisch. Und jetzt endlich weg mit deinen Klamotten!“

Ich schüttelte nur den Kopf, aber nachdem ich das Teil von Tefal aus der Abstellkammer geholt und draußen angeschlossen hatte, betrat ich kurze Zeit später auch nur im Adamskostüm die Terrasse. Was machte ich da eigentlich? Er reichte mir ein Bier, aber anstatt mit mir anzustoßen, nahm er den kleinen Jost in den Mund und begann mit rhythmischen Kopfbewegungen. „Kannst du mir sagen, was das Ganze hier soll?“

„Abwarten, jetzt setz dich erst einmal und tätschel mir brav den Arsch, während ich die Würstchen umdrehe.“ Das tat ich dann auch, während er so umständlich wie nur irgendwie möglich, die Fleischprodukte wendete. Danach setzte er sich, um gleich danach wieder aufzuspringen. „Oups, ich kleines Dummerchen! Jetzt habe ich glatt den Senf vergessen. Bin sofort wieder da, mein geiler Stecher!“

Was sollte das tuntenhafte Benehmen? Das kannte ich gar nicht von ihm, er war eher ein ruhiger Vertreter. Als er den Senf auf den Tisch stellte, wackelte er schön mit dem Arsch in Richtung Garten. „Hier, mein scharfer Hengst!“ Was sollte diese Lautstärke? Ich bin ja nicht schwerhörig!

Umständlich legte er mir auch die Wurst auf den Teller, drehte sich dabei aber immer schön in Richtung Garten in Positur. Langsam wurde es mir zu bunt. „Herr Tenhagen, was soll das ganze Theater? Wieso sitzen wir nackt hier?“

„Jost, ich war ja vorhin noch bei dem Kleinen im Laden. Als er mich erkannt hat, ist er richtig süß rot geworden.“ Er grinste mich schelmisch lachend an. „Naja, ich hab dann so im Nebensatz fallenlassen, dass ich auf dem Weg zu dir bin und wir uns einen schönen Abend machen wollen.“

Meine Augen wurden immer größer. „Du hast was?“

Er räusperte sich etwas und wurde ziemlich leise. „Naja, ich hab ihn mehr oder minder durch die Blume gesagt, dass es hier gleich wieder abgehen wird. Kannst du mir bitte mal den Senf geben?“

Ich verschluckte mich fast an meinem Bier. „Du bist verrückt!“

Er schüttelte den Kopf. „Ganz im Gegenteil! Du kennst doch den Spruch, wonach der Täter immer wieder zum Ort des Verbrechens zurückkehrt, oder?“

Ich zuckte mit den Schultern. „Warte mal! Du willst dem Kleinen …“

Er lachte mich direkt an. „Gaynau! Ich hab dem Kleinen eine Falle gestellt und hoffe, dass er gleich auch hineintappt.“

„Und wir sollen ihm dafür eine Show liefern?“ Ich konnte es immer noch nicht fassen, was ich da gerade gehört hatte.

„So ungefähr, aber nicht das volle Programm, nur die Ouvertüre.“ Freudestrahlend tätschelte er mir den Arm.

„Und wie willst du das anstellen? Ich meine, wir sind ja nur zu Zweit … wenn wir auf ihn zugehen …“ Ich war ratlos.

„Nein, wir nicht, aber ich kann mich von hinten anschleichen! Wozu war ich bei den Feldjägern?“

„Das wird er doch merken, wenn du plötzlich verschwunden bist!“

Marius reckte seine fast zwei Meter in die Höhe und zog mich zu sich. „Stell dich hinter mich und spiel mir an den Brustwarzen. Ja, so ist es gut!“

„Kannst du mir sagen, was das werden soll?“ Er rieb sich mit seinem Oberkörper an mir, immer auf und ab, ich wurde langsam wuschig, denn seine Hand spielte mit meinem Gemächte und kraulte meine Eier.

„Gleich, mein Engel, mach weiter!“ Kurze Zeit später zog er mich zur Liege und drückte mich auf die Polster. „Leg dich hin und leck mir den Arsch!“ Wieso flüsterte er jetzt? Während ich mich auf den Rücken legte, kletterte er über meine Brust und verschlang fast den jetzt einsatzbereiten kleinen Jost. Blasen konnte er!

Ich spielte voller Intensität an den beiden prallen Halbkugeln und hatte meine Nase in seiner Spalte. Unseren vermutlichen Beobachter hatte ich längst verdrängt, als er plötzlich, wie von der Tarantel gestochen, einen Satz nach vorne machte und sich schuldbewusst an seine Kiste griff. „Entschuldige, ich bin nicht gespült. Ich hab ja nicht damit gerechnet, dass du mich so rattig machst, dass ich dich in mir haben möchte.“ Wieso schrie er mich jetzt fast an?

„Ich geh mal schnell ins Bad! Nicht weglaufen!“ Er drehte sich an der Tür stehend noch einmal um. „Stell dich an den Pfeiler und blick verträumt in den Garten, denn du fickst mich gleich. Spiel weiter an dir, wir haben Publikum!“

Er hatte mich in die Realität zurückgeholt. Sollte ich oder sollte ich nicht? Egal, der Tag war eh voller Brüche, da kam es auf den einen mehr oder weniger auch nicht an. Nach drei, vier Minuten legte ich mich wieder, ließ die Beine aber auf dem Boden, meine Kronjuwelen lagen frei. Mit der rechten Hand umfasste ich meinen Schaft und meine Linke spielte ich an meiner Rosette.

Noch ganz mit mir selbst und meiner aufkommenden Geilheit beschäftigt, hörte ich plötzlich einen Schrei und dann ein Stammeln. Ich ließ von mir ab und schaute in den Garten. Tatsächlich! Der Plan war gelungen, Marius hatte Johannes im Polizeigriff und schob ihn, die Hose in den Kniekehlen, zu mir in Richtung Terrasse.

„So, da haben wir den kleinen Spanner!“

„Ich … ich …“ Der Bauernsohn wirkte mehr als verunsichert, fast eingeschüchtert. Kein Wunder, er stand mit heruntergelassener Hose und erigiertem Schwanz vor mir.

„Johannes, Johannes, Johannes! Was soll das?“ Ich ging auf ihn zu.

„Ich … ich … Scheiße!“ Er zog an seinem Begleiter, schüttelte sich und spannte seinen Körper an. Er versuchte wohl zu entkommen, aber Martius war ja nicht gerade der schwächste Vertreter der Gattung Mann. Er hatte ihn fest im Griff.

„Stimmt, es war Scheiße, was du gemacht hast, ganz große Scheiße sogar!“ Ich griff nach seinem Teil, kriegte aber nur, da er sich wieder wehrte, die Eier zu fassen. Ich zog den Beutel nach unten und plötzlich war nur ein Stöhnen zu vernehmen. Mein Unterarm triefte Sekunden danach vor sahniger Nässe.

Marius schien ebenso überrascht zu sein, lockerte wohl kurzzeitig die Umklammerung. Der Abiturient nutzte die sich ihm gebotene Gelegenheit und machte einen Schritt nach vorne. Er wollte weglaufen, aber seine Flucht misslang. Mit der heruntergelassenen Hose war ja seine Bewegungsfreiheit mehr als eingeschränkt, große Sprünge konnte er damit nicht machen. Drei Schritte schaffte er zwar, aber dann kam er ins Straucheln und landete bäuchlings im Pool.

Marius und ich blickten uns an und fingen an, lauthals zu lachen. Das Bild, das sich uns bot, war einfach nur göttlich! Ein halbnackter, gerade noch spannender Teenager lag nun schreiend und fluchend im kühlen Nass.

„Könntet ihr bitte aufhören zu lachen und mir raushelfen?“ Die Stimme klang zwar immer noch leicht weinerlich, hatte aber, im Gegensatz zu seinen ersten Äußerungen hier am Abend, eindeutig an Festigkeit gewonnen.

Ich ging an den Beckenrand und reichte ihm meine Hand. Als er sie ergriffen hatte, zog ich ihn raus. Er stand vor mir wie der sprichwörtlich begossene Pudel. Marius kam aus dem Haus und reichte ihm ein Handtuch. „Klamotten aus!“

Plötzlich war die Verschüchterung wieder da. „Was? … Was soll ich?“

Die Stimme des Landschaftplaners wurde schärfer. „Klamotten aus! Oder willst du dir ne Erkältung holen?“

„Ich … nein … scheiße …mein Handy.“ Er holte seinen Mobilknochen aus der Hosentasche, auch hieraus tropfte es.

„Zieh dich jetzt aus und stell dich nicht an wie ein Mädchen! Was du hast, haben wir auch! Also kennen wir das schon.“ Er machte einen Schritt auf ihn zu, der Kleine wich leicht zurück. „Ich will doch nur deine Sachen in den Trockner schmeißen, mehr nicht! Oder willst du deinem Bruder lieber erklären, warum du nass nach Hause kommst?“ Die Sanftheit war in das Organ zurückgekehrt.

„Ich … nein … scheiße … schon gut.“ Er begann sich langsam, aus seinen Klamotten zu schälen. Marius sammelte jedes Stück sofort ein und ging ins Haus zurück. Als Johannes nun ganz nackt vor mir, fing ich an, ihn ab- und somit wieder warm zu rubbeln. Aber! Da waren sie wieder, die elektrischen Schläge, die er aussandte. Was bedeutete das?

Ich führte ihn ins Wohnzimmer, setzte ihn auf die Couch und schloss die Terrassentür, langsam wurde es auch mir zu frisch. Ich blickte ihn an, er saß da, wie ein Häufchen Elend. Marius trat, wieder angezogen, zu uns und warf mir einen Bademantel zu. „Hier: Ich mach jetzt erst mal nen Kaffee, oder wollt ihr lieber Tee?“

Ich nickte meinem Freund zu und Johannes grummelte etwas in seinen nicht vorhandenen Bart. „Also, eine Kanne Kaffee. Kommt sofort.“

Auf dem Sessel lag noch eine Decke. Ich gab sie meinem Badegast, er sollte sich darinnen einmummeln. „So, und jetzt reden wir beide mal Klartext.“

Johannes hatte sich die Decke umgelegt. „Was soll ich denn jetzt noch sagen? Sie wissen doch alles!“

Ich versuchte, ihn nicht direkt anzusehen, aber es misslang. „Also, dass mit dem Sie lassen wir mal. Du hast mich nackt in Aktion gesehen und gerade in meiner Hand abgespritzt. Da wir uns so intim kennen, wäre diese Art der Anrede mehr als unangebracht, oder?“

Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. „Stimmt. Ging ja ganz doll ab hier …“

„So, aber nun sag mir mal, warum du …“ Ich war unsicher, machte einen Schritt auf ihn zu. Er schaute mir direkt in die Augen und machte eine Geste, mich neben ihn zu setzen. Ich wusste nicht so recht, ob ich der Einladung folgen sollte, aber da wir schon bei der Anrede auf gleichem Niveau waren, warum sollten wir dann nicht auch auf gleicher Augenhöhe das Gespräch führen? Ich setzte mich neben ihn. „Verrätst du mir das Warum?“

„Ich … ich …“ Da war sie wieder, die Unsicherheit. Ich griff mit meiner Linken nach seinen Kopf, wollte ihn streicheln. Er wehrte jedoch die Hand, die ihn Trösten wollte, ab. „Bitte nicht … bitte …“

Nun war die Verwirrung auf meiner Seite. „Warum nicht? Ich tu dir schon nichts.“

„Das ist es nicht, aber wenn sie … äh … wenn du … wenn du mich jetzt berührst und streichelst … dann … dann kann ich für nichts garantieren.“

Ich stutzte. „Wie? Du kannst für nichts garantieren?“

„Dann … dann … dann passiert das gleich wie gerade am Pool!“ Er deutete auf seine Körpermitte.

Ich war sprachlos. Gut, so schlecht sehe ich nun auch wieder nicht aus, aber dass ich eine solche Wirkung auf einen jungen Mann haben sollte, wunderte mich schon. „Gut, dann halte ich mal meine Hände bei mir, während du mir die Frage beantwortest.“

Ein Seufzer der Erleichterung machte sich breit. „Also, ich hab … ich bin … scheiße! Warum ist das so schwer?“

„Was?“ Ich blickte ihn sanft an.

„Ich … Nein! Ich kann nicht!“ Er klang irgendwie resigniert.

„Was kannst du nicht?“

„Das aussprechen, was ich sagen will. Es ist so schwer!“ Erschien innerlich zu beben.

„Gut, dann fangen wir anders an. Wie lange geht das ganze schon?“

„Was?“ Er blickte mich schräg von unten an.

„Na, dass du mich intensiv beobachtest.“

Er atmete tief aus. „Seit knapp zwei Jahren.“

Ich erschrak. „So lange schon?“

„Naja, eigentlich fing alles damit an, als du dir vor vier Jahren den Pool gebaut hast.“

„Bitte?“

„Ja, wenn du auf der Arbeit warst oder im Urlaub, dann bin ich immer hier rüber zum Schwimmen gewesen, bis … naja, bis Papa mich vor dir gewarnt hat. Du wärst anders, würdest mit Männern … Er hat es mir verboten, hier zu baden. Aber du hast Mama ja gesagt, es wäre ok, wenn wir den Pool nutzen.“ Er atmete tief durch, es schien ihm schwer zu fallen. „Naja, dann hab ich so mit 17 festgestellt, dass ich selber so bin.“

„Was?“ Ich hing regelrecht an seinen Lippen.

„Jost, wo hast du deinen Verstand gelassen? Er hat festgestellt, dass er auch schwul ist!“ Marius kam mit einem Tablett ins Wohnzimmer. Er verteilte die Tassen. „Jo, wie nimmst du deinen Kaffee?“

„Schwarz, will ja noch schöner werden!“ Er grinste.

„Hast du aber echt nicht nötig! Jost schon, aber der ist ja auch kurz vor seinem Verfallsdatum, aber mag ihn lieber süß! Aber weiter im Text, ich habe dich unterbrochen!“ Marius reichte mir die Zuckerdose, ich hätte ihn umbringen können.

„Ist er nicht!“ Die Stimme des Kleinen wurde plötzlich härter.

„Was?“ Ich war verdutzt.

„An seinem Verfallsdatum! Er ist … ich bin … er ist mein …“

„Was?“ Marius wusste wohl auch nicht weiter.

Er atmete tief ein, schien allen Mut für den nächsten Satz zu sammeln. „Ich bin ihn Jost verliebt, wenn du es genau wissen willst!“ Wie zum Beweis griff er meine Hand und drückte sie fest.

Ich war sprachlos, Marius anscheinend auch, denn seine Kinnlade fiel ihm runter. Aber er fand, im Gegensatz zu mir, eher seine Stimme wieder. „Er könnte dein Vater sein, ich übrigens auch, wenn ich mich angestrengt hätte!“

„Was soll das ganze mit dem Alter? Das ist doch Scheiße! Mama ist auch 15 Jahre jünger als Papa und sie lieben sich. Bei uns sind es halt fünf Jahre mehr!“

„Ja, aber in der schwulen Welt … ist das irgendwie anders.“ Marius wirkte irgendwie kleinlaut.

„Was ist da? Kann da ein Jüngerer keinen Älteren lieben? Wenn du es genau wissen willst, Marius, ich hab mit der ganzen Messdienergruppe meines Jahrgangs gewichst und gefummelt, hat zwar Spaß gemacht, aber die Erfüllung war es nicht! Die eine Hälfte der Jugendfeuerwehr hat mich gefickt, der anderen Hälfte hab ich meinen Schwanz in den Arsch gerammt, war zwar spaßig, aber nichts hierfür!“ Er tippte sich an sein Herz. „Und am Samstag war ich auch nicht mit Kumpels im Kino, ich hab mich von einem fetten, abgehalfterten Familienvater, dessen Frau in Kur ist, nageln lassen. Aber auch nur deshalb, weil er …“ Jo deutete auf mich. „Weil Jost unerreichbar für mich ist. Ich hab ihn lange genug beobachtet. Er hat nie junge Typen hier zu Besuch, nur in seinem Alter – leider! Ich kann mit Jungs in meinem Alter leider nichts anfange! Als ich hier mit durchgeficktem Arsch ausstieg und das Planschen hörte, da bin ich … bin ich einfach in den Garten, ich hab gesehen, wer was mit wem gemacht hat. Als Jost in diesem Blonden war, wollte ich, ich wär an dessen Stelle! Darauf hab ich mir einen runtergeholt und hatte einen Megaorgasmus!“

Es herrschte betretenes Schweigen. Ich war einfach nur platt ob dieser Äußerung. Marius erhob sich im Zeitlupentempo. „Äh, ich geh dann wohl jetzt besser. Der Trockner braucht noch ne halbe Stunde und Jost, wir telefonieren wegen Greystoke morgen Mittag.“ Grußlos verließ er das Wohnzimmer und ließ uns alleine.

Johannes blickte mich fast hilfesuchend an. „Und? Bist du jetzt geschockt? Ja, ich liebe dich! Willst du jetzt nichts mehr mit mir zu tun haben? Könnte ich verstehen, ich bin ja nur ein kleiner, dummer Junge! Was sollen wir jetzt machen?“

Ich überlegte, erhob mich und ließ ihn für einen Augenblick alleine. Als ich nach drei Minuten ins Wohnzimmer zurückkehrte, saß er immer noch so dar wie vorher. „Hier!“ Ich warf ihm einen Jogginganzug von mir entgegen.

„Was soll ich denn damit?“ Er blickte mich fragend an.

„Na, was wohl? Anziehen natürlich! Oder willst du nackt über die Straße gehen?“

„Gehen? Ich soll also verschwinden? Aus deinem Leben?“ Er wirkte irgendwie niedergeschlagen.

„Das habe ich nicht gesagt! Aber du wirst jetzt gehen … und … wiederkommen müssen, denn deine Sachen sind ja noch bei mir im Trockner. Nur wann du sie dir abholst?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Den Zeitpunkt, lieber Jo, bestimmst nur du selbst!“

Er blickte mich fragend an. „Wie?“

„Du kannst sie nachher noch abholen oder morgen früh nach dem Aufstehen oder auch nach der Schule, deine Entscheidung. Du weißt ja wahrscheinlich besser als ich selber, wann ich pennen gehe, wann ich aufstehe, wann ich das Haus verlasse und wann ich wiederkomme.“

Er nickte. „Ja, fast auf die Minute.“

„Also, falls ich dich morgen wieder mitnehmen soll, dann solltest du diesmal deine Schultasche nicht wieder vergessen. Und nun geh und komm, wann immer du willst, wieder!“

„Alles klar!“ Bedröppelt zog er sich an und verließ mein Haus.

Epilog: Der Auftrag für den Englischen Gartens wurde, allein wegen der günstigen Kosten, an Tenhagens Landschaftbau vergeben und seit August 2008 hat die Everding Bauelemente oHG einen Auszubildenden, der jeden Morgen um Punkt acht auf der Matte steht. Kein Wunder, ich nehme ihn ja auch immer mit. Das ist ein kleines Dankeschön, denn er weckt mich immer so zärtlich und seine Frühstückseier sind besser als meine.

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