Der Montag begann als ein weitgehender ruhiger Tag. Die Vorbereitungen für den Startschuss unserer neuen Dokumenten- und Bauplanverwaltung liefen bereits auf vollen Touren. Wir hatten jetzt noch eineinhalb Wochen, bis die Vorstellung des Projekts in der Öffentlichkeit stattfinden sollte und das neu gegründete Unternehmen offiziell die Tätigkeit aufnehmen wird.
Die Gründung der Gesellschaft, mit der Bestellung des Geschäftsführers und der beiden Prokuristen war rechtzeitig erfolgt. Inzwischen lag uns auch der Nachweis für die Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister vor. Aus meiner Sicht waren alle Schritte, die im Vorfeld zu erledigen war, rechtzeitig erfolgt.
Im neuen Hofladen, sollte heute endlich mit dem Aufbau der Ladeneinrichtung begonnen werden. Frederik tauchte vor seiner Abfahrt zur Gärtnerei Grubmüller kurz in meinem Büro auf und sagte: „Ich hoffe, dass die gesamte Einrichtung in drei Tagen, wie geplant fertiggestellt ist. Spätestens am kommenden Montag möchte ich mit dem Einräumen der Waren beginnen, damit bis zur zweiten Märzhälfte und zur geplanten Eröffnung, alles fertiggestellt ist.“
Eine Aufgabe hatte ich mir für heute vorgenommen, die ich in den letzten Wochen etwas schleifen ließ. Ich musste mich endlich um die Wiederherstellung des Badeteiches kümmern, wenn ich noch eine Chance haben wollte, dass bis zum Sommer alles weitgehend fertiggestellt ist. Immerhin hatten unsere Kids gestern den Besuchern aus dem Allgäu erzählt, dass dort wieder ein Badeteich einstehen soll.
Ich telefonierte mit Jason und fragte bei ihm nach, ob er mir in der Nähe einen guten Landschaftsarchitekten empfehlen kann, den ich mit der Planung und Überwachung der Durchführung des Projekts Badeteich beauftragen kann. Jason erklärte: „Peter wir haben Anfang Februar einen jungen Landschaftsarchitekten in unsere Kanzlei aufgenommen, da immer mehr Anfragen kamen, ob wir nicht auch die detaillierten Pläne für die Außenanlagen liefern könnten. Im Moment ist er noch nicht voll ausgelastet, wenn du mit einverstanden bist, biete ich dir an, dass er sich zukünftig auch um deine Gartenbauprojekte kümmern soll.“
Ich stimmte zu und Jason meinte, ich solle in der Leitung bleiben, er würde mich direkt mit dem Kollegen verbinden. Bevor er mich verbinden konnte, wollte ich wissen, ob ich ihm auch die Neugestaltung des Außenbereichs in der Gärtnerei Grubmüller übertragen könne. Dort soll der Bereich zwischen Lagerhaus, Parkhaus, dem Verwaltungsgebäude und dem neuen Café gestaltet werden.
Jason antwortete mir: „Peter, warum bin ich nicht selbst auf die Idee gekommen, nachdem in unserer letzten internen Besprechung, die Veränderungen bei diesem Objekt besprochen wurden. Logisch kannst du mit ihm über dieses Projekt sprechen. Ich verbinde dich jetzt.“
Ich wartete in der Leitung bei angenehmer leiser Musik, bis sich ein Alexander Linbrunner bei mir meldete. Ich nannte meinen Namen und die erste Reaktion, die von ihm kam, war die Rückfrage, ob ich einen Sohn mit dem Vornamen Philipp habe. Ich war überrascht und fragte nach, woher er meinen Sohn kennen würde.
Er antwortete: „Wir haben zusammen Abitur gemacht, Philipp und sein Freund Marcus wollten Informatik studieren, ich habe ein Studium in Landschafts- und Gartenbau in Weihenstephan absolviert. Vor einigen Monaten habe ich mein Studium beendet und habe einige Zeit in Rosenheim nach einem Job gesucht. Im Dezember hatte das Architekturbüro Schreiber eine Stelle als Landschafts- und Gartenbauarchitekt ausgeschrieben, auf die ich mich beworben habe.
Ich war verwundert, warum gerade ein großes und bekanntes Architekturbüro einen Architekten für Garten- und Landschaftsbau sucht. Beim Vorstellungsgespräch erfuhr ich, dass viele Auftraggeber inzwischen wünschen, dass nicht nur das Gebäude geplant wird, sondern gleichzeitig eine Planung des Außenbereichs gefordert wird. Da ich der einzige Bewerber war und mit einem guten Abschluss glänzen konnte, erhielt ich die Stelle.
Jason meinte, dass du inzwischen einer der wichtigsten Kunden des Architekturbüros bist und zwei größere Projekte zu vergeben hättest. Er sagte mir noch, dass eines dieser Projekte in der internen Besprechung ein großes Thema war, weil dort im größeren Stil umgeplant wird. Ich weiß es nicht sicher, aber ich vermute es ging um das Projekt Gärtnerei Grubmüller.
Bisher habe ich noch kein richtiges Projekt zur Planung erhalten, aber ich konnte den Senior bei einem Bebauungsplan einer Stadt im Allgäu kräftig mit meinen Ideen für die Außenanlagen unterstützen. Wann können wir uns zu einem ersten informativen Gespräch zusammensetzen.“
Ich meinte: „Jederzeit, ich kann noch den ganzen Nachmittag für dich freihalten, da beide Projekte für mich wichtig sind. Mein Vorschlag, ich lade dich heute Mittag, sagen wir gegen zwölfuhrdreißig, zum Mittagessen in unsere Kantine im Gutshof Sonneneck ein und anschließend besprechen wir die beiden Projekte.“
Er sagte: „Okay, ich bin gegen zwölfuhrdreißig im Gutshof, wo soll ich mich melden.“
Ich erklärte, dass er mich im Erdgeschoß des Gutshauses in meinem Büro finden werde, falls ich gerade nicht am Platz sein sollte, wüsste meine Assistentin, wo ich zu finden sei. Ich wollte mich schon bis später verabschieden, als er mich unterbrach und fragte: „Hat die Stiftung Sonneneck etwas mit dem Gutshof Sonneneck zu tun, denn über die bin ich gestolpert, als ich mit dem Senior an dem Bebauungsplan für das Baugebiet im Allgäu gesessen bin.“
Ich bestätigte ihm, dass die Stiftung ein Teil des Gutshofes ist, ich ihm während des Essens mehr dazu erklären würde und verabschiedete mich bis später. Ich rief bei Philipp an und bat ihn, kurz vor zwölfuhrdreißig in meinem Büro zu sein, zusammen mit Marcus, da ich eine Überraschung für sie hätte. Philipp wollte schon zu meutern anfangen, als ich abwürgte und erklärte, dass er sich doch einfach überraschen lassen soll.
Das nächste Gespräch ging in den hohen Norden Deutschlands, wo ich mich mit Dirk verbinden ließ. Als ich ihn in der Leitung hatte, fragte ich, ob er einen sehr guten Architekten für die Außenanlagen haben würde. Als er mir erklärte, dass es zwei gute Landschaftsbauunternehmen gäbe aber keinen Architekten, fragte ich ihn, ob er sich vorstellen kann, dass ein junger Gartenbauarchitekt aus dem Architekturbüro Schreiber den Plan erstellen könne.
Er antwortete: „Peter ich wusste gar nicht, dass Jason einen Gartenbauarchitekten beschäftigt, aber wenn dem so ist, kann der gern die Planung übernehmen.“
Ich meinte: „Der junge Mann hat erst Anfang Februar seine Tätigkeit als Garten- und Landschaftsarchitekt in Jasons Büro aufgenommen. Verbleiben wir so, wenn er den Auftrag annimmt, komme ich mit ihm hoch, damit er sich einen Einblick in den derzeitigen Zustand machen kann und ihr könnt ihn kennenlernen. Wenn wir kommen, melde ich mich rechtzeitig, ich gehe davon aus, dass wir an einem Wochenende anreisen.“
Kaum hatte ich aufgelegt, als Petra in meinem Büro stand und vorwurfsvoll meinte, dass ich heute schlecht zu erreichen sei, da ich ständig telefoniere. Ich grinste und meinte: „Wenn es um wichtige Entscheidungen geht, kommt es schon einmal vor, dass die Telefonleitungen zum Glühen kommen. Bitte für heute keine Termine vergeben, ich habe ab Mittag ein längeres Gespräch mit einem jungen Gartenbauarchitekten aus dem Architekturbüro Schreiber.“
Petra grinste und sagte: „Nimmst du endlich die Neugestaltung des ehemaligen Badeteiches in Angriff, die du schon vor Wochen angekündigt hast.“
Ich erklärte ihr: „Ja, das Projekt wird jetzt angeschoben, aber das wird nicht das Einzige sein. Durch die Umplanungen in der Gärtnerei Grubmüller soll er den Außen- und Zugangsbereich zwischen Lagerhalle und Verwaltungsgebäude neu planen und umsetzen. Ich will ihm die Außenanlagen des Ostsee-Jugendhotels schmackhaft machen und er soll den Außenbereich im Allgäu für uns planen, inklusive der geplanten Kindertagesstätten im Allgäu und bei uns am Gutshof. Deswegen auch das längere Gespräch mit ihm.“
Petra frotzelte: „Hast du wieder ein neues Opfer gefunden, den du dauerhaft in deinen Projekten beschäftigen kannst, jetzt sag nur nicht, dass der junge Architekt schwul ist.“
Ich antwortete: „Petra, die Frage kann ich dir nicht beantworten, da ich keine Ahnung davon habe. Der junge Mann wurde mir von Jason empfohlen, nach seinen Vorlieben in Sachen Sex habe ich ihn nicht befragt. Ist auch völlig belanglos, wichtiger erscheint mir, dass er eine gute Arbeit abliefert.“
Petra grinste nur und ging ohne einen weiteren Kommentar in ihr Büro zurück. Mein Telefon klingelte und ich hatte Frederik in der Leitung, der wissen wollte, ob er abends kurz vorbeikommen könne, weil er mir in der Sache digitale Preisschilder einen Vorschlag unterbreiten will. Ich meinte, er könne sein Glück nach siebzehn Uhr versuchen, eventuell müsse er warten oder später am Abend in der Wohnung vorbeikommen.
Da es schon kurz vor zwölf Uhr war, arbeitete ich einige Sachen ab, aber gegen zwölf Uhr fünfzehn wurde ich wieder unterbrochen. Es klopfte und auf mein herein öffnete sich die Bürotür und ein junger Mann trat ein. Ich meinte, er solle sich doch bereits in die Besprechungsecke setzen, ich wäre gleich bei ihm.
Ich beendete den Vorgang und setzte mich zu ihm in die Besprechungsecke. Ich sagte: „Lange nicht mehr gesehen, du warst zumindest auf einigen Geburtsfeier von Philipp, Gast in unserem Reihenhaus, an dein Gesicht kann ich mich noch erinnern, auch wenn es zwischenzeitlich markanter geworden ist.“
Es klopfte erneut, diesmal an der Verbindungstür zur Stiftungsverwaltung. Auf mein herein stürzte Felix ins Büro und fragte: Gehst du mit uns zum Mittagessen in die Kantine, oder wartest du auf deine beiden Jungs, bis sie von der Schule zurückkommen.“
Erst jetzt fiel ihm auf, dass ein Besucher bei mir war und er lief rot an. Ich sagte:“ Felix, du musst nicht gleich rot werden, wenn du einen hübschen jungen Mann in meinem Büro antriffst. Darf ich dir Alexander Linbrunner, Architekt für Garten- und Landschaftsbau vorstellen.“
Er schaute Alexander an und meinte: „Irgendwoher kenn ich dich, nur kann ich nicht auf Anhieb sagen, wo ich dich einordnen soll. Solltest du in Rosenheim ins Gymnasium gegangen sein, dann habe ich dich sicher dort einmal gesehen.“
Alexander grinste und erwiderte: „Da sind wir uns sogar regelmäßig das eine oder andere Mal über den Weg gelaufen. Deine Eltern haben doch das Bestattungsunternehmen Müller, meine Eltern wohnen nur drei Häuser weiter in derselben Straße.“
Felix schlug sich mit der Hand auf seine Stirn und meinte: „Jetzt weiß ich, wo ich dich zuordnen muss. Du bist doch nach dem Abitur zum Studieren nach Weihenstephan gegangen. Seit dieser Zeit sind wir uns nicht mehr über den Weg gelaufen. Ich dachte, dass du nach deinem Studium in Raum München geblieben bist. Ich wohne seit einigen Monaten nicht mehr bei meinen Eltern, bis zum kommenden Spätsommer habe ich mich bei Peter in seinem Gästezimmer einquartiert. Wenn die neuen Wohnungen im Gutshof fertig sind, werden ich mit meinem Freund Dennis in eine der Wohnungen dort einziehen.“
Alexander erklärte: „Ich bin immer davon ausgegangen, dass du eines Tages den elterlichen Betrieb übernimmst, dich jetzt hier anzutreffen, war gerade etwas überraschend für mich. Was machst du hier im Gutshof?“
Felix meinte: „Ich bin als Auszubildender in der Stiftungsverwaltung tätig.“
Weiter kam er nicht, da erneut geklopft wurde. Auf mein herein, öffnete sich die Tür und als Philipp und Marcus eintraten, konnte ich drei Gesichtern entnehmen, dass mir diese Überraschung gelungen ist. Marcus meinte: „Ach nee, einer unserer Mitschüler sitzt im Büro von Peter. Jetzt ist mir auch klar, was er mit großer Überraschung gemeint hat. Alex, wie geht’s dir und warum sitzt du bei Philipps Vater im Büro.“
Bevor Alexander antworten konnte, sagte ich: „Alles zu seiner Zeit, wir gehen jetzt gemeinsam in die Kantine und während des Mittagessens könnt ihr euer Wiedersehen feiern. Felix hol Benjamin und Florian, damit wir endlich loskommen.“
Keine Minute später stand Felix mit den beiden Jungs in meinem Büro. Erneut gab es überraschte Gesichter zu sehen. Benjamin meinte: „Alexander, welch eine Überraschung, wir haben uns ja schon ewig nicht mehr gesehen. Wusste gar nicht, dass du wieder im Lande bist. Sind meine Eltern noch mit deinen befreundet?“
Alexander war aufgestanden umarmte Benjamin und antwortete: „Nein, unsere Eltern sind nicht mehr befreundet. Da muss es in der Zeit, wo ich in Weihenstephan studiert habe, einen Vorfall gegeben haben, woran ihre Freundschaft zerbrochen ist. Sie wollten jedoch nicht mit mir über dieses Thema sprechen.“
Wir setzten uns in Richtung Kantine in Bewegung und unterwegs klärte Benjamin Alexander auf, woran die Freundschaft vermutlich zerbrochen ist. Ich hörte, wie er ihm erklärt, dass sein Bruder Christian ebenfalls im Gutshof wohnt und seine Ausbildung in der Gärtnerei Winter absolviert. Das war das letzte, was ich von euch gehört habe, danach kam die Funkstille, bezüglich was aus euch geworden ist, meinte Alexander.
Während des Mittagessens wurde von den Jungs Informationen ausgetauscht und in Erinnerungen geschwelgt. Philipp und Marcus luden Alexander zu sich in die Wohnung in der zweiten Etage im Gutshaus ein. Benjamin machte es den beiden nach und erklärte, dass er und sein Bruder im Dachgeschoß des IT-Gebäudes wohnen würden. Felix meinte, wenn du mich besuchen willst, findest du mich in Peters Wohnung.
Mir fiel auf, dass sämtliche schulpflichtigen Kids des Gutshofes in die Kantine einfielen. Bevor Tobias sich etwas zu Essen holte, stand er neben mir und meinte: „Kein Wunder, dass wir dich nicht in deinem Büro angetroffen haben, wenn ihr hier in gemütlicher Runde beisammensitzt.“
Ich forderte die Jungs auf, die Mittagspause zu beenden, auch mit dem Hinweis darauf, dass sie sich jederzeit privat treffen könnte, aber auch damit zu rechnen sei, dass sie sich im Zuge der Zusammenarbeit begegnen würden.
Philipp meinte, dass er sich das nicht vorstellen könne, was Alexander damit beantwortete, dass er sich damit nicht täuschen soll. Du stehst schneller in meinem Büro als du denken kannst, wenn du einen Anruf vom Architekturbüro Schreiber bekommst, dass mein Computer liebevolle Zuneigung des IT-Betreuers benötigt, ich arbeite seit Februar dort.
Philipp grinste und antwortete: „Damit hast du mich überzeugt, dass wir gelegentlich auch beruflich aufeinanderstoßen könnten. Zumindest weiß ich damit, wo ich dich finden kann.
Während Philipp und Marcus ins IT-Gebäude gingen, folgte mir der Rest ins Gutshaus. Felix und Benjamin liehen sich Alexander kurz aus, um ihm zu zeigen, wo sie ab sofort im Gutshaus zu finden seien, wobei sie ihm erklärten, dass in ihr bisheriges Büro der Ausbildungsbeauftragte des gesamten Unternehmens einziehen wird. Florian übernimmt im Laufe der Woche unser bisheriges Büro.
Nach zehn Minuten lieferten sie Alexander bei mir ab und meinten, dass sie jetzt weiter umziehen würden. Wir hatten uns kaum in die Besprechungsecke gesetzt, als die Tür aufgerissen wurde und sieben Jungs ins Büro stürzten. Sie schnappten sich ihre Schultaschen und wollten schon wieder verschwinden, als ich sie stoppte und jeden Einzelnen Alexander vorstellte. Alexander stellte ich als Landschaftsarchitekt vor, der beim Architekturbüro Schreiber angestellt sei und zukünftig auch für die Stiftung oder die Gutshofverwaltung Außenanlagen planen würde.
Endlich waren wir allein und ich konnte endlich anfangen, Alexander von meinen Plänen und Wünschen in Bezug auf die Außenanlagen zu erzählen. Ich meinte: „Für das erste und derzeit wichtigstes Projekt, sollten wir vielleicht direkt eine Ortsbesichtigung durchführen.“
Auf dem kurzen Weg zum ehemaligen Badeteich erklärte ich ihm meine Wünsche hinsichtlich der Umgestaltung und der Wiederinbetriebnahme des Badeteichs. Alexander erklärte nach einer ausführlichen Besichtigung, dass eine Menge Aufwand dahinterstecken würde, um dort ein neues Badeparadies zu errichten. Ich erklärte, dass mich der Aufwand nicht interessiert, weil ich hier nicht nur einen Badeplatz für die Hotelgäste schaffen will, sondern eine Bade- und Wohlfühloase für die Rosenheimer, so wie es früher gewesen ist.
Auf dem Rückweg meinte er: „Peter, ich hätte da eine Idee, dazu sollte ich aber wissen, ob das Gelände eingezäunt werden darf.“
Ich schaute ihn an und erklärte: „Alexander, egal ob ein Zaun erlaubt ist oder nicht, ich will ein für alle frei zugängliches Badeparadies, das braucht keinen Zaun!“
Alexander grinste mich an: „Jetzt habe ich verstanden, du willst nicht ein luxuriöses Badeparadies, für das Eintritt kassiert wird, du willst den Rosenheimern ein Geschenk zur freien Nutzung machen. Ich kann mir denken, was du dir vorstellst, wie schnell soll das Projekt umgesetzt werden?“
Ich meinte: „Ich stelle mir vor, dass spätestens mit Beginn der Badesaison die Nutzung wieder möglich sein soll, also spätestens Anfang Juni. Vielleicht bin ich zu optimistisch, dann darfst du versuchen, mich einzubremsen. Eines muss dir klar sein, einen Ausspruch, wie das geht nicht, oder das ist unmöglich, gibt es bei mir nicht. Hindernisse sind da, um beiseite geräumt zu werden.“
Alexander meinte: „Ich sehe das wie du, geht nicht oder das haben wir immer so gemacht, bringt die Menschheit nicht vorwärts. Nur wer mutig ist und etwas wagt, kommt vorwärts. Es gibt eine Möglichkeit, deinen engen Zeitplan einzuhalten, wenn du zwei oder drei Teilprojekte daraus machst und diese parallel daran arbeiten, könnte der Termin vermutlich gehalten werden.
Peter, ich werde bis Freitag einen vorläufigen Entwurf vorlegen, wenn er deinen Wünschen entspricht, arbeite ich die Details aus und überlege ich mir, wie das sinnvoll auf zwei oder drei Unternehmen aufgeteilt werden kann.“
Inzwischen waren wir wieder in meinem Büro und hatten uns wieder in meine Besprechungsecke gesetzt. Ich meinte: „Okay, dann hake ich den ersten Punkt bis zum Freitag ab. Ein weiteres Projekt betrifft die Gärtnerei Grubmüller, die Pläne stammen vom Architekturbüro Schreiber. Dort gibt es Erweiterungen und Änderungen, wie Vergrößerung des Hofladens, Anbau eines Cafés, ein Parkhaus und ein lange geplantes Lagerhaus, das um einhundertachtzig Grad gedreht wird.
Hier soll der gesamte Zugangsbereich zu den Gebäuden neu gegliedert und das Parkhaus mit eingebunden werden. Der Realisierung wird vermutlich im dritten und vierten Quartal dieses Jahr sein und könnte sich bis ins kommende Jahr hinziehen. Die Details kennen Jason und dein Kollege Robert Königer, der die letzten Gespräche mit der Stadt geführt hat und die Anregungen der Stadt in die Pläne einarbeitet.
Alexander grinste und sagte; „Die Pläne kenne ich, Robert hat mich gebeten für die Stadt einen Freiflächenplan zu entwerfen der alles vernünftig verbindet. Die Pläne wirst du nie sehen, sie sind nur für die Stadt bestimmt. Wenn ich in deinem Auftrag einen Freiflächenplan erstellen soll, der realisiert wird, können wir alternativ auch diesen bei der Stadt einreichen.
Ich stellte ihm das nächste Projekt vor: „Im nächsten Jahr soll auf dem Gutshofgelände ein integrierender Kindergarten in Zusammenarbeit mit der Stadt Rosenheim errichtet werden, Dafür brauche ich ein vernünftiges Konzept und altersgerechten Ausstattung.“
Alex antwortete: „Über das Projekt haben wir ebenfalls in einer wöchentlichen Besprechung angerissen, nach meinem Wissen, laufen noch die Verhandlungen mit der Stadt, weil dort einige Neuerungen eingeführt werden sollen. Zum Beispiel soll im Außenbereich die Möglichkeit geschaffen werden, jeweils für eine Gruppe einen Bereich, wie einen Waldkindergarten anzubieten. Es gibt noch weitere Ideen, die umgesetzt werden wollen.
Auf das Projekt freue ich mich bereits wahnsinnig. denn das ist wirklich eine großartige Herausforderung für mich. Ich hoffe, dass wir bei der Stadt alle Ideen durchbekommen und sie umsetzen können.“
Ich meinte: „Dann gehe ich davon aus, dass ein weiterer integrierender Kindergarten im Allgäu auch bereits bekannt ist. Dazu möglicherweise ein richtiger Spiel- und Bolzplatz, ebenfalls in Marktoberdorf im Allgäu. Dazu weiß ich seit gestern, dass in Kaufbeuren ein integrierender Betriebskindergarten entstehen soll, für den die Stiftung die Trägerschaft übernimmt. Vermutlich wird das Architekturbüro Schreiber den Auftrag zur Planung des Kindergartens erhalten.“
Alexander schaute mich an meinte: „Peter willst du noch mehr integrierende Kindergärten errichten oder die Trägerschaft übernehmen, dann sollten wir uns überlegen, ob es nicht Sinn macht, ein allgemein gültiges Konzept für Außenanlagen zu entwickeln, das den jeweiligen Anforderungen angepasst werden kann.“
Ich erklärte: „Aus meiner Sicht macht das wenig Sinn, da jeder Kindergarten andere Grundstücksvoraussetzungen mitbringt. Eine so große Freifläche, wie am Gutshof, für die Planung wirst du vermutlich nie wieder finden. Du wirst immer für die vorhandenen Freiflächen eigene Pläne brauchen, eine Standardisierung kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.
Es gibt noch ein weiteres Projekt, bei dem du die Außenanlagen planen könntest. Im Sommer beginnen die Umbau- und Sanierungsarbeiten im neuen Jugendhotel in Scharbeutz. Dazu solltest du mit Jason oder Jenifer sprechen, die zusammen mit einem Architekten vor Ort die Arbeiten koordinieren. Geplant ist dort in Strandnähe unter anderem ein Restaurant mit Gartenbetrieb, im Grunde genommen eine Anpassung der Außenanlagen an die neue Nutzung.
Falls du dich entschließen solltest, auch dafür die Planung zu übernehmen, würde ich mit dir nach Scharbeutz fahren, um dir, zum einen, alles zu zeigen und zum anderen, mit dir und den Auszubildenden, über ihre Ideen zu sprechen. Die Hotelanlage ist rund fünfzig Jahre alt und so sehen auch die Außenanlagen aus. Ausführungszeitraum spätestens Anfang nächsten Jahres, bis zum Beginn der Badesaison.
Wir haben im Raum Rosenheim einige Sanierungsprojekte in verschiedenen Wohnblocks, bei denen die Außenanlage ebenfalls modernisiert werden könnten. Ich hoffe ich habe dich jetzt nicht zu arg geschockt, aber der Umbau mancher Außenanlage sollte dem Klimawandel Rechnung tragen und gleichzeitig eine Aufwertung der Objekte bewirken.“
Alex sagte: „Peter, hast du noch mehr Pläne in dieser Richtung, dann kann sich Jason bald nach einen zweiten Landschaftsarchitekten umschauen, weil ich dann nur noch exklusiv für dich arbeite.“
Ich grinste und meinte: „Das glaube ich weniger, denn, wenn meine Projekte in absehbarer Zeit weniger werden oder sogar fertiggestellt sind, bleibt dir wieder viel Zeit für andere Aufgaben. So große Projekt, wie das im Allgäu, die beiden Kindergärten und das Projekt an der Ostsee wird und kann es nicht jedes Jahr geben. Sie waren nur möglich, weil wir, zum einen, für die Ostsee noch einen ordentlichen Batzen Geld bekommen haben, der für die Renovierung gedacht war, zum anderen, weil wir genügend Rücklagen haben und demnächst neue Objekte erwerben wollten.
Der Gesamtaufwand für das Projekt im Allgäu wird nicht sofort und in einer Summe fällig, die weiteren Einnahmen der Stiftung bis Projektende reichen aus, ohne Fremdmittel auszukommen. Neue Großprojekte wird es frühestens wieder in zwei, drei oder sogar vier Jahren geben, da wir grundsätzlich ohne Fremdmittel arbeiten.“
Alexander meinte: „Dann sollten wir uns um dein wichtigstes Projekt, den Badeteich, zuerst kümmern. Hast du Karten oder alte Fotos, wie das früher einmal ausgesehen hat, damit ich mir ein Bild vom ursprünglichen Zustand machen kann. Was mir vor Ort aufgefallen ist, der Teich wurde früher von einem Bach mit Wasser versorgt, heute ist das nur noch ein kleines Rinnsal, das uns nicht genügend Wasser liefert.“
Ich zeigte ihm in unserer Bauplan- und Dokumentenverwaltung, wo er die alten Pläne und Karten finden kann. Zusätzlich hatten wir in den letzten Wochen bereits einen Ordner mit alten Fotos des Badeteichs angelegt und einige Bilder hinterlegt. Zum Thema, fehlende Wasserversorgung für den Teich meinte ich, dass es da sicher eine andere Lösung geben muss.
Dazu erläuterte ich: „Wir haben eine Menge von Dächern, in nächster Nähe, die uns die nötigen Wassermengen liefern könnten. Bisher verschwindet das Regenwasser in der Kanalisation. Soweit ich mich noch erinnern kann, wurde der Teich damals vor allem über die Regenmengen von den umliegenden Dächern gespeist. Der Bach hatte schon damals keine große Rolle gespielt.“
Alex schaute mich an und sagte: „Damit hast du mir die Ursache für das Austrocknen des Teiches geliefert, denn normalerweise, reichen die Regenmengen aus, um den Teich regelmäßig aufzufüllen.
Das bedeutet, dass wir nur die alten Quellen wieder reaktivieren müssen, um den Teich regelmäßig mit Frischwasser zu versorgen. Gibt es dazu in euren Unterlagen Pläne oder Hinweise, dass würde mir die Arbeit um einiges vereinfachen.“
Ich schaute Alex an und erklärte: „Aufgefallen ist mir bisher nichts, aber ich habe auch nicht alle alten digitalisierten Pläne gesichtet. Du kannst auf alle alten Unterlagen zugreifen, vielleicht findest du etwas, oder frage deine Kollegen, vielleicht sind sie beim Sichten über einen brauchbaren Plan gestolpert. Ich erinnere mich, dass damals das Regenwasser vom Dach des Gutshauses in einem kleinen geschlängelten Bach zum Teich geführt wurde.
Mir fällt gerade ein, dass auch von den alten Stallungen in einem unterirdischen Rohr, Wasser in den Bach eingeleitet wurde. Ob es weitere Quellen gab, kann ich dir nicht aus dem Stegreif beantworten. Eine weitere Möglichkeit wäre, in der Nähe der alten Regenablaufrinnen nach stillgelegten Rohrleitungen zu suchen, die den Teich gespeist haben.“
Alexander grinste und meinte: „Peter, das ist es, die alten unterirdischen Leitungen wären ein sicheres Indiz dafür, welche Dächer den Teich damals versorgt haben. Pech hätten wir nur, wenn die alten, aus Ton gefertigten Rohre vollständig ausgegraben wurden, wovon ich aber, nach meinen bisherigen Erfahrungen nicht ausgehe.
Peter, ich werde zuerst berechnen, ob die beiden Gebäude, von denen du gesprochen hat, genügend Regenwasser liefern, um den Teich konstant mit der benötigten Menge an Wasser zu versorgen. Wenn die Menge ausreicht, brauchen wir nur dort nach den vergrabenen Röhren zu suchen.“
Ich sagte: „Okay, das ist der erste Schritt für dieses Projekt, aber mit dem Sammeln von Regenwasser hast du mich auf eine ressourcenschonende Idee gebracht. Wäre es möglich, alle Neubauten, an ein System anzuschließen, bei denen das Regenwasser in einer Zisterne gesammelt wird und zur Bewässerung von Grünflächen und Außenanlagen verwendet wird. Bei größeren Wohnblocks sollten wir im Rahmen der Sanierung, ebenfalls Zisternen vorsehen.
Mein Auftrag, sprich mit Jason und dem Seniorchef Maximilian über meine Vorstellungen, den die müssen es bei der Planung bereits berücksichtigen. Vielleicht können wir es bei den derzeit im Bau befindlichen Gebäuden im Gutshof, vor allem den neuen Wohnhäusern noch verwirklichen.
Denk vor allem daran, dass wir das auch bei der Gärtnerei Grubmüller berücksichtigen, dort könnten wir sogar unsere Gewächshäuser teilweise damit versorgen und ein kleiner Zierteich in der Nähe des Cafés wäre damit möglicherweise machbar.“
Alexander sagte: „Peter, du bist verrückt, aber langfristig würdest du den Trinkwasserverbrauch gewaltig reduzieren und bei der Bewässerung der Außenflächen und Grünanlagen sehr viel Geld einsparen. Über einen längeren Zeitraum betrachtet, rechnet sich das auf alle Fälle. Es gibt inzwischen Überlegungen und Bestrebungen, dass in größeren Städten, das anfallende Oberflächenwasser zur Klimaverbesserung beitragen soll.
Unsere Besprechung, die als Ausgangspunkt den zu reaktivierenden Badeteich hatte, hat bei uns beiden dazu geführt, neue Wege zu beschreiten, wie wir anfallendes Oberflächenwasser im Bereich des Gutshofes wieder sinnvoller nutzen und nicht nur in die Kanalisation entsorgen. Dass du das bei allen größeren Projekten nutzen und umsetzen willst, zeigt mir, dass du eher langfristig denkst. Jetzt verstehe ich auch, warum du und das Architekturbüro Schreiber bestens miteinander harmonieren, da du mit ihnen deine Ideen und Vorstellungen verwirklichen kannst.“
Ich meinte: „Ich fürchte, wir sollten die Besprechung an dieser Stelle abbrechen, bevor weitere verrückte Ideen kommen. Wir sollten uns auf die nächsten Projekte konzentrieren, aber die langfristigen Ideen dabei nicht aus den Augen verlieren. Ihr solltet mich nur auf dem Laufenden halten, damit ich mitentscheiden kann, welche Ideen wir umsetzen.“
Alex erwiderte: „Ich denke auch, dass es besser ist, an dieser Stelle abzubrechen, ich habe genügend Aufgaben für die nächste Zeit. Deine vordringlichsten Aufgaben sehe ich in der Reihenfolge, Badeteich, Zisterne im Gutshof für Oberflächenwasser der neuen Wohngebäude und Außenanlagen Gärtnerei Grubmüller. Alles andere kommt erst in etwa einem Jahr oder noch später in die Umsetzung.
Heute wird das nichts mehr mit Jason und Max, aber morgen früh werde ich gleich mit den beiden deine Ideen und Überlegungen besprechen. Ich wünsche dir noch einen schönen Abend. Du hörst spätestens am Freitag von mir. Schönen Abend.“
Ich blieb noch einige Minuten sitzen und versuchte die Besprechung an meinem inneren Auge vorüberlaufen zu lassen. War hatten uns nicht nur auf die kurzfristigen Projekte konzentriert, dafür aber eine Menge neuer Umsetzungsmöglichkeiten entwickelt. Ich war trotzdem zufrieden mit dem Gespräch, ich war sicher, dass mit Alexander eine konstruktive Zusammenarbeit über einen längeren Zeitraum möglich ist.
Als ich auf meine Uhr blickte, erschrak ich, da mir in diesem Moment bewusstwurde, dass sich für siebzehn Uhr Frederik bei mir angemeldet hatte. Er wollte mit mir über die neuen digitalen Preisschilder sprechen. Ich setzte mich an meinen Arbeitstisch und warf einen Blick in die zwischenzeitlich eingegangen Mails. Wieder jede Menge Werbebotschaften, die mein digitales Postfach füllten, sortierte ich sofort aus und übrig blieben drei Mail, die jedoch nicht sofort erledigt werden mussten.
Kurz nach siebzehn Uhr standen Frederik und sein Kevin in meinem Büro. Ich meinte: „Setzt euch, gebt mir noch eine Minute und ich bin dann für euch da.“
Ich setzte mich zu ihnen in die Besprechungsecke und forderte Frederik auf, mir seinen Vorschlag zu unterbreiten. Er legte einige Blätter vor sich hin und erklärte: „Peter, ich habe einige Angebote eingeholt, inzwischen gibt es kaum noch digitale Preisschilder, die nicht zentral aktualisiert werden. Der Handel hat inzwischen erkannt, dass es sinnvoller ist, die Preise elektronisch anzupassen. Bei den einfachen Schildern gibt es nur noch Restposten, die zwar günstig abgegeben werden, aber nicht nachgekauft werden können.
Im Moment gibt es bei einem Hersteller in sogenanntes Starterpaket zu einem reduzierten Preis, mit fünfzig digitalen Preisschildern, der Übertragungstechnik und die nötige Software. Der Preis liegt bei etwa eintausendfünfhundert Euro. Jedes weitere Preisschild liegt bei etwa fünfundzwanzig Euro, für unsere gut dreihundert Schilder zusätzlich siebentausendfünfhundert Euro.
Damit können wir im Hofladen ein günstiges zukunftssicheres System testen, dass in allen Hofläden einsetzbar wäre. Peter, ich sehe dir an, dass du noch am Preis zweifelst. Ich habe mich schlau gemacht und festgestellt, dass die komplette Umstellung eines Marktes im Moment bei sechzigtausend Euro anfängt und du je nach Größe und Sortiment bis zu einhundertsiebzigtausend Euro aufwenden kannst.“
Ich erwiderte: „Frederik, ich denke, wir sollten den Versuch an dieser Stelle abbrechen, bei den Kosten, die du mir eben genannt hast, rechnet sich das für keinen der kleineren Hofläden. Selbst im Hofladen im Gutshof reichen die Umsätze nicht für eine sinnvolle Amortisation der Anschaffungskosten.
Wenn ich den Preis für ein gedrucktes Preisschild nehme, der mit Arbeitsaufwand bei knapp fünfzig Cent liegt, kann ich für ein elektronisches Preisschild rund fünfzig gedruckte Schilder erstellen. Bei einer Batterielebensdauer von rund fünf Jahren kann ich das gedruckte Preisschild spätestens jeden zweiten Monat erneuern, um auf die Anschaffungskosten eines digitalen Preisschildes zu kommen. In der Praxis wird das kaum vorkommen.“
Frederik schaute mich an und fragte: „Wie kommst du auf diese Werte, du hast sicher nicht die Zeit berücksichtigt, die du benötigst, um die Schilder auszutauschen.“
Ich erwiderte: „Da muss ich dir widersprechen, für das Erstellen des Preisschildes und den Austausch ist die Zeit mit angerechnet, zuzüglich Materialkosten des Schildes und Kosten für den Ausdruck. Du übersiehst dabei, dass ein einzelnes Preisschild in der Anschaffung höchsten zehn Prozent des kalkulierten Wertes beträgt. Was ich nicht berücksichtigt habe, sind die Kosten des Mitarbeiters, wenn er am Computer die Preise ändert, die fallen in beiden Fällen an.
Du erinnerst dich daran, dass wir beschlossen haben, keine Lockvogelangebote in unseren Hofläden einzuführen, da wir sonst Probleme mit den Produzenten unserer Waren bekommen. Das bedeutet, dass sich die Preise normalerweise einmal im Jahr ändern, was weitergerechnet Kosten von höchsten drei Euro in fünf Jahren ausmacht. Verglichen mit dem Anschaffungspreis eines digitalen Preisschildes sind das etwa ein Achtel der zu erwartenden Kosten.
Wenn ich es aus der Sicht eines Supermarktes betrachte, kann ich nachvollziehen, dass sich die Anschaffung für sie rechnet. Allein durch die Sonderangebote, die jede Woche angeboten werden, ergeben sich in einem Jahr zwischen zwanzig und dreißigtausend Änderungsvorgänge. Mit den saisonalen Preisschwankungen bei Obst und Gemüse erhöht sich die Zahl der Veränderungen um mindestens den Faktor nullkommafünf auf rund zwanzigtausend Euro im Jahr, umgerechnet auf fünf Jahren sind da über einhunderttausend Euro nur für die Änderungen der gedruckten Preisschilder.“
Frederik antwortete: „Peter, zumindest kann ich jetzt nachvollziehen, warum für einen Hofladen aus deiner Sicht die Anschaffungskosten nicht in einem vernünftigen Verhältnis stehen. Deine Argumentation hat mich überzeugt, dass wir vorerst auf diese Investition verzichten können. Es gibt einen weiteren Punkt, den du nicht aufgezeigt hast, die Konzerne bestellen Millionen von Preisdisplays und erhalten einen günstigeren Einkaufpreis für jedes einzelne Display.
Die Ladenbauer sind seit heute Vormittag dabei, die Einrichtung aufzubauen. Ich denke sie werden spätestens am Mittwochmittag fertig sein. Ich habe mich heute mit der jungen Dame unterhalten, die als Verkäuferin im Hofladen mitarbeiten soll. Ich habe mit ihr besprochen, dass sie ab nächster Woche nur noch halbtags in der Gärtnerei arbeitet, den anderen halben Tag kommt sie zu mir in den Laden, um die Waren mit einzuräumen und sich ins Kassensystem einzuarbeiten. Logischerweise habe ich das vorher mit Mario abgeklärt.
Darf ich in der IT ein Notebook für Silvia ordern, damit ich sie anlernen kann die Etiketten für die Regale selbstständig auszudrucken und willst du bei der Abnahme der Ladeneinrichtung dabei sein, oder kann ich das allein übernehmen?
Ich grinste ihn frech an und antwortete: „Bist du der Marktleiter oder habe ich den Posten übernommen? Wenn du der Meinung bist, dass Silvia ein Notebook für ihre Arbeit benötigt, ist es deine Aufgabe sich darum zu kümmern. Ich bitte dich darauf zu achten, dass Silvia zu den Mitarbeiterinnen gehört, die einen besonderen Status haben. Körperlich ist sie nur bedingt einsatzfähig, sie kann und darf keine schweren Sachen allein heben.
Wir haben im Januar besprochen, dass sie Roberto ansprechen kann, wenn es darum geht, schwerere oder größere Pakete zu bewegen. Halte dich an die Absprache und nimm seine Hilfe in Anspruch, denn wenn du in Urlaub bist oder erkrankt sein solltest, ist Silvia auf seine Mithilfe angewiesen. Kleiner Tipp, lass die Backwaren auf einem Rollwagen anliefern, damit erleichterst du Silvia, aber auch dir die Arbeit.
Da Silvia jeden Morgen, gegen sieben Uhr vom Fahrdienst der Lebenshilfe zur Gärtnerei gebracht wird, würde ich vorschlagen, dass sie die Frühschicht übernimmt und du später anfangen kannst. Wenn der Umsatz es zulässt, werden wir eine weitere Halbtagskraft einstellen.
Du bist ausgelernter Verkäufer, parallel läuft deine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann und du hast den Job als Marktleiter übernommen, also gehe ich davon aus, dass du die Abnahme in eigener Verantwortung durchführen kannst. Wichtig ist nur, dass du darauf achtest, welche Schutzvorschriften von unserer Seite zu beachten sind und entsprechend diesen Kriterien die Arbeit der Ladenbauer überprüfst, denn du bist für die Sicherheit der Kunden und Mitarbeiter im Hofladen verantwortlich.“
Frederik lachte und antwortete: „Peter, mit deinem Eingangssatz hast du mir unmissverständlich erklärt, dass du dich nicht in meine Aufgaben einmischst, es sei denn, ich würde großen Mist bauen. Ich werde die Abnahme vorschriftsmäßig durchführen, dich jedoch von möglichen Problemen, als Vertreter des Eigentümers des Hofladens in Kenntnis setzen.
Gut, dass du mich auf die eingeschränkte körperliche Einsatzfähigkeit von Silvia hingewiesen hast, das war mir nicht bekannt und angesehen habe ich es ihr auch nicht, da sie einen ganz normalen Eindruck bei mir hinterlassen hat. Dass Roberto zur Unterstützung für Silvia eingeplant ist, wusste ich ebenfalls nicht. Ich werde mit ihm sprechen und ihn in unser Team mit einbinden. Ich gehe davon aus, dass er in erster Linie Gärtner ist und nur kurzzeitig ausgeliehen wird.
Ich habe kein Problem damit regelmäßig später anzufangen, solange morgens nicht zu viel Stress auf Silvia zukommt. Das will ich ihr nicht zumuten, vor allem nicht am Anfang, bis sich alles eingespielt hat. Wenn es sein muss, werde ich auch morgens hier sein. Mit Mario vereinbare ich, dass Silvia bis auf weiteres immer morgens den Laden übernimmt und ab mittags wieder der Gärtnerei zu Verfügung steht.“
Da er geendet hatte, meinte ich: „Dann ist aus meiner Sicht alles geklärt. Du kümmerst dich um den Hofladen der Gärtnerei Grubmüller und kommst auf mich zu, wenn Schwierigkeiten auftauchen oder du allein nicht weiterkommst. Das funktioniert bei allen Mitarbeitern inzwischen, du wirst dich schon an diese Vorgehensweise gewöhnen.
Zumindest bis zur Eröffnung erwarte ich einmal wöchentlich einen kurzen Überblick, muss nicht persönlich sein, du kannst auch ein Mail schicken. Ich wünsche euch beiden einen schönen Abend und seht zu, dass ihr euch in eurem Appartement wohlfühlt.“
Kevin und Frederik standen auf, Frederik krallte sich seine Unterlagen und verabschiedeten sich. Da aus meiner Sicht für heute alles erledigt war, schaltete ich mein Notebook ab und das Licht aus und ging nach oben in die Wohnung, nachdem ich mein Büro verschlossen hatte.
*****
Die nächsten Tage verliefen sehr ruhig, so dass ich schon fast befürchtete, dass wieder eine hektische Phase auf mich zukommen könnte. Verschreien wir es lieber nicht und warten ab, was die nächsten drei Wochen bringen werden.
Am Freitag tauchte wie versprochen Alexander mit einem ersten Entwurf für die Reaktivierung des alten Badeteiches auf. Was mir sofort auffiel, der Teich war nicht wie früher annähernd kreisrund, sondern eher oval mit einigen Ausbuchtungen. Der Entwurf gefiel mir sehr gut, vor allem, weil einige Landzungen in den Teich hineinragten, die mit Gebüsch ausgestatten einen Sichtschutz bildeten.
Er erzählte: „Wir haben am Dienstag in eueren alten digitalisierten Plänen gewühlt und sind fündig geworden. Entscheidend war der Plan, der angefertigt wurden, als alle Gebäude an die Kanalisation angeschlossen wurden. Deine Vermutung, dass die Hausdächer den Teich mit Regenwasser versorgt haben, geht aus dieser Umstellung hervor.
Du hattest angedeutet, dass vor allem die Gebäude, die dem Teich am nächsten liegen, die Wasserversorgung für den Teich sichergestellt hat. Weitere Gebäude hatten Sickergruben, in denen das Wasser in den Untergrund versickern konnte. Bei der topographischen Prüfung haben wir festgestellt, dass wir weitere Gebäude an die Wasserversorgung des Teichs anbinden können, deshalb haben wir den Teich etwas größer geplant.
Wir erreichen damit, dass die Abwasserleitungen mit weniger, bis gar keinem Regenwasser belastet werden, damit für die künftigen Neubauten im Gutshofgelände keine Erweiterung der bestehenden Kanalisation erforderlich wird. Von der Stadt haben wir bereits die mündliche Zusage erhalten, Oberflächenwasser in einem Teich zu sammeln, der im Ernstfall auch als Löschwasserteich genutzt werden kann.“
Ich schaute ihn an und stellte fest: „Willst du damit sagen, dass wir uns in diesem Fall, die geplanten Kosten für die Erweiterung der Abwasserleitungen ersparen können. Das gesamte Oberflächenwasser der befestigten Flächen und aller Hausdächer wird zukünftig in einen größeren Badeteich geleitet, kann dort versickern oder wird in den Bach abgeleitet.“
Alexander erklärte: „Komplett einsparen nicht, wir werden für das Regenwasser, das in den Teich geleitet wird, ein neues Sammelsystem aufbauen, dass aber nur knapp ein Drittel von dem Kosten wird, was für den Ausbau der Kanalisation eingeplant war. Im Plan ist vorgesehen, dass wir die Kindertagesstätte von vornherein einplanen und die Leitung bereits mitverlegt wird.
Für den Teich brauchen wir keine Genehmigung, da er Altbestand ist, dass er eine andere Form erhält, spielt dabei keine Rolle. Wir könnten Ende nächster, Anfang übernächster Woche bereits mit dem Teichaushub beginnen. Der Aushub und die grobe Ausformung werden in zwei bis drei Tagen erledigt sein. Das Unternehmen, das den Aushub durchführt, könnte anschließend die Leitungen verlegen, mit dem das Regenwasser in Richtung Teich geführt wird.
Da nur zwanziger Rohrleitungen verlegt werden bis zum jeweiligen Einlaufpunkt am Bach, werden ein oder zwei Kleinbagger eingesetzt. Alle Wohnhäuser, die heuer fertiggestellt werden, werden direkt angeschlossen, sofern das Dach bereits fertig ist und oder so weit vorbereitet, dass sie jederzeit angeschlossen werden können. Ab Ende März würde das Regenwasser von einem Großteil der Gebäude bereits den Teich befüllen.
Ab Mitte April haben wir einen Landschaftsgestalter, der mit der Bepflanzung und der Detailgestaltung beginnen könnte. Er geht davon aus, dass er etwa zwei bis drei Wochen benötigt, um das Gelände fertigzustellen. Er will Rollrasen verwenden, weil dieser schneller anwachsen würde und ab Anfang Juni ohne Probleme betreten werden kann. Damit könnten wir deinen Zeitplan einhalten und die Badesaison im Juni eröffnet werden.
Was ich nicht exakt bestimmen kann, ist der Tatbestand, ob bereits genügend Wasser im Teich angekommen ist. Wenn ich die durchschnittlichen Regenmengen als Ausgangsbasis nehme, wir ab Ende März das Regenwasser einleiten, sollte bis Anfang Juni der Teich annähernd gefüllt sein, zum Baden sollte es jedenfalls ausreichen. Darüber hinaus werden wir den bisherigen Auslauf etwas höher setzen, dass erst bei höherem Wasserstand der Ablauf stattfindet.
Ich schaute Alexander an und meinte: „Das habt ihr alles in der kurzen Zeit bereits arrangieren können? Ich bin echt überrascht, mit welchem Schwung ihr an dieses Projekt herangegangen seid!“
Alexander erklärte: „Das war eine Gemeinschaftsarbeit des Architekturbüros. Ein Mitarbeiter hat nur die Dachflächen ermittelt und die Wassermengen errechnet, die anfallen können. Der Senior hat den Rohrleitungsplan erstellt, der für die Umleitung des Wassers zum Teich notwendig ist. Nur so war das alles in der kurzen Zeit machbar. Nächste Woche bekommen wir das Angebot für den Aushub des Teiches und die Verlegung der Regenwasserleitungen.
Angebote kann der Landschaftsbauer erst erstellen, wenn feststeht, wie viele Quadratmeter Rollrasen verlegt werden müssen und wenn die vollständige Pflanzliste vorliegt. Ich werde noch prüfen, welche Sträucher und Büsche wir ausgraben und wiederverwenden können, sie werden beim Aushub gleich entsprechend umgesetzt.“
Da damit für den Augenblick alles geklärt war, verabschiedete ich mich von Alexander mit der Bemerkung, wir sprechen wieder miteinander, wenn euch das Angebot vorliegt. Ich bin nur am Donnerstag nicht erreichbar, da wir an diesem Tag unsere große Vorstellung für unsere Dokumenten- und Bauplanverwaltung haben werden.
Da es schon kurz vor Mittag war, schaute ich zuerst kurz in die neuen Büros der Stiftungsverwaltung, die Jungs wünschten mir ein ruhiges und erholsames Wochenende, da sie heute bereits Mittag ihr Arbeit beenden wollten. Als ich nachfragte, ob sie sich in ihren neuen Büros bereits eingelebt haben, meinte Felix: „Irgendwie ist es ein ruhigeres Arbeiten als bisher, was aber nur daran liegt, dass Ludwig kaum noch hier ist und wir derzeit jeweils allein in einem Büro sitzen.“
Ich meinte: „Es hat keiner gesagt, dass ihr euch von Anfang an einzeln setzen solltet. Vielleicht solltet ihr einfach am Montag testen, wie es ist gemeinsam in einem Büro zu sitzen. Eure Auszubildenden kommen erst in sechs Monaten, ab dem Zeitpunkt wird es für vier Leute einfach zu eng in einem Büro.“
Ich wünschte ihnen ein schönes Wochenende und ging direkt durch ins ehemalige Büro der Stiftungsverwaltung. Florian schaute mich an und meinte: „Peter, wann hast du Zeit, die Einladungen und den Plan für den Event für die acht Nachzügler für den Hofladen und die IT mit mir zu besprechen?“
Ich meinte: „Wenn du heute noch etwas da bist, können wir uns nach dem Mittagessen mit dem Thema beschäftigen. Kommst du mit in die Kantine, ich will heute auch einmal eher mein Büro abschließen, aber die Einladungen sind wichtig. Wir haben noch viel Zeit bis zu den Osterferien, nur wir sind im Wort, dass die Einladungen diese Woche verschickt werden.
Bis Ende nächster Woche bin ich noch voll mit dem Event für unsere neue GmbH eingespannt und danach kommt bereits der Endspurt zur Eröffnung des Hofladens der Gärtnerei Grubmüller.“
Florian erklärte: „Peter, ich gehe mit dir in die Kantine und danach setzen wir uns zusammen, wenn du die Einladungen absegnest, schicke ich sie gleich noch los. Während du dir das Programm zu Gemüt führst, versende ich die Einladungen. Im Anschluss klären wir noch den Plan für die vier Tage.“
Wir gingen gemeinsam in die Kantine, wo mir Bernhard und Noah über den Weg liefen. Ich fragte Noah: „Hallo Noah, in den letzten Tagen sind wir uns nur selten über den Weg gelaufen. Wie geht es dir so ohne Simon? Macht ihr wie angekündigt euren täglichen Videoanruf und wie geht es ihm ohne dich?“
Noah grinste: „Die ersten Tage war es abends schon etwas komisch, aber inzwischen hat sich das wieder geändert. Unsere täglichen Videoanrufe gibt es jeden Abend, sie helfen mir, aber viel mehr Simon, die Zeit bis zu den Osterferien zu überstehen. Für mich ist es einfacher, da ich die Jungs jeden Tag um mich habe, vor allem Bernhard ist immer für mich da, wenn ich merke, ich könnte in ein tiefes Loch rutschen.
Simon hat mir erzählt, dass in der Schule inzwischen akzeptiert wurde, dass er Programmierer werden will und nicht in einer Werkstatt für behinderte Menschen arbeiten will. Seine Eltern haben dem Schuldirektor beigebracht, dass sie Simon unterstützen, da die Umgebung auf ihn positiv wirke und sie nicht verantworten können, dass er wieder in alte Muster zurückfällt.“
Nach dem Essen gings zurück ins Gutshaus und Florian kam mit seinen Unterlagen direkt in mein Büro. Er bat mich die Einladung gut durchzulesen und mein Ok zu geben. Ich fragte nach, ob der Anreisetag der Gründonnerstag sei und die Heimreise für alle am Ostermontag stattfindet. Florian bestätigte mir das und erklärte, am Dienstag nach Ostern beginn bereits wieder der Unterricht in Schleswig-Holstein.
Da ich keine Einwendungen hatte, gab ich die Einladung frei und Florian verschickte die Einladung direkt an die acht Bewerber. In der Zwischenzeit studierte ich den Ablauf der drei vollen Tage und des Ankunftstages. Was mir sofort auffiel, sie hatten für Karfreitag nur Vorstellung der Gutshofgruppe und die Bewerbungsgespräche angesetzt, dafür war der Karsamstag voll mit Unternehmungen.
Erst am Ostersonntag kam der Teil mit den Verträgen und der Klärung der Unterkunft während der Ausbildung am Gutshof. Florian war mit dem Versand der Einladungen fertig und wollte wissen, ob ich Fragen zur Programmgestaltung und dem Ablauf der drei Tage hätte.
Ich schaute ihn an und meinte: „Fragen habe ich keine, ihr habt das volle Unterhaltungsprogramm in den Karsamstag gepackt, da am Karfreitag nichts geöffnet hat. Was wir in unseren Räumen veranstalten, interessiert keinen, können wir nicht etwas Abwechselung in den Freitag bringen, notfalls mit einem Spieleabend. Denkt noch einmal darüber nach, vielleicht fällt euch etwas Besseres ein. Ansonsten, gut durchdachter Ablaufplan. Denk daran, dass die Nordlichter am Ostermontag sehr früh aufbrechen müssen.“
Florian meinte: „Wir hatten schon überlegt am Freitagabend ein Turnier mit den Spielekonsolen zu veranstalten. Armin meinte, wäre doch langweilig, wenn wir keinen Gewinn ausspielen können. Ich finde die Idee Spieleabend nicht einmal schlecht, wir müssten nur jüngere Gutshofbewohner als Mitspieler finden.“
Ich grinste und erklärte: „Wer hindert dich daran unsere bereits eingestellten Auszubildenden, die im Gutshof wohnen einzuladen, dazu einige von den derzeitigen Auszubildenden. Wenn Übernachtungsgäste da sind, können die sich ebenfalls am Spieleabend beteiligen. Spieleabend ist für alle Gutshofbewohner eine feste Institution, bis zu elf Leute im Gutshaus, acht aus dem Verwalterhaus, sechs aus dem IT-Gebäude und weitere drei im Dachgeschoß des Jugendhotels.“
Florian lächelte und meinte: „Ich hatte keine Ahnung, dass im Bereich des Gutshofes regelmäßig Spieleabende veranstaltet werden. Ich habe nur davon gehört, dass bei euch in der Wohnung gelegentlich so etwas wie ein Spieleabend stattfindet. Wenn das so ist, sollten wir alle zu dem Spieleabend am Karfreitag einladen, wenn nur die Hälfte der Leute dabei ist, sind es genügend Leute, um verschiedene Spiele anzubieten.
Da ich wieder im Jugendhotel übernachte, bin ich mit von der Partie am Karfreitag. Vielleicht finde ich dabei auch Mitspieler, mit denen ich nach meinem Umzug in meine Wohnung gelegentlich einen Spieleabend durchziehen kann.“
Ich schaute ihn an und meinte: „Wenn du bei dir in der Wohnung einen Spieleabend durchführen willst, solltest du dir einen großen Esstisch anschaffen, in allen drei Wohnungen im IT-Gebäude ist jeweils ein Tisch für bis zu acht Mitspieler vorhanden, den sich die Jungs extra deswegen gekauft haben. Bei uns in der Wohnung können sich bis zu sechzehn Spielsüchtige am Esstisch versammeln.
Aber, wieder zurück zu unserem eigentlichen Thema, euer Ablaufplan für die drei Tage passt perfekt, vor allem deswegen, weil ihr das gesamte Einstellungsprozedere auf den Karfreitag gelegt habt, an dem kein Eventprogramm möglich ist. Jetzt können wir nur hoffen, dass auch alle kommen und wir die Ausbildungsplätze für Scharbeutz und Marktoberdorf unter Dach und Fach bringen.
Florian merk dir vor, dass wir für nächstes Jahr weitere Ausbildungsplätze für Marktoberdorf ausschreiben, nicht nur für die IT, sondern auch für das Jugendhotel und das Restaurant. Ausbildungsstart wird vermutlich noch hier in Rosenheim sein, mit Eröffnung des Gebäudes können die Auszubildenden für das Jugendhotel, dort weiter ausgebildet werden.“
Frech antwortete er: „Wird erledigt Chef, wenn wir ab Herbst die Anzeigen schalten, klären wir vorher ab, für welche Berufe wir in Marktoberdorf Auszubildende suchen. Peter ich will dich auch gar nicht länger davon abhalten ins Wochenende zu verschwinden, meine Fragen sind vorerst geklärt. Jetzt sitze ich seit gestern im Büro neben dir, aber wir sehen uns auch nicht öfter als vorher im alten Büro auf der anderen Seite des Flurs.“
Er packte seine Unterlagen zusammen und ging auf dem direkten Weg in sein Büro. Ich wollte meinen Computer herunterfahren, als mein Telefon sich bemerkbar macht. Eigentlich wollte ich das Gespräch nicht mehr entgegennehmen, als ich jedoch feststellte, dass Barbara in der Leitung war, nahm ich das Gespräch entgegen. Ich begrüßte sie und erklärte ihr, dass ich gerade für heute ins Wochenende entfleuchen wollte.
Sie lachte und meinte: „Peter, ich glaube nicht, dass du so einfach ins Wochenende verschwindest, vor allem nicht, wenn ich dich mit meinem Problem überrolle. Ich verstehe nur nicht, warum wir neuerdings von anderen Jugendämtern fast immer angesprochen werden, wenn irgendwo ein Problem mit schwulen Jugendlichen auftaucht. Ich hatte gerade ein längeres Gespräch mit einer Sozialarbeiterin des Jugendamtes aus Marktoberdorf.
Es geht um einen noch sechzehnjährigen jungen Mann, der von seinen Eltern vor die Tür gesetzt wurde, als sie von dritter Seite erfahren haben, dass ihr Sohn schwul sei. Er ist im ersten Ausbildungsjahr als Bäcker und hat vermutlich deswegen auch seinen Ausbildungsplatz verloren. So sicher war man sich deswegen jedoch nicht. Der Junge ist momentan in einem Kinderheim untergebracht, muss aber so schnell wie möglich woanders untergebracht werden.
Vor Ort konnten sie bisher keinen Platz für ihn finden. Bei der heutigen Besprechung hat ihr der Leiter des Jugendamtes den Vorschlag gemacht, sie solle sich mit dem Jugendamt in Rosenheim in Verbindung setzen. Dort könne ihr man eventuell weiterhelfen. Sie sagte mir noch, dass sie dieses Problem nicht hätten, wenn das neue Jugendwohnheim schon existieren würde, dass mit einem Herrn Maurer geplant ist. Damit stand für mich fest, dass du damit gemeint sein musstest.“
Ich erklärte: „Ja, Barbara, damit kann nur ich gemeint sein. Der Leiter des Jugendamts war vor kurzem bei mir und wir werden in Marktoberdorf ein Jugendwohnheim nach dem Muster unseres Projekts errichten. Aber zurück zu deiner Anfrage, wie bist du mit der Sozialarbeiterin verblieben, wie es mit dem jungen Mann weitergehen soll?“
Barbara sagte: „Ich habe ihr nur versprochen, mich bei ihr zu melden, wenn ich mit meinem Ansprechpartner über ihren Fall gesprochen habe. Ich wollte mich innerhalb der nächsten Stunde wieder bei melden. Sie hat von sich aus angeboten, wenn wir eine Möglichkeit sehen, den Jungen unterzubringen, ihn morgen in den Zug zu setzen, damit er nach Rosenheim fahren kann.
Wenn ich ehrlich sein soll, die Lösung gefällt mir überhaupt nicht, da ich befürchte, dass der junge Mann vielleicht nie in Rosenheim ankommen wird. Wenn ich dem Vorgang zustimme und der Junge nie in Rosenheim ankommt, warum auch immer, darf ich mich trotz alledem mit einem untergetauchten Jungen, den ich vorher nie gesehen habe, beschäftigen. Hast du eine Idee, wie wir ihm helfen können oder soll ich absagen mit dem Argument, dass unser Kontakt aus Platzgründen derzeit niemand aufnehmen kann.“
Ich überlegte, bevor ich antwortete: „Barbara, dir ist schon bewusst, dass ich nie einen schwulen jungen Mann hängen lassen kann, der dringend Hilfe benötigt. Ich würde ihn gern, so wie bei meinen beiden Adoptivsöhnen, vorher kennenlernen. Das würde mir die Entscheidung unheimlich erleichtern, wenn ich erkennen kann, dass er die ihm gebotene Chance ergreifen will.
Dir hilft es nicht weiter, wenn er hier ist und du ihn letztendlich irgendwo in einem Kinderheim unterbringen darfst. Ich verstehe dich sehr gut, wenn du die Befürchtung hast, dass er auf dem Weg von Marktoberdorf nach Rosenheim verlorengehen könnte. Mir gefällt der Vorschlag ebenso wenig.
Wenn es um einen Schlafplatz geht, dafür findet sich immer eine Lösung. Immerhin haben Bernhard und Benjamin angeboten, zukünftig, zumindest vorübergehend, immer wieder ein Sorgenkind aufzunehmen. Es gibt weitere Möglichkeiten, wie zum Beispiel Richie, der vorzeitig in sein eigenes Appartement umzieht, damit wäre Platz im Verwalterhaus. Er würde bei Pete im Zimmer untergebracht, der ebenfalls schwul ist.
Ich biete folgendes an, jemand aus Marktoberdorf bringt den Jungen nach Sindelsdorf, das liegt in etwa in der Mitte zwischen Marktoberdorf und Rosenheim. Wir treffen uns in einem Wirtshaus. Dort kann ich den jungen Mann und er mich kennenlernen. Wenn er die ihm gebotene Chance ergreifen will, fährt der Junge mit mir weiter nach Rosenheim, wenn nicht, darf das Jugendamt in Marktoberdorf nach einer anderen Lösung suchen.“
Barbara lachte und sagte: „Peter, dass du schwule Jungs nicht hängen lässt, kann auch falsch interpretiert werden. Da ich genau weiß, wie dein Satz gemeint ist, kann ich damit leben. Ich werde meiner Kollegin vom Jugendamt in Marktoberdorf deinen Vorschlag unterbreiten und sehen, wie sie darauf reagiert. Dass du noch Optionen zur Unterbringung hast, ist mir bekannt, beim Umzug von Bernhard und Benjamin, hat mir Benjamin bereits verraten, dass sie bei sich ein Sorgenkind aufnehmen und dich unterstützen wollen.
Auch mit deinem Vorschlag, Richard vorzeitig ins Appartement in der Gärtnerei Grubmüller umziehen zu lassen, kann ich sehr gut leben. Wir klären das aber erst, wenn sicher feststeht, dass der junge Mann nach Rosenheim kommen will, denn mit den betroffenen Jungs am Gutshof sollten wir vorher reden. Peter, ich lege jetzt auf, rede mit Marktoberdorf und wenn sie deinen Vorschlag so akzeptieren, klären wir wie die Sache abgewickelt wird.“
Wir legten auf und ich rief oben in der Wohnung an. David meldete sich und ich bat ihn, sich seinen Adoptivbruder zu schnappen und zu mir ins Büro zu kommen, da ich etwas mit ihnen besprechen will. Keine vier Minuten später standen die beiden Jungs in meinem Büro. Ich bat sie sich in die Besprechungsecke zu setzen und setzte mich zu ihnen.“
Fast schon wie erwartet traf mich die Frage von Tobias, ob sie etwas falsch gemacht hätten, weil ich sie dringend und noch dazu im Büro sprechen wollte. Ich lachte und meinte: „Interessant, die Frage an sich hatte ich schon erwartet, aber ich muss euch enttäuschen, ich brauche eure Hilfe bei einem Problem. Es geht um einen schwulen Jungen der Hilfe benötigt, Barbara hat mich vor wenigen Minuten deswegen angerufen.“
Tobias grinst und erklärte: „Bin ich froh, dass wir nichts verbrochen haben, aber wie können wir dir bei der Lösung des Problems helfen. Handelt es sich wieder um einen schwulen Jungen aus einem Münchner Kinderheim?“
Ich sagte: „Dieses Mal ist es kein Sorgenkind aus München, der Junge kommt aus Marktoberdorf. Er wurde von seinen Eltern aus dem Haus geworfen und ist derzeit in einem Kinderheim untergebracht. Er hat sich nicht geoutet, seine Eltern haben von dritter Seite erfahren, dass er schwul sein soll. Nach Auskunft von Barbara hat er auch seinen Ausbildungsplatz als Bäcker verloren. Genauere Details warum konnte sie mir noch nicht sagen.
Ich habe Barbara angeboten, dass wir den Jungen aufnehmen würden, ich ihn jedoch vorher kennenlernen möchte und vor allem feststellen will, ob er unsere Hilfe überhaupt annehmen will, ähnlich wie bei dir Tobias. Wenn vom Jugendamt Marktoberdorf grünes Licht kommt, will ich mich auf etwa halber Strecke mit dem Jungen und der Betreuerin treffen. Ich würde gern einen von euch oder euch beide mitnehmen zu diesem ersten Aufeinandertreffen. Jungs wie sieht es aus, kann ich auf euch zählen?“
Die beiden grinsten, schauten sich an und David antwortete: „Logisch kannst du auf uns zählen, wir würden ihn sogar bei uns für ein paar Tage aufnehmen, bis das mit seiner Unterbringung endgültig geklärt ist. Bis wann weißt du, wann du dich mit ihm treffen kannst?“
Ich wollte gerade erklären, dass ich das noch nicht genau wüsste, als erneut mein Telefon klingelte. Ich stellte fest, dass der Anruf direkt aus Marktoberdorf kam und nicht von Barbara, was mich etwas verwunderte. Ich nahm das Gespräch entgegen und meldete mich mit Peter Maurer. Überraschenderweise hatte ich Robert Abele, den Leiter des Jugendamts als Gesprächspartner.
Er begrüßte mich ebenfalls und meinte: „Peter, ich bin von meiner Mitarbeiterin darüber informiert, dass ihr Kilian Sonnenberger aufnehmen würdet, ihn aber vorher kennenlernen möchtet. Ihr habt ein Treffen in Sindelsdorf vorgeschlagen, was in etwa die Hälfte der Strecke nach Marktoberdorf ist. Da sie aus privaten Gründen keine Zeit hat mit Kilian dorthin zu fahren, habe ich angeboten, ihn dorthin zu bringen und mich mit dir zu treffen, vor allem, weil wir beide uns bereits kennengelernt haben.
Ich habe sie beauftragt, dafür Sorge zu tragen, dass ich Kilian in etwa einer Stunde aus dem Kinderheim abholen kann. Er soll inzwischen seine Sachen packen und ich werde ihm unterwegs erklären, warum wir uns mit dir treffen. Ich bin überzeugt, dass er mitkommt nach Rosenheim, wenn er dich kennengelernt hat und eine Perspektive für sich sieht. Hier sind seine Aussichten leider nicht sehr rosig.“
Ich meinte: „Freut mich, dich nach so kurzer Zeit wieder zu treffen. Dann werde ich mich darauf einstellen, dass ich in einer Stunde ebenfalls losfahren kann und wir uns in Sindelsdorf treffen. Ruf mich an, wenn du losfährst mit Kilian, damit ich nicht zu lange auf euch warten muss. Wir sehen uns in etwa zwei bis zweieinhalb Stunden.“
Ich hatte kaum aufgelegt, als Barbara wieder anrief. Sie meinte: „Die Kollegin aus Marktoberdorf kann dir den jungen Mann aus privaten Gründen nicht selbst übergeben, Ihr Chef hat sich angeboten, diese Aufgabe zu übernehmen. Er wird dich gleich anrufen, sie kümmert sich darum, dass Kilian in einer Stunde abgeholt werden kann.“
Ich bremste ihren Redefluss und sagte: „Barbara, du brauchst mir keine weiteren Details erklären, Robert hat bereits mit mir gesprochen und erklärt, dass er Kilian nach Sindelsdorf bringen wird. Er ruft mich an, wenn er losfährt. Wir zwei treffen uns morgen am frühen Nachmittag, um alles weitere zu besprechen und offene Punkte zu klären. Heute wird mir das doch etwas zu stressig.“
Barbara antwortete: „Peter, dann will ich dicht nicht länger stören, ruf mich nur an ob Kilian nach Rosenheim mitkommt, dann treffen wir uns morgen um vierzehn Uhr bei euch in der Wohnung. Wir sehen uns dann Morgen.“
Ich sagte zu den Jungs: „In gut zwei Stunden treffen wir in Sindelsdorf auf Robert, dem Chef des Jugendamtes, der uns sein Sorgenkind bringt und übergeben will. Ich werde jetzt endlich mein Büro für diese Woche abschließen, damit ich in einer Stunde abfahrbereit bin.“
Ich beendete alle laufenden Programme auf meinem Notebook, fuhr ihn herunter und ging mit meinen beiden Söhnen nach oben in unsere Wohnung. Thomas begrüßte mich mit den Worten: „Schön, dass du deinen Arbeitstag bereits beendet hast und wir uns in ein ruhiges gemeinsames Wochenende stürzen können.“
David und Tobias kicherten, als sie Thomas Spruch hörten. David sagte: „Thomas, dass wird nichts mit einem ruhigen Wochenende. Peter hat sich vorhin ein neues Sorgenkind über Barbara eingefangen und wir beide werden ihn begleiten, wenn er in knapp einer Stunde losfährt, um Kilian einzusammeln. Wir treffen uns in Sindelsdorf mit dem Chef des Jugendamts Marktoberdorf, der uns dort einen Kilian übergeben will.
Peter, Tobias und ich organisieren schnell noch das Gästebett, damit Kilian in den nächsten Tagen bei uns beiden übernachten kann, bis seine endgültige Unterbringung geklärt ist. Den Rest kann Peter in unserer Abwesenheit mit dir besprechen.“
Schneller als mir lieb war, waren die beiden Jungs verschwunden und ich stand immer noch im Flur neben Thomas. Wir gingen auf meinen Wunsch ins Wohnzimmer und setzten uns in die beiden Sessel. Thomas meinte: „Ich nehme an, dass Kilian schwul ist, sonst hättest du dich sicher nicht von Barbara breitschlagen lassen, den Jungen nach Rosenheim zu holen.“
Ich antwortete: „Richtig, Kilian ist schwul, er wurde von seinen Eltern vor die Tür gesetzt, als sie von dritter Seite erfuhren, dass ihr Sohn schwul sei. Viel weiß ich bisher nicht über Kilian, nur dass er bereits Auszubildender zum Bäcker ist, noch nicht siebzehn Jahre alt ist und dass er seinen Ausbildungsplatz ebenfalls verloren hat.
Robert hat mir nur noch erklärt, dass Kilian in Marktoberdorf keine Aussicht auf ein vernünftiges Leben haben wird und er möglichst schnell woanders untergebracht werden muss, weil er sonst möglicherweise unter die Räder kommen wird. Klar, dass ich da nicht nein sagen konnte. Warten wir erst einmal ab, ob er überhaupt mitkommen will nach Rosenheim, deswegen auch das Treffen auf halber Strecke. Thomas, ich würde mich kurz frischmachen und mich umziehen, bevor ich mit den Jungs losfahre.“
Thomas meinte: „Kannst du jederzeit, ich verstehe nur noch nicht, warum du unbedingt unsere Jungs mit dabeihaben willst.“
Ich erwiderte: „Ich weiß es auch nicht so genau, mein Gefühl sagt mir, dass ich bei diesem Fall unsere Jungs mitnehmen soll, weil sie es sind, die auf ihn einen positiven Eindruck machen können.“
Ich stand auf und ging ins Bad, wo ich mich nur ganz kurz duschte. Im Schlafzimmer holte ich mir legere Freizeitkleidung, im Anzug wollte ich auf keinen Fall zu diesem Treffen fahren. Nach zwanzig Minuten stand ich wieder im Wohnzimmer, wo mich drei Augenpaare musterten. Ich fragte: „Was ist los, warum schaut ihr mich so durchdringlich an?“
Thomas antwortete: „Ich dachte du willst dich frischmachen und frische Sachen anziehen, ich bin nicht davon ausgegangen, dass du in so legerer Kleidung wieder erscheinen würdest. Wäre es nicht vernünftige in einem Anzug zu diesem Termin zu fahren?“
Ich antwortete: „Nein, ich will ja nicht als Vertreter der Stiftung oder des Gutshofes mein Gegenüber beeindrucken. Ich will mich so präsentieren, wie ich mich wirklich fühle. Es war meine innere Stimme, die mir das zugeflüstert hat.“
Tobias und David kicherten und Tobias meinte: „Dann sollten wir uns auch umziehen und uns unserem Vater anpassen.“ Damit standen die beiden auf und gingen in ihr Zimmer ums sich in legerere Kleidung zu werfen. Thomas sagte erst einmal nichts, grinste nur vor sich hin, bis er dann fragte: „Wie machen wir das mit dem Abendessen, vor allem, bis wann wollt ihr wieder zurück sein?“
Dazu meinte ich: „Ich denke, von der Abfahrt bis zu unserer Rückkehr kann es schon bis zu vier Stunden dauern. Drei Stunden brauchen wir sicher für den Hin- und Rückweg. Wenn wir etwa gegen fünfzehn Uhr losfahren, das wäre so in etwa die Zeit, die Robert angedeutet hat, werden wir gegen neunzehn Uhr wieder zuhause sein. Damit du nicht allein kochen und auf uns warten musst, sollten wir nach unserer Rückkehr mit den Jungs ins Restaurant zum Essen gehen.“
Thomas meinte dazu: „Ich werde uns einen Tisch für neunzehnuhrdreißig bestellen, bis dahin solltet ihr sicher wieder zurück sein, es sei denn, eure Abfahrt findet erheblich später statt. Während ihr unterwegs seid, werde ich unsere Vorräte prüfen und zusätzlich aufschreiben, was am Samstag eingekauft werden sollte. Mit wem willst du morgen einkaufen gehen, laut Plan bist du dieses Wochenende dafür zuständig?“
„Keine Ahnung“ meinte ich „vielleicht sollte ich unser neues Sorgenkind mitnehmen. Dann habt ihr die Gelegenheit rechtzeitig fertig zu sein, wenn Barbara gegen vierzehn Uhr zum Kaffee kommt. Wir wollen uns mit ihr und einem Teil unserer Jungs zusammensetzen und über die nächsten Schritte diskutieren, wie es mit Kilian weitergehen wird.“
David und Tobias kamen zurück ins Wohnzimmer, als Thomas die beiden sah meinte er: „Das nenne ich mal eine Verwandlung, habt ihr extra eure alten Klamotten aus dem Kinderheim herausgeholt, damit ihr Kilian als ehemalige Kinderheimbewohner ähnlich seht.“
Ich musste grinsen, über das was Thomas gesagt hatte. Bevor die Jungs ihm das Fell über die Ohren ziehen, erklärte ich: „Ich kann mich nicht daran erinnern, dass die beiden Jungs das bei ihrem Umzug zu uns bereits dabeihatten. Das sind Teile, die sie neu eingekauft haben, bei einem unserer Einkaufsbummel in München.“
Ich wurde unterbrochen, denn mein Smartphone verschaffte sich lautstark meine Aufmerksamkeit. Es war Robert, der ankündigte, dass er jetzt mit Kilian losfahren wird. Er meinte, wir treffen uns im Wirtshaus Urthalerhof in Urthal, das liegt von eurer Seite kommend, etwa drei Kilometer vor Sindelsdorf auf der linken Seite.“
Ich bedankte mich für die Info und meinte zu den Jungs, dass wir jetzt zu unserem Treffen mit Robert und Kilian aufbrechen. Wir gingen zu den Garagen und mit unserem privaten Auto fuhren wir los. Das Navigationsgeräte verkündete freundlich, dass wir kurz vor sechzehn Uhr dreißig unser Ziel erreichen würden. David saß auf dem Beifahrersitz und meinte: „Gut siebzig Kilometer und dafür fast eineinhalb Stunden, damit sind wir nicht gerade sehr schnell unterwegs.“
Mir fiel irgendwann doch auf, dass die Restfahrzeit immer wieder um eine Minute kürzer würde, trotz alledem würden wir mindestens eine Stunde und fünfzehn Minuten bis zu unserer Ankunft brauchen. Ich lauschte immer wieder meinen beiden Jungs, die Vermutungen anstellten, wie Kilian aussehen würde. Ich sagte: „Was hilft euch euer Rätselraten, am Ende müsst ihr doch mit dem realen Kilian vorliebnehmen und nicht mit einem Wunschbild, dass ihr euch in eurer Fantasie gebastelt habt.“
Kurz nach sechzehnuhrfünfzehn parkte ich vor dem Wirtshaus ein, das uns als Treffpunkt genannt wurde. Beim Aussteigen entdeckte ich Roberts Wagen, der einige Meter weiter geparkt hatte. Während meine Jungs noch ausstiegen, öffneten sich bei Roberts Wagen die Fahrer- und Beifahrertür und Robert, sowie ein schlanker Blondschopf stiegen aus.
Ich ging auf den Wagen von Robert zu und begrüßte ihn herzlich. Danach wandte ich mich an Kilian und meinte: „Hallo Kilian, ich bin Peter, freut mich dich kennenzulernen. Darf ich dir meine beiden Adoptivsöhne David und Tobias vorstellen.“
Robert schaute mich an und deutete mir an, dass ich mich einmal umdrehen sollte. Was ich zu sehen bekam, hätte ich liebend gern mit meinem Smartphone festgehalten. David und Tobis standen wie angenagelt und starrten Kilian an. Kilian ging einen Schritt auf die beiden zu und meinte: „Hallo Jungs, freut mich euch kennenzulernen, wer ist jetzt wer von euch beiden.“
Damit drehte er sich wieder um und kam zu mir zurück, drückte meine Hand und sagte: „Hallo Peter, freut mich auch dich kennenzulernen, Robert hat mir ja schon einiges von dir erzählt auf der Fahrt hierher. Deine beiden hübschen Adoptivsöhne hat er mir dabei verschwiegen, warum auch immer.“
Ich grinste ihn an und meinte: „Ich habe keine Ahnung, was er dir alles über mich erzählt hat. Ich habe noch zwei weitere volljährige Kinder, meine Tochter Martina mit Schwiegersohn und zwei süßen Enkelkinder, dazu meinen Sohn Philipp mit seine Ehepartner Marcus. Die beiden sind aus meiner Ehe mit Gabi, die wir durch Krebs verloren haben.
Nach dem Tod von Gabi, war es Thomas, den meine Kinder und ich in unser Herz ließen. Mit ihm lebe ich jetzt bereits achtzehn Jahre zusammen und wir sind immer noch sehr glücklich. Ich denke, das hat er dir ebenfalls nicht von mir erzählt. Vermutlich hat er dir vorgeschwärmt, was für ein toller Mann ich sei.“
Kilian lachte und meinte: „Ja er hat mir mehr oder weniger nur davon erzählt, was du alles für benachteiligte Kinder und Jugendliche auf die Beine gestellt hast. Über dich und deine Familie hat er nichts von sich gegeben. Ehrlich gesagt, ich war mir unterwegs nicht sicher, ob ich bei euch in Rosenheim leben könne, nachdem Herr Abele so sehr von dir geschwärmt hat.
Du stehst plötzlich vor mir und bist so ganz anders, als ich erwartet habe. Du bist offen, stehst zu deiner Homosexualität, hast zwei hübsche, etwa gleichaltrige Söhne, die ich nicht von der Bettkante schubsen würde.“
Ich meinte: „Wir sollten lieber ins Wirtshaus gehen, bevor wir hier noch festwachsen oder festfrieren, dort können wir in aller Ruhe über alles reden und dann solltest du dich entscheiden, ob du mit uns nach Rosenheim kommst oder mit Robert wieder zurück nach Marktoberdorf fährst.“
Als er sich umdrehte, sah er wie meine beiden Jungs miteinander knutschten und blieb schlagartig wieder stehen. Ich kommentierte das so: „Noch nie zwei Jungs gesehen, die miteinander Knutschen, dann wird es Zeit, dass du dich schleunigst daran gewöhnst. Denn außer mir und Thomas und meinem Sohn mit seinem Marcus leben dort mindestens acht weitere schwule Pärchen im Gutshof.“
Er drehte sich wieder zu mir und sagte: „Peter du verarscht mich doch mit dieser Aussage.“
Ich brauchte nicht zu antworten, das übernahm Tobias: „Nein Peter verarscht dich wirklich nicht, es leben viele schwule Pärchen im Gutshof, wir hätten anzubieten, Peters Neffe Jonas mit seinem Tim, Manual und Daniel unsere schwulen Gärtner. Bernhard ein IT-Mitarbeiter und Benjamin aus der Stiftungsverwaltung. Felix, ebenfalls Stiftungsverwaltung mit Dennis, ist Auszubildender zum Hotelkaufmann.
Ludwig, Bürokaufmann mit seinem Christian, Auszubildender in der Gärtnerei. Alejandro, Facility Manager mit seinem Jorge, Landwirtschaftlicher Mitarbeiter und ihrem Adoptivsohn Rafael. Seit kurzer Zeit Frederik, Einzelhandelskaufmann mit seinem Kevin, Auszubildender in der IT. Dazu Noah, ebenfalls IT mit seinem Simon, der im Sommer endgültig bei ihm einziehen wird. Nicht zu vergessen, Michael, Sozialpädagoge mit Andreas, Bernhards älterer Bruder, der in der Landwirtschaft mitarbeitet.“
Kilian meinte: „Das waren jetzt aber neun Pärchen, die du mir aufgezählt hast, Peter hat doch nur von acht weiteren gesprochen.“
Ich klärte auf: „Ich habe von acht gesprochen, weil ich Noah und Simon nicht mitgerechnet habe. Simon kommt erst im Sommer, nach seinem Schulabschluss zum Gutshof und wird eine Ausbildung zum Programmierer machen. Die beiden sind zwar ein Pärchen, leben aber noch nicht fest zusammen. Ich bin dafür endlich in die Gaststube zu gehen, mich dürstet.“
Kilian schnappte sich meine beiden Jungs und ging mit ihnen in Richtung Eingang. Robert ging neben mir und meinte: „Peter, ich bin mir jetzt absolut sicher, Kilian wird nicht mit mir nach Marktoberdorf zurückkehren. Einen kurzen Moment war ich unsicher, als er von seiner Einschätzung während der Fahrt sprach. Als Tobias ihm alle Pärchen aufzählte, hättest du das Leuchten in seinen Augen sehen müssen.“
Inzwischen waren wir in der Gaststube angekommen und suchten uns einen ruhigen Tisch. Wir hatten uns kaum gesetzt, als schon eine Bedienung auftauchte und nach unseren Wünschen fragte. Die Jungs bestellten sich ein alkoholfreies Weißbier, Robert ein alkoholfreies Helles und ich, logisch ebenfalls ein alkoholfreies Weizenbier. Robert bat um die Speisekarte, weil er bisher kein Mittagessen hatte.
Die Getränke wurden serviert und Robert bestellte sich einen Brotzeitteller. Während Robert seinen Brotzeitteller verspeiste, unterhielten sich die Jungs über alle möglichen Themen. Aufmerksam wurde ich, als es um die Ausbildung Kilians zum Bäcker ging. Er erklärte den Jungs, dass er diese Ausbildung nur genommen habe, weil er keinen Ausbildungsplatz als Konditor finden konnte. Er würde viel lieber eine Ausbildung zum Konditor absolvieren.
Tobias meinte: „Kilian sprich mit Peter, wir haben im Gutshof eine eigene Bäckerei und Konditorei. Die Bäckerei versorgt nicht nur die Bewohner des Gutshofes, sondern die Produkte werden in verschiedenen Hofläden verkauft. Mit einer der größten Abnehmer dürfte derzeit das Restaurant im Gutshof sein.
Die Konditorei verkauft ihre Produkte in einem Hofcafé mit Straßenverkauf. Sonntags mittags steht manchmal eine Schlange von mehr als dreißig Leuten vor dem Laden die Kuchen und Torten kaufen wollen. Vielleicht kannst du deine Ausbildung in der Konditorei im Gutshof absolvieren. Ich weiß, dass wir für September bereits einen Auszubildenden eingestellt haben.“
Ich mischte mich ein und erklärte: „Kilian, Tobias Aussage stimmt, wir haben eine eigene Bäckerei und Konditorei. Die Konditorei läuft besser, als wir es am Anfang kalkuliert hatten. Neben dem Verkauf im eigenen Café und dem Straßenverkauf beliefern wir derzeit zusätzlich zwei Ausflugsgasstätten mit unseren Kuchen und Torten. Die Backwaren werden im Hofladen im Gutshof und ab Mitte März auch in neuen Hofladen der Gärtnerei Grubmüller verkauft werden.
Eine feste Zusage, ob du deine angefangene Ausbildung zum Bäcker oder eine Ausbildung zum Konditor direkt in unseren Betrieben machen kannst, kann ich dir ad hoc nicht geben. Ich werde zumindest alles in diese Richtung unternehmen. Tobias hat angedeutet, dass wir für das kommende Ausbildungsjahr bereits Auszubildende eingestellt haben.
Was ich dir jetzt schon versprechen kann, ist die Unterbringung im Jugendwohnheim ab etwa Mitte Juli, wenn die Neubauten fertiggestellt sind, egal ob du in unseren Betrieben deine Ausbildung absolvierst oder bei einer anderen Bäckerei oder Konditorei unterkommst. Bis dahin habe ich verschiedene Möglichkeiten, wo du bis Juli leben kannst. Darüber werden wir mit dir und den Betroffenen morgen sprechen, wenn du dich für Rosenheim entscheiden solltest.
Ich habe mitbekommen, dass dir David erklärt hat, dass du die nächsten Tage bei ihnen im Zimmer übernachten wirst, bis geklärt ist, wo du bis Juli einquartiert wirst. Das ist keine Entscheidung von mir, die beiden haben von sich aus, Thomas und mir angeboten, dass sie dich für ein paar Tage bei sich aufnehmen wollen, sofern wir unsere Zustimmung erteilen. Ich sehe keinen Grund, warum wir dem Wunsch der beiden Jungs nicht entsprechen sollen.“
Kilian erwiderte: „Peter, die Entscheidung, mit euch nach Rosenheim zu gehen, habe ich längst getroffen. Deine beiden Jungs haben mich längst überzeugt, dass es für mich das Vernünftigste sei, was ich in meiner Situation machen kann. Was mich am meisten überrascht hat, dass ihr nicht nur schwulen Jugendlichen eure Hilfe anbietet, sondern allen Jugendlichen, die eure Hilfe annehmen wollen. Ihr habt neben den beiden adoptierten Jungs derzeit noch fünf Pflegekinder, von denen nur zwei schwul sind.
Lustiger fand ich, dass der Gutshof eine eigene Bäckerei und eine eigene Konditorei haben, wo ich mit etwas Glück meine Ausbildung zum Bäcker oder auch zum Konditor machen kann. Letzteres würde mir auf alle Fälle besser gefallen. Deine Aussage, dass ich bis zum Ende meiner Ausbildung, als dein Pflegekind in einem Jugendwohnheim im Gutshof untergebracht werde, ermöglicht mir selbstständiger zu werden.
Es gibt einen weiteren Punkt, den David angesprochen habt, es gibt eine schwule Jugendgruppe, die sich einmal wöchentlich im Gutshof trifft und einen schwulen Sozialpädagogen, der die Treffen leitet und Ansprechpartner für alle Probleme ist. All das gibt es in Marktoberdorf bis heute nicht. Dort ist es nicht so einfach, Gleichgesinnte zu treffen und sich mit ihnen auszutauschen. Ich kenne nur einen weiteren schwulen Jungen, der mit mir in eine Klasse gegangen ist.“
Ich schaute ihn an und meinte: „Ich weiß ja nicht, wie viele schwule Jugendliche in Marktoberdorf leben, aber würdest du mir verraten, wenn du dort kennst. Ich kenne die Namen von zwei schwulen Jungs, die ihre IT-Ausbildung bei uns machen wollen und anschließend in Marktoberdorf beschäftigt werden. Die Einstellungsgespräche finden während der Osterferien statt.“
Kilian meinte: „Das kann eigentlich nur Winfried Abele sein, zumindest weiß ich von ihm, dass er schwul ist und Netzwerktechniker werden wollte. Wir sind in eine Klasse gegangen und er konnte in Marktoberdorf bisher keinen Ausbildungsplatz finden.“
Robert sagte: „Kilian, sprichst du von meinem Neffen? Ich weiß, dass er schwul ist, aber auch nur deshalb, weil mein Bruder mich angesprochen hatte, wie er mit der Tatsache umgehen soll. Soweit ich informiert bin, hat er einen festen Freund, der ein Jahr jünger ist und der ebenfalls einen IT-Beruf ergreifen will. Haben sich beide bei euch beworben, oder nur mein Neffe?“
Ich musste grinsen und sagte: „Inzwischen liegen von beiden Jungs die Bewerbungen vor, wobei, sein Freund derjenige war, der Oliver, den IT-Fachmann des Campingplatzes, wegen einer Ausbildung angesprochen hatte. Wir werden die Jungs hier in Rosenheim ausbilden und später in Marktoberdorf einsetzen. Insgesamt liegen uns derzeit fünf Bewerbungen aus Marktoberdorf vor, die alle in den Osterferien nach Rosenheim kommen, zu ihren Bewerbungsgesprächen.“
Robert meinte: „Ihr bildet bei euch in Rosenheim fünf Auszubildende aus, die danach in der Heimat einen Arbeitsplatz in eurem Projekt am Campingplatz erhalten. Davon hast du bei unserem Gespräch vor gut einer Woche nichts erwähnt, dass ihr zukünftig auch für Marktoberdorf ausbilden wollt.“
Ich antwortete: „Die Entscheidung ist erst nach unserem Abschlussgespräch gefallen, denn Oliver, unser IT-Partner hat vorerst nicht die Kapazitäten, um selbst vor Ort neue Mitarbeiter auszubilden. Damit fiel die Entscheidung, den Jugendlichen, die bei ihm nachgefragt hatten, die Ausbildung in Rosenheim zu ermöglichen und dann zurück in die Heimat zu gehen. Das wird sich ändern, wenn in gut zwei Jahren der Umfang der angebotenen Dienstleistungen ausgeweitet wird und die jetzt geplanten Auszubildenden vor Ort eingesetzt sind.“
Kilian meinte: „Fünf weitere Jungs aus Marktoberdorf kommen im Sommer zum Gutshof, um dort ihre Ausbildung zu durchlaufen. Das hätte ich nie für möglich gehalten. Ich wusste nicht einmal, dass ihr schon in Marktoberdorf gewesen seid und den Campingplatz gekauft habt und dort kräftig investiert wird. Ich bin schon neugierig darauf, wen ich von den Bewerbern kenne!“
Ich erklärte: „Robert, Kilian hat bereits erklärt, dass er zukünftig im Gutshof leben will. Damit kommen wir jetzt zu den notwendigen Formalitäten. Kilian, hast du alle persönlichen Dokumente und Urkunden, Fotos bei dir oder liegen die noch bei deinen Eltern?“
Er antwortete: „Außer meinem Personalausweis und meinen Karten von der Krankenkasse und von der Sparkasse habe ich keinerlei Dokumente.“
Ich schaute Robert an und fragte: „Hat das Jugendamt bisher nicht die Herausgabe sämtlicher Dokumente von den Eltern gefordert? Auch seine sonstigen persönlichen Sachen, wie elektrische Geräte, seine Kleidung sind wohl ebenso nicht eingefordert worden. Ich werde das im Protokoll vermerken, dass ich Frau Wegmann vom Jugendamt Rosenheim übergebe.“
Robert schaute zuerst mich, dann Kilian und fragte nach, ob er diese Sachen bisher noch nicht erhalten hat. Als Kilian verneinte, schnappte er sich sein Smartphone und wählte eine Nummer. Als sich jemand meldete, verlangte er den Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin, die die Abholung von Kilian vorbereitet hat. Es dauerte ein wenig bis er verbunden wurde und fragte: „Sie haben mir heute Kilian und seine Sachen übergeben, kann es sein, dass sie dabei übersehen haben, mir seine persönlichen Habseligkeiten zu übergeben.“
Was von der Gegenseite geantwortet wurde, konnten wir nicht hören, aus Roberts Gesichtszügen war eindeutig erkennbar, dass das, was ihm geantwortet wurde, nicht gefiel. Er erklärte seinem Gesprächspartner: „Wie lange war Kilian jetzt bei euch im Kinderheim? Nach drei Wochen sollten solche wichtigen Schritte längst vollzogen sein. Soll ich den Pflegeeltern von Kilian erklären, dass bei uns fürchterlich geschlampt wird und wir uns nicht darum gekümmert haben.
Es ist mir jetzt auch völlig egal, wer der oder die Schuldige ist. Ich erwarte, dass das noch heute durchgezogen wird und die vollständigen Unterlagen und persönlichen Dinge spätestens morgen Mittag, bei seinen neuen Pflegeeltern in Rosenheim abgeliefert werden. Am besten sie prüfen bei allen Neuzugängen der letzten Wochen, ob dort alle Vorgänge ordnungsgemäß bearbeitet wurden. Die Adresse, wohin Kilians Sachen gehen, finden sie in den Unterlagen des Jugendamtes.“
Er beendete das Gespräch und sagte: „Peter, ich entschuldige mich für die Schlamperei bei uns und im Kinderheim. Es war von Anfang an klar, dass Kilian nur vorübergehend im Kinderheim unterkommt, bis wir eine Pflegefamilie gefunden hätten, die einen schwulen Jugendlichen aufnehmen kann oder wir für ihn einen Platz in einem Jugendwohnheim bekommen.“
Ich meinte: „Robert jetzt beruhige dich erst einmal wieder, Fehler sind dazu da, daraus Konsequenzen zu ziehen. Ich persönlich möchte nicht in der Haut der- oder desjenigen stecken, dem du eben deine Meinung gesagt hast.
Es hätte sicher auch gereicht, wenn wir Anfang nächster Woche Kilians persönliche Habseligkeiten erhalten hätten. Was mich eher verwundert, dass du indirekt bestätigst, was ich schon länger vermute. Schwule Jugendliche werden in Kinderheimen nur geduldet, bis sie anderweitig untergebracht werden können, egal ob noch in der Schule oder bereits in der Ausbildung.
Kannst du mir erklären, wo der Unterschied liegt, zwischen Jugendlichen die gleichgeschlechtlich sind und denen die aufs andere Geschlecht stehen? Ich sehe da keinen Unterschied. Immerhin gibt es genügend Eltern, die scheinbar kein Problem damit haben, ihren gleichgeschlechtlichen Jugendlichen mit seinen Geschwistern aufwachsen zu lassen. Gut, Ausnahmen gibt es sicher genügend, Kilians Eltern sind das beste Beispiel dafür.“
Robert erwiderte: „Ich sehe das so wie du, aber noch ist es nicht in allen Köpfen und Kinderheimen angekommen, dass Jugendliche einfach nur Jugendliche sind, egal in wen sie sich verlieben. Die Aktion in dieser Form musste einfach sein, so setzt sie sich tiefer in den Köpfen der Mitarbeiter fest, dass Schlampereien unangenehme Folgen nach sich ziehen. Sicher hätte es gereicht, wenn Kilian am Montag oder Dienstag im Besitz seiner persönlichen Dinge wäre, aber nur so, wirkt es nachhaltiger bei meinen Mitarbeitern und den Mitarbeitern im Kinderheim.“
Kilian lachte und meinte: „Ich wusste nicht, dass das Jugendamt von meinen Eltern die vollständige Herausgabe aller Sachen und Urkunden fordern kann, wenn ich mich in der Obhut des Jugendamtes befinde. Okay, Zeugnisse, Geburtsurkunde, das verstehe ich ja noch, die braucht man immer wieder im Leben, aber Siegerurkunden, Pokale sind sicher nicht so wichtig.“
Ich erklärte: „Kilian, dir sind vielleicht diese Dinge vielleicht nicht so wichtig, aber manche hängen an ihren Erfolgserlebnissen, denn sie sind es die sie wieder aufbauen können. Du siehst das vielleicht deswegen anders, weil du erkannt hast, dass du mit diesem Schritt ein neues Leben beginnen kannst. Du lässt dein altes Leben einfach hinter dir und fängst noch einmal von vorne an.
Bevor wir weiter über das Thema diskutieren, wichtiger ist, dass wir die Übergabeformalitäten hinter uns bringen, damit wir gemeinsam in deinen neuen Lebensabschnitt entschwinden können. Robert, was ist außer dem unerledigten Punkt noch wichtig?“
Robert antwortete: „Alle anderen Punkte sind meines Wissens geklärt, uns liegt die Mitteilung des Jugendamts Rosenheim vor, dass ihr als seine Pflegeeltern bestellt wurdet, ebenso die Anforderung von Kilians Kundenakte. Ich muss mich nur noch davon überzeugen, dass ich Kilian auch an die richtige Person übergeben habe, was im Regelfall mit der Prüfung des Personalausweises abgehandelt wird.
Da du mir persönlich bekannt bist, kann ich in diesem Fall auf die Kontrolle des Personalausweises verzichten. Im Grunde genommen brauchen wir nur noch Kilians Sachen in eurem Auto unterzubringen damit wäre die Übergabe abgeschlossen. Von mir bekommst du noch einige Unterlagen, die du bitte an Frau Wegmann übergeben solltest.“
Wir bezahlten, wobei ich das Getränk von Kilian auf meine Rechnung setzen ließ. Wir gingen zu unseren Fahrzeugen und die Jungs schleppten die drei Umzugskisten zu unserem Wagen und luden sie ein. Wir verabschiedeten uns von Robert und wollten gerade einstiegen, als Roberts Handy klingelte. Er nahm das Gespräch entgegen und lauschte den Ausführungen seines Anrufers.
Er grinste und erzählte: „Jetzt wird es leider kurios, die Sachen von Kilian wurden bereits bei seinen Eltern herausgeholt, es gibt darüber ein Protokoll, dass in der Akte hinterlegt ist. Was sich nicht finden lässt ist eine Übergabebescheinigung an das Kinderheim. Unser Mann vom Jugendnotdienst geht jetzt davon aus, dass Kilians Kisten irgendwo im Jugendamt stehen müssen. Er versucht sie zu finden und dann den Transport zu organisieren.“
Ich meinte noch, wenn er sie findet oder auch nicht, informiere uns bitte, ob die Kisten morgen geliefert werden oder der Fall erst am Montag geklärt werden kann. Wir stiegen jetzt ins Auto und fuhren los. Das Navi zeigte uns, das wir kurz vor neunzehn Uhr zuhause ankommen sollten, also genau nach meiner geschätzten Zeit.
Kilian hatte sich auf den Beifahrersitz setzen dürfen und David und Tobias lümmelten auf der Rückbank. Kilian erinnert David daran, dass er ihm versprochen hat, ihm zu erzählen, wie es dazu kam, dass er und Tobi bei uns als Adoptivsöhne aufgenommen wurden. Er erzählte die vollständige Geschichte und war erst damit fertig, als wir schon fast vor dem Gutshaus standen.
Ich hatte vor dem Gutshaus geparkt und meinte, die Jungs sollen sich die Kisten schnappen und im Treppenhaus auf mich warten, ich bringe nur kurz das Auto in die Garage. Die Jungs stiegen aus, holten sich die Kisten aus dem Kofferraum und ich fuhr weiter in die Garage.
Im Treppenhaus warteten sie auf mich und gemeinsam ging es nach oben in die erste Etage. Wir hatten gerade die Tür geöffnet, als uns schon Thomas, Felix und Dennis entgegenkamen. Sie begrüßten uns freundlich und wollten wissen, ob sich unser Ausflug gelohnt habe.
David sagte: „Muss wohl so sein, sonst würden wir jetzt keine Kisten schleppen und Kilian mitbringen. Steht nicht im Weg herum, die Kisten müssen in unser Zimmer oder wollt ihr sie die letzten Meter übernehmen.“
Sie machten brav Platz, damit die Jungs die Kisten in ihr Zimmer bringen konnten. Thomas meinte: „Peter, nicht schlecht geschätzt, wann ihr wieder zuhause sei, ich hatte schon die Befürchtung, dass es später werden könnte, bis ihr wieder hier seid. Ich habe für sieben Personen einen Tisch bestellt, da Felix und Dennis bereits zu Hause sind.“
Ich sagte: „Wir sollten uns kurz ins Wohnzimmer setzen, bis die Jungs wieder aus ihrem Zimmer auftauchen. Außerdem gibt es viel zu erzählen, damit ihr auf dem laufenden seid.“
Im Wohnzimmer erzählte ich als erstes, dass Kilian zumindest einen unserer zukünftigen Auszubildenden kennt, weil beide gemeinsam in eine Klasse gegangen sind. Als ich die Story mit Kilians persönlichen Dingen und Unterlagen erzählte, mussten alle drei herzlich lachen.
Das hatten scheinbar David, Tobias und Kilian gehört und tauchten endlich im Wohnzimmer auf. Sie wollten sofort wissen, was es Lustiges gäbe, weil wir so herzhaft darüber lachen konnten. Dennis meinte, dass ich gerade die Story von Kilians persönlichen Dingen und dem Ende, dass die Kisten jetzt auf der Fahndungsliste des Jugendamts stehen, erzählt hätte, mussten die drei ebenfalls herzlich lachen. Immerhin haben wir noch keine Information, ob die Kisten zwischenzeitlich gefunden wurden.
Kurz nach neunzehnuhrdreißig gings nach unten ins Restaurant. Als Kilian sich seine Winterjacke greifen wollte, klärte ihn Dennis auf, dass er die ruhig hängen lassen könne, da wir auf direktem Weg ins Restaurant gehen und nicht nach draußen kommen. Er wunderte sich, als Dennis am Zugang zum Restaurant seinen Chip einsetzte und sich die Tür öffnen ließ.
Dennis erklärte: „Kilian, du bekommst auch einen Chip, der dir alle Türen öffnet, für die zugelassen bist. Mit dem Chip kannst du als Mitarbeiter in der Kantine ein vergünstigtes Mittagessen erwerben, er wird dir im Jugendwohnheim Zugang zu deinem Appartement geben. Das sind jetzt nur ein paar Dinge, die in Zukunft noch ausgebaut werden.“
Inzwischen waren wir im Restaurant und Alexandra wies uns unseren Tisch zu. Sie nahm sofort die Getränkebestellungen auf und verteilte die Speisekarten. Kilian, der neben mir saß fragte mich, was ich ihm empfehlen könne. Ich sagte: „Kilian, alles, was du auf der Karte findest, schmeckt hervorragend, wähl einfach das wonach du Lust hast. Schau nicht auf den Preis, er ist immer angemessen, da fast nur biologisch produzierte Produkte verwendet werden.“
Kilian meinte: „Auf der Tageskarte steht ein Lagerburger, kann ich mir den auch bestellen?“
Bevor ich antworten konnte, meinte David: „Den kann ich dir nur ans Herz legen, aber erwarte keine Burger, den du bei den Schnellrestaurants bekommst. Den Lagerburger gibt es seit vergangenem Sommer, er war der große Hit bei den Kids im Zeltlager. Wobei ich dir sagen kann, er ist immer ein großer Hit, wenn er auf der Karte steht. Ich hoffe, dass überhaupt noch welche übrig sind.“
Dennis meinte: „Da er heute nur auf der Tageskarte steht und nicht als Menü angeboten wurde, bin ich mir sicher, dass es noch Lagerburger geben wird. Im Jugendhotel und der Kantine kann es schon vorkommen, dass am Ende einige Essensgäste leer ausgehen und etwas anderes wählen müssen.“
Unsere Getränke wurden gebracht und die Servicemitarbeiterin nahm unsere Bestellungen entgegen. Alle fünf Jungs bestellten sich den Lagerburger, während ich die Gemüsebrühe mit feinen Nudeln und dazu das Zanderfilet in Weißweinsoße und Petersilienkartoffeln bestellte. Thomas orderte ausnahmsweise eines von Sebastians veganen Gerichten und ebenfalls die Gemüsebrühe. Kilian meinte: „Dann nehme ich zu meinem Lagerburger noch die gleiche Suppe wie Peter und Thomas.“
An Kilian fiel mir auf, dass er einer der wenigen Jungs war, die mit ihrer neuen Situation ungezwungen umgehen konnte, da ich anfangs nicht den Eindruck hatte, dass dem so sei. Kurz bevor das Essen serviert wurde, rief Robert an und berichtete, dass die vier Kisten von Kilian aufgetaucht seien und der Kollege vom Jugendnotdienst morgen zwischen elf und zwölf Uhr die Kisten bei uns anliefern wird. Er übernimmt dafür während der Abwesenheit des Kollegen das Notdiensttelefon.
Ich gab die Information weiter, dass Kilians persönliche Sachen, immerhin vier weitere Kisten, morgen vormittags zwischen elf und zwölf Uhr angeliefert werden. Tobias meinte dazu: „Kilian, du musst eine Menge Privatkram besitzen, bei meinem Auszug aus dem Kinderheim hatte ich insgesamt nur vier Kisten. So viel Platz haben wir nicht mehr in unserem Zimmer.“
Nach dem Essen meinte Kilian: „Die Gemüsebrühe mit feinen Nudeln war schon eine Überraschung, aber der Lagerburger war der absolute Hammer. Ich kenne bisher nur die Fastfood Hamburger, aber der Burger hat keine Gemeinsamkeit, mit den matschigen Teilen, die ich bisher gegessen habe. Auf die kann ich sehr gut verzichten, wenn ich den Lagerburger öfter haben kann.“
Gegen einundzwanzig Uhr dreißig gingen wir wieder nach oben in unsere Wohnung, wo es gleich eine weitere Überraschung gab. Unsere vier alteingesessenen Mitbewohner verkündeten, dass sie heute einen Kuschelabend haben wollen. Thomas und ich schauten uns überrascht an. Ich wollte schon ablehnen, sah aber das Thomas nur nickte. Dann wollen wir doch sehen, wie Kilian darauf reagieren würde!
David und Felix nahmen Thomas in ihre Mitte und ich wurde das Opfer von Dennis und Tobias. Kilian schaute sich die Angelegenheit kurz an und sagte: „Und wer kuschelt mit mir?“
Ich meinte: „Kilian, du hast die freie Wahl, du musst dir nur deinen Platz erobern.“
Kilian lachte, kam auf mich zu und wühlte sich zwischen Tobias und mich. Kuscheln, ruhige Musik und wie immer wurde viel erzählt und besprochen. Klar, dass Kilian im Mittelpunkt der Gespräche stand. Kurz vor dreiundzwanzig Uhr beendeten wir die ruhige Kuschelrunde, da ich der Meinung war, dass wir ins Bett verschwinden sollte, mit der Begründung, dass morgen wieder ein anstrengender und langer Tag werden würde.
Kilian meinte: „Schade, ich habe mich gerade so richtig wohl gefühlt in eurer Kuschelrunde. Es war für mich eine großartige Erfahrung, die ich machen durfte. Ich hoffe es gibt öfters solche Kuschelabend bei euch! Ich hatte erwartet, dass es dabei zu sexuellen Handlungen kommen könnte, habe sie aber nicht vermisst.“
David erklärte: „Kilian, Kuscheln heißt Kuscheln, Ich musste auch erst lernen, dass Peter und Thomas keinerlei sexuelle Interessen an uns Jungs haben. Ich hatte den beiden, wie ich dir erzählt habe, ja unterstellt, dass sie mich nur deswegen aufnehmen, weil sie ein Betthäschen brauchen würden. Ach, noch etwas, morgen früh könnte es im Bad eng werden, wundere dich nicht, wenn Thomas und Peter im Bad sind und wir ebenfalls ins Bad stürmen oder umgekehrt, die beiden sind das gewohnt, dass morgens mehrere Leute gleichzeitig im Bad sind.“
Die beiden Jungs nahmen Kilian in ihre Mitte und gingen in ihr Zimmer. Dennis meinte noch bevor er mit Felix verschwand: „Wow, Kilian ist ein lockerer Typ. Das hätte ich jetzt nicht erwartet.“
****
Am Samstagmorgen wurde ich wach und hörte, dass die Jungs bereits im Bad waren. Ich weckte Thomas und nachdem die Dusche lief, gingen wir ebenfalls ins Bad, um uns die Zähne zu putzen und uns zu rasieren, um anschließend unter die Dusche zu hüpfen. Während die Jungs aus der Dusche kamen, konnte ich erkennen, dass ihr Duschvergnügen nicht ohne körperliche Veränderungen geblieben ist. Thomas meinte frech: „Ich hoffe ihr hattet euren Spaß beim Duschen, wir sehen uns gleich am Frühstückstisch.“
Wir waren gerade dabei, das Bad zu verlassen, als Felix und Dennis das Badezimmer eroberten. Wir gingen ins Schlafzimmer und zogen uns an. Gemeinsam gingen wir in die Küche, wo die drei Jungs fleißig am Werkeln waren. Kilian sagte: „Einen so riesigen Esstisch habe ich noch nie gesehen, braucht ihr den wirklich?“
Thomas grinste und erklärte: „Ja, denn mehr als einmal war er nicht groß genug. Du wirst sehen, heute Nachmittag könnte es zum Kaffee wieder einmal eng werden. Ansonsten sitzen sehr oft mindestens acht Personen am Frühstückstisch, wenn unsere beiden Enkelkinder zum Frühstück auftauchen.“
Den Vormittag verbrachten wir mit den üblichen Arbeiten in der Wohnung. Gegen zehn Uhr verschwanden Thomas und Dennis zum Einkaufen. Wir beeilten uns, dass wir bis elf Uhr mit allen Arbeiten fertig waren. Thomas waren kaum vom Einkauf zurückgekehrt, als unsere Glocke einen Besucher ankündigte. Kilian rannte zur Tür, öffnete sie und blieb überrascht stehen.
Ich war ihm gefolgt und meinte: „Kannst du nicht unseren Besucher hereinbitten.“
Er drehte sich um, kam auf mich zu und da konnte ich sehen, dass Robert in Begleitung von zwei Jungs vor der Tür stand. Ich ging zwei Schritte zur Tür und bat Robert und seine Begleiter in die Wohnung. Ich wunderte mich, warum Robert die Kisten von Kilian bei uns ablieferte, und fragte bei ihm nach, warum jetzt doch er gekommen sei und nicht sein Mitarbeiter.
Robert meinte: „Die Geschichte ist etwas komplizierter, die Jungs sollten erst einmal die Kisten hochbringen, in der Zwischenzeit erkläre ich dir den Sachverhalt.“
Ich rief nach David und Tobias und bat sie, mit den beiden Begleitern von Robert die Kisten von Kilian nach oben zu bringen. Die Jungs verschwanden durch die Wohnungstür und ich schob Kilian vor mir her ins Wohnzimmer, gefolgt von Robert. Wir setzen uns und Robert erklärte: „Einer meiner beiden Begleiter ist mein Neffe Winfried, der andere sein Freund Wolfgang, eure beiden zukünftigen Auszubildenden. Sie wissen bisher nicht, dass sie bei euch ausgebildet werden.
Die Familie meines Bruders war gestern Abend noch bei uns und ich habe ihnen erzählt, dass ich für Kilian endlich eine Pflegefamilie gefunden habe und wir heute seine persönlichen Sachen nachliefern. Dabei erfuhr ich, dass Kilian nach dem Rauswurf bei seinen Eltern für einige Tage bei Winfried untergeschlüpft ist, bis er von meinem Bruder vor die Haustür gesetzt wurde. Zu dem Zeitpunkt wusste mein Bruder noch nicht, dass Kilian von seinen Eltern bereits rausgeworfen wurde.
Als ihm Winfried erklärte, warum er bei ihm sei, bereute mein Bruder seine Entscheidung und wollte Kilian wieder zurückholen. Kilian reagierte jedoch nicht auf die Nachrichten, die ihm Winfried schickte. Ich hatte die Nachricht von Kilians Unterbringung bei Pflegeeltern bewusst erzählt, weil ich sehen wollte, wie Winfried reagiert. Reagiert hat mein Bruder, der sagte, dass er es gut finde, dass Kilian noch am Leben sei und wieder ein neues Zuhause gefunden hat.
Ich fragte nach und erfuhr die Geschichte und die Vorwürfe, die sich mein Bruder wegen des Rauswurfs von Kilian gemacht hatte. Er meinte, ob er mich begleiten könne, da er sich bei Kilian für sein Verhalten entschuldigen will. Auch Winfried wollte mitkommen, Wir einigten uns am Ende darauf, dass Winfried und Wolfgang mitkommen und ich die Sache Kilian erkläre, nicht ganz ohne Hintergedanken.“
In dem Moment öffnete sich die Wohnzimmertür und die vier Jungs traten ein. Sie setzten sich zu uns und Robert ließ jetzt seine Bombe bei seinen Begleitern platzen: „Winfried, Wolfgang, ich habe eine große Überraschung für euch beide. Darf ich euch Peter, euren zukünftigen Chef vorstellen. Ihr beide habt euch über Oliver Fischer um einen Ausbildungsplatz in der IT beworben.“
Nicht nur David und Tobias schauten sich verwundert an, auch Winfried und Wolfgang hatten nur noch Fragezeichen im Gesicht. Kilian grinste und sagte: „Winfried, die Überraschung ist deinem Onkel wirklich gelungen. Ich wusste bereits seit gestern, dass du und Wolfgang und drei weitere Jungs aus Marktoberdorf ihre Ausbildung hier machen werden. Aufgekommen ist es als Peter deinem Onkel erzählt hat, dass fünf Jungs, davon zwei die schwul wären, aus Marktoberdorf ihre Ausbildung hier machen und anschließend nach Hause zurückkehren.
Ich meinte, dass ich nur einen schwulen Jungen kennen würde und da fiel dein Name. Dein Onkel wusste sofort, dass du gemeint bist, wusste aber noch nichts von deinen Plänen nach Rosenheim zu gehen für die Ausbildung. Deswegen hat er euch heute mitgenommen, um euch damit zu sagen, dass er eure Pläne bereits kennt.“
Ich sagte: „Wolfgang, wir zwei kennen uns vom Telefonat, dass du mit Oliver Fischer, meinem Schwiegersohn Marcus und mir geführt hast. Du warst derjenige, der mir deinen Freund als weiteren Auszubildenden untergejubelt hat und gleichzeitig noch einen Paul Wenger als Auszubildenden zum Einzelhandelskaufmann angedreht hat. Kannst du dich noch an die Situation erinnern, was geschah, als du dich uns gegenüber geoutet hast“
Wolfgang schaute mich an und erklärte: „Natürlich kann ich mich daran erinnern, vor allem als dein Schwiegersohn sagte, dass du mit einem Mann verheiratet bist und du eher intolerante Menschen rauswerfen würdest, als einen Schwulen als Mitarbeiter abzulehnen. Ich erinnere mich noch daran, wie in diesem Moment ein großer Sack mit schweren Steinen von meinem Rücken gepurzelt ist.
Winfried schaute Wolfgang an und erklärte: „Davon hast du mir nichts erzählt, du hast mir nur von einem Ausbildungsplatz zum Netzwerktechniker in Rosenheim erzählt, mit der Garantie am Ende der Ausbildung einen festen Arbeitsplatz in Marktoberdorf zu bekommen.
Robert, die Überraschung ist dir wirklich gut gelungen. Eigentlich war unser Plan, dich in Rosenheim zu bitten, uns auf dem Rückweg den Ort zu zeigen, an dem wir ab September unsere Ausbildung beginnen wollen, damit du uns bei unseren Eltern den Rücken stärken kannst. Das du unseren Chef kennst, davon hatte ich überhaupt keine Ahnung. Ist Peter der Mann, mit dem ihr zusammen das Jugendwohnheim draußen am Campingplatz errichten wollt?“
Ich sagte nur: „Ja, ich bin der Mann, der das Jugendwohnheim, ein Jugendhotel ein Restaurant, einen Laden und eine Außenstelle unserer IT am Campingplatzgelände errichten will. Ihr entschuldigt mich kurz, ich muss kurz raus.“
Im Flur holte ich mein Smartphone raus und rief Florian an. Als er das Gespräch entgegennahm, fragte ich, ob er Zeit hätte, ich hätte eine Überraschung für ihn. Er antwortete nur damit, dass er schon unterwegs sei und beendete das Gespräch. Zurück im Wohnzimmer hörte ich noch, wie Robert sagte, dass die zwei sich nicht darüber wundern sollten, dass am Gutshof zehn oder elf schwule Pärchen wohnen würden.
Da Winfried das nicht glauben wollte, zählte ich auf: „Hier in der Wohnung leben drei Pärchen, über uns Philipp und Marcus, im Dachgeschoß Jorge und Alejandro. Im Gesindehaus hätten wir Frederik und Kevin, sowie Michael und Andreas. Im Verwalterhaus wären es Jonas und Tim, sowie Daniel und Manuel. Im IT-Gebäude sind es Bernhard und Benjamin, Ludwig und Christian, sowie Noah und Simon, wobei letztgenannter erst im Sommer hier einziehen wird.“
Winfried schaute skeptisch und meinte zu Tobi, ob er nicht Felix und Dennis holen könne. Der stand auf, um die beiden zu holen. Inzwischen erzählte er, dass er Ende September hierhergebracht wurde und Tobias drei Tag später hier gelandet ist, wir kannten uns aus dem Kinderheim in München, wo er Tobias immer wieder abgewiesen hat, weil er nicht wollte, dass er ebenfalls auf dem Straßenstrich landet.
Tobi kam mit Felix und Dennis ins Zimmer und meinte, die beiden sind das dritte schwule Pärchen in der Wohnung. Ich hörte vom Flur einen lauten Ruf: „Peter wo steckst du.“
Ich antwortete: „Florian, du findest uns im Wohnzimmer.“
Florian trat ins Wohnzimmer und sagte frech: „Peter, wo ist die Überraschung, die du mir versprochen hast.“
Ich grinste und antwortete: „Du kannst dich doch sicher noch an Robert Abele erinnern, der hier war wegen des Jugendwohnheims in Marktoberdorf. Er hat die Überraschung für dich mitgebracht. Die beiden Jungs, die bei ihm sitzen sind Winfrid Abele, sein Neffe und Wolfgang Brucker sein Freund, die du am Freitag noch zum Kennenlernevent an Ostern eingeladen hast.
Das andere unbekannte Gesicht ist Kilian Sonnenberger, ebenfalls aus Marktoberdorf, für den wir einen Ausbildungsplatz zum Konditor oder zum Bäcker brauchen. Er hat seine Ausbildung zum Bäcker abgebrochen, ist ebenfalls schwul und wurde von seinen Eltern auf die Straße gesetzt. Seit gestern Abend ist er ein weiteres Pflegekind von Thomas und mir.
Er schaute mich an und meinte: „Peter, dass ist wahrlich eine Überraschung, aber wieso sind die beiden Jungs mit ihrem Onkel ebenfalls hier.“
Ich erwiderte: „Ganz einfach und kurz erklärt, Barbara rief gestern Nachmittag an und fragte, ob ich noch ein schwules Pflegekind unterbringen könne. Ich habe ihr sofort zugesagt und Robert hat die Aufgabe übernommen sich mit mir auf halber Strecke, in Sindelsdorf, zu treffen und mir Kilian zu übergeben.
Irgendwie sprachen wir während der Übergabe über die Auszubildenden, du im Sommer aus Marktoberdorf zu uns kommen und dass ein schwules Pärchen dabei sei. Kilian kannte Winfried als schwulen Jungen und hat darauf getippt, dass er sich beworben hat. Robert als sein Onkel wusste bisher nichts davon und nahm die beiden Jungs mit, als er uns noch vier Kisten von Oliver nachliefern wollte. Erst hier informierte er die beiden davon, dass ich ihr zukünftiger Chef sei, nachdem er mir vorher erklärt hatte, warum die beiden dabei sind.“
Winfrid und Wolfgang meinten fast unisono, hallo Florian, nett dich kennenzulernen. Wolfgangs sprach weiter: „Ich bin überrascht einen fast gleichaltrigen Ausbildungsleiter anzutreffen, ich hatte mir dich als einen Mittvierziger mit Halbglatze vorgestellt. Wie kommt es, dass du bereits eine Führungsposition in Peters Unternehmen innehast.“
Da Florian verdattert Wolfgang anschaute, sagte ich: „Florian, du musst dir keine Halbglatze schneiden und älter aussehen. Wolfgang, du willst wissen, wie Florian zu dem Job gekommen ist. Einfache und kurze Erklärung, ich habe ein Problem erkannt im Unternehmen, die Personalabteilung gebeten mir einen Mitarbeiter für die Belange der Auszubildenden zu benennen.
Vom Personalbüro wollte keiner den Job. Florian hatte sich aber um eine Festanstellung im Personalbüro nach dem Ende seiner Ausbildung beworben. Ich habe mit ihm die Aufgabe besprochen und er hat mir zugesagt. Noch während der letzten Wochen seiner Ausbildung startete er voll als Ausbildungsbeauftragter durch.“
Florian hatte sich wieder gefangen und meinte: „Ich bin nicht der Einzige, den Peter in der letzten Zeit, im Unternehmen, auf der Karriereleiter nach oben geschubst hat. Bernhard, ein ehemaliger Auszubildender der IT, der im Januar mit mir seine Ausbildung beendet hat, wird jetzt sogar zum Prokuristen befördert.“
Ich schaute auf die Uhr und stellte fest, dass es bereits dreizehnuhrfünfundvierzig war und verkündete: „Leute wir müssen an dieser Stelle unterbrechen, in fünfzehn Minuten findet in unserem Esszimmer eine größere Kaffeerunde statt, in der geklärt wird, wie es mit Kilian weitergeht und wo er untergebracht wird. Robert ihr könnt gern zum Kaffee bleiben und miterleben, wie wir hier am Gutshof arbeiten.
Tobi könntest du bitte die bestellten Kuchen und Torten aus der Konditorei abholen, am besten du nimmst Kilian mit, damit er selbst sieht, was dort geboten wird. Ich habe zwar vorbestellt aber nehmt vorsichtshalber mindestens fünf Stücke mehr mit.
Dennis, David, Felix, ihr deckt den Tisch voll ein und kocht mindestens drei Kannen Kaffee, damit wir nachher nicht auf dem Trockenen sitzen.
Kaum waren die Jungs verschwunden, Thomas hatte sich ihnen angeschlossen, meinte Robert: „Wow, ohne herumzumeckern sind die Jungs losmarschiert und erledigen deinen Auftrag. Das kenne ich weder von meinen noch den Kindern meines Bruders. Es gibt immer erst stundenlange Diskussionen.“
Ich erklärte: „Eine Großfamilie kann nur funktionieren, wenn alle zusammenhelfen. David und Tobias hatten damit kein Problem, sie kamen aus einem Kinderheim, wo die Kinder und Jugendlichen immer in größeren Gruppen zusammenleben. Wie sieht es aus, wollt ihr noch bleiben, Barbara Wegmann vom Jugendamt kommt auch zu diesem Treffen.“
Robert überlegte, bis Winfried meinte, dass er das Spektakel erleben möchte, dass wir gleich veranstalten würden. Wolfgang schüttelt den Kopf und grinste. Robert meint, ich rufe kurz zuhause an, dass es doch später wird als geplant, da es einige Überraschungen gegeben habe.
Ich dachte mir nur, die werden sich noch wundern, auf was sie sich da eingelassen haben.