Adventskalender – Ein anderes Leben – 11. Türchen (16 Teil)

Ich bekam nur noch am Rande mit, dass Juen hochgehoben wurde und jemand sich neben mich kniete und an mir rüttelte.

„Lucas…, Lucas, bist du verletzt“, nahm ich schwach Hyun-Woos Stimme war.

Ich drehte meinen Kopf und sah in die verweinten Augen meines Freundes. Ich brachte nur Juens Name heraus. Jemand tastete mich ab, bevor ich spürte, wie jemand unter meine Beine und Arme griff und mich hochzog. Benebelt sah ich Jack, der mich auf die Arme genommen hatte, dann knipste jemand das Licht aus.

*-*-*

Als ich wieder die Augen aufschlug, lag ich in einem Bett. Hyun-Woo saß neben mir und wischte mir mit einem Tuch sanft über das Gesicht.

„Lucas…?“

Ich war froh ihn zu sehen und lächelte. Doch dann kam die Erinnerung, war alles nur ein böser Traum? Entsetzt fuhr ich hoch, bereute es aber gleich wieder. Mir wurde schwindlig.

„Lucas nicht, der Arzt hat dir absolute Ruhe verordnet… bleib bitte liegen.“

Tränen rannen über seine Wangen. Ich fiel ihm in seine Arme und drückte ihn fest an mich.

„Sag mir, dass das alles nur ein böser Traum war… sag mir, dass Juen noch lebt…“

Nun fing ich selbst an zu weinen. Hyun-Woo drückte mich sanft von sich weg und sah mich merkwürdig an.

„Lucas, es war kein Traum…, aber wie kommst du drauf, dass Juen nicht mehr lebt?“

Verwirrt schaute ich ihn an.

„Er… er hat sich doch für mich die Kugel eingefangen…!“

Plötzlich fing Hyun-Woo an zu lachen. Was sollte das jetzt? Er schüttelte die Hände vor meinem Gesicht und versuchte zu sprechen.

„Tut… tut mir leid, Lucas… entschuldige, aber du hast da sicher etwas Falsches gesehen.“

Konnte man noch verwirrter sein? Hyun-Woo griff nach meiner Hand und die andere wanderte zu meiner Wange und strich sanft die Tränen weg.

„Ja, du hast gesehen, oder gemerkt, dass Juen getroffen wurde, aber das mit seiner eigenen Waffe.“

„Hä?“

„Schon vergessen, Juen hat eine Übungswaffe… mit Gummigeschossen…“

„Er ist nicht tot?“

Hyun-Woo schüttelte den Kopf.

„Aber woher wusste Juen das… er ist einfach weitergerannt… fragte mich noch warum.“

„Du erinnerst dich, wie nach dem ersten Schuss der eine rief, er habe dem kleinen die Waffe abgenommen?“

Ich nickte.

„Da wusste Juen, dass es sich um seine eigene Waffe handelte, die nur mit Gummigeschossen geladen war.“

„Aber auch das tut doch sicher schrecklich weh, von diesem Gummigeschoss getroffen zu werden.“

„Deshalb war Juen auch kurz weggetreten, der Schmerz hatte ihm einfach den Atem geraubt.“

„Aber wie konnte er wissen, dass die Waffe nicht mit richtiger Munition geladen war?“

„Die Waffe ist nur für Gummigeschosse ausgelegt, kann also keine Patronen transportieren. Zudem scheint der Benutzer kein helles Licht zu sein. Er war Bruder von Gwang-jo.“

„Gwang-jo?“

„Der Typ, der dich fälschlicherweise als Eindringling empfunden und zu Boden gerissen hat.“

Um diesen Satz Nachdruck zu verleihen, strich er sanft mit dem Daumen, über die fast verheilten Kratzer, die ich mir dabei eingefangen hatte.

„Jetzt erinnere ich mich auch wieder. Die zwei Männer haben sich über einen Bruder lustig gemacht, der vergessen hatte, uns unsere Handys ab zunehmen und Juen richtig zu fesseln.“

„Konntet ihr euch deswegen befreien?“

„ Nein, das war erst viel später. Da war Juen dann richtig gefesselt.“

„Wie konntet ihr euch dann befreien?“

„Frag mich nicht. Ich weiß nur, dass ich geknebelt worden war und diesen Knebel hatte Juen als erstes geöffnet, wie weiß ich nicht. Mein Stuhl war umgekippt und ich sah nicht, was er hinter mir machte. Nach und nach hat er mich dann befreit.“

„Das ist jetzt auch egal, Hauptsache du bist nicht verletzt… hast du Hunger, du hast doch schon seit einer Weile nichts mehr gegessen.“

„Durst habe ich… und irgendwie Hunger auch.“

„Dir scheint es wieder besser zu gehen.“

„Sag das nicht, mir tut irgendwie alles weh“, meinte ich sank etwas in mich zusammen.

„Kein Wunder.“

„Wie komme ich in unser Schlafzimmer?“

„Nachdem der Arzt dich kurz untersucht hat und nichts gefunden hat, haben wir uns entschlossen, dich hier her zu bringen, da wir mit dem Krankenhaus immer noch nicht sicher sind.“

„Wurde der Professor noch nicht verhaftet?“

„Weiß ich nicht, dein Onkel ist gleich wieder verschwunden, nach dem wir dich hier her gebracht haben. Er hatte es sehr eilig.“

„Und Juen, wo ist der?“

„Liegt in seinem Bett und ruht sich aus.“

„Ach so….meinst du, ich kann nicht doch etwas aufstehen?“

„Eigentlich nicht…“

Ich sah ihn durchdringend an.

„Bitteeeee…!“

Genervt verdrehte Hyun-Woo die Augen.

„Aber nur hier in der Wohnung, nicht mehr.“

Ich hob die Hand.

„Ich schwöre, ich werde die Wohnung nicht verlassen“, sagte ich lächelnd.

„Kindskopf!“, sagte Hyun-Woo und drückte mich an sich.

*-*-*

Ich lag auf der Couch und starrte zur Decke, während Hyun-Woo in der Küche stand und uns etwas zu essen machte. Das Geräusch einer sich öffnenden Tür ließ mich automatisch in die Richtung schauen.

Ich sah Juen aus seinem Zimmer kommen. Er trug nur eine Jogginghose und hatte ein Handtuch um den Hals hängen. Zum ersten Mal sah ich, wie muskulös Juen war. Das hätte ich unter seinen Klamotten nie vermutet.

„Wie geht es dir, Juen?“, hörte ich Hyun-Woo fragen.

„Besser, die Salbe von Jack vollbringt wahre Wunder, ich spüre fast nichts mehr.“

Ich setzte mich auf und wollte etwas sagen, aber Hyun-Woo kam mir zu vor.

„Du hast versprochen liegen zu bleiben!“

Juen grinste. Etwas genervt und die Augen verdrehend, legte ich mich wieder hin.

„Brav“, meinte Hyun-Woo und tätschelte mir den Kopf.

Danach lief er zu Juen und betrachtete sich dessen Rücken.

„Sollen wir noch mal von dieser Salbe drauf tun, es sieht immer noch kriminell aus…“

Von was redete er? Juen drehte sich etwas und erst jetzt saß ich den großen blauen Flecken auf seinem Rücken. Ich bekam ein schlechtes Gewissen und setzt mich abermals auf.

„Das tut mir so leid, Juen!“

Juen und Hyun-Woo sahen mich beide fragend an.

„Das hast du nur wegen mir…“

Juen hob seine Hände.

„Halt… Stopp! Bevor du irgendetwas Unsinniges sagst. Lucas, dass war von Anfang an mein Job auf dich aufzupassen und zu beschützen.“

„Aber du hast eine Kugel für mich eingefangen…“

„Gummigeschoss!“, berichtete mich Hyun-Woo und er hob den Finger.

„Jetzt lass den Unsinn!“

„Unsinn? Entweder du legst dich jetzt wieder hin, oder du wanderst wieder zurück in dein Bett!“

Da war kein Lächeln in seinem Gesicht, er schien das wirklich ernst zu meinen. Er kam zu mir und ging neben mir in die Knie.

„Lucas, bitte höre auf mich. Der Arzt meinte zu mir, du darfst nur mit nach Hause, wenn du dich strickt an die Ruhe hältst. Ich will dich nicht wieder ins Krankenhaus bringen.“

Sein Blick war traurig geworden. Ich griff nach seiner Hand.

„Entschuldige…“, sagte ich nur und machte es mir wieder bequem.

„Danke“, sagte Hyun-Woo, gab mir einen Kuss auf die Stirn.

Er erhob sich und lief zurück in die Küche- Juen setzte sich auf den Sessel neben mir.

„He, du brauchst dir echt keine Gedanken machen, das vergeht wieder. Alle sind froh dass es dir gut geht, auch dein Onkel.“

„Großvater und Großmutter haben sich sicher viel Sorgen gemacht.“

„Nein, haben sie nicht…“, kam es von der Küche.

„Hä?“

„Dein Onkel und wir haben lange darüber gesprochen und uns entschlossen, deinen Großeltern und Eltern erst mal nichts zu sagen, weil wir ja auch nicht wussten, was passiert ist.“

Ich wollte mich gerade aufrichten und zu Hyun-Woo zuschauen, als Juen mit dem Zeigefinger Zeichen gab, dass ich liegen blieben sollte.

„Aber, die Presse hat doch sicher mitbekommen, was passiert ist…“

„Die wusste nur von einer Entführung, dein Name oder ein Zusammenhang mit uns, wurde nie erwähnt.“

Ich sagte nichts mehr dazu, denn ich realisierte, dass es vielleicht wirklich besser war.

„Willst du, dass deine Eltern wieder herkommen?“

„Nicht aus diesem Grund!“, antwortete ich.

„Und für die Gesundheit deiner Großeltern wäre das auch nicht gut gewesen, sie hätten sich nur aufgeregt.“

„Du hast ja recht… Wo ist Onkel Min-Chul?“

„Der hat noch einiges zu tun“, kam es von Juen, „ich bin leider nicht in die Ermittlungen eingeweiht, aber ich denke, es werden bald noch mehr Verhaftungen folgen.“

„Verhaftungen?“

„Ja dieser Sicherheitsmensch und sein Bruder und die zwei Typen wurden verhaftet. Ihnen droht eine Haftstrafe wegen Entführung und Mordversuch!“

„Mordversuch? Das war doch aber deine Waffe…?“

„Er muss erst mal beweisen können, dass er wusste, dass es eine Übungswaffe war.“

„Das ist verrückt… und das alles nur wegen Missverständnissen. Erst In-Jook und nun die…“

„Wieso Missverständnissen?“

„Wäre das nicht mit diesem Professor passiert, wären doch nie so viele Sicherheitsmänner da gewesen und wir hätten ungehindert aufs Firmengelände fahren können.“

„Lucas, die waren wegen der Fans da“, hörte ich Hyun-Woo sagen und Juen nickte.

Die ganze Sache war wirklich sehr verrückt und ich hoffte, dass alles bald ein Ende hatte.

„Kommen So-Woi und Jack noch herunter?“

„Die sind gar nicht da, die sind vorhin zu So-Wois Grandma gefahren.“

„Ach so…“

*-*-*

Die Nacht war eher unruhig. Immer wieder wachte ich auf, weil ich glaubte, irgendwelche Geräusche zu hören.

„Kannst du nicht schlafen?“, fragte Hyun-Woo neben mir.

„Ich weiß auch nicht, irgendwie bekomme ich letzte Nacht nicht aus meinem Kopf.“

„Das ist ja nur verständlich! Komm her…“

Ich kuschelte mich in Hyun-Woos Arme und schlief schnell wieder ein, aber ein Geräusch von draußen ließ mich wieder aufschrecken.“

„Das ist sicher nur Juen“, brummte Hyun-Woo neben mir.

Ich schaute in die Dunkelheit, konnte aber nichts entdecken. Ich spürte Hyun-Woos Hand, wie sie sanft über meinen Rücken. Irgendwann muss ich dann wirklich eingeschlafen sein, denn als ich das nächste Mal die Augen aufschlug, war es bereits hell im Zimmer und Hyun-Woo verschwunden.

Ich schaute zu Uhr, es war bereits elf Uhr. So beschloss ich aufzustehen, denn es drückte meine Blase und ich hatte auch etwas Hunger. Nach den üblichen Aktionen im Bad, ging ich hinüber ins Wohnzimmer und fand nur Juen vor.

„Morgen Lucas“, lächelte er mich an.

„Morgen…, wo ist denn Hyun-Woo?“

„Der ist bereits in der Firma…“

„Er ist gar nicht da? Warum hat er mich dann nicht geweckt.“

„Du hast so fest geschlafen, da hat er es nicht übers Herz gebracht, dich zu wecken. Aber er meinte, wenn du ganz brav bist, kann uns Jae-Joong uns nachher in die Firma fahren.“

„Jetzt fang nicht auch noch an!“

„Ich halte mich nur an Hyun-Woos Anweisungen!“, lächelte mich Juen an.

„Was macht dein Rücken?“

„Besser!“

Ich lief in die Küche und ließ mir einen Kaffee heraus.

„Du auch einen?“, fragte ich.

„Nein danke, habe schon zwei.“

Ich drehte mich zum Herd, dort standen verschiedene Töpfe mit kleinen Zetteln drauf. Ich zog einen ab und lass die Mitteilung darauf.

Morgen Lucas, falls du Hunger hast, habe mehrere Sachen für dich vorbereitet, brauchst sie nur noch aufwärmen… liebe dich dein Hyun-Woo! Ich schaute mir die anderen Zettel an, aber überall stand das gleiche drauf.

Ich musste lächeln. Selbst wenn er weg da, war er im Gedanken bei mir. Ein Handy läutete.

„Meins“, kam es von Juen und hob es kurz in die Luft.

„Hallo?“

Er setzte sich auf.

„Guten Morgen Police Officer Park Min-Chul.“

Ich schaute auf.

„Nein, er ist wach…“

Juen stand auf, kam zu mir und reichte mir sein Handy.

„Dein Onkel möchte dich sprechen.“

Ich nahm das Handy entgegen.

„Hallo Onkel…“

 

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