Death Kisses

Er war weg und ich saß immer noch am Tisch. Seinen Wohnungsschlüssel hatte er auf den Tisch gelegt, mich noch mal kurz angeschaut und gegangen. Für immer. Vor zwei Wochen sah noch alles anders aus.

Da hatte er mich zum Flughafen gebracht und sich mit den Worten verabschiedet, er würde mich immer lieben. Und nun, als ich von meiner langen Geschäftsreise zurück war, kam er mit einer neuen Liebe und dass er auszieht.

Fünf schöne, harmonische Jahre verpufften in einem Augenblick. Mir hallte das Geräusch der schließenden Wohnungstür immer noch nach. Es half nichts, denn es musste weiter gehen. Am Anfang dachte ich noch, eine Beziehung und mein Job würden sich nicht vertragen, aber er belehrte mich eines Besseren.

Meine Tarnung war nie aufgeflogen, für ihn war ich immer der Handelsvertreter, der oft auf Geschäftsreisen war. Für ihn war ich auch der Tollpatsch, der öfter mal mit kleinen Blessuren von den Reisen zurückkam.

Niemand wusste eigentlich wer ich wirklich war, außer meinen Arbeitgebern. Und weil ich im Verborgen arbeitete, würde das auch nie jemand herausfinden. Ich ging ins Schlafzimmer packen.

*-*-*

„Morgen Chris, schon da?“

„Ja Claire, ich habe eine Maschine früher genommen“, antwortete ich der Sekretärin meines Chefs.

„Der Alte hat dich erst gegen Mittag erwartet, aber ich versuche es trotzdem, ob er dich empfängt“, meinte sie und machte sich am Telefon zu schaffen.

Ich schritt langsam zum Fenster und schaute hinaus. Claire hatte ihr Gespräch beendet.

„Ist irgendwas Chris?“, fragte mich Claire besorgt.

Ich drehte mich zu ihr.

„John ist ausgezogen.“

„Wie, ausgezogen?“

„Er hat jemand anderen?“

„Bullshit.“

„Das kannst du laut sagen, aber ändern kann ich nichts daran. Hat er Zeit?“

Ich zeigte auf die Tür vom Chef.

„Ja du kannst rein, aber Vorsicht, er ist heute ungenießbar.“

„Danke Claire.“

Ich klopfte und trat ein. Hinter einem großen Schreibtisch saß ein kleiner, grauhaariger Mann mit Nickelbrille, den wir hier alle den >Alten< nannten.

„Chris, freut mich, dass sie es einrichten konnten, so früh zu erscheinen“, meinte er, aber sah mich dabei nicht an.“

„Und wo brennt es diesmal?“, fragte ich ihn und setzte mich in den Sessel, ihm gegenüber.

„Es scheint ruhig zu sein, alle kriminellen Elemente machen wohl Urlaub.“

„Urlaub, welch schöner Gedanke.“

„Kaffee?“

„Ja. Gerne.“

Der Alte drückte eine Taste an seinem Telefon.

„Claire, bringen sie uns doch bitte zwei Kaffee.“

„In Ordnung, Sir.“

Jetzt hob er den Kopf und sah mich an.

„Chris ich werde sie heute in Urlaub schicken.“

Dieser Satz verwirrte mich ein wenig, meine Stirn legte sich in Falten.

„Nein, nicht so wie sie denken. Ich brauche einen Mann in Vegas, da scheint sich was zusammen zubrauen“, meinte der Alte.

Es klopfte leise und Claire trat ein. Sie stellte jedem eine Tasse Kaffee hin und verschwand leise wieder.

„Seit geraumer Zeit verschwinden wichtige Unterlagen aus dem Pentagon, alle Versuche jemanden zu erwischen, sind bis jetzt fehlgeschlagen. Die einzigste Spur führt nach Vegas, dort tauchte eins der Papiere auf.“

„Und um was handelt sich es?“, fragte ich und nahm einen Schluck aus meiner Tasse.

„Um Strategien und Bekämpfungsmöglichkeiten gegen den Terrorismus.“

„Dass so etwas wie am elften September nicht noch einmal passiert?“

Ich wusste mein Ton war ein wenig sarkastisch, aber ich ärgerte mich darüber, wie die Geheimdienste sowenig miteinander arbeiteten, Informationen austauschten, sonst hätte man vielen Menschen das Leben retten können.

„Wir mischen uns da nicht ein Chris. CIA und FBI möchten das nicht.“

„Aber wenn ihre Papiere verloren gehen, sind wir gut genug!“

„Chris, so eine Meinung steht uns nicht zu. Unsere Abteilung ist viel zu klein, um sich gegen die Großen zu wehren.“

„Ich bleibe ganz ruhig“, meinte ich und stellte die Tasse ab.

„Wir haben sie im Caesars Palace untergebracht, hier sind ihre Informationen, guten Flug Mister Fielding.“

Er vertiefte sich wieder in seine Akten, so dass ich nur mit einem >Danke Sir< rüberkam. Ich verließ sein Zimmer und stand wieder vor Claire.

„Hier noch zwei Karten fürs Colosseum im Caesars Palace“, sagte sie und streckte mir ein Couvert entgegen.

„Zwei Karten?“, fragte ich verwundert.

„Man weiß ja nie“, kam es von ihr zurück.

Sie lächelte sanft und ich nahm das Couvert entgegen.

„Willst du gar nicht wissen was läuft?“

„Claireliebes, es läuft Celine Dion dort, dass weiß doch jeder.

Mit einem Lächeln auf ihrem Mund ließ ich sie im Büro zurück.

*-*-*

Ich hatte bereits eingecheckt und wartete, dass der Flieger langsam losrollte. Da neben mir der Platz frei war, konnte ich in Ruhe die Informationen lesen, die mir der Alte mitgegeben hatte. Eigentlich stand nichts Wissenswertes darin, nur das ich dort einen Verbindungsmann hatte und er sich bei mir meldete, wenn ich dort abstieg.

Der Inlandsflug verlief ruhig, und so hatte ich ein wenig Zeit ein Nickerchen zu machen. Ich hätte auch fast verschlafen, wenn die freundliche Saftschubse mich nicht freundlich auf die Schulter getippt hätte und mich aufforderte mich anzuschnallen.

Am Flughafen wurde ich bereits erwartet. Ein Chauffeur hob ein Schild mit >Mister Fielding< in die Höhe, ich lief auf ihn zu.

„Ich bin Mister Fielding“, sagte ich zu ihm.

„Guten Tag, Sir. Kann ich ihr Gepäck haben?“

Ich nickte ihm zu, überließ ihm bereitwillig meinen Gepäckwagen und folgte ihm. Er führte mich zu einer großen Limousine und öffnete die Tür. Nach dem er mein Gepäck verstaut hatte, fuhr er auch schon los.

Vom Mc Carren International Airport, war es nicht weit zum Caesars Palace. Vorbei am Excalibur, das mir eher wie eine Imitation von Walt Disneypark schien, fuhren wir den Strip entlang. Das Monte Carlo fiel mir sofort ins Auge.

Mit seiner mächtiggroßen Hausfront, wirkte es wie ein Schutzschild gegen die Sonne und war auch mit seinen fast über 3000 Zimmern eines der größeren Hotels. Ich warf noch einen kurzen Blick aufs Bellagio und schon kam auch das Caesars Palace in Sicht.

Mit seinen 2500 Zimmer war es zwar nicht ganz so groß, aber dafür eines der exklusivsten Hotel in Las Vegas. Ich freute mich immer darüber, wenn Claire mich so luxuriös unterbrachte. Ich dachte an Ben, plötzlich war der Gedanke da.

Hätte ich ihn einfach mal mitnehmen sollen? Irgendwie hätte ich das schon fertig gebracht, alles unter einen Hut zu bekommen. Hätte ich… hätte ich… es war aus und vorbei. Er war WEG.

Ich raufte mir durch die Haare und lief zielsicher auf die Rezeption zu, war ja nicht das erste Mal, dass ich hier abstieg.

„Guten Morgen Mister Fielding, schön sie mal wieder in unserem Hause willkommen zu heißen“, sagte der Portier.

„Es ist mir auch immer wieder eine Freude hier her zurückzukehren“, gab ich zurück.

Nach den üblichen Anmeldefloskeln, begleitete mich ein Page in mein Zimmer. Er öffnete meine Tür und gab mir meine Karte. Nachdem er meine Koffer auf dem Bett abgestellt hatte und von mir mit einem fürstlichen Trinkgeld belohnt wurde, verschwand er wieder schweigsam.

Ich entledigte mich erst mal meines Anzugs und ging ins Bad. Hier war wirklich Luxus pur angesagt, denn das komplette Bad war mit Marmor ausgekleidet. Ich machte die Dusche an. Das Telefon klingelte.

Murmelnd drehte ich die Dusche wieder ab. Nackt wie ich war lief ich zum Telefon.

„Fielding.“

„Rezeption, Mister Fielding. Hier unten steht ein junger Mann, der sagt, er hätte einen Termin mit ihnen“, hörte ich eine weibliche Stimme.

Ich nahm meine Taschenuhr und sah darauf.

„In zwanzig Minuten bin ich unten.“

„Ich werde es ausrichten, Mister Fielding.“

Ich legte auf und ging zurück in das Bad. Ob das mein Kontaktmann war, sonst wusste ja niemand, das ich in Vegas war. Ich ließ das heiße Wasser an meinen Körper herunterlaufen und schloss die Augen.

Plötzlich war wieder Ben in meinem Kopf. Irgendwie spürte ich seine Hände auf meinem Körper. Wie oft standen wir gemeinsam unter der Dusche, verwöhnten uns, oder hielten uns einfach im Arm und genossen den warmen Regen der von oben kam.

Ich verdrängte diesen Gedanken und wusch mich, denn ich wollte ja nicht zu spät nach unten kommen.

*-*-*

Frisch gestriegelt kam ich in die Empfangshalle. Ich hatte den schwarzen Anzug durch einen leichten Sommeranzug ersetzt. Die junge Dame an der Rezeption wies mir mit einem Fingerwink, auf einen jungen Mann der in einem, der großen Sessel saß.

Ich schaute mich ein wenig um, beobachtete andere Gäste am Empfang, während ich auf die Sessel zusteuerte.

„Fielding, sie wollten mich sprechen“, sagte ich, als ich den jungen Mann erreicht hatte.

Er sprang auf und reichte mir die Hand.

„Cross, Ben Cross“, sagte er mit leiser Stimme.

Ben, dass fehlte mir noch. Ich versuchte mir meine Gemütsfassung nicht anmerken zu lassen. Ich öffnete mein Jackett und setzte mich in den gegenüberliegenden Sessel.

„Also, sie wünschen?“, meinte ich und bereute sofort, einen etwas feindseligen Ton angeschlagen zu haben.

Er griff in seine Jacke und zog ein Ausweißmäppchen hervor, das er mir reichte. Ich nahm es entgegen und schaute hinein.

„Etwas unvorsichtig, Mister Cross, sie scheinen noch nicht lange dabei zu sein.“, sagte ich und gab ihm seinen Ausweiß zurück.

„Wieso?“, fragte er mich verwundert.

„Hier hätte jeder…“, ich wurde von einem Kellner unterbrochen, der an unseren kleinen Tisch trat.

„Möchten die Herren etwas trinken?“, fragte er freundlich.

Ich überlegte kurz.

„Champagner?“, fragte ich uns sah dabei Mister Cross an.

Dieser nickte.

„Zwei Champagner bitte“, meinte ich zum Kellner, der sich sofort wieder entfernte.

Etwas nach vorne gebeugt, sprach ich leise weiter.

„Ich meinte damit, es hätte auch jemand Fremdes hier her kommen können und sich als Fielding ausgeben können.“

„Claire hat mir sie am Telefon ungefähr beschrieben“, entgegnete mein Gegenüber.

„Es gibt eine Menge Leute, die mir ähnlich sehen.“

Cross blieb diesmal ruhig. Der Kellner kam zurück und servierte den Champagner. Ich gab ihm meine Karte, er machte sich eine Notiz und ich bekam sie wieder zurück. Etwas bedrückt saß Cross nun mir gegenüber.

„Auf gute Zusammenarbeit“, meinte ich und hob ihm mein Glas entgegen.

Er prostete mir zu.

„Wenn sie ausgetrunken haben, gehen wir auf mein Zimmer, hier schwirren mir zu viel Leute umher.“

Ich bemerkte wie unruhig Cross war, seine Augen schauten nervös umher und mieden meinen Blick, seine Hand, in der er das Glas hielt zitterte. Er trank das Glas in einem Zug herunter und stellte es wieder ab.

„So war das zwar nicht gemeint, aber auch recht“, meinte ich und stellte mein Glas ebenso ab.

Ich erhob mich und Cross folgte mir zum Aufzug.

*-*-*

Viel hatte das Gespräch am Abend zuvor nicht gebracht. Vermutungen über Anschläge in Amerika waren mir nicht neu. Einzig alleine, dass zwei mir bekannte Gesichter, ebenfalls in Las Vegas abgestiegen waren, ließ mich ein wenig hellhörig werden.

Der eine war ein professioneller Killer, der andere ein Meister im Fach des Diebstahls. Zusammen passen würden die beiden nie, denn jeder von ihnen, war ein Einzelgänger. Trotzdem hatte ich Cross beauftragt, die beiden im Augen zu behalten.

Eigentlich ein richtiger lieber Kerl, aber noch der totale Grünschnabel. Ich zog mir etwas über, denn ich wollte Shoppen gehen. Eigentlich wusste ich nicht so recht, was ich kaufen wollte. Zudem hatte ich die ganze Zeit das Gefühl beobachtet zu werden.

Da ich meine Sonnenbrille aufhatte, war es mir ein leichtes so zu tun, als würde ich etwas anschauen, aber mich in Wirklichkeit in der Gegend umzusehen. Und tatsächlich, in meiner Nähe hielt sich ein junger Mann auf, der laufend zu mir rüberschaute.

Nun hatte ich ein Problem, schon von Berufswegen her. Hatte er einfach nur Interesse an mir privat, oder war es jemand, der auf mich angesetzt war. Beides zusammen wäre natürlich mal was Neues gewesen, ein interessanter Aspekt, über den ich später nachdenken wollte.

Jetzt hieß es einfach nur, häng diesen Typen ab. Ich verließ den Laden, durchquerte einige der Gänge und befand mich irgendwann an der Rezeption. Dort ließ ich mich in einer der Telefonzellen nieder und wartete.

Und das muste ich nicht sehr lange. Mein Verfolger traf kurz nach mir an der Rezeption ein. Er fragte einen der Portiers etwas und ließ sich einen Schlüssel geben. Also wohnte er in diesem Haus und zudem sah er verdammt gut aus.

Ich nahm mein Handy, richtete es nach ihm aus, und schoss ein oder zwei Bilder von ihm. Sein blondes, kurzes Haar war klassisch nach vorne gegelt, der Pony stand wild in alle Richtungen. Er schien irgendeinen Sport zu treiben, seine Muskeln waren gut sichtbar, durch die enganliegenden Klamotten, die er trug.

Sichtlich enttäuscht machte er sich auf den Weg zu den Aufzügen. Ich verließ meine Telefonzelle und folgte ihm. Erst als der Fahrstuhl sich schloss, trat ich heran. Auf die Anzeige blickend, wartete ich wo der Fahrstuhl hielt.

Interessant dachte ich, er bewohnte mal zumindest mein Stockwerk. Ich kehrte zurück an die Rezeption und ließ mir vom Portier meinen Wagen bereitstellen, der für mich angeliefert wurde. Als ich vor das Ceasar’s Palace trat, wartete bereits einer der Pagen mit dem Schlüssel auf mich.

Ich stieg in den Z3 ein und ließ den Wagen langsam von der Auffahrt rollen, bis ich auf der Straße war. Zu viel Verkehr um einfach mit dem Wagen durchzuziehen, so reihte ich mich gemächlich in den morgendlichen Verkehr ein.

Ich zog mein Handy hervor, und wählte Cross Nummer.

„Cross hier.“

„Fielding, guten Morgen.“

„Guten Morgen Chris, haben sie gut geschlafen?“

„Ja, und ich bin bereits auf dem Weg zu ihnen.“

„Woher wissen sie, wo ich wohne?“

„Sie vergessen wohl Gregories Techniken.“

„Sagen sie bloß, sie haben ihren Wagen dabei?“

„Ich bin nie ohne meinen Wagen unterwegs, dass sollten sie eigentlich wissen.“

„Stimmt, und das funktioniert, per Handyortung?“

„Ja tut es. Sie können auch gleich etwas für mich tun, Ben.“

Es war komisch für mich diesen Namen auszusprechen. Kurz tauchten Erinnerungsfetzen in meinen Gedanken auf.

„Sind sie noch da?“, fragte Cross.

Er riss mich aus meinem Tagtraum.

„Ja, bin ich, würden sie so nett sein und für mich alles über eine Person herauszubekommen? Ich schicke ihnen das Bild von ihm gleich zu.“

„Ihm?“

„Ja, jemand der mir im Hotel gefolgt ist.“

„Okay mach ich.“

„Ich bin in einer guten Viertelstunde bei ihnen.“

„Gut, ich erwarte sie.“

Ich drückte das Gespräch weg und ließ die kleine Konsole sich versenken. Zum Vorschein kam ein kleines Display und die Tastatur. Ich steckte das Handy auf seine Stadion und ließ die beiden Bilder herunterladen, die sogleich zu Cross geschickt wurden.

Nach dem die Elektronik wieder verschwunden war, konzentrierte ich mich wieder mehr auf den Verkehr.

*-*-*

Ich bog in die Sunrise Avenue und suchte mir einen Parkplatz. Hier waren mehrere kleine Geschäfte, auf beiden Straßenseiten. Ich suchte den Bücherladen auf und trat ein. Der schien auch schon bessere Zeiten gesehen zu haben, nach dem Inventar zu urteilen.

Eine alte Frau erschien und fragte mich, ob ich etwas für sie tun könnte. Ich sagte ich hätte ein Buch aus England bestellt, ob es schon eingetroffen wäre. Ich nannte noch den Titel. Sie wies mich an ihr zu folgen, was ich auch tat.

Durch einen schmalen Gang, die Treppe hinauf, öffnete sie eine Tür, durch die ich trat.

„Ah, Chris, schon da?“, kam es mir von Cross entgegen.

„Pünktlich auf die Minute“, antwortete ich, „und schon was heraus gefunden?“

„Ja, im Augenblick werden die Daten übermittelt.“

Ich trat neben ihn, und schaute auf den Monitor. Das Bild, dass ich von dem Typ in der Empfangshalle gemacht hatte, baute sich auf, darunter jede Menge Daten.

„Er heißt Maxemilian Breahtley und ist der Sohn eines Juwelierhändlers. Dreiundzwanzig Jahre, Schulwerdegang und so wie es aussieht von Beruf Sohn.“

„Schauen sie doch bitte mal unter Ausstellungen nach, die hier in Vegas stattfinden“, meinte ich.

Bei dem Wort Juwelier klingelte mein innerer Alarm los. Langsam fügte sich ein Bild zusammen, nur wusste ich jetzt nicht, warum auch ein Profikiller in der Stadt war.

„Hier, im Aladin ist morgen Abend eine große Schmuckausstellung angesetzt“, meinte Cross.

„Da hätten wir doch schon mal einen Ansatzpunkt. Was machen unsere zwei Zeitgenossen gerade?“

„Beide sind bisher in ihren Hotels geblieben, aber meinen sie wirklich, die wollen diese Ausstellung berauben?“

„Warum nicht, mit Diamanten kann man sich alles kaufen. Besorgen sie mir eine Eintrittskarte und lassen sie sie für mich an der Rezeption hinterlegen.“

„In Ordnung, und was steht noch an?“

„Ich werde mich ins Hotel zurück begeben und mir diesen Max mal unter die Lupe nehmen.“

*-*-*

Ich gab meine Autoschlüssel einem Pagen und betrat das Hotel wieder. Es schienen einige neue Gäste angekommen zu sein, die Rezeption stand voll. Artig stellte ich mich an und wartete, bis ich dran kam.

„Ah, Mister Fielding, hier ist etwas für sie abgegeben worden“, meinte der Portier, als er mich bemerkte.

Ich musste schon sagen, Cross war fix, in dem Umschlag, den mir der Portier überreichte, befand sich eine Einladung für die Ausstellung am folgenden Abend. Mit dem Lift fuhr ich in mein Stockwerk.

Ich ließ meine Zimmertür ins Schloss fallen, und packte mein Notebook aus. Meine Emails waren eher uninteressant, so machte ich mich an den Datentransfer, den mir Cross schickte. Mir schwirrte der Killer im Kopf herum, ich wusste nicht wie er in dieses Puzzle passte.

Mein Magen knurrte und ich beschloss wieder runter zu gehen, um etwas zu essen. Ich schickte noch eine Email an Claire, über nähere Angaben der verschwundenen Papiere. Nach dem ich das Notebook wieder herunter gefahren hatte, verließ ich mein Zimmer wieder.

Auf dem Flur begegnete mir dann dieser Maxemilian, der ebenso gerade sein Zimmer verließ. Er zuckte ein wenig zusammen, als er mich sah. Mit rotem Kopf trat er mit mir gemeinsam in den Lift nach unten.

Ich spürte förmlich, wie sich seine Blicke in meinen Rücken bohrten, doch ich drehte mich nicht um und stieg unten angekommen, als erstes aus. Als er dicht hinter mir, ebenso eines der Restaurants betrat, beschloss ich ihn anzureden.

„Auch Hunger?“, fragte ich.

„Ja“, kam es leise von ihm zurück.

Das Restaurant war recht voll. Einer der Bediensten fragte uns ob wir einen Tisch für Zwei wollten, was ich ohne Maxemilian Antwort abzuwarten bejahte. Etwas verwirt folgte er mir und der Bedienung.

„Wir bewohnen dieselbe Etage“, begann ich das Gespräch, als wir uns setzten.

„Ja, ich bin mit meinem Vater hier“, antwortete er, „Maxemilian Breahtley, aber nennen sie mich ruhig Max!“

Er reichte mir seine Karte.

„Oh, ihr Vater ist Juwelier? Sind sie wegen der Ausstellung morgen Abend da?“, fragte ich scheinheilig.

„Ja, sind wir.“

„Dann werden wir uns sicher dort sehen.“

„Sie kommen auch, Mister…?“

„Fielding, Chris Fielding, aus England”, sagte ich und überreichte ihm ebenfalls eine Karte, „und auf welchen Schmuck sind sie spezialisiert, wenn ich fragen darf?”

„Auf Diamanten! Und sie möchten gerne etwas für Ihre Frau kaufen?“

Der Kleine war gut, gleich die Lage ausspionieren.

„Nein eigentlich für mich, ich bin solo“, antwortete ich.

Huschte da ein Lächeln über sein Gesicht? Der Kellner kam und reichte uns die Speisekarte. Wir suchten beide unsere Getränke und Speisen aus und der Kellner verließ uns wieder.

„Und sie helfen ihrem Vater?“, setzte ich unsere Unterhaltung fort.

„Ab und zu, eigentlich bin ich nur wegen den Reisen dabei, weil ich sonst nicht groß zu Hause wegkomme. Ich studiere noch, müssen sie wissen und viel eigenes Geld besitze ich nicht.“

„Bei so einem Berufsstand ihres Vater?“

„Meine Eltern sind der Ansicht, ich solle es von alleine schaffen, auf eigenen Füssen zu stehen.“

„Gute Einstellung, denn Berufssöhne gibt es schon genug.“

„Das stimmt allerdings, auf dem Campus, rennen genug davon herum.“

„Und was studieren sie?“

„Sie können ruhig du sagen, ich bin erst dreiundzwanzig. ich heiße Max, ja und ich studiere Jura.“

„Alle Achtung, da haben sie… hast du einiges vor dir, kannst übrigens auch du sagen ich bin nur drei Jahre älter.“

Die Getränke wurden gebracht und wir prosteten uns zu.

„Ja, ich weiß, aber ich werde es durchziehen! Und was für einen Beruf übst du aus?“

„Ich bin für eine Firma tätig, An und Verkauf.“

„Auch Diamanten?“

„Nein, wie gesagt, die Diamanten sind eher für mich.“

Sehr interessant, finde ich. Man hört selten, dass Männer sich für Diamanten als Schmuck interessieren, außer sie…“, hier unterbrach Max den Satz und wurde feuerrot.

Er nahm die Speisekarte auf und vertiefte sich darin, besser gesagt er versuchte sein Gesicht zu verdecken. Ich musste innerlich Grinsen, denn ich wusste genau, worauf er anspielte.

„Hast du schon etwas gefunden?“, fragte ich.

„Ein saftiges Steak wäre mir recht“, antwortete er.

„Da schließe ich mich an.“

Wir bestellten unsere Essen und Max erzählte mir weiter von sich und seiner Familie. Er stockte ab und zu, meist dann, wenn er zu viel über sich sagte. Ich schaute ihn die ganze Zeit an und lauschte seiner Stimme.

Irgendwie träumte ich vor mich hin, während ich ihn beobachtete. Ich schreckte leicht auf, als unser Essen kam. Genüsslich verspeisten wir alles, tranken einen leichten Wein dazu.

„Also abgemacht, wir treffen uns nachher bei der Ausstellung, ich möchte dich unbedingt meinem Vater vorstellen“, sagte Max.

„Kein Problem! In einer halben Stunde?“, fragte ich.

„Okay, also bis gleich!“

Ich unterschrieb noch beim Kellner die Rechnung und wir beide verabschiedeten uns voneinander. An der Rezeption fragte ich nach, ob irgendwelche Nachrichten für mich gekommen wären. Es waren keine da, also beschloss ich, kurz noch mal in mein Zimmer zu gehen, um mich frisch zumachen.

Die Fahrstuhltür öffnete sich und ich sah gerade noch wie Max in sein Zimmer verschwand. Dann kam ein Schrei. Ich zog meine Waffe und rannte zu Max Zimmer. Mit dem Fuß stieß ich die Tür auf und blickte hinein.

Ich sah dort Max auf dem Boden knien, vor einem Mann der recht leblos da lag. Max schaute entsetzt auf meine Waffe, als ich eintrat und die Tür hinter mir schloss. Ich kniete mich zu dem Mann hinunter und fühlte an seinem Hals, nach dem Puls.

„Dein Vater?“, fragte ich und stand wieder auf.

Ohne eine Antwort abzuwarten, schaute ich noch in die anderen Zimmer, bevor ich beruhigt meine Waffe wieder auf ihren Platz zurückgleiten ließ.

„Wer bist du?“, fragte Max mit erstickender Stimme.

„Chris Fielding, wie ich schon sagte.“

Ich half Chris auf und schaute ihn an.

„Chris, man kann nichts mehr tun… er ist tot!“, sagte ich leise.

Der Kleine kippte vorne über und begann wild zu schluchzen. Plötzlich löste er sich und rannte in die Toilette. Ich hörte wie er sich übergab. Ich ging zum Telefon wählte die Rezeption an.

„Was kann ich für sie tun?“, hörte ich eine Stimme.

„Hier ist Fielding, würden sie bitte die Polizei rufen, mein Zimmernachbar, hat soeben seinen Vater tot im Zimmer aufgefunden.“

Schweigen in der Leitung.

„Vielleicht auch eine Arzt, für den Sohn.“

„Ich schicke sofort jemand nach oben Mr. Fielding“, kam es plötzlich wieder aus dem Hörer.

„Zimmer 274“, sagte ich, bevor ich wieder auflegte.

Ich lief zu der Toilette und schaute hinein. Max lehnte an der Wand, sah erbärmlich aus, Tränen rannen über sein Gesicht. Es klopfte an der Tür. Ich ging hin und öffnete.

„Mr. Fielding?“, fragte der Mann vor der Tür.

„Ja!“

„Spencer, Sicherheitsdienst!“

Ich ließ den Mann herein. Er sondierte die Lage und schaute wieder zu mir.

„Wo ist der Sohn?“, fragte er.

„Ist auf der Toilette, hat sich gerade übergeben!“

Spencer zog die Augenbraun hoch und zauberte plötzlich ein Handy hervor. Ich konnte nicht verstehen was er sagte, dazu war er zu leise. Er drückte das Gespräch weg und widmete wieder dem Toten.

„Was ist denn das?“, fragte er.

Er zeigte auf eine Stelle am Hals. Eine kleine Stelle aus der Blut gelaufen war.

„Sieht nach einem Stich aus“, antwortete ich.

Max erschien an der Tür und schaute ungläubig auf seinen Vater, dann zu mir.

„Mr. Fielding, wären sie so nett und würden den jungen Mann mit auf ihr Zimmer nehmen, bis hier alles geregelt ist, ich schicke einen Arzt bei ihnen vorbei.“

„Geht in Ordnung. Schauen sie ins Nachbarzimmer, sämtliche Schmuckschatullen sind ausgeräumt!“, meinte ich, bevor ich mich Max annahm.

Ich führte Max langsam an dem Toten vorbei und schob ihn aus dem Zimmer. An meinem Zimmer angekommen, öffnete ich sie mit meiner Codekarte. Wir traten ein und ich lenkte Max direkt zu meinem Bett.

„Warum hast du eine Waffe?“, stammelte Max.

„Das erkläre ich dir später, aber leg dich jetzt bitte hin, bis der Arzt kommt.“

Max drehte sich um und schaute mich mit ängstlichen Augen an.

„Wer bist du?“, fragte er nochmals.

Es klopfte nun an meiner Tür. Ich ließ Max stehen um sie zu öffnen. Es war der Arzt, den ich gleich zu Max führte und dann wieder das Zimmer verließ. Ich wollte zurück zu Spencer. Ich klopfte an der Tür und ein Polizist öffnete die Tür.

„Sie wünschen?“, fragte er.

„Ich habe den Toten gefunden“, sagte ich.

„Lassen sie ihn herein“, hörte ich Spencer im Hintergrund rufen.

Der Polizist trat zur Seite und gab den Weg frei. Im Zimmer waren mehrere Männer zu Gange, sie suchten nach Spuren.

„Sie sind Mr. Fielding?“, fragte mich ein kleiner dicker Mann.

„Ja, und wer sind sie?“

„Seargent Kredog. Sie haben den Toten gefunden?“

„Nicht direkt, ich hörte den Sohn des Toten, draußen im Flur, schreien.“

„Es scheint sich um ein Gift zu handeln, kann aber erst nach einer Obduktion mehr sagen“, sagte der Typ, der neben Max Vater kniete.

„Also, Raubmord!“, stellte Kredog fest.

„Brauchen sie mich noch?“, fragte ich.

„Im Augenblick nicht! Aber wir müssen noch ihre Aussage aufnehmen.“

„Gut, ich bin in meinem Zimmer 269, dort werden sie auch den Sohn finden, ein Arzt ist bei ihm.“

Kredog blies Luft aus und schaute den Toten an.

„Kennen sie den Sohn?“, fragte er mich.

„Erst heute beim Mittagessen kennen gelernt.“

„Gut, wie gesagt, halten sie sich zur Verfügung.“

Ich nickte und verließ das Zimmer wieder. Nachdenklich ging ich zu meinem Zimmer zurück. Ein Profikiller und ein Meisterdieb in der Stadt und nun ein Toter und ausgeraubt. Aber was wollten die mit dem Schmuck?

Das wäre etwas für kleine Fische, nicht für diese Profis. Ich wollte gerade mein Zimmer öffnen, als die Tür aufging und der Arzt mir entgegentrat.

„Ich habe ihm eine Beruhigungsspritze gegeben, er schläft jetzt!“ sagte der Mann, „wenn etwas mit dem Patienten ist, verlangen sie bitte nach mir.“

Ich nickte und betrat mein Zimmer. Kurz folgten meine Blicke dem Arzt, bevor ich die Tür schloss. Max lag zusammengekauert auf meinem Bett und schien wirklich zu schlafen. Ich selbst, ging zum Tisch fuhr meinen Laptop hoch.

Schnell stand ich in Verbindung mit Cross. Ich unterrichtete ihn über das plötzliche Ableben von Max Vater. Danach bauten wir eine Konferenzverbindung direkt mit London auf.

„Guten Abend Sir“, sagte ich, als die Verbindung zu dem >Alten< stand.

„Guten Abend Fielding, oder soll ich lieber einen schönen Mittag wünschen?“, kam es von ihm.

„Na ja, es besteht keinen Grund dafür“, sagte ich leise.

„Ich weiß, Breathley war ein angesehener Londoner Bürger.“

„Das bezweifle ich, Sir. Die Tat als einfachen Raubmord aussehen zu lassen, stößt mir schlecht auf, nicht, wenn zwei so knallharte Profis dahinterstecken. Ich habe Cross bereits aufgetragen, die Reisegewohnheiten von Mr. Breathley des letzten halben Jahres zu durchforsten.“

„Ich vertraue ihrer Eingebung, mit der sie bis jetzt noch nie falsch gelegen hatten.“

„Ich werde morgen mit Breathley’s Sohn nach London zurückkehren, denn ich denke unsere zwei Killer befinden sich bereits auf dem Weg nach Europa.“

„Sie befinden sich auf den Weg nach Murmansk, wird mir gerade mitgeteilt.“

Ich sah im Hintergrund Claire, die dem >Alten< einen kleinen Zettel gereicht hatte. Sie lächelte mir kurz zu, bevor sie wieder aus dem Bild verschwand. Mein Handy vibrierte und ich schaute kurz darauf.

Eine SMS von Claire wurde angezeigt.

„Murmansk?“, murmelte ich und sah wieder zum >Alten<.

„Krischenko stammt aus Murmansk, genauer von der Halbinsel Kola“, sagte er.

Krischenko war schon lange als Killer bekannt, nur seine Besonnenheit hatte ihn bis jetzt davor bewahrt festgenommen zu werden. Jeder Mord trug seine Handschrift, aber nachweisen konnte ihm nie jemand etwas.

„Und wie passt Burdini in ihr Bild?“, fragte ich.

„Nach dem wir sicher sein können, dass er im Besitz der Diamanten ist und Krischenko seine Finger im Spiel hat, denke ich, die russische Regierung kann sich warm anziehen. Bisher ist nicht bekannt, woher deren Gegner ihr Geld beziehen.“

„Ich werde Cross beauftragen, mir sämtliches Hintergrundinformationen zukommen zu lassen.“

„Gut Fielding, ich erwarte sie morgen Nachmittag hier in London.“

Ich sah wie Cross mir zunickte, der die ganze Zeit der Konferenz beiwohnte. Die Verbindung wurde unterbrochen, nachdem Cross mir versprach das Material zukommen zu lassen. Ich selbst, ging ins Internet und versuchte mehr über die Halbinsel Kola herauszubekommen.

Mir stach das Wort Saami mehre Male ins Auge. Ein Völkchen, dass dort heimisch war, aber auch an den angrenzenden skandinavischen Staaten verbreitet war. Sie waren bisher schon immer Spielball der dortigen Regierung gewesen.

Nach dem Zerfall des Sowjetstaates, verloren sie komplett ihre Rechte und wurden von bestechlichen und erpresserischen Beamten verwaltet. Oft genug hatten Militärs ihre Rentierherden beschlagnahmt, um das Völkchen finanziell in den Ruin zu treiben.

Dies schien bisher aber nicht gelungen zu sein. Ich griff nach dem Telefon und rief Cross an.

„Hallo Cross, könnten sie herausfinden, ob Krischenko ein Saami ist?“

„Ein Saami?“, fragte Cross.

„Ja, ein Volk dass im Herkunftsland Krischenkos lebt.“

„Wird erledigt, ich melde mich dann bei ihnen. Etwas anderes, Interpol wird sich mit ihnen in Verbindung setzten, hat mir Claire zugetragen“, sagte Ben.

„Ich weiß, sie hat mir bereits eine SMS zukommen lassen.“

„Gut, wie gesagt, ich melde mich sofort bei ihnen. Bye.“

Ich drückte das Gespräch weg und fuhr den Laptop herunter. Ich sah zu Max, der friedlich schlief. Das nervöse Zucken seiner Augen sagte mir aber, dass er träumen musste. Es klopfte an meiner Tür.

Also stand ich auf und öffnete sie.

„Miller ist mein Name, kann ich kurz mit ihnen sprechen?“, sagte ein Mann zu mir, den ich vor der Tür vorfand.

Ich schaute ihn kurz durchdringend an, bevor er einen Ausweis zog. Interpol.

„Kommen sie herein, aber bitte leise. Der Sohn des Opfers schläft bei mir, nachdem ihm eine Beruhigungsspritze verpasst wurde“, meinte ich und öffnete meine Zimmertür vollends.

Ich ging mit Miller auf den Balkon hinaus um dort unseren Smalltalk weiter zuführen.

„London hat uns über alles unterrichtet. Eine Abreise morgen von ihnen und dem Sohn steht damit nichts im Wege, wir werden hier alles mit der örtliche Polizei regeln.“

„Das ging aber schnell“, meinte ich und zündete mir eine Zigarette an, nachdem ich Miller eine angeboten hatte, was er dankend ablehnte.

„Krischenko ist uns schon eine lange Zeit ein Dorn im Auge, aber wie sie sicher wissen, bisher unfassbar.“

„Ja, die Berichte sind mir bekannt. Können sie mir etwas über sein Herkunftsland sagen?“, fragte ich.

„Kola?“

Ich nickte.

„Bisher nur wenig in Berichten aufgetaucht, nur bekannt durch seine korrupten Beamten, wieso?“

„Krischenko und Burdini befinden sich auf dem Weg dorthin.“

Miller legte seine Stirn in Falten. Deutlich sah ich wie sich sein Gehirn in Bewegung setzte.

„Sie meinen also, ein Aufstand gegen die Regierung aus Murmansk?“

„Sie kombinieren gut. Es könnte in die Richtung laufen, ob es tatsächlich mit Murmansk zu tun hat, kann ich aber nicht sagen.“, erwiderte ich.

„Die Anschläge gegen Moskau häufen sich und man weiß immer noch nicht, aus welchen Volksgruppen sie kommen. Russland ist groß.“

„Eine Diamantenlieferung im Wert von sieben Millionen Dollar kann aber viel bewirken“, meinte ich und drückte meine Zigarette aus.

Miller pfiff leise und zog seine Sonnenbrille ab. Nervöse kleine Augen kamen zum Vorschein.

„Brauchen sie noch etwas, bevor sie morgen abreisen?“, fragte er.

„Nein, halten sie mir nur diesen Kredog vom Hals, sonst habe ich keine Wünsche, oder doch, könnten sie dafür sorgen, dass der Junge seine Klamotten hier auf das Zimmer bekommt?“

„Gut, ich kümmere mich darum! Wir werden veranlassen, dass der Leichnam, nach London überstellt wird.“

„Ich danke ihnen.“

Miller und ich standen fast gleichzeitig auf und ich begleitete ihn noch kurz an die Tür.

„Tut mir leid, wegen dem Jungen!“, meinte er leise.

„Er wird es irgendwie verkraften“, sagte ich und schloss hinter ihm meine Zimmertür.

Max begann sich zu bewegen. Er schien wach zu werden, trotz der Spritze. Ich setzte mich neben ihn. Er schlug die Augen auf und versuchte sich zu orientieren. Unsicher richtete er sich auf und schaute mich verwirrt an.

„Keine Sorge Max, du bist in meinem Zimmer“, meinte ich leise.

Ich legte meine Hand auf seine Schulter, um Max ein wenig in Sicherheit zu wiegen.

Er rieb seine Augen und schaute sich weiter um.

„Wie geht es dir?“

„Wie soll es einem gehen, wenn man unverhofft eine Leiche findet?“, fragte er sarkastisch.

„Tut mir leid, Max! Auch um deinen Vater.“

„Er war nicht mein Vater!“, meinte Max und sprang aus dem Bett.

Ich hob die Augenbraun, war sichtlich überrascht. Nicht sein Vater? Es schien interessant zu werden.

„Nicht dein Vater?“, hakte ich nach.

„Nein, der sitzt zu Hause in London, das hier war ein Doppelgänger!“, kam es kalt von Max.

Ich pfiff leise durch die Luft. Max sah kurz aus dem Fenster, bevor er sich wieder zu mir drehte.

„Dad hat die letzten Monate verstärkt Morddrohungen bekommen, da hatte unser Sicherheitschef die Idee mit dem Doppelgänger.“

„Und wer ist oder war der Tote?“

„Unser Sicherheitschef!“

„Oha, das war ein Eigentor! Aber für einen Sicherheitschef, hast du eine gute Vorstellung gegeben, ich meine, mein Vater ist tot und so“, sagte ich.

Ich sah, dass die Augen von Max feucht wurden. Er drehte sich wieder zum Fenster.

„Phillip war mehr als nur unser Sicherheitschef, er war mein Freund, immer für mich da, wenn ich in der Klemme steckte“, sagte Max leise.

„Wenn ich oft im Elephant and Castle (*Schwulenkneipe im Süden Londons) war, Phillip war immer bei mir, was ab und zu auch etwas Gutes hatte, mir den Pöbel vom Hals zu halten, die es immer auf meinen Arsch abgesehen hatten. Ja, ich denke du hast richtig vermutet, ich bin schwul!“

Bei dem Wort schwul, drehte Max sich wieder vom Fenster weg, wandte sich zu mir. Er schaute mich an, schien meine Reaktion abzuwarten. Meine Erstauntheit, über dieses Geständnis eben, verbarg ich allerdings.

„Ich vermute überhaupt nichts, ich lerne mein Gegenüber erst kennen, bevor ich mir eine Meinung bilde. Was allerdings im krassen Kontrast zu meinem Job steht!“

Ich sah Max’s Gesicht an, dass er nicht verstand, was ich damit meinte.

„Wieso Job, du bist Vertreter… ach so die Waffe. Chris, wer bist du wirklich?“

Jetzt war es Zeit, zu entscheiden, mich erkennen zu geben. Aber nach dieser neuerlichen Wendung, der Geschehnisse, blieb mir nur eine Möglichkeit.

„Ich bin Chris Fielding und arbeite für den MI 6“, antwortete ich, sagte nichts weiter dazu.

„Ein Agent, so was wie 007, James Bond?“

„Ja!“, antwortete ich und musste lachen, „so ungefähr, nur dass wir keine Nummern haben!“

„Und was tust du hier, wenn ich fragen darf?“

„Sagen wir mal, ich wollte wissen, was ein gewisser Schmuckspezialisten für Diamanten und ein Profikiller in Las Vegas vorhatten!“

„Du wusstest, dass sie hier waren und…?“

„Nein Max!“, fiel ich Max ins Wort, „ich wusste nicht, was für einen Auftrag sie hatten! Wir konnten uns nur ausrechnen, dass sie es auf jemand von der Schmuckausstellung abgesehen hatten, und dann auch nicht, dass jemand ermordet wird.“

Max schaute mich kurz verächtlich an, anscheinend wollte er mir dir Schuld für den Tod seines Bodyguards in die Schuhe schieben.

„Ich muss meinen Vater anrufen!“, sagte Max und griff zum Hörer.

Ich sprang auf und nahm ihn dem Hörer ab.

„Das lässt du schön bleiben, muss nicht jeder wissen, dass dein Vater noch lebt“, sagte ich.

Max schaute mich verwirrt an.

„Meinst du die zwei Herrschaften, die deinen Freund beraubt und umgebracht haben, sind einfach hier so hereinspaziert. Das Caesar Palace verfügt über ein großes Überwachungssystem, da kann man nicht einfach so rein und rausspazieren!“

Enttäuscht ließ sich Max auf mein Bett fallen, stützte seinen Kopf zwischen seine Hände. Ich zog mein Handy heraus und wählte Cross Nummer. Es klingelte nur einmal und schon meldete sich Cross.

„Cross! “

„Fielding, hallo Ben. “

„Was ist passiert, ich habe gerade erfahren das Breahtley umgebracht wurde.“

„Langsam Ben, hören sie mir jetzt genau zu. Breathleys Double ist ermordet worden, Verständigen sie London, damit sie Mr. Breathley unterrichten können, seinem Sohn geht es gut!“

„Aber…?“

„Nichts Ben, tun sie einfach, was ich ihnen sage, okay?“

„Ja, ist in Ordnung. Wo ist der Junge?“

„Sitzt neben mir auf dem Bett, ich werde morgen mit ihm nach London zurückfliegen!“

„Brauchen sie noch etwas? Flugbuchung oder etwas anderes?“

„Nein, darum hat sich schon Interpol gekümmert“, antwortete ich und hörte die Enttäuschung aus

seiner Stimme, als hätte er versagt.

„Cross, ich möchte sie morgen Mittag um 14.00Uhr am Flughafen sehen, ich werde sie in Europa brauchen!“, sagte ich leise in den Hörer, so dass es Max nicht verstand.

„Danke Sir, ich werde da sein!“

„Das hoffe ich, bye Cross bis morgen!“

„Bye Chef!“

Wieder einen Menschen glücklich gemacht, dachte ich. Ich drückte das Gespräch weg und ließ das Handy wieder in meiner Hosentasche verschwinden. Dann ging ich an den Schrank und suchte nach etwas zum Anziehen.

„So, dein Vater wird über eine sichere Quelle informiert, auch, dass es dir gut geht!“, meinte ich zu Max.

„Danke…, was machst du?“, fragte Max.

„Ich? Ich suche etwas Passendes für heute Abend!“, gab ich zur Antwort.

„Du gehst noch weg?“

„Ja ich bin hier im Caesar Palace und Celine Dion gibt fast jeden Abend hier ein Konzert und dafür habe ich Karten!“

„Und mit wem gehst du dahin?“

Hörte sich schon fast eifersüchtig an, der Bengel.

„Mit dir, mit wem sonst!“, meinte ich und lächelte ihn an.

„Aber ich….“

„Wenn du deine Klamotten meinst, die müssten gleich auf mein Zimmer gebracht werden.“

Wie auf Kommando klopfte es an meiner Tür und es wurde Zimmerservice gerufen. Ich ging an die Tür, öffnete vorsichtig und ein Page mit zwei Koffern stand vor der Tür.

„Kommen sie rein und stellen das Gepäck neben den Schrank bitte“, sagte ich zum Pagen.

Er tat das, was ich ihm aufgetragen hatte, und nachdem ich ihm Trinkgeld zugesteckt hatte, verließ er wieder mein Zimmer. Ich zeigte auf die Koffer und lächelte.

„Ach so, und noch etwas, auch deine Vermutungen waren richtig, ich bin ebenso schwul!“

Max sah mich verwirrt an.

„Max, du warst zu offensichtlich, mit deinen verschlingenden Blicken beim Mittagessen und die galten bestimmt nicht deinem Essen!“

Max wurde rot im Gesicht und stand auf. Langsam trat er auf mich zu.

„Danke Chris, dass du mir so hilfst!“, meinte er.

Ich konnte nicht anderst und nahm ihn einfach in den Arm. Ich hörte ihn leise wimmern und ließ ihn gewähren.

*-*-*

Max schlief neben mir, während ich mit Ben, noch einmal alle Unterlagen durchging. Ben hätte fast die Maschine verpasst, weil sein Ausweis abgelaufen war. Innerlich musste ich lachen, was für ein Agent sollte Cross einmal werden.

Es war eine gute Idee gewesen, Max am gestrigen Abend auf das Konzert mitzunehmen. Er war wie ausgewechselt, sang Lieder mit. Nun lag er ruhig da und schlief den Schlaf der Gerechten. Ab und zu riskierte ich einen Blick.

Max war gerade mal drei Jahre jünger als ich. Ich mit meinen 26 das jüngste Mitglied in MI 6. Aber er hatte seine Jugendlichkeit bewahrt, seine Wangen waren noch leicht gerundet nicht so wie bei mir.

Ich war drei Jahre dabei, hatte allerhand gesehen und erlebt. Manches hätte mich wohl aus der Bahn geworfen, wenn ich nicht genug abgeklärt gewesen wäre. Das mich mein Ex verlassen hatte, warf mich natürlich total aus der Bahn, aber dieser Junge schaffte es, mit seiner bloßen Anwesenheit, es zu vergessen.

Ben überhäufte mich mit Informationen, aber ich hörte ihm nur halb zu. Trotzdem verpasste ich nichts wichtiges, ein weiteres Talent, weswegen man mich eingestellt hatte, das Aufnehmen unwahrscheinlich vieler Informationen in kürzester Zeit.

Und meinem fotografischen Gedächnis hatte ich es zu verdanken, das ich eigentlich nie ein Gesicht vergaß. Wieder hafteten meine Blicke auf Max, bis ich bemerkte, dass Ben nicht mehr weiter sprach.

„Was ist Cross?“, fragte ich und wandte mein Blick auf ihn.

„Ich dachte, sie wollen vielleicht sich etwas Ruhe gönnen, bevor wir in London eintreffen, Sir.“

„Keine schlechte Idee, Cross. Wecken sie mich rechtzeitig!“, sagte ich, machte es mir in meinem Sitz bequem und schloss die Augen.

Dem Geraschel neben mir zu urteilen, verräumte Cross seine Akten und versuchte es sich ebenso bequem zu machen. Irgendwann musste ich wohl dann auch eingeschlafen sein, denn ich schreckte leicht auf, als ich etwas an meiner Hand spürte.

Ich blinzelte ein wenig nach unten und sah, dass Max seine Hand auf meine gelegt hatte, obwohl er noch zu schlafen schien. Ich griff nach ihr und schloss wieder meine Augen.

Beim nächsten Mal wurde ich von der Bordansage geweckt, die die kurz bevorstehende Landung auf dem Londoner Flughafen Stansted ankündigte. Max schien wach zu sein, er schaute aus dem Fenster, meine Hand hatte er aber immer noch fest umklammert.

Durch unsere Ausweise war ein schnelles Abfertigen beim Zoll möglich. Ich hatte Cross beauftragt, Max nach Hause zubringen, was bei Max natürlich Proteste auslöste. Erst als ich ihm versprach, dass, wenn ich Zeit habe bei ihm vorbei zuschauen, gab er Ruhe.

Ich ging in die Tiefgarage des Terminals, wo mein Wagen stand. Ich schloss den Kofferraum auf und warf meine Reisetasche hinein. Plötzlich hörte ich ein Geräusch hinter mir, doch bevor ich mich umdrehen konnte, spürte ich eine Schlinge am Hals, die mir langsam aber sicher die Luft abschnürte.

Mit letzter Kraft holte ich aus und traf diesen Jemanden hinter mir, mit meinem Ellenbogen in die Magengegend. Der Druck der Schlinge ließ nach, ich griff nach ihr und drehte mich mit dem Rücken zum Wagen. Mein Hintermann machte diese Bewegung mit und stand somit zwischen mir und dem Auto.

Mit voller Wucht drückte ich mich nun nach hinten, was zur Folge hatte, dass die Person hinter mir gegen das Heck meines Ranch Rover knallte und von mir abließ. Endlich konnte ich meinem Angreifer ins Gesicht schauen, der schwer nach Luft keuchte.

Ich zog meine Linke durch, und traf ihn mitten im Gesicht. Während er niederging, hob ich meine schmerzende Hand. Scheiße, tat das weh. Ich schaute mich um, aber wie immer war bei so was niemand zu gegen.

Ich durchsuchte die Innentaschen seiner Jacke, doch es war nichts zu finden. Ich griff dem Fremden unter die Arme und zog ihn hinter die Betonsäule, die sich neben meinem Wagen befand. Schien ein Russe zu sein, jedenfalls nach der Wodkafahne zu urteilen.

Ich zog meine Kleidung richtig und lief wieder zum Kofferraum. Irgendwo in meiner Tasche hatte ich die Digitalkamera. Ah, da war sie. Schnell schoss ich ein Bild, von dem Häufchen Elend, bevor ich mich mit dem Wagen auf den Weg machte.

Man wusste ja nie, ob die von der Identification Section nicht fündig wurden, ihr Archiv über Killer war dementsprechend groß. Gedanklich hing ich plötzlich bei Max, wenn ich schon in der Tiefgarage überfallen wurde, was würde ihm dann zu stoßen.

Ich wählte die Nummer von Cross an.

„Cross hier.“

„Fielding!“ Bei euch alles in Ordnung?“

„Ja, sind kurz vor dem Haus, in dem Max wohnt. Wieso?“

„War nur so eine Frage, wir sehen uns nachher beim Alten!“

„Okay Sir!“

„Chris, denk an unsere Verabredung nachher“, konnte ich Max sagen hören.

Cross hatte wohl die Lauttaste gedrückt.

„Keine Sorge Max, vergesse ich schon nicht!“

„Gut, dann bis später.“

„See you! “, meinte ich.

„Miss you!”, kam es von ihm.

Ich musste lächeln und drückte das Gespräch weg. Ich drückte auf das Gaspedal und kräftig zog der Rover an. Etwas später fuhr ich gedankenverloren in die Einfahrt des Innenministeriums. Problemlos schob ich an den Wachen vorbei uns suchte mir im Innenhof einen Parkplatz.

Ich nahm meine Aktentasche aus dem Wagen und betrat das Gebäude. Ich mochte es nicht, denn es war der Inbegriff der Bürokratie für mich, alles was mich hinderte, einen guten Job auszuführen. Jede Kleinigkeit musste protokolliert werden.

Und ich hasste diese Schreibarbeit, wurde aber nicht von ihr entbunden. Schnellen Schrittes nahm ich die Treppe in das obere Stockwerk, betrat das Vorzimmer des Alten.

„Chris, wo warst du so lange? Du bist doch schon vor einer Stunde gelandet!“, sagte Claire zur Begrüßung.

„Hallo Claire, danke es geht mir gut!“

Sie stockte, begann aber wieder zu lächeln.

„Etwas nach Wodka riechendes hat mich aufgehalten!“, erklärte ich.

Sie schaute mich fragend an. Ich holte meine Digitalkamera aus der Aktentasche und reichte sie ihr.

„Gib sie bitte in der Identification Section ab, das letzte Bild könnte eventuell interessant sein“, meinte ich und schloss wieder meine Tasche.

„Okay, du kannst rein gehen, du wirst schon erwartet.“

Ich nickte ihr zu und ging zur Tür des Alten. Nach meinem Klopfen, wurde ich hereingebeten.

„Guten Tag, Sir.“

„Hallo Fielding, sie sehen erholt aus!“

Ich lächelte kurz und setzte mich in den Sessel vor dem Schreibtisch.

„Ich kann nicht klagen, bis auf einen kleinen Zwischenfall in der Tiefgarage eben, ist nichts Besonderes vorgefallen“, sagte ich.

Das Telefon klingelt, der Alte nahm den Hörer ab.

„Ja? …danke!“

Kurzes Gespräch, dachte ich, als er den Hörer wieder auflegte. Die Tür hinter mir ging auf und Claire kam herein. Sie reichte dem Alten eine Fotografie.

„Alexej Kroschnik, ein Anhänger und Sympathisant von Krischenko, aber eher untere Gehaltstufe, also auf unwichtige Fälle angesetzt“, sagte der Alte und ließ das Bild auf die Ablage gleiten.

„Danke auch, er hing eben noch an meinem Hals!“, sagte ich etwas eingeschnappt.

Der Alte und auch Claire sahen mich fragend an.

„Alexej hat vorhin versucht mir nach dem Leben zutrachten!“, erklärte ich.

„Und jetzt? fragte Claire.

„Liegt friedlich schlummernd an einer Betonsäule der Tiefgarage“, antwortete ich.

Claire lächelte und verließ das Zimmer wieder. Der Alte überflog mehrere Berichte und runzelte die Stirn.

„Mehrere Akten aus dem Pentagon verschwunden… Diamantenraub und Mord… Russland…, wie passt das Zusammen?“, fragte er.

„Wissen sie, um was für Unterlagen es sich denn handelt?“, erwiderte ich.

„Nein, wir haben darüber noch keine Auskunft erhalten, man hält sich weiter bedeckt im Pentagon.“

„Und wenn es Unterlagen über Russland waren?“, bohrte ich weiter.

„Guter Einfall, aber warum sollten Russen ihre eigenen Unterlagen stehlen?“

„Es kommt darauf an, welche Russen es waren!“

„Sie meinen, die stehlen im Pentagon die Papiere, um leichter an die russische Regierung zu kommen?“

„Warum nicht? Gibt es irgendwo bessere Informationen?“, meinte ich.

„Was ist mit den Breathley’s?“, fragte der Alte.

„Mister Breathley hatte mehrere Morddrohungen bekommen, so kam sein Sicherheitschef darauf, ein Double für seine Amerikareise einzusetzen, mit dabei sein Sohn.“, erklärte ich.

„Das ist dem Double nicht gut bekommen!“

„Nein, ist es nicht, es war übrigens der Sicherheitschef selbst!“

Der Alte schluckte, sagte aber nichts weiter dazu.

„Trotzdem kann ich immer noch keinen Zusammenhang sehen, über Andrej und den Papieren“, fuhr der Alte fort, auch warum man sie angefallen hat, sie haben ja nicht direkt etwas mit der Familie zu tun.“

„Vielleicht bin ich jemanden gefährlich nahe gekommen!“, vermutete ich.

„Und wie wollen sie jetzt weiter verfahren?“

„Der Schmuck von Breathley’s war zwar versichert, aber es befanden sich einige unersetzbare und schwer absetzbare Stücke darunter. Die Spur führt nach Murmansk, genauer auf die Halbinsel Kola.“

Der Alte schaute noch einmal in seine Unterlagen.

„Ein kleines unbedeutendes Volk, dass schon immer von den Russen unterdrückt wurde“, meinte er im Gedanken.

Er schaute auf.

„Aber rebellisch werden und gegen Russlands Regierung intrigieren?“, fragte er.

„Wären nicht die ersten, oder?“

„Nein, sicherlich nicht!“

Er klappte den Hefter zu und legte ihn in die Ablage. Er nahm einen Schluck von seinem Tee, der sicherlich schon kalt war. Dann stand er auf und ging an die kleine Bar und schenkte sich einen Whiskey ein.

„Auch Einen?“, fragte er.

Ich lehnte, mit einem Kopfschütteln, dankend ab. Mit dem Glas in der Hand, wanderte er langsam zum Fenster.

„Sie meinen also, wenn sie dem Schmuck folgen, kommen sie automatisch an die Diebe der Papiere?“, fragte der Alte.

„Ich denke schon, denn für was brauchen die wohl Diamanten, wenn nicht um Waffen zu kaufen?“, fragte ich.

„Gut, dann halten sie sich an die Spur!“

„Wann fliege ich?“

„Ich würde sagen, in drei Tagen, oder?“

„Warum in drei Tagen? Ein bestimmter Grund?“

„So können sie noch alle Dinge regeln, die sie zu regeln haben!“, meinte der Alte mit einem Grinsen, dass man bei ihm äußerst selten sah.

*-*-*

Irgendwie nervös stand ich vor der Eingangstür zur Villa der Breathley’s. Die Tür wurde aufgerissen und vor mir stand Mr. Breathley persönlich. Die Enttäuschung, dass ich anscheinend nicht die Person war, auf die er wartete, stand ihm ins Gesicht geschrieben.

„Wie kann ich ihnen helfen?“, fragte er recht ärgerlich.

„Mein Name ist Chris Fielding, ich bin mit ihrem Sohn in…”

„Sie sind Chris, kommen sie bitte schnell herein!”

„Ist etwas passiert?“

„Das kann man allerdings sagen. Max ist kurz weg, er wollte etwas besorgen und ist bis jetzt nicht aufgetaucht!“

„Sein Handy?“

„Haben wir bereits probiert, aber da geht nur die Mailbox dran“, erklärte mir sein Vater.

Ich zog mein Handy aus der Hosentasche und wählte Bens Nummer. Es dauert ein wenig bis er das Gespräch entgegen nahm.

„Hallo Chef!“, hörte ich die mir vertraute Stimme von Ben.

„Nennen sie mich nicht immer Chef, ich heiße Chris. Ben folgendes, könnten sie mir eine Peilsuchung einrichten, auf eine Handynummer.“

„Um welche Nummer handelt es sich denn, Che.. äh Chris?“

Ich musste zwangsläufig grinsen. Ich gab ihm die Nummer von Max durch und er versprach mir, mich zurück zurufen, wenn er Erfolg hätte. Wieder an Mr. Breathley gewand, drückte ich das Gespräch weg.

„Ist aber sicherlich nicht seine Art, ohne Rückmeldung wegzubleiben?“, fragte ich.

„Bisher machte ich mir da auch nie große Sorgen, denn bis jetzt war ja auch immer Philipp bei ihm. Aber nun so ohne Schutz, mache ich mir schon Sorgen, schon alleine nachdem was drüben in den Staaten passiert ist!“

Mein Handy klingelte ich nahm das Gespräch entgegen.

„Ja hier Chris!“

„Also, Chris entweder spinnt die Peilung, oder das Handy ist außer Landes!“, erklärte Ben.

„Außer Landes?“, fragte ich jetzt doch verwirrt.

„Ja, in Russland!“

Im Gedanken verloren ließ ich das Handy sinken.

„Was ist?“, fragte Mr. Breathley besorgt.

Ich hielt das Handy wieder an mein Ohr.

„Und daran besteht kein Zweifel?“, fragte ich Ben.

„Nein, und jetzt kann ich ihnen auch genau sagen wo genau… in Murmansk.“

*-*-*

Es hatte keine drei Stunden gedauert, bis Ben und ich im Flieger nach Murmansk saßen. 18:40 Uhr waren wir von Heathrow abgeflogen und sollten kurz vor 22:00 Uhr in Murmansk landen. Claire war so freundlich uns ein Zimmer zu buchen.

Sie hatte uns im Arctic Hotel untergebracht, für eine Nacht, da wir am nächsten Tag zur Halbinsel Kola aufbrechen wollten, wo wir das letzte Peilzeichen von Max’ Handy erreicht hatten. Der Alte hatte sich sowohl mit dem Pentagon, als auch mit dem russischen Geheimdienst in Verbindung gesetzt.

Ich hatte nun freie Bahn, keine Behörde würde mir Steine in den Weg legen, jedenfalls die, die nicht korrupt waren. In Murmansk angekommen, fuhren wir noch ungefähr ein dreiviertel Stunde, bis wir endlich das Hotel erreichten.

Erschöpft ließ ich mich auf das Bett fallen, während Ben dem Pagen Trinkgeld zusteckte, bevor dieser verschwand. Im Kamin knisterte leise ein Feuer.

„Das ist ja ein Ehebett!“, meinte Ben.

„Ja, und?“, fragte ich und musste grinsen.

„Nichts!“, sagte Ben, wurde rot und machte sich an seine Koffer zu schaffen.

Morgen mussten wir irgendwie nach Polyarnyy kommen, um von dort aus Gadzhiyevo zu erreichen, wo nun auch die komplette russische U-bootflotte vor Anker lag und vor sich hin rostete. Ich beobachte Ben, wie er sich langsam auszog und alles fein säuberlich über einen Stuhl hängte.

Aber richtig wahr nahm ich Ben nicht, auch wenn er eine Topfigur hatte. Mir ging Max nicht aus dem Kopf, warum hatte man ihn entführt, denn ich konnte mir nicht vorstellen, dass er freiwillig hier her gekommen war.

Ben verschwand nur in Shorts ins Bad. Nun stand ich auf und entledigte mich selbst meiner Kleidung. Als ich ebenfalls nur noch in Shorts da stand kam Ben wieder aus dem Bad und konnte siech einen Pfiff nicht verkneifen.

Ich drehte mich zu ihm und konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.

„Das Claire mir einen schwulen Partner zuteilen würde, war mir eigentlich von vorne herein klar!“, sagte ich.

„Sie wissen, dass ich schwul bin?“

„Klar Ben, du hast dich zu oft mit deinen Blicken verraten.“

Nun war es Ben, der verlegen grinste.

„Ich wusste ja nicht, dass ich so einen gut aussehenden Partner zur Seite bekomme“, sagte er leise.

„Danke Ben, das kann ich nur erwidern.

„Auf welcher Seite möchtest du… äh sie schlafen?“

„Du Ben, bleib beim Du. Ich nehme die linke Seite“, sagte ich und ging ins Bad.

Als ich nach einer Weile zurückkam, lag Ben in seiner Betthälfte. Was mir auch noch gleich auffiel, seine Shorts hing über dem Stuhl. Ben schien mein Blick zu bemerken.

„Wenn es dir nichts ausmacht, ich schlafe meistens nackt!“, kam es von Ben.

„Habe ich keine Probleme mit, ich tu das ja auch!“, entgegnete ich und ließ meine Shorts nach unten gleiten.

Ben schluckte und ich musste zugeben, es ließ mich keineswegs kalt, dass Ben nun nackt im bett neben mir liegen würde. Mein Blut verteilte sich in die unteren Körperregionen. Selbstbewusst ging ich mit einem halbsteifen Schwanz auf meine Bettseite und legte mich nun eben so hin.

Ben drehte sich zu mir und stützte seinen Kopf mit der Hand ab. Ich spürte, dass er genauso nervös war wie ich selbst. Immer wieder sah ich Max vor mir, und doch erregte mich Bens Anwesenheit unheimlich.

Ich beugte mich zu ihm hinüber und gab ihm einen Kuss auf die Lippen.

„Willst du wirklich?“, hauchte ich ihm entgegen.

Er nickte nur und zog mich zu sich.

*-*-*

Bens Kopf ruhte auf meiner Brust und schlief fest. Ich dagegen lag nach kurzem Schlummern wieder wach und dachte an Max. War Max das, was ich wollte, oder lag eben dies, jetzt in meinen Armen?

So richtig hatte ich mir das nie ausgemalt, wie es sein sollte. Ein Leben mit Max! Je länger ich darüber grübelte, desto mehr Punkte gab es, die eher für Ben sprachen, als für Max. Total gefangen in meiner Gefühlswelt, schlief ich dann dennoch ein.

Ben war es der mich am nächsten Morgen sanft weckte, den Zimmerservice per Telefon hatte ich einfach verschlafen.

„Morgen Chris, gut geschlafen?“, hauchte mich Ben an.

„So gut wie schon lange nicht mehr!“, antwortete ich leise.

„Du bist in Max verliebt, stimmt’s?“

Ich hob den Kopf und sah Ben in die Augen. Er schien geweint zu haben, denn seine Augen waren rot unterlaufen. Mit meiner Hand wuschelte ich ihm durch seine braunen Haare.

„Ich weiß es selber nicht, Ben. Je länger ich darüber nachdenke um so mehr komm ich zu dem Schluss, Max ist nichts für mich!“

„Besteht da eine kleine Chance für mich?“

Ich lächelte Ben sanft an und streichelte mit der Hand über seine Wange.

„Lass mir ein wenig Zeit, okay?“

Ben nickte, stand auf, und verschwand im Bad. Ich dagegen lag weiter im Bett und ließ einen lauter Seufzer heraus. Stunden später saßen wir in einem Wagen auf dem Weg nach Polyarnyy.

„Ich weiß es ist weit hergeholt“, fing Ben an, der seinen Laptop auf dem Schoss hatte und etwas suchte, „aber könnte es damit etwas zu tun haben, das in Gadzhiyevo der größte Teil der U-Bootflotte der Russen liegt. Ich meine, jeder weiß, dass dort jede Menge radioaktives Material vor sich hinschlummert.“

„Du meinst, sie versuchen an das Zeug heran zukommen?“, fragte ich und konzentrierte mich weiter auf die schlechte Straße, um nicht in irgendeins der zahlreichen Schlaglöcher zu fahren.

„Natürlich auch, ein U-Boot zu klauen scheint mir fast zu fantastisch! Außer sie möchte an die Bewaffnung der Boote, denn ich kann mir nicht vorstellen, das diese abgebaut worden sind.“

„Aber wofür die Diamanten, dass frage ich mich schon die ganze Zeit, auch für was sie Max brauchen.“

„Diamanten sind als Zahlungsmittel immer gut gewesen, und für bestechliche Beamten auch gut genug. Aber etwas anderes, wenn es bei den U-Booten einen Zwischenfall geben würde, wäre die ganze Gegend, also die ganze Berants See hochgradig auf Jahre verseucht und würde bei der Weltöffentlichkeit, große Folgen nach sich ziehen. Schon jetzt warnen diverse Umweltorganisationen, vor einem Supergau.“

„Also so etwas wie damals in Tschernobyl?“, fragte ich.

„Ja, Russland kam damals in Zugzwang, aber erst vor kurzem wurde der vierte, der noch ganze Meiler abgeschaltet, noch jetzt sind mehr als drei Reaktoren gleicher Bauart in Betrieb. Russland bezieht deshalb ordentlich Prügel deswegen.“

Ich bemerkte, Ben hatte seine Hausaufgaben gemacht. Er erzählte mir noch ein wenig von der Führungsstruktur, die in Murmansk herrschte. Das Stadtschild von Polyarnyy tauchte vor uns auf, langsam rollten wir mit dem Wagen in die Stadt.

Sie war gekennzeichnet von dem nahen Militärstützpunkt. Große Plattenbauten zierten den Straßenrand, optimal um Soldaten mit Familie unterzubringen. Es herrschte ein reges Treiben auf der Straße und ich fragte mich, womit viele hier nun ihr Geld verdienten.

Da die Flotte sozusagen stillgelegt war, weil einfach das Geld fehlte, sie in Schuss zu halten, waren hier auch jede Menge Arbeiter und Soldaten ihren Job los. Das wiederum verursachte Missmut unter der Bevölkerung.

Aber deswegen ein Umweltskandal auszulösen? Sie würden sich doch damit nur selbst schaden. Und immer noch nicht war mir klar, wie da Max hinein passen sollte, außer um noch mehr Geld zu erpressen, was aber auch hieße, man wusste, dass Mr. Breathley noch am Leben war.

Wir stiegen in einem kleinen Hotel ab, anscheinend das Einzigste vor Ort. Auch hier brauchte ich Papiere, denn früher war hier alles militärisches Speergebiet und nur die ca. 30.000 Einwohner konnten sich hier frei bewegen.

„Wie wollen wir weiter machen?“, fragte Ben.

„Ein Signal kannst du nicht erfassen?“, fragte ich.

„Nicht ohne selbst entdeckt zu werden, jedenfalls hier nicht!“

„Mist, aber die ganze Werft absuchen, das würde Tage dauern.“

„Was bleibt uns anderes übrig? Wir müssen die Augen offen halten. Zudem möchte uns hier noch ein Slavika treffen, der uns weiterhelfen könnte.“

„Weißt du wie er aussieht?“, fragte Ben.

Ich gab ihm eine Fotografie, die mir Claire zu den Unterlagen gepackt hatte.

„Nicht ganz mein Geschmack!“, sagte Ben und gab sie mir wieder.

„Nicht jeder kann so gut aussehen wie ich und zudem ist Slavika ein ganz lieber Kerl“, meinte ich, was bei Ben ein Grinsen auslöste.

„Du kennst ihn?“, wollte Ben wissen.

„Ja schon von früheren Einsätzen!“

„Hast du… auch?“

„Ben, seh ich so aus, als würde ich mit jedem ins Bett gehen, der mir in die Finger kommt. Du hast zu viele Bondfilme gesehen! Und übrigens, ich trinke auch keinen Martini!“

Er schüttelte den Kopf und bereute bereits seine Frage. Es klopfte an der Tür. Ben schaute mich an, ich nickte ihm zu. Mit der Hand an der Waffe ging ich zur Tür.

„Pozhalujsta?“, sagte ich, Ben verzog das Gesicht.

Die Tür öffnete sich und ein junger Mann streckte den Kopf herein.

„Slavika alter Freund, hallo! Freut mich dich wieder zu sehen!“, sagte ich und ließ die Hand aus meiner Jacke gleiten.

„Hallo Chris, mich freut es auch, dich wieder zu sehen!“, erwiderte er und begrüßte mich, wie es bei den Russen so üblich war.

In die Arme nehmen und abknutschen. Bei manchen Kerlen würde mir das echt auch gefallen. Slavika ließ mich wieder los und musterte Ben.

„Bisschen jung würde ich sagen!“, kam es von Slavika.

„Ben ist im richtigen Alter, also was hast du für mich?“, fragte ich.

„Nichts Gutes fürchte ich! Den Jungen, den sie als Geisel genommen haben, dessen Vater ist hier kein unbeschriebenes Blatt!“

„Haben sie ihn deswegen umbringen lassen?“

„Chris, alter Junge, sie wissen ganz genau, dass sie nur den Sicherheitsbeamten erwischt haben.“

„Und warum haben sie dann Max entführt?“

„Du kennst den Jungen?“

„Ja!“, sagte ich nur knapp, denn ich wollte nicht mehr heraus rücken.

„Also, Breathley verdankt einigen Herren im damaligen Kreml seinen Reichtum. Nur durch deren Beziehungen kam er immer wieder an gute Diamantenlieferungen.“

„Und was gab es als Gegenleistungen?“

„Waffen! Aber nicht nur einfache Waffen, sondern Teile der edelsten Art!“

„Ich denke, ich weiß was du meinst! Und warum jetzt diese Feindschaft, warum wollten sie Breathley umbringen?“

„Wollten sie nicht, dieser Sicherheitschef kam ihnen nur dazwischen. Ganz einfach, sie brauchten Geld und mit was ist besser Geschäfte zu machen, als mit Diamanten.“

„Und warum jetzt der Junge?“

„Das weiß ich nicht, mein Informant konnte oder wollte mir das nicht sagen!“

„Kennst du dich in den Hafenanlagen aus?“

„Klar und ich weiß auch wo der Junge steckt!“

„Wann?“

Ben schaute mich irritiert an.

„Am Besten noch heute Abend, denn ich denke, sie wissen, dass du kommst!“

„Okay! Wo treffen wir uns?“

„Ich hole euch ab!“

„Nein Ben bleibt hier, ich brauche jemand außerhalb des Hafens!“

Ben schaute etwas enttäuscht.

„Gut, gegen neun werde ich hier sein und lasst euch nicht auf der Straße blicken. Kroschniks Leute sind hier überall!“

„Er ist eh nicht gut auf mich zu sprechen, nach unserem letzten Treffen!“

Diesmal war es Slavika, der mich irritiert anschaute.

„Schon gut, also du holst mich um neun ab!“

Slavika nickte und verabschiedete sich. Nachdem er gegangen war, zog ich meine Waffe aus der Tasche und legte sie auf den Tisch.

„Warum willst du mich nicht dabei haben?“, fragte Ben.

„Ben…, lass es gut sein! Das ist dein erster Einsatz dieser Art, oder?“

„Ja, aber…“

„Nichts aber, Ben ich möchte dich einfach nur aus der Schusslinie halten. Kroschniks Weg säumt Leichen und für ihn wäre es bestimmt ein leichtes, dich aus dem Weg zu schaffen!“

Ben schien einzusehen, dass ich Recht hatte, denn es kamen keine Widerworte mehr. Er öffnete dagegen einen Koffer und sah mich an.

„Was brauchst du alles?“

„Die Kugelsichere Weste auf jeden Fall. Und… am besten alles, was Gregorie eingepackt hat!“

Ich war die ganze Zeit damit beschäftigt, die Sachen zu verstauen, während Ben an seinem Laptop saß und wie wild darauf einhämmerte.

„Ben, was ist los? Nur weil ich dich nicht dabei haben möchte?“

Ich kniete mich neben ihn und legte meine Hand auf seine Schulter.

„Du denkst ich bin eine Flasche, stimmt’s?“

„Red doch keinen Quatsch! Ben ich weiß was du leisten kannst, jedenfalls das Laptop ist deine Welt, damit komme ich nicht klar.“

Das war zwar gelogen, aber irgendwie musste ich ihn doch ruhig stellen.

„Und bisher hast du mir gute Informationen verschafft, sonst wäre ich gar nicht so weit!“

Na ja, über Claire wäre es sicherlich auch gegangen, aber das hätte viel länger gedauert.

„Ich brauche dich hier draußen, ich muss jemanden haben, der für mich eine Tür offen hält!“

Ben lächelte leicht und ich gab ihm einen flüchtigen Kuss. Damit schien er zufrieden zu sein. Seine Tipperei hörte sich jedenfalls nicht mehr so an, als würde er den Laptop zertrümmern wollen.

„Breathley scheint wirklich nicht so ein angesehener Bürger in London zu sein“, sagte Ben plötzlich.

„Warum?“

„Ich habe eine große Datei über Breathley in den Archiven des M I 5 gefunden, jedoch viele mit Passwortzugang!“

Ich stellte mich neben Ben und schaute auf den Monitor. Eine lange Liste mit Daten war zusehen und wie Ben schon gesagt hatte, fast alle mit Passwörter versehen. Ein Punkt viel mir ins Augen. Moskau – A.K.

„Klick das an!“

„Aber das geht nur mit Passwort!“

„Klick es an!“

Er tat, was ich ihm geheißen hatte und wie erwartet ging ein kleines Fenster auf und ein Passwort wurde verlangt. Ich nahm ein Zettel schreib etwas darauf und hielt es Ben vor die Nase.

„Gib dass hier ein!“

Ben schaute mich zwar zweifelnd an, aber gab jedoch alles ein. Ich nahm den Zettel und warf ihn in den Kamin.

Accept!

„Woher weißt du…? Gut ich frage nicht weiter! Mal sehen, was uns diese Datei alles offenbart.“

Gespannt stellte ich mich neben Ben und schaute zu, wie er über den Text scrollte.

„Interessant, interessant! Breathley scheint ein doppeltes Spiel zu betreiben, jedenfalls sind hier alle seine Aktivitäten mit Kroschnik in Moskau aufgeführt, alle Waffenlieferungen und noch so einiges.“

„Also kennen sich Kroschnik und Breathley persönlich!“

„Ja, da besteht keinen Zweifel.“

„Du kennst das Passwort noch?“

„Ja!“

„Dann versuch dein Glück, bei den anderen Dateien, vielleicht findest du etwas Brauchbares!“

Ben’s Finger jagten über die Tastatur.

„Es geht nichts mehr!“, sagte Ben.

„Dann sollte ich mir ein anderes Passwort besorgen.“

„Nein, dein Passwort würde sicher gehen, es ist anders, jemand hat die Leitung gekappt, ich habe kein Zugriff auf das Archiv mehr.“

Das wunderte sogar mich.

„Wenn ich jetzt Claire über das Handy anrufe, wissen sie, dass wir hier sind, Shit!“

Etwas ratlos war ich nun auch. Ich rieb über die Stirn, dachte angestrengt nach.

„Hast du Zugriff auf Gregories Computer?“, fragte ich?

„Ja!“

„Dann mach!“

Ich kniete mich wieder neben ihn und schaute zu, wie er über die Tastatur fegte. Es dauerte nicht lange und wir hatten uns bei Gregorie eingelogt. Schnell war Ben wieder in der Datei über Breathley.

Mir stach den Name Kola ins Auge.

„Klick das hier an!“, meinte ich und zeigte auf das Tool.

Jetzt wurde es interessant, denn Breathley schien Umsummen in dieses Land fließen zu lassen. So langsam klingelten alle meine Alarmglocken im Kopf.

„Kannst du den Werdegang von Breathley aufrufen?“, fragte ich.

Ben nickte. Wenige Sekunden später ging wieder ein Fenster auf.

„Suchst du was Bestimmtes?“, wollte Ben wissen.

„Wo stammt Breathley her?“

Ben durchforstete die Datei und als er gerade das Fenster der Großeltern öffnen wollte, wurde der Bildschirm wieder dunkel.

„Da hat wirklich jemand Angst, dass wir zu viel erfahren!“, kam es von Ben.

„Und dieser Jemand sitzt im Mi-5!“

„Was machen wir jetzt?“

„Ist dir irgendwie möglich zu Claire Kontakt aufzunehmen, ohne dass es bemerkt wird?“

Ben dachte kurz nach und schlug sich plötzlich auf die Stirn.

„Das ich da nicht früher drauf gekommen bin!“

Ich wollte schon fragen, was er meinte, als er wieder wie wild auf seine Tastatur hämmerte. Ich beobachtete den Bildschirm, einige Fenster öffneten sich und schlossen sich wieder.

„Was ist das?“

„Ein Chat! Hier kann man mit anderen kommunizieren.“

„Ich weiß das, aber was hat das mit Claire zu tun.“

„Ganz einfach, in diesem Chat haben ich und Claire eine gemeinsame Freundin.“

„Das ist der Schwulenchat, wie soll…“

„Es gibt auch Lesben, die sich im Schwulenchat befinden.“

Entgeistert schaute ich Ben an, der mich aber keines Blickes würdigte.

„Da ist sie ja!“

Ich schaute Ben zu, wir er ihr detailliert Anweisungen gab, mit was sie sich mit Claire in Verbindung setzten sollte. Etwa fünf Minuten später schloss er das Programm wieder. Ich beugte mich vor und küsste sanft seine Lippen.

„Danke!“, meinte ich und Bens Gesicht überzog ein süßes Lächeln.

*-*-*

Ich ließ mein Nachtfernglas über das Gelände der Werft gleiten. Es war zu meiner Verwunderung nur spärlich bewacht. Das roch regelrecht nach Falle, aber was sollte ich tun, ich wollte Max da raus holen.

Slavika gab mir Zeichen ihm zu folgen. Im Schutz der Dunkelheit schlichen wir auf das Gelände. Vorbei an großen Hallen und Lagern, bewegte sich Slavika zielsicher auf einen großen Bürokomplex zu.

„In dem obersten Stockwerk, soll die Zentrale sein!“, flüstere Slavika.

„Dann los!“

Gemeinsam mit Slavika schlich ich mich zu der großen Einfahrt der Tiefgarage. Auch sie war unbewacht und so sehr ich mich auch umschaute, ich konnte keine Überwachungskamera finden. Ich hörte ein Geräusch und duckte mich im Schatten einer großen Mülltonne.

Nach dem ich mich davon überzeugt hatte, dass da nichts war, schlich ich weiter hinter Slavika her. Plötzlich fielen Schüsse und ich spürte, wie nur dicht an meinem Kopf, die Kugeln vorbei flogen. Slavika schrie kurz auf und stürzte vor mir auf den Boden, wo er regungslos liegen blieb.

„Chris gib auf! Sonst ereilt dich das gleiche Schicksal, wie dein Freund!“

Das war Max Stimme, aber wieso… Schnell war ich umstellt und schaute in mehrere Mündungen. Zwei Leute vor mir traten auf die Seite und tatsächlich… Max erschien.

„So trifft man sich wieder!“, sagte er und ich sah eine Pistole in seiner Hand.

„Du bist nicht…?“, begann ich zu fragen, aber er fiel mir ins Wort.

„Oh Chris, du bist mir voll aufgelaufen! Wenn man jeden Mann so leicht wie dich um den Finger wickeln könnte, hätte mir das schon viel Ärger und Arbeit erspart!“

So langsam schaltete sich mein Verstand wieder ein und mir wurde bewusst, was passiert war. Ich war einem Jüngling auf dem Leim gegangen, hatte ihm geholfen, problemlos aus den Staaten auszureisen.

„Bringt ihn ins Büro und dann lasst uns alleine!“, sagte Max scharf.

Hart wurde ich nach oben gezogen um Slavika kümmerte sich niemand, er lag noch immer regungslos am Boden Zwei Männer führten mich einen langen Gang entlang, bis an eine Tür. Der Eine öffnete sie und vom Anderen wurde ich per Tritt hinein gestoßen.

Wenig später trat Max ein und die zwei Männer verließen uns. Max hatte seine Waffe auf mich gerichtet.

„Das war so leicht, dich um den kleinen Finger zu wickeln. Ich wusste alles über dich.“

„Und Philipp?“, fragte ich.

Max lachte hysterisch auf.

„Ja, der gute Phillip. Er hat mich dabei erwischt, wie ich den Zimmersafe leer räumte und wollte mich zur Rede stellen. Das hat er nicht überlebt.“

„Du hast ihn selber…?“

„Klar, Krischenko war mir ein guter Lehrer, so war es mir ein leichtes Phillip auszuschalten!“

Ich kannte Max nicht wieder, nichts von dem ängstlichen Jungen war übrig geblieben, alles nur gespielt, eiskalt und berechnend. Ich ärgerte mich über mich selber. Zum ersten Mal hatten mich meine Sinne im Stich gelassen, hatte ich mich in einem Menschen so getäuscht.

Max redete und redete auf mich ein, aber mittlerweile nahm ich es fast nicht mehr war. Plötzlich war da ein Gefühl. Ich sah Ben vor mir, den neuen Ben. Erst jetzt spürte ich, was ich für ihn fühlte, wurde mir klar, Ben könnte meine Zukunft sein.

„Chris, du wirkst so abwesend, beschließt du dein Leben oder versuchst deinen Frieden zu finden?“

Ich schaute wieder auf, und hatte direkt die Mündung seiner Pistole vor der Stirn.

„Was soll ich noch groß sagen, du wirst gleich abdrücken und das war es!“

„Wie Recht du doch hast und keiner wird je mitkriegen, was mit dir passiert ist!“

Ich sah, wie sein Zeigefinger, der um den Abzugshahn lag, sich krümmte. Langsam schloss ich die Augen, dachte nur an Ben. Und dann fiel ein Schuss. Doch was war das, kein Schmerz… keine Kälte… kein Loch, in das ich hinabfiel, war ich nun tot, fühlte man dann noch etwas?

Ich öffnete wieder die Augen und sah gerade noch, wie Max, nach hinten wegkippte. Auf seiner Stirn ein Einschuss. Ich drehte meine Kopf nach hinten und traute meinen Augen nicht. Da stand Ben mit ausgestrecktem Arm und die Waffe immer noch in Richtung Max gehalten, jedenfalls dort, wo er eben noch stand.

„Ben?“, flüsterte ich mit leerer Stimme.

Ben war wie in Trance, seine Haltung hatte sich nicht geändert. Etwas benommen stand ich auf und ging langsam auf ihn zu.

„Ben…, alles klar?“

Er reagierte immer noch nicht, stand starr, doch ich konnte in seinen Augen Tränen erkennen. Vorsichtig nahm ich ihm die Waffe ab, im Bewusstsein, dass Ben soeben, seinen ersten Menschen getötet hatte.

Sein Arm sank wie in Zeitlupe nach unten. Er zitterte am ganzen Körper und ich befürchtete er bricht mir zusammen. Er fiel in meine Arme und fing an zu weinen. Sanft streichelte ich mit der freien Hand über seinen Rücken.

Jedes Wort von mir, wäre jetzt zuviel gewesen, ich ließ ihn einfach gewähren. Ich wusste auch nicht, wie er hier hergekommen war, wie er an die Waffe von Slavika gekommen war, die ich in der anderen Hand hielt.

Lange waren wir so da gestanden, bis sich Ben plötzlich von mir löste.

„Ich habe mir Sorgen gemacht und als ich von Claire Nachricht bekam, dass dieser Max gemeinsam mit seinem Vater in dunkle Geschäfte verwickelt war, folgte ich euch. Ich sah wie Slavika niedergeschossen wurde, auch wie du abgeführt wurdest.

Als ich niemand mehr sehn konnte, bin ich zu Slavika gegangen, nahm seine Waffe und folgte einfach den Geräuschen, bis ich euch hier oben fand!“, sprudelte es aus Ben heraus.

„Danke!“, hauchte ich leise, „dass du mir das Leben gerettet hast!“

Ben schaute verlegen zu Boden und wurde rot.

„Chris, ich liebe dich, ich wollte dich nicht verlieren…“

Ich schob mit der Hand sein Kinn nach oben, bis ich in seine Augen blicken konnte.

„Ich weiß! Und ich liebe dich auch!“ gab ich ihm zur Antwort, was ein leichtes Lächeln auf seinem Mund auslöste.

*-*-*

Ich drehte mein Kopf zur Seite, blickte auf Bens schlafendes Gesicht. Ruhig ging sein Atem und er lächelte im Schlaf. Sanft strich ich ihm eine Strähne von der Stirn und drehte mich nun völlig zu ihm um.

Zufall oder Schicksal? Ich wusste es nicht, jedenfalls lag da ein Mann neben mir, den ich liebte, mit dem ich alles teilen konnte. Dieses eine Mal wirklich alles und ich konnte getrost in die Zukunft schauen, denn ich wusste, wir hatten einen gemeinsamen Weg.

Meine Lider wurden schwer. Ich fiel in einen Traum mit Ben, war glücklich und zufrieden.

– Ende –

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