Kapitel 23
Er drehte sich um und wandte sich wieder David zu.
„Was willst du denn noch von mir?“ Basti klang resigniert. Aggression schwang allerdings nicht in seinen Worten mit. Außerdem lag ein trauriger Blick in seinen Augen, der David verwunderte.
„Eigentlich…“,fing David an, „…dachte ich, wir sind Freunde. Jedenfalls war ich bis vorgestern fest überzeugt davon. Auch davon, dass uns nie wirklich etwas trennen könnte.“ David senkte seinen Blick und wurde beim letzten Satz immer leiser.
„Ich dachte, das wäre klar geworden! Ich will nichts zu tun haben mit… mit so einer Neigung!“, Basti wurde nicht laut, nur wieder Abwertend, was David fast noch mehr weh tat.
Er fühlte sich beschissen. Nur einen Satz noch schwor David sich, dann würde er Basti ziehen lassen. Zur Not eben auch für immer.
„Ich bin doch derselbe, der ich immer war und damit hattest du nie ein Problem. Warum reduzierst du mich jetzt nur noch auf meinen Sex?“
David spürte einen großen Klos in sich aufsteigen, doch er zwang sich dazu, ihn hinunter zu schlucken. Denn währen ihm jetzt Tränen in die Augen gestiegen, hätte er das klassische Klischee einer verweichlichten Tucke nur erfüllt und diese Blöße wollte er sich auf keinen Fall geben!
„Komm mit!“, sagte Basti nur und wandte sich schon wieder ab. „Hier ist wohl kaum der richtige Ort für das, was wir uns zu sagen haben.“
Perplex beeilte David sich, ihm zu folgen. Mit diesem Sinneswandel hätte er nicht gerechnet und so war er jetzt gespannt, was Basti wohl für den ,geeigneten Ort` hielt.
Schweigend liefen die beiden nebeneinander her. David ließ Basti immer einen halben Schritt Vorsprung, so, dass dieser entscheiden konnte, wohin es gehen sollte.
Kaum hatten sie das Schulgelände verlassen, bog Basti in einen schmalen Weg ein, der, wie David wusste, nur zum Ufer eines Flusses führte.
Dort hatten sie bis vor einigen Jahren immer nach der Schule gesessen. Manchmal hatten sie einfach nur die Zeit totgeschlagen oder sich in den Pausen hier versteckt, um die ersten Zigaretten zu rauchen. Manchmal waren sie am Wochenende hier wild angeln gewesen. Nie hatte sie jemand erwischt.
Wollte Basti nun wirklich zu ihrem Versteck im Schilf? Dann musste das ja sehr wichtig sein, was er ihm zu sagen hatte. Oder wollte er David vielleicht einfach kalt machen? Dann würde es wahrscheinlich Wochen dauern, ehe man ihn finden würde.
David wurde mulmig. Basti sagte keinen Ton mehr. David bekam Angst, verlangsamte seinen Schritt jedoch nicht.
Und tatsächlich, Basti kroch in das Schilf, genau an der Stelle, wo sie es auch früher immer getan hatten. David kroch hinterher und staunte nicht schlecht, als er sah, dass sich hier fast nichts verändert hatte. Scheinbar war hier immer mal wieder jemand gewesen, denn die kleine Ausbuchtung am Ufer war nicht mit Schilf bewachsen und irgendwelche Tiere schienen sich hier auch nicht nieder gelassen zu haben. Sogar das Stück Baum lag immer noch dort, auf dem man sich setzen konnte.
„Warst du öfter hier?“, fragte David deshalb an Basti gerichtet.
„Ich komm hier immer zum Nachdenken her. Hier stört mich niemand, wie uns früher. Erinnerst du dich noch?“
Irgendwie sah Basti wehmütig aus. David nickte nur und setzte sich zögernd neben Basti auf den Stamm.
„In letzter Zeit war ich oft hier.“, fing Basti nun an und sah gedankenverloren auf den Fluss, der langsam und träge an ihnen vorbeizog.
David horchte auf. Sollte das jetzt andeuten, dass er in letzter Zeit viel nachdenken musste? Er schwieg und lies Basti von sich aus erzählen. Er war sich sicher, dass jetzt eine Erklärung für sein Verhalten am Samstag kommen würde. Zumindest hoffte er das.
„Ich weiß, dass wir nicht mehr die Freunde sind, die wir mal waren.“, setzte Basti fort. David sah betroffen zu Boden. Auch ihm war das bewusst.
„Ich hab mich oft gefragt, warum sich das alles so verlaufen hat.“ Basti seufzte schwer. David spürte, dass es Basti nicht leicht fiel, hier und jetzt mit ihm zu sprechen, doch er wusste immer noch nicht worum es ging.
„Jetzt weiß ich, dass ich selbst Schuld daran bin.“, sprach Basti weiter. David sah ihn an.
„Ich hab mich von dir zurückgezogen Hab dich nicht mehr an mich ran gelassen und weiß jetzt auch warum.“ Basti sah David direkt in die Augen. David wich dem Blick nicht aus, obwohl er immer noch nur Bahnhof verstand. Basti war ganz ruhig geblieben und seine Stimme klang, als wäre er weit weg.
David sagte immer noch keinen Mucks, denn er wusste, würde er ein einziges falsches Wort sagen, würde Basti wieder vollkommen zu machen und gar nichts mehr sagen. Also wartete er, bis Basti weiter sprach.
Kapitel 24
Im Schulhaus war die Klausur mittlerweile zu Ende und ein verstörter Nico suchte nach seinem David, der unauffindbar war. Tessa traf Nico auf dem Flur und schloss sich ihm an.
Nachdem sie über eine halbe Stunde das ganze Gebäude von oben nach unten und von unten nach oben durchkämmt hatten, war Nico völlig aufgelöst und Tessa hatte gut zu tun, ihn wieder zu beruhigen. Zwischendurch hatten sie mehrmals versucht David auf dem Handy anzurufen, doch das war ausgeschaltet.
Tessa ahnte, dass David noch immer mit Basti sprach und sagte das Nico auch, doch der wurde dadurch nur noch nervöser.
„Er wird ihm schon nichts tun!“, versuchte Tessa auf ihn einzureden. „Die Beiden wollen bestimmt nur ihre Ruhe haben. David taucht schon wieder auf!“
Doch Nico ließ sich nicht beruhigen, er wollte sich nicht beruhigen lassen. „Was, wenn Basti ihm was getan hat oder ihn bedroht?“, Nico stand vor Angst völlig neben sich.
„Hör mir jetzt mal zu Nico!“ Tessa war aufgebracht, Nico sollte sich gefälligst nicht so in die Sache hinein steigern! „Wir beide setzen uns jetzt ins „Masters“ und warten dort, bis sich einer der beiden meldet oder die zu machen. Da trinken wir ne heiße Schokolade und machen uns nen netten Nachmittag. Basti tut unserem David schon nix, da verlass dich mal auf mich. Ich kenn die zwei schließlich schon länger! Und bis jetzt sind beide immer wieder lebend aufgetaucht. Manchmal waren sie schon für Stunden verschwunden und nie wusste jemand wo sie stecken. Also kein Grund zur Panik!“
Gesagt – Getan.
Nico und Tessa suchten sich in ihrem Stammcafé einen schönen Platz und entgegen aller Befürchtungen der beiden wurde der Nachmittag wirklich lustig. Zwischendurch vergaß Nico schon fast, sich um David sorgen zu machen.
Tessa erzählte, wie sie und David sich kennen gelernt hatten, dass zwischen ihm und Basti niemand Platz hatte und auch, wie die Beiden irgendwann immer weniger aneinander hingen. In der gleichen Zeit waren Tessa und David zwei Wochen lang ein Paar. Das war in der neunten Klasse.
Unter giggeln erinnerte sich Tessa daran. Beim Erzählen kam ihr plötzlich der Gedanke, dass sie vielleicht der Auslöser für die Entfremdung von Basti und David war. Aber den wischte sie gleich wieder bei Seite.
Langsam schwante Nico, dass Basti und David scheinbar doch viel mehr miteinander zu tun hatten, als er dachte. Und er verstand auch, warum David am Samstag so verstört gewesen war.
Und dabei hatte er gedacht, David hätte nicht viel mit Basti zu tun. Irgendwie fühlte er sich jetzt ganz schön dumm und anmaßend, aber woher hätte er das wissen sollen?
Kapitel 25
Am Fluss unterdessen sahen sich David und Basti immer noch in die Augen und David wartete immer noch, dass Basti weiter sprach. Und er sollte nicht mehr lange warten müssen, denn Basti holte erneut tief Luft um dann fort zu fahren.
„Du warst damals mit Tessa zusammen gekommen.“ Basti lachte kurz auf. „Und da war ich einfach eifersüchtig.“
„Auf mich? Warst du auch scharf auf Tessa? Das hättest du doch sagen können. Die Sache hat doch sowieso nur zwei Wochen oder so gehalten!“ Auch David prustete kurz, wurde jedoch sofort wieder ernst, als er bemerkte, dass Basti nur den Kopf schüttelte und sein Gesicht in seinen Händen verbarg.
„Scheiße, Mann! Was ist denn los?“ Wollte David nun erst recht wissen und verwarf sein vorhaben, Basti einfach nur erzählen zu lassen.
„David, versprich mir, dass es niemand von dir erfährt okay?“ Basti sprach immer noch ganz leise und nuschelte in sich hinein. David nickte wieder nur und war sich sicher, dass Basti wusste, dass er sich noch immer auf ihn verlassen konnte.
„Ich weiß, dass Nico und du… dass ihr euch liebt. Und ja, damit hab ich ein Problem.. Ein ziemlich großes sogar.“
das war für David wie ein Schlag ins Gesicht, hatte er doch gedacht, Basti wollte sich entschuldigen.
„Du musst wissen,“, fuhr Basti weiter fort ohne auf Davids entsetztes Gesicht zu achten. „dass ich damals, als du mit Tessa zusammen warst, nicht auf dich eifersüchtig war.“
Jetzt verstand David gar nichts mehr. Hatte er nicht eben noch gesagt er währe eifersüchtig gewesen?
„Ich war eifersüchtig auf Tessa!“ Basti sah ihn an und erwartete eine Reaktion. Doch David blickte ihn nur fragend an. Er hatte zwar schon so eine Ahnung, was gleich kommen könnte, aber er wollte das nicht glauben, bevor er es von Basti selbst gehört hatte.
„David“, begann dieser jetzt ein letztes mal, „als du am Samstag gesagt hast, dass Nico und du… da bin ich total ausgetickt, weil das passiert ist, wovon ich nicht mal zu träumen gewagt hätte! Du hast dich in einen Jungen verliebt!“ Basti wurde Laut und eindringlich.
„Aber es war Nico… Ich bin so eifersüchtig auf Nico, weil er das bekommt, was ich gern hätte, seitdem wir beide hier das Erste mal gesessen haben.“ Er stand auf und setzte zum weg rennen an, doch David hielt ihn zurück und wirbelte ihn zu sich herum, so dass er direkt in seine Augen sah.
„Warum hast du das nie gesagt oder gezeigt oder… ach was weiß ich…“ Er konnte es nicht glauben.
Warum Basti? Und vor allem, warum hatte er, als sein bester Freund nie etwas davon bemerkt? Oder wollte er es nur nicht wahr haben?
David Stand auf. Stand Basti gegenüber. Er sah, dass er Tränen in den Augen hatte und nahm ihn einfach in den Arm.
Bastis Fassade fiel in sich zusammen und er weinte. Er stand an Davids Schulter gelehnt und heulte sich aus.
David hatte ihn noch nie so gesehen und fühlte sich beschissen.
„Es tut mir leid Basti, ich liebe Nico wirklich, aber ich möchte dich nicht ganz verlieren. Meinst du, wir könnten trotzdem Freunde sein? Ich werde auch versuchen, mich in deiner nähe mit Nico zurück zu halten.“
Basti sah David entgeistert an.
„Vergiss es!“
David war geschockt.
„Ihr verhaltet euch einfach so, wie ihr euch verhaltet. Wehe ihr verstellt euch in meiner Gegenwart! Ich komm schon klar… hab es ja die ganzen Jahre lang geschafft.“, fügte er etwas leiser hinzu.
„Danke!“, brachte David nur hervor, „Es tut mir trotzdem leid und ich ärgere mich so, dass ich das nicht früher mitbekommen hab! Das wär vielleicht was geworden mit uns!“, grinste er und auch auf Bastis Gesicht zeichnete sich ein Lächeln ab.
Nacheinander verließen sie ihr Versteck am Fluss, verabschiedeten sich erleichtert lächelnd und machten sich wieder auf in die Zivilisation.
Kapitel 26
Nico und Tessa wurden durch ein Handyklingeln aus ihrem Gespräch gerissen. Es war Nicos. Davids Name stand auf dem Display und als er das realisierte, fiel ihm ein ganzer Felsbrocken vom Herzen.
„Hallo“, meldete er sich.
„Hi Nic“, kam es vom anderen Ende, „wo bist du denn?“
„Ich sitz mit Tessa im „Masters“. Wo warst du denn?“, wollte Nico gleich wissen.
„Das erklär ich dir später. Ich komm mal zu euch. Bis gleich“
Bevor Nico antworten konnte, hatte David das Gespräch schon wieder unterbrochen. Irritiert starrte er aufs Display.
Tessa blickte ihn erwartungsvoll an. „Und, ist was passiert?“
„Scheint nicht so. Er hat nicht viel gesagt. Wollte nur wissen, wo ich bin.“, sprach Nico immer noch abwesend.
„Klang er arg demoliert?“, fragte Tessa dann belustigt.
„Nein, gar nicht. Eher erleichtert. Das macht mich ja so stutzig.“, Nico konnte es noch nicht recht glauben. Gerade eben hatte er sich noch wer weiß wie Sorgen um David gemacht und nun rief er ihn an, als ob nichts gewesen wäre.
Wenige Minuten später betrat David das Café und setzte sich freudestrahlend zu Tessa und Nico, dem er gleich einen kleinen Kuss auf die Wange drückte.
„Ui, was war das denn? So stürmisch?“ wollte Nico gleich wissen.
„Jepp, ich weiß jetzt, warum Basti so ausgetickt ist und ich denke, wir konnten das klären, auch wenn nicht ganz so zufrieden stellend für ihn.“ David guckte ein wenig bedrückt, fing sich aber schnell wieder.
„Und, worum ging es?“, wollte Tessa gleich wieder wissen.
„Das kann ich euch nicht sagen, musste ich ihm versprechen! Und daran werd ich mich auch halten, vielleicht sagt er ja von sich aus etwas.“
David blieb Standhaft, obwohl Nico und Tessa immer wieder versuchten ihn hinten herum aus der Reserve zu locken.
Er hätte es den Beiden wirklich gern erzählt, gerade, weil es sie ja irgendwie auch betraf, besonders Nico. Aber versprochen ist eben versprochen und Bastis Vertrauen wollte er nicht ausnutzen. Sein versprechen brechen schon gar nicht!