Sunshine after the Rain – Teil 3

Thilo…

Entsetzt sahen wir zu, wie jemand aus dem Fenster fiel. Genau hörten wir das dumpfe Aufprallgeräusch. Ich schluckte und sah zu Thomas, bei dem sich augenblicklich Tränen ansammelten.

Er schien den gleichen Verdacht zu haben, wie ich, nämlich, dass das gerade sein Dad war, der aus dem zweiten Stock herauspurzelte. Robin nahm Thomas fest in den Arm und drückte ihn an sich. Er fing am ganzen Körper an zu zittern.

Zärtlich streichelte er über seine Haare und versuchte ihn so zu beruhigen. Der Hintergrund um uns herum wurde unwichtig, wir saßen zu fünft auf dem Mäuerchen vor einem anderen Haus.

„Ich hoffe nicht“, fing Thomas an mit weinerlicher Stimme zu sagen, „das ihr jetzt eine falsche Meinung von mir bekommt.“

Wieder liefen Tränen über seine Wangen.

„Den Dad, den ich über alles geliebt habe… gibt es schon langen nicht mehr…“

Er lehnte sich wieder an Robins Brust und weinte weiter. Ich sah, dass der Wagen meiner Mum um die Ecke bog und kurz vor uns zum Stehen kam. Die Tür ging auf und Thomas Mutter kam heraus gestürzt.

Beide fielen sich um den Hals. Etwas betreten standen wir daneben. Ich nahm Nathalie in den Arm, die nun auch einige Tränen vergoss.

„Jetzt wird alles wieder gut“, hörte ich Thomas Mutter sagen.

Thomas schluckte kurz und löste sich von ihr.

„Mum, darf ich dir meinen Freund Robin vorstellen?“, fragte er leise.

Er nahm Robin an der Hand und zog ihn zu sich. Der stand jetzt etwas betreten und hilflos neben ihm und wurde rot.

„Hallo Robin…, es tut mir leid, dass wir uns bei solchen Umständen kennen lernen, aber ich freue mich trotzdem darüber“, meinte Thomas Mum und streckte Robin die Hand entgegen.

Ein Knall ließ uns alle wieder zusammenfahren. Aber diesmal war es kein Schuss, nur das nächste Gewitter, dass sich ankündigte.

* * *

Ronny…

Thomas hatte sich sehr schnell erholt, man merkte ihm über den Verlust seines Vaters nichts an, wir redeten auch nicht darüber. Ein paar Tage später, war ein Elternabend für die kommende Klassenreise angesetzt, aber diesmal ein wenig anderst. Wir Schüler sollten alle mitkommen. Ich war mit meiner Mum und Thilos Eltern zusammen gekommen.

Der Abend fand in der großen Aula statt, damit beide Klassen mit Eltern auch genügend Platz hatten. Ich sah auch die Mutter von Thomas, die in schwarz gekleidet, sich mit einigen Leuten unterhielt.

Thilo war nun fest mit Nathalie zusammen und ich fand, sie passten sehr gut zueinander. Auch fiel mein Blick auf Christian, der Mädchenschwarm, der anderen Klasse. Er sah auch kurz zu mir rüber, aber war danach wieder in ein Gespräch vertieft.

Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter, es war meine Mutter, die mich anlächelte.

„Alles klar, Ronny?“, fragte sie mich.

„Ja, schon gut“, erwiderte ich.

Wir setzen uns einfach in eine der Reihen.

„Was ist los?“

„Ach ich weiß auch nicht, jetzt wo Thilo mit Nathalie zusammen ist, denke ich er wird weniger Zeit für mich haben, und Robin und Thomas sind eh ein Herz und eine Seele und untrennbar.“

„Du vermisst England und deine Freunde, stimmts?“

„Schon irgendwie, aber auch irgendwie nicht. Ich bin mir meiner Gefühle im Augenblick nicht so sicher.“

„Wenn ich dir doch nur helfen könnte“, meinte meine Mum.

Herr Brunner und die andere Klassenlehrerin Frau Schimmig erschienen auf der Bildfläche und so langsam füllten sich die Stuhlreihen. Frau Schimmig fing mit der Begrüßung an und kam aber doch schnell zum Punkt, unsere Fahrt nach Rom.

Es kamen zwar ein paar Einwände wegen der Kosten, aber im Ganzen wurde der Reisevorschlag positiv aufgenommen. Nach cirka einer guten Stunde, entließen uns die Beiden in den Abend, doch so recht wollte noch niemand aufbrechen.

So entstanden wie am Anfang, kleinere Gruppen die sich über die Aula verteilten. Thomas und Robin standen eng aneinander gelehnt beieinander, Thilo hatte seine Nathalie im Arm und ich… ich stand alleine bei den Vieren.

„Alles okay bei euch?“

Ich drehte mich um und traute meinen Augen nicht. Hinter mir stand Christian aus der B- Klasse, ich musste schlucken.

„Ja, ist alles wieder in Ordnung“, kam es von Thomas.

„Tut mir sehr leid Thomas…“, fing Christian an.

„Braucht dir nicht leid zu tun, es ist besser so, wie es jetzt ist”, meinte Thomas und zog Robin näher an sich.

Christian setzte ein Lächeln auf und ich schmolz dahin. Ich spürte einen kleinen Rippenstoss und schreckte auf. Nathalie grinste mich an und Thilo ebenfalls.

„Warum ich eigentlich her komme, wie ihr wisst hängen bei uns im Bus zwei Plätze über“, begann Christian wieder.

„Willst du bei uns mitfahren?“, fragte Nathalie unverblümt.

„Ja, würde ich gerne“, antwortete Chris.

„Und wer noch?“, kam es von Thilo.

„Klara, meine Schwester.“

„Und es macht dir nichts aus, von deiner Klasse getrennt zu sein?“, fragte Nathalie.

„Nicht ein bisschen“, antwortete Christian.

Hatte ich da einen Anflug von Traurigkeit gehört. Er der immer umringt war, der sich vor Gesprächen nicht retten konnte.

„Ist irgendetwas?“, fragte Nathalie wieder direkt.

„Nein, geht schon… jedenfalls will ich hier nicht drüber reden“, meinte Chris und wandte sich ab, als würde er jemanden suchen.

„Kein Problem, lasst uns nach Hause laufen“, sagte Robin, „wir wohnen ja alle recht dicht beieinander.“

„Ja, so dicht“, grinste Thilo, war aber auch mit dem Vorschlag einverstanden.

Wir sagten unseren Eltern Bescheid und machten uns auf den Weg. Weil es ja zwei Pärchen waren, lief ich notgedrungen neben Christian her.

„So du Mädchenschwarm, nun rück mal raus mit der Sprache“, fing Nathalie wieder an.

Christian verzog das Gesicht.

„Oho, du hast einen wunden Punkt getroffen“, meinte Thilo.

Ich schaute nun auch in Christians Gesicht und sah den traurigen Blick darin. Es folgte ein Schweigen in der Runde, liefen aber langsam weiter.

„Das ist es gerade, was mich so ankotzt, jeder meint ich bin ein Mädchenschwarm und hab jede Woche eine andere“, sagte Christian plötzlich.

„Wundert dich das? Du siehst verdammt gut aus!“, sagte Robin, der sich darauf gleich einen bösen Blick von Thomas einfing.

„Was denn?“, meinte er leicht trotzig, Chrsitian sieht wirklich gut aus, ich habe auch mal für ihn geschwärmt.

Ich konnte nicht anderst, fing an zu lachen und steckte die Anderen mit an. Auch Christian verzog sein Gesicht zu einem Grinsen.

„Und warum hast du mir das nie gesagt?“, meinte Christian, anscheinend wieder mit besserer Laune.

„Du bist gut! Sollte ich zu dir kommen und sagen, hi Chrsitian ich habe mich in dich verguckt und mir einen Korb einfahren, nein bestimmt nicht.“

„Wer sagt denn, dass ich dir einen Korb gegeben hätte“, sagte Christian.

Bei mir gingen alle Alarmglocken los, was hatte er da gerade gesagt? Ich traute mich aber nicht ihn anzuschauen. Robin war ruckartig stehen geblieben und baute sich vor Christian auf.

„Verarschen kann ich mich selber und Vorsicht du spielst mit Gefühlen anderer“, sagte er zu Christian und wies auf mich.

Ach du scheiße, ist der blöd oder was? Mir wurde kotzübel und lief schnurr stracks weiter meinen Weg ohne aufzuschauen. Die Anderen schienen stehen zu bleiben ich konnte aus den Augenwinkeln niemanden neben mir mehr sehn.

„He Ronny, bleib doch stehen, was ist los“, rief Thilo mir hinter her.

„Ich drehte mich halb um.

„Mir ist nicht gut ich will nach Hause“, antwortete ich und lief weiter.

* * *

Thilo…

Manchmal konnte Robin wirklich ein Arschloch sein. Macht Christian an, wegen Gefühle und so und denkt keinen Zentimeter weit wegen Ronny. Ich sah Ronny nach und wusste nicht was ich tun sollte.

„Habe ich wirklich was falsches gesagt?“, meinte Christian betroffen.

„Nicht direkt, dafür aber Robin hier“, meinte ich und schaute ihn vorwurfsvoll an.

Thomas nahm Robin schützend in den Arm. Wieder sagte niemand mehr etwas und Ronny entfernte sich immer weiter.

„Thilo, renne ihm hinterher und rede mit ihm, du bist sein bester Freund“, meinte Nathalie plötzlich, „wir kommen langsam nach.“

Ich ließ Nathalie los und spurtete hinterher, denn ich sah gerade wie Ronny um die Ecke bog. Es dauerte ein wenig, bis ich auch diese Ecke erreichte und bog ebenfalls in die Strasse. Was ich nicht bedachte, das da jemand stehen konnte und stieß mit jemand frontal zusammen.

Dieser jemand war niemand anderes als Ronny, der Kopf reibend vor mir auf dem Boden saß.

„Wenn du mich nicht leiden kannst, sag es. Aber renn mich nicht über den Haufen…aua tut das weh“, sagte er.

„Tut mir leid Ronny, ich hab dich echt nicht gesehen.“

Ich half ihm auf und sah sein schmerzverzehrtes Gesicht.

„Was ist?“, fragte ich entsetzt.

„Ich bin blöd aufgekommen und ich kann meine Hand nicht mehr bewegen, so weh tut die.“

Er hielt sich seine Hand, fing an zu weinen. Ich schaute um die Ecke und wollte sehn wie weit die Anderen waren.

„Hat jemand von euch ein Handy dabei?“, rief ich ihnen zu, als sie nah genug waren.

„Ja ich“, rief Nathalie, „was ist denn?“

„Ich habe Ronny umgerannt und er ist auf seine Hand gestürzt, ich weiß nicht ob sie vielleicht gebrochen ist.“

„Autsch“, ließ Thomas von sich.

Nathalie gab mir ihr Handy und die anderen gesellten sich zu Ronny, der wieder am Boden saß.

„Tut es sehr weh“, fragte Chrsitian erschrocken.

„Nein im Augenblick spür ich gar nichts, aber ich kann die Hand nicht mehr bewegen“, antwortete Ronny leise.

Christian kniete sich zu ihm hin und Ronny lehnte sich an ihn.

„Warum bist du vorhin weggelaufen“, fragte Christian leise.

„Weil ich mich nicht zum Affen machen lassen wollte.“

* * *

Thilo…

Ich versuchte währenddessen meine Eltern über das Handy zu erreichen, was sich als ziemlich schwierig erwies. Entweder lag es im Auto, oder sie hörten es nicht. Nach dem dritten Versuch meldete sich meine Mum.

„Hi Mum, ich bin es, ich brauche dringend eure Hilfe.“

„Was ist den passiert? Geht es dir gut?“

„Mir ist nichts passiert, aber ich bin mit Ronny zusammengerannt und hab ihn umgeworfen, dabei ist er unglücklich gestürzt. Ich weiß nicht ob er sich die Hand gebrochen hat, er kann sie nicht mehr bewegen.“

„Da läst man euch mal fünf Minuten aus den Augen und dann so was… Moment… wo seid ihr überhaupt?“

„Ecke Tulpen und Gartenstraße.“

„Okay wir sind gleich bei euch.“

Und schon hatte sie das Gespräch weggedrückt. Ich gab Nathalie ihr Handy wieder.

* * *

Thilo…

„Du hast dich nicht zum Affen gemacht, nur weil du Gefühle für jemanden anderen hast.“

„Ha, ha, über wen reden wir denn?“, meinte Ronny.

Ronnys Stimmung war gereizt. Er saß zusammengekauert auf den Boden, hielt seine Hand fest, lehnte sich aber an Christian.

„Wie meinst du das?“

„Christian, ich bin schwul und ich habe mich in dich verguckt, da mach ich mich doch zum Affen.“

„Wenn ich deine Gefühle nicht erwidere und du mir wie ein Dackel hinter her rennst, dann schon“, meinte Christian mit sehr sanfter Stimme.

Nathalie schaute mich fragend an und ich zuckte nur mit den Schultern. Thomas und Robin dagegen, schien das alle nicht zu stören, sie standen an die Laterne gelehnt und waren am Knutschen.

„Siehste, also doch.“

„Ronny langsam, ich habe nicht behauptet, dass ich das mache“, sprach Christian weiter.

Der Kopf von Ronny flog herum.

„Aber du bist doch immer mit Mädchen zusammen, verstehst dich so super mit ihnen, wie soll ich das verstehen?“

Die Antwort blieb Christian ihm schuldig, denn in diesem Augenblick hielt ein Auto neben uns. Heile kam heraus gesprungen.

„O Gott, Schatz was ist passiert?“, rief sie.

„Ich bin gestürzt und kann meine Hand nicht mehr bewegen“, antwortete Ronny.

Unser Liebespärchen hatte anscheinend auch schon gemerkt, dass sie nun im vollen Scheinwerferkegel des Autos standen und trennten sich. Mein Dad half Ronny auf und verfrachtete ihn ins Auto.

„Kommst du mit Thilo?“, fragte mein Dad.

Ich schaute zu Nathalie.

„Geh ruhig mit, die drei Helden hier, können mich ruhig heimbringen“, sagte sie und wies auf Thomas, Robin und Christian.

„Du bist mir nicht böse?“, fragte ich.

„Nein, bin ich nicht, Ronny braucht dich jetzt dringender!“

Ich gab Nathalie einen flüchtigen Kuss und stieg ein. Mein Dad startete den Wagen und schon raste er Richtung Krankenhaus davon.

* * *

Ronny…

Ich hatte meinen Kopf an Thilo gelehnt. Mir war schlecht und schwindlig. Nach fünf Stunden Krankenhaus wollte ich endlich nach Hause. Beim Röntgen meines Armes hatte man festgestellt, das ich eine Radiusfraktur hatte, also auf deutsch ich hatte die Speiche meines Unterarms gebrochen.

Mit Hilfe des Röntgengerätes, wurde der Bruch gerichtet, die OP blieb mir wenigstens erspart. Dafür hatte ich jetzt einen schönen, schweren Gips am Unterarm und verspürte auch wieder Schmerzen.

Thilo war eingeschlafen. Er hatte ein paar Mal geweint, weil er doch schuld war; meinte er jedenfalls. Aber ich war ganz alleine Schuld. Hätte ich auf die Kommentare meiner Freunde, nicht so überreagiert, wäre nichts passiert.

Meine Gedanken an Christian, ließen mich die letzten fünf Stunden auch einigermaßen ertragen, denn er hatte mich derart verwirrt, dass ich nur noch mehr an in denken musste. Ich wurde aus ihm einfach nicht schlau.

Thilos Dad, setzte uns vor der Haustür ab. Thilo selber wurde ein wenig wach und brummte nur irgendetwas, als ich ausstieg. Meine Mum schloss auf und ging mit mir hinauf in mein Zimmer.

„Soll ich dir helfen dich auszuziehen?“, fragte sie.

„Nein, geht schon, aber könntest du mir eine Kopfwehtablette bringen?“

„Bringe ich dir“, sagte sie und war aus meinem Zimmer verschwunden.

Mich ausziehen, wie alt war ich denn? Aber sie hatte schon recht. Mit dem Gips am Arm, war es nicht so leicht. Bis meine Mum zurück kam, hatte ich es geschafft in die Schlafshorts zu schlüpfen. Sie gab mir die Tablette und das Glas Wasser und ich schluckte das Zeug.

„Wenn irgendwas sein sollte, dann ruf mich bitte!“, meinte sie bevor sie wieder verschwand.

Ich legte mich auf mein Bett und machte das Licht aus. Das wird noch eine tolle Nacht dachte ich, aber die Schmerzmittel aus dem Krankenhaus taten ihr übriges und ich schlief schnell ein.

* * *

Thilo…

„Ich mache mir eben Sorgen um ihn, Dirk.“

Ich stand gerade auf dem Flur, als Heike, Ronnys Mum sich mit meinem Dad unterhielt.

„Du willst wirklich nach England zurückgehen?“, hörte ich meine Dad sagen.

„Ich weiß nicht mehr weiter und seit er nun den Gipsarm hat, vergräbt er sich noch mehr auf seinem Zimmer.“

„Geht er auf die Klassenfahrt mit in einer Woche?“

„Er hat sich noch nicht dagegen ausgesprochen.“

„Morgen muss er wieder in der Schule, dann wird es sich bestimmt bessern“, sagte mein Dad.

„Ich hoffe du hast recht“, meinte Heike und verließ unser Haus.

„Dad, kann ich dich mal sprechen?“, rief ich als die Tür ins Schloss fiel.

„Was ist denn, Thilo?“, antwortete mein Dad aus der Küche.

Ich gesellte mich zu ihm, setzte mich an die Esstheke und sah zu wie Dad das Abendessen zubereitete.

„Was hast du auf dem Herzen, Sohnemann und lass die Finger aus der Salatsauce.“

Das er das nicht böse gemeint hatte, sah ich an seinem Grinsen.

„Ich weiß warum Ronny so ist“, sagte ich einfach.

„Aha, du hast uns belauscht?“

„So würde ich das nicht nennen, ich wurde… wie sagen sie das immer… unfreiwillig Zeuge eures Gespräches.“

„Also, doch gelauscht“, sagte Dad und grinste wieder.

Eine kleine Pause entstand, bis ich einfach zu reden begann.

„Ronny fehlt der Vater, er vermisst ihn unheimlich und…“, ich brach ab und senkte den Kopf.

„Und was?“

„Er hätte gern einen Freund, na ja… einen bestimmten Jungen, aber er glaubt, dass es der nicht ernst meint.“

„Das mit dem Vater verstehe ich ja, aber das Verliebsein… na ja es wird noch ein anderer kommen.“

„So was kann höllisch weh tun“, sagte ich und zeigte auf mein Herz.

„Oh, Doktor Thilo persönlich hat gesprochen.“

„Daaaaad, das ist nicht lustig“, sagte ich empört.

Mein Vater legte das Messer hin und drehte sich zu mir.

„Hör mal Thilo. So was macht jeder mal von uns durch und ich versprech dir auch, es wird nicht das letzte Mal sein, dass jemand ein Herz bricht. Das mit seinem Vater macht mir eher Sorgen, dass tut sicherlich mehr weh.“

„Konntest du…?“, ich sprach nicht weiter.

„Was? Ronny den Vater ersetzten? Thilo, wo lebst du eigentlich? Das geht doch nicht so von heut auf morgen. Also jetzt bist du einwenig sehr naiv!“

Etwas pampig war ich jetzt schon, auf die Antwort, die er mir gerade gegeben hatte, aber mir wurde bewusst, dass er recht hatte. Die Türglocke ging und ich stand auf, um aufzumachen.

„Hi Thilo.“

„Chris, du? Was verschafft mir die Ehre?“

„Darf ich rein kommen, ich würde gerne mit dir reden“, meinte Chris.

„Ja komm rein, wir gehen aber hoch in mein Zimmer, da sind wir ungestört.“

Also lief ich mit Christian hoch in mein Zimmer. Ich pflanzte mich auf mein Bett und Christian ließ sich auf meinen Bürostuhl fallen.

„Also, was ist los?“

„Ronny!“

„Ronny?“

„Ja, ich wollte ihn eben besuchen, aber seine Mutter meinte, er wolle niemanden sehen“, erzählte Chris.

„Und wie soll ich da helfen?“

„Du bist Ronnys bester Freund, er hört doch sicher auf dich.“

„Und bei was soll er auf mich hören.“

Christian druckste herum.

„Weil ich mit ihm reden will…, er hat ein falsches Bild von mir.“

„Bist du auch schwul?“, fragte ich direkt.

Christians Gesichtsfarbe wechselte ins tiefe Rot.

„Na?“, bohrte ich weiter.

„Mensch, ich weiß das nicht, aber Ronny hat bei mir ein riesiges Chaos im Kopf angerichtet, als er mir sagte, er hat sich in mich verliebt.“

„Unangenehme Gedanken?“

Er schüttelte den Kopf.

„Nein, ich muss laufend an Ronny denken.“

Nun war ich an der Reihe zu Grinsen.

„Warum grinst du?“

„Ich denke mal, du hast dich ebenso in Ronny verguckt.“

Christian sah mich etwas unbeholfen an.

„Ich habe doch noch nie, also ich meine…“

„Du hast noch nie eine Freundin gehabt, aber auch noch keinen Freund, was ist so schlimm daran?“

* * *

Thilo…

Ich hatte zu Chris gemeint, das ich ihm nichts versprechen werde. Nun stand ich vor Ronnys Haustür und wartete, dass jemand aufmachte. Und ich hatte sogar Glück, es war Ronny selbst.

„Hi Ronny, was macht dein Arm?“

„Tut immer noch weh“, antwortete er.

Ronny sah aus, als hätte er seit Tagen keine Dusche mehr gesehen. Heike schien nicht dazu sein, also lief ich ihm einfach hinter her. Als wir in seinem Zimmer ankamen, flog mir ein übler Geruch entgegen.

„So Ronny, und jetzt hör mir mal zu“, sagte ich und öffnete als erstes das Fenster.

„Ich lasse dir jetzt ein Bad ein und danach reden wir!“

Ronny sah mich lustlos an. Ich ging also ins Bad und ließ Wasser ein. Im Zimmer zurück, stand er immer noch an derselben Stelle, wie ich ihn verlassen hatte.

„Komm los zieh dich aus“, meinte ich und zog an seinem Tshirt.

Er reagierte nicht richtig, als wäre er tief in seinen Gedanken versunken. Der Gedanke der mir nun kam, widerte mich zwar ein wenig an, bei dem Geruch, der mir von Ronny entgegenschlug, aber ich setzte ihn in die Tat um.

Ich ging zu ihm hin, nahm ihn in den Arm und küsste ihn mit voller Leidenschaft, na ja, der Gedanke an Nathalie half mir schon dabei. Auf einmal stieß mich Ronny von sich weg.

„He, was soll der Scheiß?“, rief er entsetzt.

„Ah, bist du endlich bei dir?“, fragte ich zurück.

Er schaute mich verwirrt an.

„Zieh dich endlich aus, die Wanne ist gleich voll“, meinte ich.

Sein Blick änderte sich nicht.

„Ronny, es ist eine Sache, wenn du in Selbstmitleid ertrinkst, aber eine Andere, wenn du deine Hygiene vernachlässigst, du stinkst…“, meinte ich und hob mir die Nase zu.

Endlich setzte sich Ronny, aber mit hochrotem Kopf, in Gang. Ich folgte ihm, und vergewisserte mich, dass er sich auch wirklich in die Wanne setzte. Einwenig verschämt zog er sich vor mir aus. Danach half ich ihm in die Wanne, da er sich ja mit der linken Hand nicht richtig halten konnte.

Unten ging eine Tür.

„So du bleibst jetzt da drin liegen, bis ich sage, du darfst raus“, meinte ich und verschwand aus dem Bad.

Mich wunderte, das ich bis jetzt noch kein einziges Widerwort von Ronny hörte.

„Ronny, ich bin widere zu Hause“, rief es von unten.

Heike war heimgekommen.

„Nicht erschrecken, ich bin auch da“, rief ich zurück und lief die Treppe herunter.

Heike schaute mich erstaunt an.

„Habe ich irgendetwas an mir, weil mich heute alle so anschauen?“, fragte ich.

„Wie bist du hier hereingekommen?“

„Ronny hat mir aufgemacht!“

„Er hat sein Zimmer verlassen?“

„Ja, und er sitzt jetzt sogar in der Badewanne.“

„Wie bitte? Was hast du mit Ronny gemacht?“

„Och, ich hab da so meine Methoden“, meinte ich verlegen, denn ich wollte ihr nicht gerade die Kussgeschichte, auf die Nase binden.

„Die könntest du mir ja verraten“, sagte Heike.

„Öhh…, das funktioniert nur unter Freunden“, versuchte ich mich rauszureden.

„Dann kannst du mir es ja sagen, vielleicht muss ich es ja mal bei deinem Dad anwenden.“

„Ich glaube, da hätte meine Mum was dagegen…“

„Hä?“

„Ach nicht so wichtig, wichtig ist der da oben, das er sich mal fängt“, sagte ich und ließ Heike allein im Flur stehen. Als ich wieder ins Bad eintrat, versuchte sich Ronny gerade zu waschen, was ihm aber einarmig nicht so recht gelang.

„Kann ich dir helfen?“, fragte ich leise.

„Wenn es dir nichts ausmacht?“, kam leise von ihm zurück.

„Solange du mir nicht an die Wäsche gehst!“

Ronny wollte schon aufbrausen, als er bemerkte, dass ich mir nur einen Spass erlaubt hatte. Also, ging ich zu ihm hin, nahm ihm den Waschlappen ab und seifte ihn damit ein.

„Danke“, sagte Ronny leise.

„Gewöhne dich gar nicht daran, das nächste Mal, machst du das wieder schön alleine“, erwiderte ich.

„Nein. Dass meine ich nicht.“

„Aha.“

„Dass du für mich da bist…“

„Dafür hat man Freunde Ronny, die einem nicht vor die Hunde gehen lassen. Gut ein wenig Mitschuld trage ich auch, zumindest an dem Gips…“

Ronny wollte mir ins Wort fallen, was ich aber nicht zuließ, denn ich wurde ein wenig lauter.

„Aber was du hier abziehst, hält keiner Beschreibung stand. Und das du Chris so links liegen lässt, finde ich übrigens auch nicht so besonders von dir.

„Was soll der schon von mir wollen. Guck ihn doch mal an! Er ist groß, sehr muskulös, hat ein wahnsinnig, süßes Gesicht und von den Augen fang ich gar nicht erst an. Und nun schau mich an, was habe ich dagegenzusetzen, ich bin dürr, seh nicht besonderst aus und… ach vergiss es.“

Ronny ließ sich ins Wasser zurückgleiten

„Das Christian dich zum Freund haben will, weil du ihm als Mensch was bedeutest, kommt dir wohl nicht in Sinn.“, fragte ich und setzte mich auf den Beckenrand.

Ronny blies Luft aus und schloss die Augen.

„Höre auf, Luftschlösser zubauen“, kam es von ihm.

„Okay, wenn du es nicht anderst haben willst. Ich helfe dir jetzt aus dem Wasser und rufe danach Christian an, dann kannst du ihm ja das selbst sagen“, meinte ich und zog ihn am gesunden Arm hoch.

„Bist du verrückt?“, schrie Ronny.

„Nein, man muss dich zu deinem Glück aber zwingen“, gab ich genauso ärgerlich zurück, und trockne dich endlich ab, ich hole dir was zum Anziehen.“

Ich ließ ihn in der Wanne stehen und verließ das Badezimmer wieder. Auf dem Flur kam mir Heike entgegen.

„Was ist denn jetzt geschehen?“, fragte sie besorgt.

„Nichts, ich versuch nur deinen Sohn wieder auf den rechten Weg zubringen… äh könntest du mir schnell helfen sein Bett abzuziehen…“

„Ja, sicher“, kam es von ihr, ohne weitere Fragen zu stellen.

* * *

Thilo…

Als Ronny zurück in sein Zimmer kam, hatte ich ein wenig Ordnung gemacht.

„Übertreibst du jetzt nicht ein wenig?“, fragte er mich.

„Nein, gleich ist Christian da, und du willst ihn doch nicht so, in dein Zimmer lassen?“, antwortete ich.

Seufzend ließ er sich auf sein Bett fallen.

„Ich weiß gar nicht, was das alles soll“, meinte Ronny.

„Ganz einfach, du sollst einfach mit ihm reden, nichts anderes“, gab ich zurück und wie auf Kommando ging unten der Türgong.

„Ich mach auf und lass euch alleine, also versaue es dir nicht!“, sagte ich, ließ ihn wieder alleine und rannte die Treppe runter.

Draußen fing es wieder an zu gewittern. Hörte das diesen Sommer überhaupt nicht mehr auf?

Heike ließ gerade Christian herein, der mich erwartungsvoll anschaute.

„Oben, dritte Tür links“, sagte ich nur und Christian lief die Treppe hinauf.

Heike lächelte mir zu und verschwand in ihrer Küche.

„Lust auf einen Kaffee?“, fragte sie mich.

„Ja gerne, dass wird wohl länger gehen.

* * *

Ronny…

Er hatte ja recht, ich hatte mich wirklich gehen lassen, aber gleich Christian herzubestellen. Ich hörte jemand die Stufen herauflaufen und dann ein Klopfen an meiner Tür.

„Herein“, sagte ich leise und setzte mich auf.

Die Tür öffnete sich langsam und Christian streckte sein Kopf herein.

„Können wir reden?“, fragte er vorsichtig.

„Dafür bist du ja hier“, sagte ich ein wenig abweisend, was ich aber gleich wieder bereute, als Christians Augen traurig wurden.

„Komm endlich rein und setz dich zu mir“, sprach ich weiter und wies ihm auf meinem Bett Platz zunehmen.

Christian schloss die Tür hinter sich und bevor er sich zu mir aufs Bett setzte, zog er die Schuhe aus.

„Bevor du irgendetwas sagst Ronny, lass mich dir einfach was erklären“, begann Christian.

* * *

Thilo…

„Und was wird jetzt aus den beiden da oben“, wollte Heike wissen, als sie mir eine Tasse Kaffee einschenkte.

„Dass kommt alleine auf Ronny an, ob er weiterhin den Sturkopf spielt“, antwortete ich.

„So schlimm?“

„Schlimmer!“

Heike fing an zu lachen.

„Das wird sich wohl nie ändern, egal in welcher Generation“, sagte sie.

„Was meinst du?“

„Ach, ich meine die Liebe, egal jetzt zwischen wem. Es wird einfach immer kompliziert gemacht, obwohl es doch einfach geht und so schön sein kann.“

„Menschen sind halt kompliziert“, ließ ich vom Stapel.

„Wie alt bist du?“

„Siebzehn, warum fragst du?“

Ab und zu könnte man dich für älter halten“, sagte sie und nippte an ihrem Kaffee.

Plötzlich hörte man von oben ein lautes Gepolter. Heike sah mich fragend an. Das war nun kein Donner von draußen. Ich stellte meine Tasse ab und rannte die Treppe hoch.

* * *

Ronny…

Ich sah Christian in die Augen und wartete auf seine Erklärung.

„Ich weiß nicht warum du so eine Meinung hast und mich als Weiberheld abstempelst. Gib mir doch bitte eine Chance mich besser kennen zu lernen.“

„Ja und was dann?“

Christian senkte den Kopf.

„Ich habe die letzten Tage sehr viel über dich nachgedacht und habe festgestellt, das ich etwas für dich empfinde, was ich so noch nicht gekannt hatte. Ich habe mir gewünscht in deiner Nähe zusein, ich wollte mit dir reden, dich besser kennen lernen.“

„Und dann?“, fragte ich wieder.

„Könntest du dir keine Freundschaft mit mir vorstellen?“, fragte er.

Inwiefern Freundschaft, wie definierst du den Begriff?“

„Oh Mann, du machst es einem nicht leicht. Ronny, ich fühle mehr für dich, ich will dich bei mir haben, ich will…“

Christian brach ab, als er meine Blicke sah.

„Weißt du Christian, ich werde nicht schlau aus dir. Du kannst jede oder jeden haben, aber warum ausgerechnet mich. Schau mich doch mal an, außer ein paar Rippen habe ich nichts zu bieten und schau dich an…“, meine Stimme wurde sanfter und weicher, „du bist so wunderschön… ich weiß nicht wie ich mich ausdrücken soll.“

„Hast du dich nur in mich verliebt, wegen meines Aussehens? Zähle ich als Mensch nichts bei dir?“

Ups, da hatte er was gesagt. Mir wurde plötzlich bewusst, das dort nicht nur der Schönling Christian vor mir saß. Hier saß ein absolut lieber Schnuckel vor mir und fragte mich, ob er mein Freund sein dürfte.

Etwas beschämt, sah ich zu Boden.

„Am Anfang schon…, aber seit ich dich immer besser kennen lerne… habe ich mich richtig in die verliebt“, sage ich leise.

Ich spürte Christians Hand an meinem Kinn, wie er hoch zog.

„He du Dummerle, ich habe mich in „dich“ verliebt, dich als Menschen, deine Art, wie du dich gibst“, sagte er zärtlich.

Das Gewitter draußen nahm ich schon gar nicht mehr wahr.

„Du meinst es also wirklich ernst?“

„Ja Ronny, Gottverdammte Scheiße, so Ernst habe ich noch nie etwas gemeint. Ich liebe dich Ronny!“

Ich musste gleichzeitig lächeln und spürte wie mir einzelne Tränen die Wange runterliefen.

„He Kleiner, nicht“, meinte Christian leise, strich mir über die Wange und zog mich langsam zu sich heran.

Seine Lippen fühlten sich weich und warm an, ich spürte plötzlich ein Kribbeln in der Bauchgegend. Langsam ließ ich mich gehen und ergab mich Christians Kuss. Aber vor lauter Dahinschmelzen verlor ich mein Gleichgewicht und riss Christian mit, vom Bett.

Da lagen wir nun halb aufeinander. Kurz darauf wurde die Tür aufgerissen und Thilo stand über uns, Christian fing als erstes an zulachen.

„Sorry, das eben hatte sich nicht nach einem Donner angehört“, meinte Thilo, der immer noch auf uns herab blickte.

Christian stand auf und zog mich wieder aufs Bett.

„War wohl ein kleiner Unfall“, fragte Thilo.

Ich musste grinsen, gab aber keine Antwort.

* * *

Thilo…

Hecktisch riss ich die Tür auf und wäre fast über die Beiden gefallen. Beide lagen etwas verknotet auf dem Boden. Anscheinend hatte dieses Gespräch Früchte getragen, denn so wie sich beiden ansahen.

Draußen kam wieder die Sonne raus, der frische Luft vom Regen drang ins Zimmer. Ich lächelte die beiden an und verließ das Zimmer wieder. Nun konnte ich getrost nach Hause gehen und brauchte mir keine Sorgen mehr um Ronny zu machen.

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