„Das mit deinem Bruder?“
„Nein, dass du… schwul bist…?“
Mein Blick ging zur Decke und ich überlegte.
„Mit vierzehn…, oder fünfzehn.“
„So früh schon… und hattest du viele Probleme damit?“
„Sehr, denn ich hatte niemanden zum Reden, am Anfang zumindest. Da denkst du, du bist unnormal und der einzige auf der Welt… viele negative Gedanken in diese Richtung.“
„Weiß es deine Familie?“
„Ja!“
„… und die akzeptieren das?
„… hm sagen wir einmal so, jeder akzeptiert es auf seine eigene Art.“
„Hatte Levi diese Probleme auch?“
Das waren ganz schön viele Fragen und auf diese war ich nicht bereit eine Antwort zu geben.
„Das kann ich dir nicht sagen, vielleicht solltest du deinen Bruder selbst fragen!“
„Was soll mich Ella fragen?“, kam es plötzlich von der Tür.
Levi war unbemerkt herunter gekommen. Ich grinste Ella an und wartete auf ihre Frage. Die stand aber plötzlich auf, rief laut „Frühstück!“ und machte den Fernseher aus.
„Ehhh!“, meckerte Noah.
„Komm frühstücken!“, sagte ich und bewegte ihn dazu aufzustehen.
Ohne einen weiteren Ton stand er auf und folgte seiner Schwester in die Küche. Auch ich erhob mich und lief den zwei hinterher. Levi stand immer noch im Türrahmen.
„Sah süß aus, ihr zwei auf der Couch…“, lächelte er mich an, „es gibt aber immer wieder Augenblicke, da überrascht selbst Noah mich noch…“
Ich gab ihn einen kleinen Kuss und lief an ihm vorbei, Seufzend folgte er mir.
*-*-*
„Könnten wir heute nicht einfach mal zuhause bleiben?“, fragte Ella plötzlich.
Bisher war das Frühstück recht ruhig verlaufen, lediglich Noahs Kommentare zu irgendetwas unterbrachen die Stille. Levi schaute nachdenklich.
„… und was wird aus Großmutter?“
„Ich denke, sie wird es verstehen. Ich gebe ja zu, dass ich mich in letzter Zeit eigentlich immer langweile, denn mein Bruderherz…“, sie wuschelte Noah durchs Haar.
„Eh!“, beschwerte sich dieser.
„…nimmt sie voll in Anspruch, was sie aber auch sehr anstrengt!“
Mein Respekt zu der Kleinen wuchs immer mehr.
„Sie hat sich darüber bisher nicht beschwert!“, entgegnete Levi.
„Würde sie nie!“
„Oma ist immer müde“, sagte nun Noah.
Levi ließ seinen Blick zwischen den beiden hin und her wandern.
„Und was würde dir so vorschweben?“
„Ein Trip ins Grüne…?“
„Da wären wir gute zwei Stunden unterwegs, wenn wir heute in einer der Außenbezirke wollten!“, wand Levi ein.
„Centralpark?“, fragte ich leise.
„Wäre näher!“, sagte Ella.
„… aber am Sonntag hoffnungslos überfüllt.
„Ist das am Wochenende nicht jeder Park?“, gab ich als Anmerkung ab.
Levi schien kein Vorschlag zu gefallen, oder ihm passte Ellas Idee nicht, ins Grüne zufahren.
„Gibt es hier keinen Park in der Nähe?“, wollte ich wissen.
„Mehrere…“, kam es von Ella, „Cadman Plaza Park… den Brooklyn Bridge Park, oder den
Cobble Hill Park.“
„Ist der nicht zu klein?“, fragte Levi.
„Wer hat Spielplätze“, überging ich einfach Levis Frage.
„Alle!“, antwortete Ella.
Draußen hörte ich jemand die Treppe herunter laufen. Mike schien wohl wach geworden zu sein. Wenige Sekunden später erschien er in der Küchentür.
„Guten Morgen“, kam es leise.
„Morgen!“, grinste ich ihn an.
Verlegen kratze sich Mike am Hinterkopf.
„Setz dich“, sagte Levi und rutschte auf der Bank etwas näher zu Noah.
„Onkel Mike sitzt bei mir“, kam es postwendet von dem Kleinen und schob Levi zurück, um neben sich Platz zu schaffen.
Während ich grinsend aufstand, um noch ein Gedeck zu holen, fing Ella laut an zu lachen. Mike setzte sich auf den frei gewordenen Platz neben Noah.
„Über was habt ihr gerade geredet?“, fragte Mike, wohl um von sich abzulenken.
„Ella hat die Idee heute ins Grüne zu fahren“, antwortete Levi, während ich meinem Bruder einen Teller mit Messer hinstellte.
„Macht ihr das sonst nicht?“
„Nein, sonntags ist immer Kirche angesagt und danach zu den Großeltern“, kam es leicht genervt von Ella.
Ich ließ Mike einen Kaffee heraus, und brachte ihn ihm, bevor ich mich wieder niederließ. Mike nahm einen kräftigen Schluck, ohne aber sein Gesicht zu verziehen.
„Das habe ich jetzt gebraucht…“, meinte er lächelnd, „und für welchen Park habt ihr euch entschieden?“
„Noch keinen. Da ich keinen hier kenne, außer vielleicht den Brooklyn Bridge Park, müssen die drei hier die Entscheidung treffen.“
„Hat schon jemand den Prospect Park vorgeschlagen?“
Mike schaute fragend in die Runde. Ich schüttelte nicht wissend meinen Kopf und schaute zu den anderen. Mike kannte sich wirklich gut in der Gegend aus.
„Viel zu sehen…“, kam es von Levi.
„Da wäre auch ein Zoo“, grinste Ella.
„Zoo… ich will in den Zoo!“, kam es nun von Noah.
Er hatte bisher geschwiegen.
Mike grinste und biss in seinen Toast.
„Wollt ihr etwas zu essen mitnehmen?“, fragte ich.
„Picknicken?“, fragte Ella, „dass haben wir mit Noah noch nie gemacht!“
„Nicht?“, wollte ich wissen.
Levi schüttelte etwas betroffen den Kopf. Ich legte meine Hand auf seine.
„Dann ist es beschlossene Sache. Prospect Park mit Besuch im dortigen Zoo“, meinte ich grinsend, „ich richte nach dem Frühstück gleich etwas.“
„Du hast aber heute deinen freien Tag…“, kam es von Levi.
„Und?“, lächelte ich ihn an.
„Dürfte ich vielleicht mit…?“, fragte Mike.
„Au ja, mit Onkel Mike in den Zoo!“, rief Noah so laut, dass ich etwas den Kopf einzog.
Ella saß nur kichernd da.
„Irgendwie muss ich den Kopf frei kriegen… und was ist da besser als ein Sparziergang im Grünen!“
Ich nickte Mike wissend zu, auch Levi lächelte wieder.
*-*-*
Es war wirklich nicht weit, bis zu diesem Prospect Park, jedenfalls für New Yorker Verhältnisse. Während Mike damit zu kämpfen hatte, nicht von Noah Richtung Zoo geschleift zu werden, lud ich den Korb mit Fressalien aus dem Kofferraum. Levi trat neben mich und beobachtete das Treiben der zwei.
„Noah so zu sehen, macht mich glücklich…, vielleicht weil ich ihn schon anders erlebt habe“, hörte ich ihn leise sagen.
„Dann sollten wir alles dafür tun, dass es so bleibt“, sagte ich und drückte den Kofferraumdeckel zu.
Nachdem auch Ella endlich ausgestiegen war, verschloss Levi den Wagen. Eigentlich war es Glück, so dicht am Park noch einen Parkplatz zu bekommen, denn es waren eine Menge Leute unterwegs.
Die Tasche die Ella umhängt hatte, erinnerte mich eher an ein Teil, dass Kinder für den Kindergarten in Gebrauch hatten. Ich konnte einen Baum erkennen, etwas Grünfläche mit Blumen und eine Sonne.
„Was schaust du?“, fragte Levi neben mir.
„Die Tasche, die Ella bei sich hat…“
„Ist von ihrer Mutter. Mum hat sie damals selbst bemalt und Ella, sie war noch im Kindergarten, war richtig stolz, als einzige so eine Tasche zu besitzen.“
„Eine schöne Erinnerung…“
„Ja, es gibt viele schöne Erinnerungen an meine Eltern, auch wenn sie ab und wann etwas verblassen.“
„Müssen sie nicht!“
„Ich weiß, aber die viele Arbeit… unsere kleine „Familie“ lässt mich das alles, was früher war, oft vergessen.“
Er schien ernst, aber sagte dies immer noch mit einem Lächeln.
„Dann versuchen wir doch, dass dies nicht mehr vorkommt! Genieße diesen Sonntagmittag, denn dafür ist er ab sofort da.“
„Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich genieße es bereits in vollen Zügen. Irgendwie habe ich ein schlechtes Gewissen, dass meine Arbeit liegen bleibt.“
„Arbeitet einer deiner Leute auch am Sonntag?“
„Ähm…, ich denke wohl eher nicht.“
„Warum sollte dir das als Chef nicht zu stehen, einen freien Sonntag zu haben?“
Darauf gab mir Levi keine Antwort.
„Levi komm, Onkel Mike sagt, das steht Zoo“, rief Noah und zeigte dabei auf ein Schild, das am Wegrand stand.
„Zumindest sind wir mal richtig“, grinste ich.
Er lächelte zurück. Es war einiges los hier, aber nicht voll. Auf der Wiese kurz vor dem Zoo gab es sogar noch größere Flächen, die nicht von irgendwelchen Familien in Beschlag genommen waren.
„Ich bleib bei den Sachen“, sagte Levi, nachdem wir uns auf dieser Fläche breit gemacht hatten.
„Du willst wirklich nicht mit hinein?“, fragte ich.
„Nein, ich lege mich hier in die Sonne und warte, bis ihr zurück kommt. Die Ruhe tut mir gut.“
Ruhe war gut. Ein gewisser Geräuschpegel war schon vorhanden, vor allem durch die spielenden Kinder.
„Wenn etwas ist… du weißt es gibt Handys“, meinte ich grinsend.
Als Antwort streckte er mir die Zunge heraus und ließ sich auf der ausgebreiteten Decke nieder.
„Okay, dann bis später“, meinte ich nur, beugte mich vor und gab ihm einen Kuss auf die Stirn.
Wieder dieses hinreisende Lächeln, das mich mit mir kämpfen ließ, ob ich nicht lieber bei ihm bleiben sollte.
„Marcus komm endlich!“, riss mich Noahs Stimme aus meinen Gedanken.
Levi hob die Hand und winkte mir zu.
*-*-*
Mike hatte Noah wieder Hugepack genommen, weil der Junge am Schluss einfach nicht mehr laufen wollte. Jetzt ruhte sein Kopf auf Mikes Schulter und schlief. Ich hätte nicht gedacht, dass dieser kleine Zoo, so viele Tiere beherbergte.
Für Ella war es allemal interessant gewesen, was aber ihre Entscheidung, welches Tier sie zeichnen wollte, nicht erleichterte. Während Mike sich die ganze Zeit rührend um Noah gekümmert hatte, war ich neben Ella hergelaufen.
Sie hatte mich mehrfach in ein Gespräch über das Zeichnen verwickelt. Somit hatte ich keine Zeit, mir über meine, oder sollte ich sagen, unsere Zukunft groß Gedanken zu machen. Vielleicht besser so.
Als wir die Wiese Nähe des Zoos betraten, konnte ich sogar Levi sofort entdecken. Er lag seitlich auf der Decke, hatte den Kopf aufgestützt.
„Wo ist unser Platz?“, fragte Ella neben mir.
Ich zeigte in Richtung Levi, war mir aber nicht sicher, ob sie ihn auch sah. Sie war schließlich gut ein Kopf kleiner, wie ich.
Sie lief in die gezeigte Richtung und Mike folgte ihr. Ich musste grinsen, denn dies war ein Bild für Götter. Mike mit Noah. Er schien den Jungen genauso ins Herz geschlossen zu haben, genauso schnell wie meiner einer.
Als wir dem Platz für unser Picknick uns näherten, erkannte ich, dass Levi mit seinem Tablett beschäftigt war. Hatte er sich Arbeit mit hier hergenommen, war er deswegen alleine hier geblieben?
Während Mike mit Ella zusammen kämpfte, Noah von seinem Rücken zu bekommen, ließ ich mich neben Levi nieder.
„Du hast dir also Arbeit mitgenommen“, meinte ich ernst.
Er lächelte mich verlegen an, als wäre er gerade bei etwas erwischt worden. War er ja auch.
„Ähm…, schuldig im Sinne der Anklage. Na ja fast…!“
„Dann nehm ich das mal an mich!“
Ich griff nach seinem Tablett und ließ es in meiner Tasche verschwinden.
„Eh!“
„Das bekommst du morgen wieder! Es ist Sonntag!“
Ella und Mike fingen an zu kichern. Levi schaute die beiden vorwurfsvoll an und Mike hob abwehrend seine Hände.
„Wenn mein Bruder sich etwas in den Kopf gesetzt hat, zieht er das auch durch!“
„Könnten wir etwas essen, ich habe Hunger!“, fragte Ella und nahm Levi somit die Chance, etwas zu entgegnen.
„Ich auch!“, meldete sich nun auch Noah zu Wort.
„Ich habe bloß einen Bericht über japanischer Papierherstellung gelesen…“, verteidigte sich Levi.
Levis Verteidigung ignorierte ich einfach und begann die Leckereien auszupacken. Während Ella mir half, sie verteilte die Pappteller, saß Mike nur daneben und blinzelte Richtung Sonne.
„Eigentlich sollte man das jeden Sonntag machen“, hörte ich es ihn sagen.
„Wieso, was machst du denn sonst am Sonntag, fragte Levi, der mittlerweile die Getränke verteilte.
Ich musste zu meiner Schande gestehen, dass ich auch hier viel zu wenig über meinen Bruder wusste. So war ich auf die Antwort genauso neugierig, wie Levi.
„Ausschlafen… und Papierkram, für den ich unter der Woche keine Zeit habe.
„Siehst du, dein Bruder arbeitet auch Sonntags!“, meckerte Levi.
Ich öffnete gerade den Nudelsalat. Etwas genervt setzte ich mich nun wieder bequemer hin.
2 Kommentare
Schön das es mit dieser Story weitergeht .
Wollte nur die ersten Teile nochmal nachlesen und habe festgestellt das Manny 3 nicht verfügbar ist. Wäre supernett wenn Ihr das wieder online stellen könntet. Vielen Dank und ich freue mich sehr auf die weiteren Fortsetzungen jeden Tag .
danke, Manny teil 3 ist wieder einsehbar
gruß
Basti