Boycamp IV – Teil 14

Sie legten die Rucksäcke ab und setzten sich auf den Baumstamm.

„Nun, was hast du denn auf dem Herzen?“

An der Pause, die entstand, erkannte Nico, dass der Junge wohl noch nach den richtigen Worten suchte. Er drängte ihn nicht.

Nach einer Weile begann Jonas leise: „Wie würde es bei dir ankommen, wenn ich dir sagen würde, dass du… zum Beispiel, dass du mir gut gefällst?“

Keine plumpe Anmache, keine derben Aussprüche. Eigentlich hatte Nico eher an so etwas gedacht. Aber nun kam Jonas durch eine leichte Kurve. Keine direkte Strecke, er fiel nicht mit der Tür ins Haus.

„Nun, ich würde dich auf jeden Fall fragen, wie genau du das meinst.“

„Na ja, ich denk halt sehr oft an dich. Auch abends oder nachts. Genau erklären kann ich es auch nicht.“

„Meinst du jetzt damit wie ich mit euch umgehe, mich euch gegenüber verhalte oder sprichst du eher mein Aussehen an?“

„Beides.“

Nico lächelte.

„Damit schließe ich aus deinen Worten, dass du mich gern hast. Das wolltest du doch damit sagen, oder?“

„Ja, ich glaube, das trifft es. Irgendwie zumindest. Versteh mich aber bitte nicht falsch, ich bin nicht schwul oder so.“

„Nicht?“

Über seine Reaktion schien Jonas überrascht, es dauerte eine Weile, bis er antwortete.

„Ich denke zumindest, dass ich es nicht bin.“

„Jonas, jetzt mal ehrlich. So etwas denkt man nicht, so etwas fühlt man. Mit anderen Worten: das weiß man.“

Wieder eine lange Pause.

„Aber ich weiß es eben nicht.“

„Dann erklär mir mal klipp und klar, was du mir die ganze Zeit eigentlich sagen willst.“

Nico wurde nicht ungeduldig, auch nicht lauter. Er musste nur irgendwann dieses Gespräch zu einem Ziel führen.

„Ja, gut, ich hatte mal was mit einem jungen Mann. Hat mich für ne Nacht zu sich nach Hause genommen.“

Nico hatte den Namen des jungen Mannes nicht vergessen. So, wie er keine Zeile aus Jonas’ Tagebuch vergessen konnte.

„Und jetzt weißt du nicht, was du mit der damaligen Erkenntnis anfangen sollst, richtig?“

„Ja, so ungefähr.“

„Ich kann nicht in deinen Kopf schauen, Jonas. Was hat dir diese Nacht gebracht? Zum Zeitpunkt und vor allem danach?“

„Ich hab mich nicht geekelt oder so, es war… ganz okay. Eigentlich.“

„Aha, eigentlich. Nach all den Mädchen, die du zuvor hattest, war das mal etwas anderes. Oder sehe ich das falsch? Weißt du, so es geht sogar manchen Ehemännern. Die brechen irgendwann aus dem Einerlei der Ehepflicht heraus und landen nach ein paar Schnäpschen bei einem anderen im Bett. Manchmal mit dem besten Freund, wenn’s komisch läuft. Die zwingen sich zu gar nichts, haben einfach nur Spaß an der Freud und in der Regel kommt das auch nur einmal vor. Aber das sind so kleine Unebenheiten im Eheleben, das passiert gelegentlich.

Und dann gibt es noch die, die einfach kein Glück haben bei Frauen und jene, die sich damit über eine Trennung hinwegtrösten. Du siehst, eine vielfältige Palette. Aber nur wenige machen sich ernsthaft darüber Gedanken, ob sie schwul sind. Klar, das hat sicher auch mal den Bruch einer Freundschaft zur Folge, aber das sind die Geschichten, die das Leben manchmal schreibt. Da darf man nicht gleich in tiefste Verzweiflung stürzen. Man muss sich auskennen im Leben, auch mal über den Zaun schauen. Dann stellt man sehr schnell fest, dass man nicht alleine ist mit solchen Dingen.“

„Und was willst du mir jetzt mit all dem sagen?“

Jonas versuchte offenbar, den Spieß umzudrehen.

„Dass du auf deine Gefühle hören musst. Was meinen sie wirklich und was versuchen sie, dir vorzugaukeln? Die meisten denken nicht darüber nach weil sie panische Angst davor haben, sie könnten am Ende doch schwul sein. Man sollte da eigentlich eine ganz klare Linie ziehen: Entweder ich bin bereit, es so zu akzeptieren wie es ist oder ich lebe den Rest meines Daseins mit einer Lüge. Die allermeisten ziehen das Letztere vor, oft mit dem Ergebnis, dass sie unglücklich sind bis zum Ende ihrer Tage. Die anderen gehen eben dann den Weg, der ihnen vorgeschrieben ist. Oft sogar, nachdem sie sehr lange verheiratet waren und sogar Kinder hatten. Müssen sich ganz neu orientieren, was ein steiniger und mit Hindernissen gespickter Weg bedeuten kann. Aber sie belügen sich nicht mehr. Sich nicht und ihr Umfeld auch nicht und am Ende sind diese Menschen glücklicher. Im Übrigen darfst du jetzt nicht glauben, dass ich dich damit verwirren, unsicher oder gar zu etwas überreden will. Denk einfach mal drüber nach.“

„Woher weißt du das alles, Nico? Lernt man das an der Uni?“

Jonas‘ Frage war ernst gemeint, das erkannte Nico sofort.

„Nein. Das lehrt einem das Leben, wenn man dabei nicht herumläuft wie die berühmten drei Affen. Das gilt übrigens auch für die, die nicht davon betroffen sind. Nur leider sitzt da der Horizont meist sehr tief. Da werden die üblichen Klischees gepflegt wie ein Rosengarten.“

„Dann bist einer von denen, die den steinigen Weg gegangen sind, richtig?“

Das Finale, dachte Nico. Aber nach diesen Gesprächen musste er vor Jonas nichts mehr befürchten.

„Er ist eigentlich ein Leben lang steinig, Jonas. Aber man gewöhnt sich an die Hindernisse.“

„Ist jetzt so ein Hindernis?“

Nico lachte.

„Nein, Jonas, die sind von einem ganz anderen Kaliber. Ich frage dich deshalb auch nicht, was du jetzt mit dem Wissen über mich anfängst, das musst du ganz alleine mit dir selber ausmachen. Ich kann nur mir selbst helfen, mehr steht nicht in meinem Programm.“

Jonas schwieg. Es könnte nichts schaden wenn er über all diese Worte nachdenken würde.

„So, wollen wir weiter? Mir wird jetzt doch zu kalt hier.“

„Da ist aber noch etwas, Nico.“

„Und das wäre?“

„Also damals, als das war… ich meine, ich bin mit dem nicht direkt freiwillig mitgegangen.“

„Du meinst, den Mann, mit dem du dann die Nacht verbracht hast?“ Nico wurde jetzt doch neugierig. Er hatte Jonas bewusst nicht gefragt, was damals vorgefallen war.

„Ja, aber es war anders. Smiff war eigentlich kein Mann in dem Sinn… der war erst Neunzehn. Hat er zumindest erwähnt.“

„Aha. Und was ist da passiert?“

„Wenn man auf der Straße lebt, hat man ja nie Geld irgendwie. Smiff kam eines Abends zur Brücke und hat mich ganz spontan gefragt, ob ich mit ihm gehen würde. Ich hatte den da nie vorher gesehen und er sagte, ich würde das auch nicht umsonst machen.“

Nico runzelte die Stirn.

„Und da konntest du gar nicht anders?“

„Na ja, der Junge war nicht von der Straße. Er sah ganz gut aus, war sogar eher fein angezogen.“

„Aber du wusstest schon, was er von dir will, oder?“

„Er hat es zwar nicht direkt ausgesprochen, aber es gab ja keinen anderen Grund. Und da dachte ich, geh mit, was soll passieren. Ich war da in einer Phase, wo ich wahrscheinlich alles angestellt hätte. Komischerweise hatte ich auch gleich irgendwie Vertrauen in den.“

„Da bist dann einfach mitgegangen.“

„Ja. Der wohnte ganz alleine, ziemlich in der Nähe sogar. So ne gemütliche Dachwohnung, wie ich sie mir manchmal gewünscht habe. Alles war so sauber und adrett. Er hat uns dann ne Pizza gemacht und ich hab mich sofort wohl gefühlt bei dem.“

Nico konnte die Atmosphäre, die dort geherrscht haben musste, förmlich spüren. Er ließ Jonas weiterreden.

„Wir haben eine gute Flasche Rotwein dazu getrunken und irgendwann begann er, an mir herumzufummeln. Ich hatte es ja geahnt, aber trotzdem kam mir das doch eher befremdlich vor.“

Jonas nahm einen Schluck Wasser, dann fummelte er eine Zigarette aus der Jacke. Als sie glimmte, setzte er fort.

„Er hat mir das Hemd aufgeknöpft, seine Hände waren plötzlich überall und dann hat er mich sogar geküsst. Nico, ich weiß auch nicht. Ich war nicht mal so sehr besoffen und der war so lieb, er hat gut gerochen und geschmeckt. Ich hab mich gar nicht wehren können und ehrlich gesagt, fand ich nach einer Weile sogar Gefallen dran. Ich musste an die Weiber denken, die waren überhaupt kein Vergleich zu den Zärtlichkeiten, wie Smiff sie austeilen konnte. Irgendwann lagen wir dann in seinem Bett.“

Es folgte eine Denkpause, in der beide nichts redeten. Nico sah die Situation vor sich, als wäre sie ihm selbst passiert.

„Er hat sogar Gummi parat gehabt. Und wie gesagt, er war unglaublich zärtlich und einfühlsam. Da war nichts mit Gewalt oder ähnlichem. Er hat mir sogar gesagt, wenn ich etwas nicht möchte, hört er sofort auf. Ich hatte das nicht erwartet.“

Er zog lange und intensiv an seiner Zigarette.

„Ich weiß gar nicht, wie lange das so ging. Irgendwann bin ich wohl eingeschlafen. Als ich wach wurde, war es schon hell und Smiff war verschwunden. Er hatte einen Zettel auf den Tisch gelegt worauf stand, dass er zur Arbeit musste und dass es sehr schön mit mir gewesen wäre. Ganz unten in kleiner Schrift stand dann noch, ich sei sehr gut gewesen und ein zwinkerndes Smilie dazu gemalt. Daneben lag ein 100 Euro-Schein. Ich soll mir damit einen schönen Tag machen.“

„Er hat dich alleine in der Wohnung gelassen?“

„Ja, fand ich auch seltsam. So viel Vertrauen hätte ich nicht mal in die Weiber gesteckt. Ich bin dann auch gegangen, aber Smiff hab ich leider nicht mehr wiedergesehen. Dabei habe ich oft an ihn denken müssen und gehofft, er würde wiederkommen.“

„Und seit dem Tag fühlst und denkst du anders, nehme ich an.“

„Ja, ist wohl so. Aber ich weiß eben nicht, ob ich das wirklich so will.“

„Schön Jonas, freut mich dass du so offen und ehrlich bist. Wir können ja noch mal drüber reden, wenn dir danach ist. Aber jetzt lass uns gehen.“

„Halt, Nico, eine letzte Sache noch.“

„Ja?“

„Ich weiß, es geht mich nichts an, aber der Vlado und du..?“

Nico grinste und wuschelte Jonas‘ Haare.

„Stimmt, das geht dich nichts an.“

Es war das gleiche, als hätte er ja gesagt und er wusste, dass das bei Jonas auch genauso ankam.

„Aber ich hätte da noch etwas, Jonas. Als du mich neulich gerufen hast, weil du der Meinung warst, dass jemand in deinem Zimmer gewesen sein musste – was war da der wirkliche Grund?“

„Du hast es geahnt, nicht wahr? Es war… ich wollte in deiner Nähe sein. Erklären kann ich es mir, nicht mal, woher ich die Frechheit genommen habe, dich anzukohlen.“

Nico lachte.

„Ein bisschen musst du schon noch lernen, wenn das mal was werden soll. Komm, wir gehen.“

Sie packten ihre Sachen und liefen los. Schon kurz danach betraten sie den stockdunklen Tannenwald und plötzlich spürte Nico eine Hand am Rücken unter seiner Jacke.

„Darf ich?“, fragte Jonas leise.

Es gab keinen Grund, es abzulehnen. Nico hatte die Sache immer noch im Griff und es lag auch allein in seiner Hand, was geschehen sollte.

Während sie schweigend weiter marschierten, wanderte Jonas‘ Hand weiter nach unten und schlüpfte schließlich in Nicos Gesäßtasche. Er tat, als würde gar nichts passieren.

Die Hand wärmte angenehm und obwohl Jonas hin und wieder einmal fester zupackte, entstand für Nico keine gefährliche Situation.

Es war zu kalt für irgendwelche Dinge und er war viel zu müde, Rick stand über allem im Vordergrund und scheinbar wollte Jonas auch gar nicht mehr. Womöglich befand er sich sogar gerade auf dem Weg, sich selbst zu finden.

Sie bewegten sich auf den herabgefallenen Tannenadeln praktisch lautlos vorwärts, nur ab und zu knistere ein kleines Ästchen unter den Füßen. Gelegentlich blieben sie stehen und lauschten.

Aber der Wald schwieg, kein Heulen, nichts. Wäre die Sache mit Rick nicht gewesen, hätte sich Nico sogar zu so etwas wie Glücksgefühlen hinreißen lassen. Fast zu schnell kamen sie ihm jetzt voran, laut GPS hatten sie nur noch wenige Minuten bis zum Camp.

„Sag mal, deine Äußerung gegenüber Maik, da an der Hundehütte, wie hast du das eigentlich gemeint? Oder andersrum, warum hast du das überhaupt erwähnt? Der Junge war ganz schön durcheinander.“

Jonas lachte.

„Das hast du mitbekommen?“

„Ich habe nicht gelauscht, du warst laut genug.“

„Das ist mir nur so rausgerutscht, ehrlich. Aber trotzdem, der muss doch ein Riesending haben, schätze ich mal.“

„Nun ja, schon möglich. Sind das eigentlich Dinge, die dich jetzt mehr beschäftigen als früher?“

„Eigentlich nicht. Ich mag den Maik, der ist wirklich in Ordnung. Er hat es auch nicht wieder angesprochen.“

Erst kurz bevor sie den Vorplatz erreichten, zog Jonas seine Hand aus Nicos Tasche.

„Die ist jetzt wenigstens nicht kalt geworden“, sagte er mit einem leichten Grinsen im Gesicht.

„Tja, so geht es meiner Arschbacke auch. Hättest aber ruhig mal wechseln können“, gab Nico ebenfalls süffisant zurück.

„Okay, das merk ich mir fürs nächste Mal.“

Als sie den Vorplatz betraten, wurden sie von einem grellen Scheinwerferlicht überrascht. Es war wirklich taghell in dem Moment und somit recht unwahrscheinlich, dass sich jemand unter diesen Umständen heimlich hier zu schaffen machen würde.

Zu Nicos Leidwesen war stand Ricks Hütte noch immer verwaist.

„Gut. Es ist schon alles dunkel im Haus, wir melden uns jetzt nicht mehr zurück. Vielen Dank dass du mich begleitet hast.“

Jonas nickte nur.

Kurz bevor Nico die Treppen nach oben wollte, hielt ihn Jonas noch einmal auf. Er zog ihn rasch zu sich und drückte ihm einen leichten Kuss auf die Wange.

„Das soll jetzt nichts bedeuten“, flüsterte er, „aber das war mir ein Bedürfnis. Schön, dass du hier bist.“

Ohne auf Nicos Reaktion zu warten, verschwand er im Flur zu seinem Zimmer. Nico sah ihm mehr oder weniger verdutzt nach, bevor er nach oben ging. Dieser Kuss reichte für eine leichte Verwirrung.

So ganz einordnen konnte er Jonas nicht, noch nicht. Unter Umständen lag der Fall bei ihm ja völlig anders. So etwas wie richtige Liebe, Zärtlichkeit und Zuwendung schien er in seinem jungen Leben ja überhaupt nicht erfahren zu haben.

Das rein körperliche klammerte Nico aus, das war eine andere Baustelle. Denn das eine schloss das andere zuweilen völlig aus. Sex musste mit Liebe und Zärtlichkeit nicht das Geringste zu tun haben.

Nur gab es für Jonas die Erfahrung mit diesem geheimnisvollen Smiff. Wahrscheinlich war das nicht erste Mal, dass er sich einen Jungen von der Straße geholt hatte. Aber er schien doch ziemlich Anstand zu haben.

Nico war zu müde für irgendetwas, er wollte nur noch schlafen. Er kuschelte sich in seine Decke und versuchte, nicht an Rick und auch nicht an Jonas‘ Erzählungen zu denken. Sie würden ihn aufrühren und in Summe war das etwas viel die letzte Zeit.

Trotzdem stellte er sich vor, dass neben ihm Vlado liegen würde, nackt, auf dem Bauch, so dass er seinen süßen Hintern betrachten konnte. Plötzlich knarrte die Stufe seiner Treppe. Er richtete sich auf und schaltete die Nachttischlampe ein.

Er wartete, bis der Kopf des nächtlichen Besuchers am Aufgang erschien.

„Jonas?!“

„Nico, ich weiß, dass ist blöd jetzt, aber ich.. darf ich ein bisschen bei dir bleiben?“

„Was soll das heißen? Hast du auf einmal Angst im Dunklen? Jonas, das geht nicht.“

Natürlich war seine Müdigkeit nun wie weggeblasen.

„Ich bin auch ganz leise, ich schwörs.“

„Jonas, ich sagte, das geht nicht.“

„Och bitte, ein paar Minuten.“

Nico wurde heiß und kalt. Jonas hatte hier nichts zu suchen und er durfte ihm nicht nachgeben. Darüber gab es nichts zu diskutieren.

„Gut, ein paar Minuten. Komm, setzt dich her und sag mir, was das jetzt bedeuten soll. Oder hast etwas auf dem Herzen?“

Jonas tapste mit seinem Jogginganzug und den nackten Füßen zu ihm ans Bett. Gut, Jonas zählte nicht zu den Menschen, die er von der Bettkante gestoßen hätte, ganz zweifellos nicht. Wie er so dastand, irgendwie hilflos.

Aber Jonas war schon Neunzehn, kein kleiner Junge mehr. Auch wenn er noch auf dem Weg der Selbsterkenntnis war, sollte er wissen, welche Taten bestimmte Handlungen nach sich ziehen können.

„Setzt dich“, sagte Nico, ohne seine Stimme wie sonst verführerisch werden zu lassen.

„Du weißt aber schon, dass du eigentlich hier nichts zu suchen hast und auf die Uhr hast du auch gesehen?“

Jonas spielte verlegen mit seinen Fingern.

„Ist mir alles bekannt. Aber es schlafen doch alle, niemand weiß, dass ich hier bin.“

„Es braucht da unten nur einer aufs Klo zu müssen, während du runtergehst. Was meinst du, was sich derjenige denkt?“

„Was schon? Ich hab Kopfweh und du hast Tabletten.“

„So so. Dann nehme ich an, dass dir das nicht erst jetzt eingefallen ist?“

„Nein, natürlich nicht. Ich bin vielleicht nicht der Hellste, aber saudoof auch nicht.“

Nico verschränkte die Arme.

„Im Übrigen – was war das denn vorhin, unter der Tür?“

Jonas lächelte.

„Hat es dir nicht gefallen?“

Was wäre da für eine Antwort angebracht gewesen?

„Schon, ja, aber vor all den anderen… das war schon recht grenzwertig. Aber jetzt: Warum bist du hier?“

„Ich möchte… kann ich nicht bei dir bleiben heute Nacht?“

Nico blieb stur.

„Du spinnst.“

Doch bereits an der Stelle bröckelte Nicos Mauer, die er sich bis dahin mühsam versucht hatte, aufzubauen. Er kribbelte an seiner Eichelspitze und er wusste ganz genau, dass das der Beginn einer Erektion war. Jonas durfte auf keinen Fall Verdacht schöpfen.

„Nein, ich will doch bloß in deiner Nähe sein. Ich weiß, das verstößt gegen deine Regeln und was weiß ich, aber ich möchte nichts von dir, nur deine Nähe.“

Es war ihm schon so manches in seinem Leben widerfahren, aber das war neu. Dass nur jemand seine Nähe suchte, gab es sicher schon, aber daraus war schon immer mehr geworden.

„Jonas, sei vernünftig. Wenn rauskommt, dass ich mit einem unserer Jungs hier eine Nacht verbracht habe, kann ich nach meinem Studium die Straße fegen. Und drauf habe ich nun mal überhaupt keinen Bock. Und ich kann dann tausendmal schwören, dass nichts passiert wäre. Das glaubt mir niemand.“

„Wer soll es denn herausbekommen? Ich sag sicher nichts.“

Wie er dann so verlegen da stand. Ein kleiner Junge, der schlimme Sachen verbrochen hat und jetzt auf einen Rüffel wartet.

Nico schnaufte. Seine Erektion war komplett und sie brachte ihn beinahe aus der Fassung.

„Ich sage dir jetzt etwas und nur einmal: Du legst dich jetzt hier hin und schläfst. Ich wecke dich frühzeitig und dann gehst du ohne Kommentar nach unten. Haben wir uns verstanden?“

Jonas nickte, sagte aber nichts. Er krabbelte vorsichtig neben Nico ins Bett und deckte sich zu.

„Danke“, flüsterte er noch, dann blieb er liegen ohne sich zu rühren.

Nico löschte das Licht und drehte sich auf die andere Seite.

„Ich glaub das alles nicht“, sagte er halb laut.

An einschlafen war nun nicht mehr zu denken. Er hörte das Atmen des Jungen und natürlich roch er ihn. Aber er zwang sich, an ganz andere Dinge zu denken. Dass Rick immer noch verschwunden war, behielt weiterhin die Oberhand.

Er kam nicht in den Schlaf, egal an was er dachte oder nicht dachte. Der Teufel ritt ihn gerade und das war nicht ungefährlich. Irgendwann drehte er sich vorsichtig auf den Rücken. Jonas lag jetzt zu ihm gedreht, atmete gleichmäßig und ruhig, er schien tief und fest zu schlafen.

Nico mochte das. Oft hatte er Stefan nachts einfach nur so betrachtet, nur war die Situation jetzt eine völlig andere. Trotzdem – ein friedliches Bild bot sich ihm im schwachen Licht der Leuchtziffern der Uhr auf dem Nachttisch.

Er hatte viel erfahren über Jonas, mehr als er sich hätte denken können. Eine Erklärung, warum der Junge jetzt neben ihm lag, hatte er allerdings: Jonas war anhänglich undliebebedürftig, aber ihm fehlte offenbar jede Art von Zuneigung.

Nico fand die augenblickliche Lösung im Prinzip nicht gut, aber es wäre schade, wenn Jonas hier nicht wieder Halt bekommen würde. Dann spürte er, wie sich eine Hand an seinen Körper schmiegte. Ganz sacht, als würde das zufällig passieren.

Also schien es nur so, als würde Jonas schlafen. Der Bengel war hellwach. Sollte er sie wegschieben? Ihn anmaulen, er soll das gefälligst bleiben lassen? Besser wäre, ihn sofort in sein Zimmer zu schicken. Aber wenn immer alles so einfach wäre.

War es denn nicht ein Traum, sich von diesem schnuffigen Kerlchen befummeln zu lassen? Die Hand gelangte jetzt an den Bund seiner Short. Dort verharrte sie eine Weile und Nico war klar, dass der Junge auf eine Reaktion wartete.

Er hatte zwar die Augen geschlossen und auch sonst rührte er sich nicht, aber Nico war sicher, dass er zumindest innerlich in heller Aufruhr war. Als sich die Finger unter den Bund seiner Hose schoben und die nackte Haut berührten, überfiel Nico ein wohliger Schauer.

Er war sehr empfänglich für solche zärtlichen Berührungen und oft genug vermisste er sie. Darum ließ er Jonas gewähren. Er würde einfach passiv bleiben, damit konnte er sich selbst damit herausreden, dass er verführt worden war.

Daran hatte er ja keine Schuld. Liegen bleiben wie ein Brett, nicht rühren, nichts tun, egal was der Junge auch anstellen wollte. Die warme Hand schob sich über die Hüfte zu seinem Bauch hin und dann erreichten die Finger seine Schamhaare.

Längst hatten die Finger erspäht, dass sein Schwanz knallhart angewachsen war, aber sie berührten ihn nicht. Die Wanderschaft ging erst weiter bis zu seinen Hoden und sein Körper zog sich kurz zusammen, als sie zwischen den Fingern hin- und hergerollt wurden.

Dieser Bengel wusste anscheinend ganz genau, wie er einen Mann um den Verstand bringen konnte. Nico nahm an, dass er das von diesen geheimnisvollen Smiff gelernt hatte. Aber er blieb weiterhin passiv, auch wenn sein Atem jetzt schneller und auch etwas lauter ging.

Doch Jonas ging noch einen Schritt weiter. Ein Finger wanderte immer weiter nach unten und suchte sich nun seinen Weg in die Ritze. Berührungen an der Stelle war Nico durchaus gewohnt, aber fast nie hatte er dort den Finger eines anderen gespürt.

Er zuckte zusammen, als der Finger Einlass suchte und auch fand. Jonas hob den Kopf und sah ihn an, sein Gesicht konnte Nico in der Dunkelheit nur erahnen. Für eine Abwehr war es zu spät, er wollte es auch gar nicht mehr. „Lass ihn doch“ redete das Gewissen auf ihn ein.

Jonas‘ warmer Atem streichelte sein Gesicht und sorgte dafür, dass er in eine Art Trance verfiel. Dann schlug der Junge entschlossen die Bettdecke zurück und griff unter Nicos Hosenbund, dieses Stück Stoff wollte er wohl unbedingt und verständlicherweise loswerden.

Nico hob den Bauch an, so dass der Junge kein Problem damit hatte, die Hose bis an die Füße herunterzuziehen. Dann tastete sich Jonas vorsichtig an Nicos bestes Stück heran, aber das gelang ihm ohne Schwierigkeiten.

Zarte Finger wanderten über jeden Millimeter und Nico konnte unter diesen Umständen nicht mehr passiv bleiben. Sein ganzer Körper kribbelte und die Mauer stützte vollends ein. Es gab nichts mehr, was das aufhalten konnte.

Jedes Wort wäre zu viel gewesen, hätte das erotische Knistern in ihrer Atmosphäre empfindlich gestört. Es passte einfach mal wieder alles zusammen: Kein Laut war zu hören, im Zimmer war es kuschelig warm und nur die Leuchtziffern der Weckuhr zauberten ein schwaches, unwirkliches und heimeliges Licht auf das Bett.

Zeit spielte keine Rolle, auch wenn es schon nach Mitternacht war. Nico versuchte jetzt mit Gewalt, jede gedankliche Störung auszuschalten. Er vertrieb die anderen Gesichter aus seinem Kopf und ließ die Stimmen der Vernunft ersticken.

Es war zu schön, um von solchen Sachen abgelenkt zu werden. Aber viel musste er dafür nicht tun, denn als er sich dann seinerseits an Jonas‘ Hose zu schaffen machte, zerstoben die störenden Elemente wie Nebel in der Sonne.

Jonas kam ihm ebenfalls darin entgegen, sich des Kleidungsstücks zu entledigen und nun wurden seine Berührungen forscher. Er umfasste Nicos Penis und näherte sich ihm mit seinem Kopf.

Nico ahnte, was da kommen würde und überlegte kurz, ob er das wirklich zulassen wollte. Aber dann hatten sich Jonas‘ Lippen bereits an seiner Eichel festgesaugt und für einen Rückzug war es zu spät.

Zum ersten Mal fasste Nico dann auch zu. Der Penis des Jungen hatte eine normale Länge und war leicht nach rechts gekrümmt, die Hoden waren für sein Alter ziemlich groß. Das hatte Nico ja schon im Keller bemerkt.

Ohne Kommentar kniete er sich über Jonas und drehte sich um, die 96 war ihm ja auch immer willkommen gewesen. Seine Nase fing den verführerischen Duft auf, der von Jonas ausging und zwischen seinen Beinen war er besonders intensiv.

Da Jonas nun kräftig zu saugen begann, dauerte es nicht lange, bis er es nicht mehr halten konnte. Jonas spürte das und entließ Nicos Schwanz rasch aus dem Mund, so dass ihn das Sperma im Gesicht und auf die Brust traf.

Sekunden später bäumte auch er sich auf, Nico drehte seinen Kopf zur Seite und staunte dann über die Menge der Spritzer, die seine Brust und die Schulter trafen. Immer wieder zuckte Jonas‘ Körper und nur allmählich sank er zurück.

So lagen sie eine Weile da, noch immer war kein Wort gefallen und auch jetzt schwiegen sie. Was hätte es auch zu bereden gegeben? Nico nahm seine Short und begann damit, Jonas‘ Gesicht, Hals und Brust abzuwischen, das gleiche tat er bei sich.

Dann beugte er sich über ihn und rasch umschlossen sich ihre Lippen. Nico hatte das Gefühl, der Junge wolle ihn aussaugen, so heftig verlief dieses Küssen. Lange, sehr lange war es her dass er aufwachte und ein Arm lag um seinen Bauch.

Er schreckte nicht hoch, als er das spürte, er wusste sofort sehr genau, wem er gehörte. Nico rührte sich nicht und auch wenn die Situation ganz allgemein schon fast abstrus war, so ließ es sich jetzt eh nicht mehr ändern.

Jonas rührte sich leicht und seine Hand wanderte wie automatisch auf Nicos Brust. Auch das ließ er sich gefallen, davon abgesehen war ihm diese Berührung nicht unlieb. Jonas räusperte sich, er wurde wach.

Fast gleichzeitig nahm er erschrocken seinen Arm zurück.

„Ups, das wollte ich nicht“, sagte er noch völlig verschlafen.

Nico lächelte.

„Das ist, gemessen an dem, was heute Nacht passiert ist, kein Beinbruch.“

„Nico, du bist so entsetzlich geil“, hauchte Jonas dann, „ich will mehr… “

Nicos Mund formte sich zu einem Lächeln.

„Ich hab aber nichts mehr drin, du hast alles rausgesaugt, was ich zu bieten habe.“

Jonas setzte sich auf.

„Das glaube ich dir nicht.“

Nico sah auf die Uhr und erschrak. Es war kurz vor Sechs und er wusste, dass Holzmann schon früh da unten zu Gange war. Es mochte ihm egal sein was hier im Haus passiert, aber ein Risiko konnte Nico nicht eingehen.

„Wir haben leider keine Zeit mehr, das zu überprüfen, Jonas. Du ziehst dich jetzt an und verschwindest von hier. Du gehst leise, still und heimlich in dein Zimmer und du wirst niemals hier oben gewesen sein.“

Der Junge gehorchte zum Glück. Er gab Nico einen Kuss auf die Nase.

„Es war wunderbar mit dir.“

Das hörte Nico immer wieder gern, aber für Gefühlsduseleien blieb ihm kein Spielraum.

„Geh jetzt und pass auf, dass dich keiner sieht. Tritt nicht auf die zweite Treppe, kein Licht, nicht stolpern und kein Türknallen. Verstanden?“

Jonas hatte sich inzwischen angezogen und Nico machte kurz Licht, damit er die Treppe finden konnte. Jonas winkte noch einmal kurz, lächelte und tapste zur Luke, um Sekunden später verschwunden zu sein.

Nico löschte das Licht wieder und lag er da und starrte zur Decke. Was hatte er getan? Warum konnte er es nicht verhindern? Er schimpfte sich eine billige Hure. Er hätte den Jungen noch an der Treppe hinauswerfen sollen, ja müssen.

Viel zu weit hatte er es kommen lassen und alles, was diese Nacht geschah, war schön, aber falsch. Wenn man Jonas nicht erwischte, und davon ging er aus, dann würde es tatsächlich nie jemand erfahren.

Dem Jungen vertraute er aus seinen Gefühlen heraus, er würde ihn nicht verraten.

Aber war das bisher nicht immer so? War er bei Stefan oder Marco anders vorgegangen? Wann hatte er selbst die Initiative ergriffen?

War es nicht immer so, dass sie ihn so lange gereizt hatten, bis es keinen Rückzug mehr gab?

Die vielen Fragen kochten in seinem Gehirn. Er schnüffelte am Kopfkissen und nicht nur dort roch er Jonas.

Dummerweise waren auch ein paar Spritzer seines Spermas auf dem Bettlaken gelandet. Aber am Ende war das auch schon wieder egal. Nico fühlte sich mit einem mal richtig schlecht.

Er konnte eh nicht mehr schlafen und so kroch er aus dem Bett und brachte etwas Ordnung in das Chaos. Doch seine nassen Shorts, die er in die Wäsche geben wollte, suchte er vergebens.

„Dieser Lausebengel“, fluchte er, aber böse war er Jonas nicht.

Er hätte es vielleicht genauso gemacht.

 

This Post Has Been Viewed 420 Times

Rating: 5.00/5. From 1 vote.
Please wait...

Schreibe einen Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.