In your eyes

Die Sicht war klar. Jede Einzelheit zog ich in mich hinein. Ich genoss die Ruhe, die einzigartige Stille, die mich umgab. Einfach die Seele baumeln lassen, wie man so schön sagte. Ich hatte es aber auch bitter nötig.

Die vergangenen Monate waren nicht so gelaufen, wie ich mir das vorgestellt hatte. Als aller Erstes, mein unfreiwilliges Outing in unserer Gemeinde, auf dem Dorffest, dank meines Kumpels Kai Danach die Meldung, dass mein Lehrbetrieb mich nach der Lehre nicht übernehmen wollte.

Was sollte ich machen, nur weil mein Chef etwas gegen Schwule hatte, nachweisen konnte ich es ihm nicht und wenn, was brachte mir das, in diesem Betrieb wollte ich sowieso nicht mehr arbeiten. Zum guten Schluss dann noch der Riesenkrach mit meinen Eltern, besser gesagt, mit meinem Vater, meine Mutter saß nur still dabei.

Der Bergsee kristallklar, denn ich konnte das Spiegelbild, des dahinterliegenden Berges sehen, von dem ich nicht mal wusste, wie er hieß. Die Blütenpracht des Sommer hatte jetzt im Spätsommer in keinster Weise an Reiz verloren.

Ich ließ mich nach hinten sinken, in Mitten der Blumen und starrte in den Himmel hinauf. Vereinzelt zogen Wolken an mir vorbei, scheinbar so greifbar nah und doch so weit oben, wie der Adler, der dort seine kreise zog, so anmutig und herrschaftlich.

Ich beneidete ihn, wie er seine Bahnen flog, frei in der Entscheidung, wohin es ihn führen sollte. Kurz schloss ich die Augen, hörte das Rauschen des Baches, das Zwitschern der Vögel, den Wind, der die nahen Tannen tanzen ließ.

War ich jetzt frei? Frei von allem, was mir mein Leben so schwer machte? Gut es war meine freie Entscheidung hier her zu gehen, oder war es ein Flucht nach Vorne, weg von allem Befremdlichen? Ich hatte alles, was mir mal etwas bedeutete zurückgelassen, alles was mir gehörte in zwei Koffer verstaut, ohne Abschied zunehmen, einfach gegangen.

Niemand wusste wo ich war, bis vielleicht die Frau vom Amt, bei der ich mich wegen Wegzugs aus der Gemeinde habe abmelden müssen. Nicht einmal Georg, meinem besten Freund, hatte ich eine Nachricht zu kommen lassen, dachte, es wäre besser so. Besser für alle Beteiligten, die bisher mein Umfeld säumten.

Man kann es eben so oder so sehen, bin ich weggerannt um mich nicht irgendwelchen Problemen zu stellen, oder bin ich gegangen, um nicht noch weitere Schwierigkeiten zu provozieren. Der Entschluss war sehr schnell gefasst. Innerhalb einer Woche, nach dem Dorffest, an dem Kai, nichts Besseres zu tun hatte, als mich zu outen.

Ich, die Schande der Familie, wie es mir mein Vater entgegenschrie, meine Mum, die von einem Weinkrampf in den Anderen fiel. Familie ein Wort mit sieben Buchstaben, dass von so vielen immer hochgehalten wurde, und es anscheinend doch oft genug Probleme gab. Das alles hatte ich nun zurück gelassen.

Erst wollte ich ja nur einen langen Urlaub machen, bevor ich mich entscheiden wollte, wie es weiter ging, einfach etwas Abstand gewinnen, von allem was passiert war. Aber das änderte sich, als ich diesen kleinen Laden in meinem Urlaubsdorf betrat, vollgestellt, mit Schnitzereien und Möbeln.

Ich liebte Holz, hatte mein Hobby zum Beruf gemacht. Ich bewunderte die Ausstellungsstücke, atmete tief durch, als ich die Preise dafür sah. Aber ich wusste auch, welche Arbeit in ihnen steckte, der Preis war schon in Ordnung.

Ein Mann trat aus dem hinteren Bereich heraus und irgendwie kamen wir ins Gespräch, natürlich hauptsächlich über das Thema Holz. Irgendwann saßen wir dann in seinem Privatbereich, bei einer Tasse Tee und längst waren wir vom Hauptthema abgekommen.

Wir redeten, besser gesagt ich redete wie ein Wasserfall und erzählte Josef, so hieß der Mann, von mir. Er verzog keine Mine, reagierte nicht, wenn es traurig wurde, nur an seinen Augen konnte ich sehen, dass es ihn berührte.

Ich wusste nicht wie lange wir da gegessen hatten, keine Kunde war in dieser Zeit in das Geschäft gekommen. Josef war aufgestanden und hatte noch einmal eine Kanne mit Wasser, auf seinen Ofen gestellt, um neuen Tee zu kochen.

Danach setzte er sich wieder an den Tisch und zog an seiner Pfeife.

„Michael, ich weiß nicht, ob es eine Flucht war, oder dein die beste Lösung für alle ist, nun bist du aber erst mal hier. Gegen dein Schwulsein halte ich nichts, es schiebt dich aber genauso ins Abseits, wie mich als Einzelgänger“, meinte Josef und zog wieder an seiner Pfeife.

Ich hatte immer noch meine Tasse in der Hand und schaute auf deren Boden, obwohl kein Tee mehr darin war.

„Das weiß ich eben selber nicht, nur das ich nicht mehr dahin möchte“, antwortete ich leise.

„Und für was einen Preis?“

„Daran kann und möchte ich jetzt nichts mehr ändern.“

„Du liebst Holz?“

Überrascht schaute ich auf, weil Josef das Thema gewechselt hatte.

„Ja, dass tu ich.“

„Möchtest du bei mir anfangen? Ich meine, ich habe genug Arbeit für Zwei und da du Interesse am Schnitzen zeigst, könnte ich dir das beibringen.“

„Das würde gehen? Ich bin kein Schweizer, geht das so einfach?“, fragte ich immer noch erstaunt.

„Das lass mal meine Sorgen sein. Du könntest die kleine Dachwohnung haben, die steht schon seit ein paar Jahren leer. Ich könnte dir zwar nicht soviel Geld zahlen, wie du es vielleicht gewohnt bist, aber dafür bräuchtest du keine Miete zahlen.“

Ungläubig schaute ich ihn an. Er hatte ja Recht. Irgendwann wäre mein Geld aufgebraucht und ich müsste mich nach einem Job umschauen. Ich reichte ihm die Hand und nickte einfach. Ein breites Grinsen schmuggelte sich auf sein Gesicht.

Voller neuer Energie machte ich mich ans Werk bezahlte mein Pensionszimmer, zog mit meinen zwei Koffern zu Josef. Mit der vielen Arbeit hatte er schon Recht. Seine Bekanntheit, alte Möbel zu restaurieren, war enorm.

Ich war überrascht, wo überall Leute herkamen, um von Josef etwas machen zu lassen. Auch über die nahe Grenze von Deutschland gab es Kundschaft. Er zeigte mir auch Verarbeitungstechniken, die mir in meinem Lehrbetrieb sicher nie einer beigebracht hätte.

Nun war schon ein Monat vergangen und ich hatte mein erstes richtiges freies Wochenende dazu genutzt, um die Gegend ein wenig kennen zulernen. Und heute eben war ich auf diesen Berg gestiegen, lag am Bergsee in der Sonne und träumte vor mich hin.

Ich wurde aus den Gedanken gerissen, als ich irgendwoher Stimmen hörte. Nach dem ich mich aufgerichtet hatte, ließ ich meinen Blick über den See schweifen. Weit entfernt konnte ich eine kleine Wandergruppe ausmachen.

Ich erhob mich, richtete meine Kleidung und beschloss wieder ins Tal zu wandern. Auf alle Fälle hatte ich keine Lust, mir vielleicht ein Gespräch reindrücken zulassen, von dahergelaufenen Touristen.

Ich nahm denselben Weg zurück, der recht dicht an dem Weg vorbei lief, wo sich auch die Gruppe befand. Fünf Leute konnte ich ausmachen, zwei Mädchen und drei Jungen, ich schätze sie mal alle in meinem Alter.

Einer der Jungs schaute kurz in meine Richtung und kurz darauf folgten seinem Blick vier restliche Köpfe. Da hatte ich aber schon die Biegung erreicht und war hinter den nächsten Bäumen verschwunden.

Der Abstieg kam mir irgendwie länger vor, vielleicht weil ich auch Hunger hatte und mich nach meinem Bett sehnte. Mir taten die Füße weh, in den Beinen zog es, da würde ich morgen wohl einen rechten Muskelkater davontragen, dachte ich mir nebenbei.

Mühsam schleppte ich mich die steile Treppe in Josefs Haus hinauf und atmete tief durch, als sich die Wohnungstür hinter mir schloss. Ich schaute kurz in meine Wohnung, die ich in den letzten drei Wochen nach meinem Geschmack einrichten konnte.

Josef hatte mir sein Auto überlassen, um in der nahen Stadt Besorgungen im Baumarkt oder Möbelgeschäft zu machen. Ich dachte erst, nun würden mein Angespartes drauf gehen, aber ich war erstaunt, wie ich mit Hilfe von Josef einiges sparen konnte.

Ich legte meine Jacke ab und lief auf die Toilette, der hohe Getränkeverbrauch, zeigte nun seinen Tribut. Um einige Liter erleichtert, so kam es mir wenigstens vor, beschloss ich erst mal zu duschen, da mir immer noch der Schweiß auf der Stirn stand.

Nach der heißen Dusche, ließ ich mich auf mein bett fallen und streckte alle Viere von mir. Ich war zwar müde, aber selten hat ich mich so gut gefühlt, wie heute. Die letzten Wochen war ich doch noch sehr am Grübeln, aber je mehr ich mit Josef zusammen arbeitete und mit ihm auch reden konnte, desto mehr fühlte ich die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Das änderte auch nicht die SMS die ich eines Abends auf meinem Handy fand. Sie war von Georg, er würde mich vermissen ich solle mich melden, jeder hier mache sich Sorgen. So ganz glauben konnte ich das nicht.

Ich schrieb ihm zurück, dass es mir gut ginge und gerade er sich keine Sorgen machen sollte und dass ich mich wieder meldete. Wo ich war, wollte ich ihm nicht schreiben, noch nicht. Georg war für mich schon immer ein besonderer Mensch gewesen.

Kennen gelernt im Kindergarten, zusammen zur Schule gegangen, aber zwei verschiedene Berufe erlernt, und doch nie war das ein grund unsere Freundschaft zu vernachlässigen. Auch nicht an dem Abend, als ich ihm gestand, schwul zu sein um endlich seine Neckereien betreffs Mädchen zu entgehen.

Später fand ich heraus, dass er das absichtlich machte um mich so aus meiner Reserve zu locken. Er hatte sich das gedacht und wollte mir damit helfen, endlich Klartext reden zu können. Aber am Abend des Dorffestes verlies ihn anscheinend der Mut, niemand half mir als Kai mich besoffen anfiel.

Keiner stand mir bei, als Kai mich zusammenschlug, weil er herausgefunden hatte, dass ich nicht auf Mädchen stand. Georg kam auch nicht ins Krankenhaus, genauso wenig wie meine Eltern. Ich verlor meinen Job, wegen angeblicher Unstimmigkeiten gegenüber der Geschäftsleitung meinerseits.

Das alles hatte mich bestärkt, von dort wegzugehen und bis jetzt hatte ich es nicht bereut, außer vielleicht wegen Georg, seine Gegenwart fehlte mir schon etwas. Ich musste eingeschlafen sein, denn ich wurde von Josefs Wagen geweckt, der die Einfahrt hinauffuhr.

Ich stand auf und zog mir schnell etwas über. Na ja schnell, soweit wie mir das möglich war, meine Beine schmerzen doch sehr. Wie auf Eier, lief ich langsam die Treppe hinunter um Josef zu begrüßen.

„Was ist denn mit dir passiert?“, fragte Josef, als er meine komische Gangart sah.

„Ich war wandern…“, antwortete ich.

„Gestürzt?“, fragte er besorgt, als er die Haustür zuschob.

„Nein, ein bisschen viel gelaufen, ich habe keine Kondition“, sagte ich leise, beschämt dass überhaupt sagen zu müssen.

„Komm mit rein, ich habe da eine Creme für dich, danach geht es dir besser“, sagte er und trat in seiner Wohnung ein.

Mich wunderte der geschlossene Korb in seinem Arm, der sich selbstständig bewegte und kleine Laute von sich gab. Er stellte ihn auf seinen Küchentisch ab und ging zum Schrank.

„Die Kräuter hierfür habe ich selbst gesammelt“, meinte er und gab mir eine kleine Dose.

Ich dagegen schaute gespannt auf den Korb. Er schien meinem Blick gefolgt zu sein.

„Darf ich dir unseren neuen Mitbewohner vorstellen?“, fragte er und öffnete langsam den Korbdeckel.

Aufgeregt schaute ich in das Innere des Korbes, wo mir ein kleiner niedlicher Hund entgegenwinselte.

„Ach Gott, ist der aber süß!“, gab ich von mir und schon waren meine Schmerzen vergessen.

Vorsicht nahm ich das Kneul aus dem Korb und nahm ihn in den Arm.

„He du Kleiner, hallo“, meinte ich und kraulte ihn hinter dem Ohr.

„Ich würde mal sagen, he du Kleine, dies hier ist einen junge Dame“, sagte Josef und grinste.

„Hast du für sie schon einen Namen?“

„Nein, ich dachte du wüsstest einen Guten für sie.“

Ich schaute der kleinen Damen in die braunen Knopfaugen. Plötzlich spürte ich etwas Warmes auf meinem Tshirt und Josef fing laut an zu lachen. Entsetzt hielt ich die Kleine von mir weg und stelle fest, das sie mich mit einem Hundeklo verwechselt hatte.

„Komm gib sie her und mach dich wieder sauber, sie ist eben noch nicht stubenrein“, grinste mir Josef entgegen.

Etwas ärgerlich stampfte ich wieder in meine Wohnung hinauf zog das Tshirt vorsichtig über den Kopf und bevor ich es einweichte, wusch ich mir die Brust ab. Wieder unten lag das Kneul im Korb vor dem Ofen und hatte die Augen geschlossen.

Als sie mich bemerkte, hob sie den Kopf und winselte ein wenig, als wolle sie sich bei mir entschuldigen. Ich beugte mich zu ihr hinunter und kraulte sie wieder hinter dem Ohr und sie legte ihren Kopf beruhigt auf ihre Pfoten.

„Tess? Wie wäre es mit Tess?“, fragte ich Josef.

„Wie kommst du denn da drauf?“

„Mir gefällt das Tessin sehr gut, einerseits wegen der herrlichen Farben, aber auch weil es so viel Interessantes in sich birgt.“

„Und Tess ist interessant?“

„Jedes Lebewesen ist interessant!“

Josef lief noch einmal hinaus um den Rest der Sache für Tess zu holen. Etwas verträumt kraulte ich Tess weiter, die bald darauf friedlich einschlief. Als Josef zurückkam und etwas sagen wollte, hielt ich mein Finger vor den Mund.

„Sie ist eingeschlafen!“, flüsterte ich.

„Okay, kommst du noch ein wenig zu mir ins Wohnzimmer?“, fragte Josef ebenso leise.

„Klar, gerne.“

Ich lief ihm leise hinterher. Die Tür Küche zur Küche ließ ich aber angelehnt.

„Und, wo warst du heut genau?“

„Oben am See, war herrlich dort!“

„Stimmt, war ich früher auch oft, sollte mir mal wieder Zeit nehmen, da hinauf zu laufen.“

„Lass Tess noch ein bisschen größer werden, dann hast du einen Grund für lange Sparziergänge“, grinste ich.

„Werde ich sehen, und hast du dich schon entschieden welches Tier du schnitzen möchtest?“

„Ich habe da an einen Löwen gedacht, aber jetzt wo Tess da ist, würd ich mich gerne an einem Hund probieren.“

„Gut, dann werden wir morgen das passende Stück Holz heraus suchen.“

Ich nickte ihm zu.

„Was beschäftigt dich?“

„Was meinst du?“

„Ich sehe in deine Augen, dass dich etwas beschäftigt… Heimweh?“

„Nein, dass kann ich nicht behaupten. Mein Freund Georg hat mir zwar eine SMS geschickt, mich würden alle zu Hause vermissen, aber daran kann ich nicht so recht glauben.“

„Und warum nicht?“

„So wie es in der einen Woche gelaufen ist und mich alle geschnitten hatten, nein unmöglich. Ich finde es toll hier und habe nicht vor, so schnell hier wieder wegzugehen.“

„Ist mir schon klar, es freut mich auch, aber du kannst dich nicht ewig hier im Haus verkriechen, du musst wieder unter Menschen.“

„Bist du keiner?“

„Doch, aber du weißt wie ich das meine!“

„Ja, schon klar, aber ich lass es einfach auf mich zukommen, langsam angehen.“

„Gut, tu es aber dann auch. Ich werde jetzt ins Bett gehen, muss morgen früh raus, eine Holzlieferung kommt.“

„Dann schließe ich mich mal an, der Marsch von heute fordert bei mir seinen Tribut.“

Josef kicherte.

„Dann mal gute Nacht, bis morgen Michael.“

„Gute Nacht Josef, schlaf gut.“

Ich verlies das Zimmer und lief die Treppe hinauf in mein Reich. Kurz noch einen Schluck am Kühlschrank und schon lag ich in meinem Bett. Die Creme von Josef half wirklich, langsam entspannten sich meine Muskeln und ich schlief ein.

Ein kratzendes Geräusch ließ mich aufschrecken, ich konnte es nicht einteilen, so kurz nach den Aufwachen. Ich machte meine Lampe an und kniff erst mal die Augen zusammen, bis ich mich an das Licht gewöhnt hatte.

Mit schnellem Aufstehen war auch nicht, meine Beine machten sich bemerkbar. Langsam konnte ich einordnen, dass dieses Geräusch von meiner Wohnungstür kam. Ein Blick hinaus zum Fenster sagte mir, dass wie schon frühern morgen hatten, die Sonne ging bald auf.

Langsam lief ich zur Wohnungstür, bis mir plötzlich Tess einfiel, die vor der Tür stehen konnte. Ich öffnete und tatsächlich, da saß das kleine Kneul vor meiner Tür und winselte.

„He, du kleiner Schlawiner, wie bist du denn die Treppe hochgekommen?“

Tess wedelte eifrig mit ihrem Schwänzchen, als ich sie hoch nahm.

„Aber bitte beherrsch dich, ich bin kein Hundeklo!“, sagte ich zu ihr.

Da kam mir die Idee. Ich schlüpfte in die Turnschuhe, lief leise die Treppe hinunter und durch den Hinterausgang hinaus zum Garten. Dort setze ich Tess ins Gras und wartete. Ein Lachen ließ mich herum fahren.

„Na, hat dich der kleine Racker aus dem bett geholt?“

Es war Josef, der schon angezogen an der Treppe stand. Mir war schlagartig bewusst, was ich anhatte. Mit Schlafshorts und Shirt drüber und meine Turnschuhe, kein Wunder, das Josef lachte. Doch dann kam mein Erfolgserlebnis, Tess machte ihr Geschäft wirklich in den Garten.“

„Es klappt ja“; meinte ich zufrieden und ging in die Hocke.

Tess kam tollpatisch auf mich zu gerannt und leckte meine Hand.

„Für den Anfang nicht schlecht“, meinte Josef.

In der Nachbarschaft hörte ich eine Tür zuschlagen, ich schaute in die Richtung und sah einen jungen Mann zu seinem Auto laufen. Er schaute kurz rüber, während ich mit Tess wieder mich hinstellte und sah dass er kurz grinste bevor, er einstieg und wegfuhr.

„Wer ist das?“, fragte ich.

„Das ist Luca, der Sohn von Reicherts“, antwortete Josef und ging ins Haus.

Ich folgte ihm ins Haus, wo ich ihn in der Küche fand. Ich setzte Tess in ihr Körbchen ab, aus dem sie gleich wieder heraussprang und mir nachlief.

„Das Gesicht kommt mir bekannt vor“, meinte ich zu Josef.

„Wie bekannt?“, fragte Josef.

„Das Gesicht… ja genau, der war gestern bei der Gruppe, die ich am See gesehen habe.“

„Kann sein, Luca ist oft mit seiner Clique unterwegs, ein netter Junge übrigens.“

„Deinem Lächeln entnehme ich, dass du mehr weißt, als du sagst“, meinte ich und beschäftige mich wieder mit Tess.

„Ich weiß überhaupt nichts, dass erspart mir viel Ärger mit den Leuten. Auch einen Kaffee?“, kam es von Josef, ohne dass er sich zu mir umdrehte.

„Ja, gerne, aber ich zieh mich vorher noch an.“

Ich war schon auf dem Weg zur Tür, als ich bemerkte, dass Tess hinter mir hertrottete.

„Nein Tess, bleib hier, ich komme doch gleich wieder.“

Tess schaute mich wieder mit ihren braunen Knopfaugen an.

„Ist ja schon gut, aber wenn du meinst, ich trage dich nach oben, nein kannste vergessen!“

Josef fing laut an zu lachen.

„Die Dame hat dich ja schon fest in der Hand.“

„Das wird auch die Einzigste sein, die dass jemals schaffen wird“, sagte ich und lief nach oben.

Später kam die Holzlieferung und ich half beim Abladen und verstauen des Holzes. Wie versprochen suchte Josef mit mir ein Stück Holz heraus, aus dem ich meine erste Figur schnitzen sollte.

Während ich in der Werkstatt saß um einen Auftrag abzuarbeiten, lag Tess die ganze Zeit in ihrem Körbchen in meiner Nähe. Ab und zu hob sie ihren kleine Kopf, wenn eine lautere maschine ansprang, aber in meiner Nähe fühlte sie sich wohl sicher.

„Ich würde auch selbst mithelfen“, hörte ich eine Stimme.

Ich drehte mich herum und Josef kam mit Luca aus der Nachbarschaft in die Werkstatt gelaufen.

„Wie gesagt Luca, wir sind mit Aufträgen überhäuft, außer du frägst Michael, ob er dir dabei hilft“, meinte Josef und zeigte in meine Richtung.

„Also stimmt es, du hast endlich dir einen Schreiner zur Hilfe genommen“, sagte Luca.

„Ja, es bot sich an und Michael nahm mein Angebot an“, sprach Josef und lächelte mir zu.

Ich stand auf und lief auf die beiden zu.

„Hallo“, sagte ich und hob meine Hand zur Begrüßung.

„Hallo Michael, Luca ist mein Name“, sagte er und schüttelte meine Hand und lächelte dabei.

„Was steht an?“, fragte ich.

„Dieser junge Mann hat sich in den Kopf gesetzt, sich eine Schrankregalsystem für seine Wohnung bauen zu lassen“, meinte Josef.

„Ist das nicht zu teuer?“, rutschte mir heraus.

„Nein, meine Eltern meinten, sie schießen mir etwas dazu. Ich habe die Dachwohnung bezogen, und die herkömmlichen Möbel, passen da einfach nicht“, sagte Luca.

Er erinnerte mich an meine Wohnung oben, wo ich mit Hilfe von Josef, gekaufte Möbel umgebaut hatte, um sie passend für die Dachschräge zu haben.

„Hast du schon irgendwelche Vorstellungen?“, fragte ich und Josef wandte sich ab, ging zurück in den Laden.

„Ich dachte, ihr könntet mir vielleicht dabei helfen“, antwortete Luca im schüchternen Ton.

Ich legte mein Werkzeug zur Seite, band meine Schürze los und legte sie über die Werkband.

„Komm mal mit!“, meinte ich nur und lief in den Laden.

Dort angekommen stand Josef mit einem anderen Kunden im Laden und schaute kurz zu mir her.

„Ich zeige Luca kurz oben meine Schrankwand“, meinte ich und ging zum Wohnteil.

Luca folgte mir ohne etwas zu sagen. Tess war uns natürlich gefolgt und Luca bemerkt sie erst jetzt, als sie vor der unteren Stufe der Treppe zuwinseln begann.

„Ist der süß, ist das deiner?“, fragte Luca und lief die Treppe wieder hinunter.

Tess fing aufgeregt mit ihrem Schwänzchen zu wedeln und hüpfte von einem zum anderen Bein. Luca bückte sich und ich wollte ihn noch warnen, aber da war es schon zu spät. Tess lief über vor Freude und somit direkt auf Luca`s Shirt.

Ich konnte nicht anderst und fing laut an zu lachen. Von meinem Lachen angelockt, stand plötzlich auch Josef im Flur und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen.

„Ah, du hast Bekanntschaft mit Tess gemacht?“, meinte ein überaus belustigter Josef.

„Tess? Hättet ihr auch laufendes Etwas taufen können“, sagte Luca und hob Tess von sich weg.

Ich nahm ihm Tess ab und setzte sie auf den Boden ab, nicht ohne von Luca wegzusehen.

„Was mach ich jetzt nur, so kann ich nicht hinüberlaufen, was denken die Leute von mir?“ kam es ein wenig tuckig von Luca.

„Jetzt tu nicht so, als wärst du draußen noch nie mit freiem Oberkörper herum gelaufen“, sprach Josef.

„Das nicht, aber im Augenblick ist es ein wenig unpassend“, gab Luca von sich.

„Wieso das denn?“, fragte ich erstaunt, denn Luca hatte eine gute Figur, konnte sich also sehen lassen.

„Deswegen!“, sagte Luca und zog sich vorsichtig sein Shirt über den Kopf um nicht an die nasse Stelle am Stoff zu kommen.

Ein großer Drache kam zum Vorschein, der seine Schulter zierte. Schwarz unterlegt und mit einem kräftigen Rot verziert. Josef pfiff leise.

„Wissen das deine Eltern?“, fragte er.

„Nein“, meinte Luca knapp.

„Na ja, ich kenne deinen Vater sehr gut und ich weiß nicht, ob er damit einverstanden ist.“

„Deswegen, will ich jetzt nicht so hinüberlaufen und ihm direkt in die Arme!“, sagte Luca und stand mit den Tshirt in der Hand noch immer vor mir.

„Also ich find das cool“, sagte ich und verfolgte den Feuerschweif, der kurz über der Brust endete.

Da bemerkte ich, wie ich Luca zu sehr fixierte und schaute beschämt zu Josef, der mich angrinste.

„Was mache ich jetzt nur?“, fragte er.

„Komm mit rauf, da kannst du dich abwaschen und ein Shirt von mir anziehen, wir haben ja ungefähr die gleiche Größe“, meinte ich.

„Ohne ein Wort zu sagen, folgte Luca mit mir nach oben und ließen den kopfschüttelten Josef zurück.

„Wow, du hast dich ja voll ins Zeug gelegt“, sagte Luca, als wir mein Reich betraten.

„Was meinst du“, fragte ich und schloss automatisch hinter ihm die Wohnungstür.

„Ich kenne die Wohnung von früher, aber nun ist sie nicht wieder zu erkennen.“

Ohne eine Antwort zu geben, ging ich ins Schlafzimmer an meinen Schrank und zog ein frisches Shirt heraus. Luca folgte mir und schaute sich dabei interessiert um.

„Gegenüber im Bad kannst du dich etwas waschen“, sagte ich und versuchte ihm nicht direkt in die Augen zu schauen.

„Du warst gestern Mittag am See, stimmt’ s?“, fragte Luca plötzlich.

„Ja, wie kommst du da jetzt drauf?“

„Du hast eben den gleich Gesichtsausdruck gemacht, wie gestern“, antwortete er.

„Wir waren doch so weit auseinander, wie konntest du das dann erkennen?“

„Ich kann ein trauriges Gesicht von einem fröhlichen Gesicht unterscheiden.“

Was war das hier jetzt? Ich lief zur Badtür und öffnete sie.

„Tut mir leid, wenn ich dir zu Nahe getreten bin!“, meinte Luca.

„Schon gut… schon vergessen…“, sagte ich, „wenn du fertig bist, schauen wir das Regal an, okay?“

„Ja, geht in Ordnung.“

Er war schon im Begriff die Tür hinter sich zu schließen, als er sich noch mal umdrehte.

„Würde dir es etwas ausmachen, wenn ich kurz unter deine Dusche springe?“

Ich schluckte kurz, da stand dieser 1,85 m Adonis vor mir, halb nackt und fragte ob er bei mir duschen konnte. Nickend griff ich nach einem Handtuch.

„Duschzeug steht in der Dusche“, meinte ich und verließ das Bad.

Etwas verstört ging ich in die Küche um mir etwas zutrinken zuholen. Ich hörte wie das Wasser rauschte und stellte mir vor…, schnell hatte ich diesen Gedanken verworfen. Die Chance, dass Luca vielleicht auch schwul ist… na ja.

Ich wollte nicht gleich wieder aus dem Regen in die Traufe kommen, weil hier niemand Schwule mochte. Josef, der hatte nichts dagegen, aber ich wollte auch nicht, dass er wegen mir Ärger bekam. Ich beschloss über meine Neigung weiterhin Stillschweigen zuwahren.

„Na, über was grübelst du?“

Erschreckt sah ich hoch. Luca stand nur mit dem Handtuch um die Hüften vor mir.

„Was ist?“, fragte er, als er meinen starren Blick sah.

„Ach nichts, entschuldige, ich bin heute nicht so gut drauf.

„Sorry, ich wollt mich nicht gleich wieder anziehen, so frisch aus der Dusche mag ich lieber ein bisschen ausdünsten.“

„Ist schon gut…“

Luca lief an mir vorbei und schaute sich mein Regal genauer an. Ich beobachtete ihn dabei, nahm jede einzelne Muskel wahr, die sich an ihm bewegte. Langsam spürte ich, dass ich mich in diesen Kerl verguckt.

„Und so ähnlich könntest du mein Regal auch bauen?“, fragte er.

„Ja“, antwortete ich, blieb aber auf der Couch sitzen.

Er setzte sich mir gegenüber auf den Sessel, dabei rutsche das Handtuch ein wenig hoch und ich konnte ungeniert auf sein Teil schauen.

„Willst du etwas trinken?“, fragte ich und stand auf, denn langsam wurde es mir zu viel.

„Was hast du denn da?“

„Ich kann dir im Augenblick nur Limo anbieten, was anderes habe ich gerade nicht da.“

„Gut, das geht auch.“

Wieder lief ich in meine Küche, um für ihn ein Glas Limo zu holen. Mein Magen fühlte sich flau an, meine Knie zitterten. Ob der das mit Absicht machte? Wieder zurück im Wohnzimmer stellte ich das Glas ab.

„Wann kannst du denn zu mir kommen, um das Regal auszumessen?“, fragte Luca.

„Ich weiß nicht, wann hast du denn Zeit?“

„Wenn du willst, kannst du nachher gleich nach der Arbeit rüber kommen“, antwortete er.

„Kann ich machen, aber vorher will ich noch mit Josef zu Abend essen.“

„Gut, so gegen Acht?“

„Ja, geht klar. Ich geh dann mal wieder runter, kannst aber ruhig noch ein bisschen hier sitzen“, meinte ich und lief bereits zur Wohnungstür.

„Michael, was ist mit dir los?“, rief er mir hinterher.

„Darüber möchte ich jetzt nicht reden“, sagte ich leise und öffnete die Tür.

Kurz hielt ich inne, aber entschloss mich dann doch runter zugehen. Unten nahm ich wieder, unter den verwunderten Blicken von Josef, meine Arbeit auf.

„Wo ist Luca?“, fragte er.

„Der ist noch oben“, antwortete ich knapp.

Josef schwieg, was mir sehr recht war. Irgendwann hörte ich das Poltern auf der Treppe und kurz danach stand Luca, bei uns in der Werkstatt. Tess rannte gleich auf ihn zu.

„Nein junge Dame, noch mal nehme ich dich nicht auf den Arm“, sagte Luca und ging in die Knie um sie zu streicheln.

Der Gedanke, dass sie ihm noch einmal das Tshirt verpinkelte ließ mich einfach grinsen. Luca schaute mich kurz an und strahlte.

„Das Shirt bekommst du gewaschen von mir wieder“, meinte Luca und stand wieder auf.

„Das eilt nicht, ich hab noch genug“, erwiderte ich.

„Gut, dann sehen wir uns später“, sprach Luca und verabschiedete sich von Josef.

Tess taperte wieder in ihren Korb zurück, der neben mir auf dem Boden stand. Ich vertiefte mich wieder in meine Schleifarbeiten und schon bald, stand Josef auf.

„Feierabend, Junge, wir machen morgen weiter.“

„Okay, ich geh noch kurz duschen, vor dem Abendessen“, meinte ich.

„Lass dir Zeit, ich mach eine Suppe für uns, dauert ein bisschen.“

„Geht klar!“

Ich fegte den Dreck zusammen und versuchte mit dem Besen, Tess auszuweichen, die sich einen Spass daraus machte, immer wieder auf den Besen zuspringen. Irgendwann schob ich sie dann mit dem Besen zur Seite, damit ich fertig wurde.

Wie immer blieb sie unten an der Treppe sitzen, als ich hoch lief und wimmerte.

„Ich komme gleich wieder“, meinte ich zu ihr und verschwand in meine Wohnung.

Schnell stand ich unter der Dusche und ließ das heiße Wasser auf meinen Körper rieseln. Für eine kurze Zeit lag ich im Gedanken wieder an dem Bergsee und verfiel ins Träumen.

Später saß ich am Tisch bei Josef und löffelte meine Suppe.

„Willst du dich nicht etwas Besseres anziehen für euer Date?“, fragte Josef.

„Date? Was für ein Date?“, fragte ich verwundert.

„Du triffst dich doch nachher mit Luca, oder?“

„Ja, ich will Maße nehmen, für sein Regal. Wie kommst du drauf, das Luca und ich ein Date hätten, ich kenne ihn doch noch nicht mal richtig und überhaupt…“

„War nur so ein Gedanke von mir“, brummte Josef und löffelte weiter an seiner Suppe.

„Entschuldigung“, sagte ich, nachdem ich bemerkt hatte, dass ich mich ein wenig im Ton vergriffen hatte.

„Michael, du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Ich denke nur, du solltest wieder unter Leute kommen, und nicht jeden Abend mit mir alten Kauz zusammen sitzen“, kam es von Josef.

„Schon gut, Josef… ich bin einfach noch nicht soweit.“

Damit endet unser Smalltalk. Ich half Josef noch das Geschirr wegzuräumen und machte mich dann auf den Weg zu Luca. Dort angekommen, klingelt ich an der Tür. Eine Frau öffnete.

„Ah, sie scheinen Michael zu sein, der bei Josef arbeitet“, sagte sie und steckte mir eine Hand zur Begrüßung entgegen.

„Ja, ich komme vorbei um kurz Maße für Luca`s Regal zu nehmen. Aber sie können ruhig du sagen, ich bin noch nicht so alt.“

„Danke Michael, komm einfach rein, ich zeige dir das Zimmer von Luca.“

Ich folgte ihr ins Haus. Es war ähnlich geschnitten wie das von Josef. Wo meine Wohnung war, war anscheinend auch Luca`s Zimmer. Die Treppe hinauf, blieb sie vor einer Tür stehen und klopfte. Ich hörte von drinnen, etwas, was ich aber nicht verstand.

Die Tür wurde aufgerissen und Luca stand vor ihr.

„Komm rein Michael“, meinte er und seiner Mutter lief lächelnd wieder die Treppe hinunter.

Das Zimmer war riesig, dass ich betrat, der ganze Dachboden war ausgebaut. Bis auf eine kleine Ecke, da war eine weitere Tür, hinter der ich ein Bad vermutete.

„Und, was meinst du?“, fragte mich Luca.

„Wo soll das Regal denn hin?“, fragte ich.

„Das weiß ich eben noch nicht“, antwortete er.

„Was hältst du von einem Raumteiler?“

„Bitte was?“, fragte mich Luca etwas verwirrt.

„Einen Raumteiler. Ein Regal, dass den Raum teilt“, gab ich zur Antwort.

„Das ist mir schon klar, aber wieso kommst du auf einen Raumteiler?“

„Wär es nicht besser wenn dein Schreibtisch und dein Bett separat steht, abgeschirmt, eben von einem Raumteiler und deine Couchgarnitur, falls du Besuch bekommst, der einzigste Einblick in deinem Zimmer ist.“

„Auf die Idee bin ich jetzt noch nicht gekommen“, sagte Luca und ich bemerkte, wie sein Gehirn sich in Aktion setzte, um sich das Ganze vorzustellen.

„Dann hast du auch Platz für deine Ordner“, meinte ich.

Er wurde rot, denn sie lagen, mehr oder weniger verstreut, neben dem Schreibtisch, auf dem Boden. Ich begann alles auszumessen und schrieb mir die Daten aus. Luca stand die ganze Zeit stillschweigend neben mir.

„So fertig, ich habe alles“, meinte ich und steckte den Zollstock zurück in die Seitentasche meiner Hose.

„Ich zeichne dir das Regal auf und komme dann wieder vorbei, damit du eventuell noch Wünsche äußern kannst, bevor ich es baue.“

Wieder trafen sich kurz unsere Blicke und ich verharrte ein wenig.

„Hast du noch Zeit, oder gehst du gleich wieder?“ fragte mich Luca.

„Ich habe nichts mehr vor!“, antwortete ich.

„Gut setz dich, ich hole nur kurz etwas zutrinken“, meinte er und verschwand.

Ich ließ mich aufs Sofa fallen und schaute mich um. Über seinem Bett hingen vier große Bilder von ihm. Jemand hatte es wohl verstanden, Luca gut ins Bild zusetzten. Ansonsten konnte ich nichts Auffälliges finden.

Nach was suchte ich denn überhaupt? Wieder erwischte ich mich bei dem Wunschgedanken, Luca wäre schwul. Die Tür ging auf, und Luca kam mit Getränken und Gläser zurück. Er stellte alles auf seinem Couchtisch ab.

Dann ließ er sich auf einen der Sessel fallen und goss uns Getränke ein.

„So, und nun erzähl mal von dir!“, sagte Luca plötzlich.

„Da gibt es nicht viel zu erzählen. Ich habe großes Pech zu Hause gehabt und beschlossen wegzugehen“, antwortete ich knapp.

„Und du bist Schreiner von Beruf.“

„Ja, hatte gerade meine Lehre abgeschlossen.“

„Da habe ich noch ein wenig vor mir, noch ein Jahr, dann bin ich Bankkaufmann.“

„Typischer Beruf für die Schweiz“, meinte ich mit einem Grinsen.

„Wieso?“, meinte Luca verwundert.

„Wenn man Schweiz hört, bringt man das automatisch mit Banken in Verbindung“, versuchte ich zu erklären.

„Na ja, hier ist es nicht anderst, als in anderen Ländern, hier regiert zwar auch das Geld, aber er gibt hier genauso arm und reich.“

„Dachte auch nicht, dass hier jeder vom Goldteller isst.“

„Würd ich auch nie tun, ich stehe eher auf bunt, so Regenbogenfarben.“

„Soll ich dein Regal bunt machen?“, fragte ich.

„Nein, bloß nicht! Lieber so ein helles Holz…. Birne oder Ahorn vielleicht.“

„Ach du kennst dich gut aus“, meinte ich mit einem Grinsen.

„Hattest du zu Hause irgendwelche Hobbies?“

Mist, nun hatte ich so schön das Thema gewechselt, nun fing er wieder damit an. Ich saß da und überlegte. Eigentlich hatte ich kein richtiges Hobby.

„Da kann ich dir eigentlich keins nennen, ich betreibe keinen Sport ernsthaft, sammle nichts, und ein technisch begabter Freak bin ich auch nicht, außer wenn es sich um Holz handelt.“

Luca machte ein Gesichtsausdruck, als wäre er mit der Antwort nicht zufrieden, denn er wusste nun auch nicht mehr als vorher. Er nippte kurz an seinem Glas und stellte es wieder zurück.

„Ich weiß, im Augenblick bin ich kein guter Gesprächspartner, aber ich versuch mich zu bessern.“

Luca schaute mich durchdringend an und ich versuchte einfach diesem Blick standzuhalten.

„Wer hat dir so wehgetan, dass du dich so von allem zurückziehst Du mauerst regelrecht, das tut nicht gut, Micha!“

Nun ließ ich meinen Blick doch sinken, in schneller Bildfolge, lief alles noch einmal ab was zu Hause gelaufen war. Ich musste mich beherrschen nicht loszuweinen, denn plötzlich kam das Gefühl auf, dass ich mich nach Hause sehnte.

„Michael, es tut mir leid, wenn ich dir zu nahe trete, aber ich weiß nicht, wie ich sonst an dich herankomme. Seit du bei Josef wohnst, habe ich dich nicht einmal mit einem glücklichen Gesichtsausdruck gesehen.“

„Wie denn auch?“, schluchzte ich und vergrub mein Gesicht in meinen Händen.

Ich bemerkte wie sich Luca neben mich setzte. Irgendwann spürte ich seinen Arm auf meiner Schulter, recht zaghaft.

„Bist du schwul?“, fragte Luca leise.

Entsetzt schaute ich in sein Gesicht, dann sprang ich auf und rannte aus dem Zimmer. Auf dem Weg, die Treppe hinunter, kam Luca`s Mutter aus einem Zimmer. Sie wollte etwas sagen, aber ich ließ sie einfach stehen.

Im Vorgarten blieb ich einen Augenblick stehen. Hinüber zu Josef wollte und konnte ich jetzt nicht. Also lief ich hinter das Haus zu dem Bergpfad, der zum See hinauf führte. Ich rannte und stolperte mehrere Male.

Irgendwann blieb ich stehen und atmete schwer, versuchte Luft zu bekommen. Langsam lief ich weiter, stets bergauf. Es begann dunkel zu werden, die Sonne war hinter dem Berg verschwunden. Der Himmel war dunkelrot.

Ich weiß nicht wie lange ich gelaufen oder auch wieder gerannt war, aber ich kam plötzlich auf die Anhöhe, auf der sich auch der See befand. Schwer atmend lief ich ans Ufer und ließ mich auf einen der großen Findlinge sinken.

Am ganzen Körper zitternd, ertrank ich in dem Chaos meiner Gefühle und begann hemmungslos zu weinen. Ich nahm nichts mehr um mich war, saß zusammengekauert auf dem großen Stein.

„Michael?“, hörte ich leise meinen Namen sagen.

Ich reagierte nicht, tat es als Sinnestäuschung ab.

„Michael?“, hörte ich es wieder und ich schaute auf.

Luca stand ebenso schwer atmend, wie ich vorhin, hinter mir.

„Michael, es tu mir so leid, entschuldige bitte, wenn ich dir weh getan habe!“

„Hast du nicht…!“

„Und warum bist du dann weggelaufen?“

Luca stand da und stemmte seine Hände in die Seiten, anscheinend hatte er Seitenstechen.

„Ich habe dich den Pfad hinauf rennen sehen und bekam Angst…“, sagte Luca leise.

„Warum denn Angst?“, fragte ich und wischte mir meine Tränen ab.

„Dass…, dass du dir etwas antust…“

Luca kam näher und kniete sich neben mich hin. Seine Augen waren feucht und funkelten in der Abenddämmerung. Ich schaute ihn kurz in die Augen und dann wieder auf den See und dann begann ich zu erzählen.

Über das Outing vor fast dem ganzen Dorf, dass ich deswegen danach verprügelt wurde und im Krankenhaus landete. Den Streit mit meinen Eltern, auch dass ich meinen Job verloren hatte, von Georg und wie ich hier herkam und Josef mich bei sich aufnahm.

Luca, war die ganze Zeit neben mir gesessen und hatte aufmerksam zugehört. Auch jetzt schwieg er, als ich mit erzählen fertig war. Es war mittlerweile völlig dunkel und ich konnte die ersten Sterne erkennen.

„Jetzt schäm ich mich irgendwie“, sagte ich leise und spürte wie ich zu frieren begann.

„Was gibt es denn da bitte schön, sich zu schämen? Was die mit dir abgezogen haben, ist mehr als Scheiße gelaufen.“, sagte Luca.

Luca legte eine Jacke um mich und lehnte sich an mich.

„Nein, ich meine, dass ich vorhin weggelaufen bin und deine Mutter einfach hab stehen lassen“, erwiderte ich.

„Das braucht dich nicht weiter zu stören, sie ist das schon von mir ausreichend gewöhnt“, sagte Luca.

Ich schaute ihn an.

„Ja Michael, ich bin schwul, und deutlichere Zeichen wie ich dir gegeben habe… ich weiß nicht warum du nicht darauf reagiert hast.“

Mir fiel alles wieder ein, was sich am Mittag und am Abend abgespielt hatte, aber anscheinend war ich blind oder zu blöde, um dass zu merken. Ich zuckte mit der Schulter.

„Steht irgendwo an mir, dass ich schwul bin?“, fragte ich.

„Nein… aber du bist es!“

„Ja!“

„Irgendwie wusste ich das schon, als du bei Josef eingezogen bist.“

„Du beobachtest mich wohl öfter?“

„So oft ich konnte.“

„Und warum das?“

Ich konnte zwar das Gesicht von Luca nicht mehr sehen, aber ich spürte, dass ihm diese Frage nun unangenehm war.

„Du warst ehrlich zu mir, dann will ich es auch sein… ich habe mich in dich verliebt…, so jetzt ist es heraus.“

Wieder schaute ich in die Richtung von Luca, obwohl ich jetzt schon fast nicht mal mehr seine Umrisse erkennen konnte.

„Aber du kennst mich doch überhaupt nicht, weißt nichts von mir.“

„Ich weiß, in welchen Sachen du schläfst…“, mir viel die Sache mit Tess ein, da sah ich ihn ja das erste Mal, „weiß, wie du auf verschiedene Sachen reagierst, wie du dich bewegst…“

Ich suchte in der Dunkelheit nach der Hand von Luca und wurde auch fündig. Vorsichtig umschloss ich sie und drückte sie sanft. Plötzlich spürte ich die andere Hand von Luca an meiner Wange. Ich legte meinen Kopf schief, wiegte mich in seiner Hand, denn dieses Gefühl der Zärtlichkeit durchfloss meinen Körper mit viel Wärme.

Dann nahm mich Luca in den Arm und mein Kopf neigte sich auf seine Schulter. So blieben wir eine Weile sitzen, ohne etwas anderes zu tun oder zu sagen.

„Wir müssen uns langsam auf den Rückweg machen, die Anderen werden sich sicherlich schon Sorgen machen“, hauchte Luca mir ins Ohr.

„Wer?“

„Josef und meine Mum!“

„Gut, aber wie kommen wir im Dunkeln da wieder hinunter?“, fragte ich.

„Es gibt da eine Erfindung namens Taschenlampe“, meinte Luca spitzfindig.

„Haha, woher kann ich denn wissen, dass du eine Taschenlampe dabei hast?“

„Hätte ich nicht, wenn Josef sie mir nicht in die Hand gedrückt hätte.“

„Josef?“

„Ja, Josef, er hat wie ich genauso gesehen, dass du den Bergpfad hinauf gerannt bist.“

Wieder kam das Gefühl von Scham auf, ich fand mein Verhalten vorhin total kindisch. Luca zog mich vom Stein herunter und eine Taschenlampe flammte auf, die uns mit ihrem Lichtkegel den Weg weiß.

Luca ließ nicht einmal meine Hand los, wartete, wenn ich über etwas steigen musste. Es dauerte schon eine Weile bis wir endlich unten waren, denn wir mussten vorsichtig sein, nicht irgendwelche Steine oder Wurzeln zu übersehen.

Auf einer Holzbank hinter dem Haus saßen Josef und die Mutter von Luca bei einer Kerze und einer Flasche Wein. Ein Lächeln ging über beide Gesichter, als sie uns bemerkten.

„Und, alles klar bei euch beiden?“, fragte Josef.

„Ja!“, antwortete Luca.

„Ich wollte mich entschuldigen…“, fing ich an, wurde aber von Luca`s Mutter unterbrochen.

„Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, Michael. Josef hat mir alles erzählt, und ich verstehe dich nur zu gut. Ich weiß was unser Luca am Anfang durchgemacht hat und ich bin froh, dass du nun ihn gefunden hast.“

Josef sah mich an.

„Ist schon gut Josef. Ich habe mittlerweile soviel Vertrauen zu dir, dass ich denke, du weißt, wem du etwas von mir erzählen kannst und wem nicht.“

„Danke“, meinte er knapp.

„Na. Sind unsere Ausreißer endlich zurück?“, hörte ich eine Stimme vom Haus her.

„Das ist mein Dad!“, kam es von Luca.

Da kam ein Hüne von Mann auf uns zu und streckte mir seine große Hand entgegen.

„Mein Name ist Marco und Luca`s Vater von Beruf“, meinte er und grinste dabei.

Es tat schon ein bisschen weh, weil er so fest meine Hand schüttelte.

„Ich bin Michael und Schreiner von Beruf, nebenberuflich könnte ich mir einen Hilfsjob bei ihnen vorstellen.“

„Als Vater?“, lachte Marco auf.

„Nein, als Hilfe diesen verrückten Wirbelwind zu bändigen“, antwortete ich.

„Ich denke, da steht ein alter Michael vor uns, wie er normalerweise ist“, kam es von Josef.

„Nun hört mal auf, nur über mich zu reden, sondern auch mit mir!“, meckerte Luca.

Luca zog mich auf die zweite Bank und Marco stellte die drei Gläser ab, die er die ganze Zeit in der anderen Hand hatte. Josef goss jedem etwas Rotwein ein. So saßen wir nun, im Schein der Kerze und keiner sagte etwas.

„Ach so, ich bin Nina, Michael und wenn ich gerade am reden bin… wie fange ich am besten an…?“

„Hast du doch schon!“, kam es von Marco.

Auch wenn Nina klein und zierlich neben Marco wirkte, zuckte er doch zusammen, als sie ihm mit ihrer Hand in die Seite fuhr. Erwartungsvoll schaute ich Nina an.

„Ich weiß, dass es für dich quälend sein muss, wegen deiner Eltern und so, aber meinst du nicht, doch zu versuchen, mit ihnen Kontakt aufzunehmen?“

Der Schmerz traf mich nicht so arg, wie sonst, vielleicht lag es daran, dass Luca seinen Arm um mich liegen hatte.

„Das weiß ich noch nicht… ich weiß nicht einmal was für eine Stimmung zu Hause herrscht“, antwortete ich mit fester Stimme.

„Hast du dein Handy dabei?“, fragte mich Luca.

„Ja, warum?“, meinte ich und zog es aus meiner Hosentasche.

„Kann ich mir das mal borgen?“

Fragend schaute ich ihn an und reichte ihm verdattert mein Handy. Er nahm es, stand auf und verschwand in der Dunkelheit.

„Was hat er vor?“, fragte ich.

„Daran solltest du dich gewöhnen, unser Luca ist sehr direkt!“, meinte Marco.

„Er wird doch jetzt nicht meine Eltern anrufen?“

Mir wurde kalt und heiß gleichzeitig. Ich wollte schon aufstehen, aber Josef hielt mich zurück.

„Ich denke nicht, dass Luca irgendetwas machen würde, was dir schaden könnte“, meinte er und zog mich wieder auf die Bank zurück.

Irgendwo her aus der Dunkelheit hörte ich Luca`s Stimme, ich verstand zwar nicht was er sagte, aber ich hörte ihn lachen. Das beruhigte mich ein wenig. Es dauert noch eine Weile, bis Luca zurückkam, bis dahin, war Stillschweigen am Tisch.

Er legte meine Handy vor mir auf den Tisch und setzte sich wieder zu mir. Dann nahm er sein Glas und nippte am Rotwein.

„Luca, jetzt spann uns doch nicht so auf die Folter!“, sagte Nina.

„Schönen Gruß von Georg soll ich dir sagen!“, sagte er nur.

„Du hast mit Georg gesprochen?“.

„Ja, mit Georg, deinem besten Freund, der er auch immer noch ist. Ich weiß ja noch immer nicht genau, was alles bei dir zu Hause vorgefallen ist, aber es scheint, du hast ein großes Chaos dort hinterlassen.“

Total verwirrt und fragend schaute ich Luca an.

„Mal sehen, ob ich das alles was mir Georg erzählt hat zusammen bringe.“

Er lehnte sich zurück.

„Als du von daheim weg warst und niemand wusste wohin du gegangen bist, ist Georg einfach zu deinen Eltern gegangen. Nach dem dein Vater anscheinend erst ausgerastet ist, hat sich Georg mit ihm angelegt und deinen Eltern erst mal die Köpfe gewaschen. Er muss da auch noch Unterstützung von einer Petra, Christiane und einem Lutz gehabt haben.“

„Das sind welche aus meiner Clique gewesen“, unterbrach ich ihn.

Mir war jetzt total schlecht, ich begann zu zittern, was Luca bemerkte und mich wieder in den Arm nahm.

„Sie sind dann gemeinsam, zur Polizei gegangen und haben eine Vermisstenanzeige aufgegeben. Nach kurzen Nachforschungen meinte die dann aber nur, dass du verzogen bist, da du dich ja im Amtshaus abgemeldet hattest, also nicht direkt vermisst bist.“

Ich kam mir auf einmal so mies vor, ließ Luca aber weiterreden.

„Dann hat Georg deine SMS bekommen und alle waren erst mal ein wenig beruhigt, obwohl sie jetzt immer noch nicht wo du warst. Dann habe ich noch mit deinem Dad geredet.“

„Mit meinem Vater?“, sagte ich entsetzt.

„Ja, ein sehr netter Mann. Als er mich fragte wer ich bin und ich sagte, dein Freund, reagierte er sehr… na ja besonnen würde ich sagen.“

Ich saß fassungslos da und schaute Luca in die Augen.

„Und was war dann?“, fragte Marco neugierig.

„Anscheinend ist bei Michaels Eltern zu Hause ein richtiger Treffpunkt seiner Clique geworden, seit er nicht mehr da ist, deswegen hatte ich dann auch deinen Vater dran, weil Georg und die Anderen bei deinen Eltern saßen“, meinte Luca dann zu mir.

Ich brachte einfach keinen Ton mehr heraus.

„Dein Vater bat mich, dir zu sagen, du solltest dich doch bitte bei ihnen melden, ihr müsstet unbedingt alles klären.“

Da saßen wir nun, ich zusammen gesunken und total verwirrt.

„Was habe ich da nur angestellt?“, stammelte ich.

„Du hast gar nichts gemacht, Michael“, kam es von Nina, „du hast dich nur zurückgezogen, was ich auch nur begrüßen kann. Die haben dir alle so übel mitgespielt, du konntest doch gar nicht anderst.“

„Ach so, von wegen übel mitgespielt, deine Eltern haben Kai wegen Körperverletzung angezeigt, da wird bestimmt ein Sümmchen Schadenersatz herausspringen“, meinte Luca in seiner fröhlichen Art.

„Das gehört ihm auch nicht anderst”!“, sagte Nina.

Josef beugte sich vor.

„Was hast du nun vor?“, fragte er leise.

„Zurückgehen werde ich nicht! Mir gefällt es hier. Ich habe einen Job hier, nette Leute, die zu mir halten und nun auch einen Freund“, sagte ich und schaute dabei Luca an, der rot anlief.

„Und deine Eltern?“, fragte Marco.

„Das weiß ich noch nicht, wie ich…“

Luca fiel mir ins Wort.

„Das habe ich auch schon in die Hand genommen, denn ich hab sie für Wochenende hierher eingeladen, sorry Mum, dass ich dich nicht vorher gefragt habe.“

„Sie kommen hier her?“, stammelte ich und schaute ihn ungläubig an.

„Wenn Luca was anpackt, dann macht er es richtig, sagte ich das nicht schon?”, meinte Marco und grinste wieder dabei.

Luca drehte sich zu mir und nahm meine Hände in Seine.

„Schau Michael, ich ertrag es nicht, wenn du immer mit solchen traurigen Augen herumläufst, ich musste das tun, du hättest bestimmt nicht den Anfang gemacht!“

Ich fiel Luca um den Hals und drückte ihn fest an mich.

„Hast du noch ein paar Überraschungen auf Lager?“, fragte Nina.

„Nein, eigentlich nicht, nur das die halbe Clique von Michael auch mitkommt.“

„Du bist wahnsinnig!“, sagte Nina was ich nur bejahen konnte.

Mir liefen die Tränen herunter, aber diesmal, weil ich das erste Mal wieder glücklich war.

„Und wo sollen wir die alle unterbringen?“, kam es von Nina.

„Das habe ich mir auch schon überlegt. Michaels Eltern könnten in unserem Gästezimmer schlafen. Michaels Freunde bei mir im Zimmer.“

„Und du?“, fragte Marco.

„Ich könnte bei Michael schlafen“, kam es von Luca, mehr bettelnd und fragend, in meine Richtung.

„Dann haben wir ja den Punkt geklärt“, sagte Nina, als wäre es das normalste der Welt.

Ich sah alle vier nach einander an.

„Ihr seid verrückt!“, meinte ich, „aber ich liebe euch, dass ihr euch so für mich ein setzt, anderst kann ich es nicht beschreiben.“

Die Vier grinsten sich eins ab und gemeinsam stießen wir auf mich an.

Am nächsten Morgen wurde ich mit einem Brummschädel vom Wecker jäh aus dem Schlaf gerissen, denn wir hatten noch zwei weitere Flaschen am Vorabend geköpft.

Nach dem ich kurz im Bad und angezogen war, lief ich langsam die Treppe hinunter. Unten saß schon Tess, die mich freudig erwartete.

„Morgen Kleine, na gut geschlafen?“

Sie ließ einen kleinen Beller los, als hätte sie mich verstanden und sie legte den Kopf schief, als ich mir übers Gesicht rieb.

„Trink nie zu viel Rotwein am Abend“, meinte ich zu ihr und betrat Josefs Küche.

„Na, auch schon wach?“, kam es von Josef, der mit einer Zeitung, in der Hand, am Tisch saß.

„Mehr oder weniger“, antwortete ich und schenkte mir einen Kaffee ein.

„Ich denke mal, wir verschieben unsere Arbeiten auf Montag, wir haben ja noch genug vorzubreiten, wenn du fertig bist, könnten wir nachher gleich einkaufen fahren.“

Schlagartig wurde mir bewusst, dass gestern Luca mit Wochenende heute meinte, heute war Freitag, heute würde ich meine Eltern wieder sehen. Mir blieb der Bissen vom Brötchen fast im Hals stecken, ich musste husten.

„Doch noch nicht richtig wach, wie ich bemerke“, sagte Josef.

„Meine Eltern kommen heute schon…“

„Genau, und deswegen haben wir noch einiges zu tun.

Die Türklingel des Ladens ging und Josef wollte sich schon erheben.

„Sitzen bleiben, bin nur ich“, schalte es aus dem Laden, Luca Stimme.

Er trat durch den schweren Vorhang, der die Wohnung von Josef und den Laden abtrennte.

„Na, alles schon fit?“, meinte er und gab mir einen kleinen Kuss auf den Mund.

Verwirrt schaute ich ihn an.

„Wie du siehst, ist der Herr noch beim Aufwachen und es fällt ihm langsam ein, was gestern alles passiert ist“, sagte Josef grinsend.

Luca setzte sich zu mir, besser gesagt er ließ sich auf meinen Schoss fallen.

„Das ich dein Freund bin, Schatz, dass weißt du aber noch, oder?“, fragte Luca gespielt besorgt.

Ich schaute die beiden an, worauf sie laut anfingen zu lachen.

„Ich hab doch nicht soviel getrunken“, meinte ich nun gespielt, „könntest du von meinem Schoss runtergehen, man könnte ja meinen, du wolltest etwas von mir!“

Erschreckt und entsetzt sprang Luca von meinem Schoss. Aber, als er mein boshaftes Funkeln in meinen Augen sah, setzte er sich gleich wieder.

„Du Schuft, was musst du mich so erschrecken!“, meinte er und gab mir noch einen Kuss, diesmal aber einen Innigeren.

„Bevor dass hier zu einer Orgie ausbricht, sollten wir uns mal überlegen, wer was macht!“, kam es bestimmend, aber mit einem Grinsen von Josef.

„Wieso, bist du nicht auf der Bank?“, wollte ich zunächst wissen.

„Ich habe mir frei genommen, damit ich helfen kann.“

„Danke“, meinte ich nur und gab ihm diesmal einen Kuss.

„Da du ja ein Auto hast, kann ich hier bleiben und du die Einkäufe mit Michael machen, oder?“

„Geht klar, was müssen wir den holen?“, fragte Luca und stand auf, was mir nicht so sehr passte.

Josef zog einen Block hervor, zusammen mit einem Stift.

„Wenn ich richtig rechne, sind wir heute Abend elf Personen. Ich möchte heute Abend etwas kochen und Marco wollte morgen mit uns grillen.“

„Könnte ich das heut Abend übernehmen, ich meine mit dem Kochen?“, fragte ich.

„Gerne, ich bin es sowieso nicht mehr gewohnt, für so viele Leute zu kochen.“

Also schreiben wir auf, was wir alles benötigten und waren erstaunt, was da alles zusammen kam. Deshalb beschlossen ich und Luca auch gleich loszufahren. Von Nina bekamen wir auch noch einen Zettel zugesteckt und ich fragte mich, ob wir das alles in Luca`s Wagen unterbrachten.

Wir waren ganze drei Stunden unterwegs, bis wir alles zusammen hatten. Als wir in die Einfahrt zu Josefs Haus fuhren, waren Josef und Marco grad dabei, zwei weitere Holzbänke mit Tischen auf zustellen.

Zwischen den beiden Gebäuden hing eine große Lichterkette.

„Habt ihr diese Festdeko immer auf Lager?“, fragte ich Luca, beim Aussteigen.

„Als Josefs Schwester und Bruder noch hier wohnten, gab es oft am Wochenende kleinere Feste“, antwortete Luca und machte sich auf, den Kofferraum zu entladen.

„Und warum sind die weggezogen?“

„Haben geheiratet, sind darauf hin weit weg gezogen.“

„Und den Josef alleine gelassen?“

„Mehr oder weniger, sind nur noch selten da!“

„Auch nicht schön“, meinte ich und half Luca beim Ausladen.

Später stand ich in der Küche und bereitete dass Abendessen vor, mit der Meinung, ich könnte mich damit etwas ablenken. Aber meine Nervosität stieg immer mehr. Was wenn ich mit meinem Vater doch wieder Streit bekam.

Durch meine Unachtsamkeit stach ich mir mit dem Messer, womit ich gerade eine Zwiebel geschnitten hatte, in den Finger.

„Aua!“

„Du Schusselchen, warum passt du denn nicht besser auf?“, fragte Luca, der neben mir gerade den Salat putzte.

„Ich war im Gedanken wo anderst…“, antwortete ich und steckte den Finger in den Mund um nichts mit Blut zu verschmieren.

„Komm zeig mal her!“, sagte Luca und zog meine Hand zu sich, „na ja, ist ja nicht so tief.“

Er ging an einen Küchenschrank und zog ein Päckchen mit Pflaster heraus. Eins davon klebte er liebevoll um meinen Finger.

„So dass sollte reichen und nun pass besser auf und denk nicht laufend darüber nach, was sein könnte, was passieren könnte!“

„Kannst du Gedanken lesen?“, fragte ich verwundert.

„Nein, aber ich kann mir vorstellen, was in deinem Hirn gerade für ein Chaos herrscht!“, meinte Luca und gab mir einen Kuss, bevor er sich wieder über den Salat hermachte.

„Michael, kommst du bitte nach draußen? Da kommen zwei Wagen mit deutschen Kennzeichen vorgefahren“, rief Josef aus dem Laden.

Ich stand plötzlich starr da. Luca nahm mich kurz in den Arm und drückte mir ein Kuss auf die Wange.

„Komm, dass schaffen wir gemeinsam“, meinte er leise und zog mich Richtung Laden.

Langsam folgte ich ihm, total unsicher, ob dies nun alles richtig war. Ich sah durch die Fenster des Ladens die zwei Wagen. Ich konnte Georg aussteigen sehen und plötzlich war alles verflogen, das Unwohlsein und auch die Angst.

Ich ließ Luca los und rannte aus dem Laden. Vor mir standen meine Eltern, dahinter Georg und die anderen. Mein Dad schaute mich lange an, bis er die Arme hob. Überglücklich fiel ich ihm um den Hals.

„Michael es tut uns so leid, dass wir dir nicht vertraut haben und anderen mehr Glauben geschenkt haben“, meinte er.

Ich löste mich von meinem Dad und schaute ihm in die Augen. Sie waren genauso feucht wie meine. Ich wollte und konnte einfach nichts darauf sagen. Meine Mum nahm mich genauso in den Arm.

Und da stand er nun Georg. Breit grinsend und die Arme nach mir haltend.

„He, du verrückter kleiner Wiesel, einfach abhauen und mich zurücklassen“, meinte er und wuschelte mir über den Kopf.

„Wollte sehen, wie ein Leben ohne dich ist!“, erwiderte ich.

„Und, wie ist es?“

„Sehr mühsam!“, grinste ich.

Er drückte mich noch mal fest an sich und hauchte mir leise ins Ohr.

„Tu so etwas nie wieder!“

Ebenfalls wurde ich von Petra, Christiane und Lutz herzlich begrüßt, dabei vergaß ich Luca, der die ganze Zeit vor der Ladentür gestanden hatte. Petra schaute um mich herum, warf ein Auge auf ihn.

„Petra gib es auf, dass ist Meiner!“, sagte ich grinsend.

Ich zwinkerte Luca zu und nachdem er meinen Eltern die Hand geschüttelt hatte kam er zu mir. Er wurde von den anderen genauso herzlich begrüßt, wie ich.

„So, du hast nun den Part übernommen, auf den Verrückten hier aufzupassen?“, meinte Georg und knuffte mir in die Seite.

„Ja, meine bisher schwierigste Aufgabe meines Lebens“, ließ Luca belustig verlauten.

Nun waren auch Nina und Marco gekommen. Zusammen mit Josef standen sie bei meinen Eltern. Ich konnte zwar nicht verstehen, was dort gesprochen wurde, aber dass es um mich ging war klar.

„So Jungs und Mädels, ich zeige euch wo ihr die nächsten zwei Nächte schlaft“, meinte Luca.

Ich ging zurück zu meinen Eltern.

„Du wirst hier bleiben?“, fragte mich meine Mutter.

Ich nickte und ich merkte, wie schwer das hier auch für sie sein musste.

„Mum, ich bin ja nicht aus der Welt, wir können uns jederzeit gegenseitig besuchen.“

„Bist du denn hier glücklich?“

Ich schaute Luca und den Anderen hinter her, ließ meinen Blick über die Umgebung wandern und endete bei Josef.

„Ja bin ich, weil ich hier nun eine Job habe, der mir Spass macht. Weil ich Freunde gefunden habe, die mich so nehmen wie ich bin“, dabei schaute ich zu Josef, der dabei breit grinste.

Ich wurde von einem Bellen unterbrochen.

„Tja, und ich muss mich um dieses kleine Kneul kümmern“, meinte ich und zeigte auch Tess.

Sie kam direkt auf mich zu gerannt und sprang an meinem Bein hoch. Ich bückte mich und kraulte sie hinter den Ohren.

„Ist der aber goldig“, sagte meine Mum.

„Sie! Tess ist eine Sie!“, meinte ich.

Die anderen kamen mit lautem Lachen zurück und Georg war der erste, der Tess erblickte.

„So einen will ich auch“, kam es von ihm und hob Tess hoch auf seinen Arm.

Ich wollte schon etwas sagen, aber Josef hielt mich grinsend zurück. Petra sah das Missgeschick als erstes und prustete laut los. Entsetzt hob Georg die Kleine von sich.

„Tja Georg, da hat dich die Kleine, ganz schön angepisst!“, sagte ich und konnte mich vor lachen nicht mehr halten.

Luca kam zu mir und nahm mich von hinten in den Arm.

„Ich finde es nicht gut, dass du Tess missbrauchst um andere Jungs anzumachen!“, sagte Luca gespielt ernst.

„Wieso denn nicht? Es klappt doch, das Tshirt muss jedenfalls aus“, lachte ich.

„Ich liebe dich“, hauchte Luca mir ins Ohr.

Ich wendete meinen Kopf und sah in Luca`s strahlenden Augen.

„Danke Luca, ich dich auch!“

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