Good bye Amerika – Teil 8

Bald wurde mir klar, warum alle so gegrinst hatten. Als mich Molly vors Haus führte, sah ich den Grund. Da stand ein nagelneues Mountain Bike.

„Das ist deins!“, hörte ich Bobs Stimme hinter mir sagen.

Ich drehte mich um.

„Das war doch sicher … teuer…“

„Sieh es als unser Willkommensgeschenk an“, sagte Abby neben Bob.

„Ich hoffe, der Sattel ist richtig eingestellt… du bist ja ungefähr so groß wie ich… da bin ich Maß gestanden, … auch für den Helm“, meinte Lesley, den er mir jetzt reichte.

Ich lief die paar Treppenstufen herunter, bis ich vor meinem neuen Eigentum stand. Molly hielt mir einen Schlüssel entgegen.

„Für dein Schloss, also nicht verlieren.“

Dankend nahm ich den Schlüssel entgegen.

„Dann können wir ja los. Wann sollen wir zurück sein?“, fragte Molly.

Aus dem Augenwinkel heraus sah ich, wie Lesley mit zwei weiteren Fahrrädern ankam.

„So gegen sechs“, meinte Abby.

„Okay. Also los“, meinte Molly und schwang sich auf ihr Rad.

Ehrfürchtig bestieg ich meins. Lesley rollte bereits zur Ausfahrt hinaus.

„Komm Tom, wir haben noch etwas vor“, meinte Molly und rollte Lesley hinter her.

*-*-*

In der City musste ich schon mehr Acht geben. Hier rollte ein Auto nach dem Anderen neben uns vorbei.

„Was willst du zuerst sehen?“, rief Molly.

„Ähm, ich kenne mich hier nicht aus. Ich überlass die Führung völlig euch.“

„Gut, dann zeigen wir dir zuerst Mal die Schule.“

Stimmt, die Schule war hier in der Innenstadt. So radelte ich brav hinter den beiden her. Nach der Ampel bogen beide links ab. Etwas Schierigkeiten hatte ich schon mit der anderen Fahrweise.

Jedes Mal, wenn wir abbogen, war ich versucht, auf die andere Seite zu rollen. Doch spätestens nach dem dritten Hupkonzert der Autos war ich geheilt. Vor uns tauchte ein großer Kasten auf.

Das Gebäude war etwas nach hinten versetzt und vor dem Gebäude war ein riesiger überdachter Fahrradständer. Das schien also die Schule zu sein. Wie vermutet, fuhren Molly und Lesley zu diesem Fahrradständer und stiegen ab.

„Wir stellen hier unsere Fahrräder unter, von hier aus kann man alles gut zu Fuß erreichen“, erklärte Lesley.

So stieg ich ebenfalls ab und nahm die Kette, um das Rad anzuketten.

„Was mache ich mit dem Helm?“, fragte ich.

Molly nahm ihn mir aus der Hand und steckte ihn an einen Halter am Lenker.

„Dafür ist der zweite, kleinere Schlüssel“, merkte Molly an.

Cool, die hatten wirklich an alles gedacht. Ich folgte Molly und Lesley die Treppen zur Schule hinauf.

„Zeigen können wir jetzt nichts, denn sie ist ja zu“, meinte Molly, „aber bisschen sehen kannst du schon was.

Also drückten wir unsere Nasen an der Glastür platt. Ich konnte einen hoch interessanten Flur mit Schränken sehn, wie es ihn fast in jeder Schule gab.

„Ich hab langsam Hunger auf ein Eis“, sagte Lesley neben mir.

Gute Idee. So liefen wir wieder die Treppe hinunter bis zur Straße.

„Welche Eisdiele nehmen wir?“, fragte Molly.

„Wie viele Eisdielen habt ihr denn?“, fragte nun ich.

„Eine am Anfang und eine am Ende der Hauptsraße“, antwortete Lesley.

„Und welche nehmen wir?“

„Ist eigentlich egal, gehört demselben Besitzer.“

„Lass uns erst ein bisschen Bummeln, vielleicht treffen wir ja jemand.“

„Miss-ich-bin-die-Schönste-in-der-Schule?“, fragte Lesley.

„Nein, auf die habe ich bestimmt keine Lust“, kam es von Molly und schon setzte sie sich in Bewegung.

„Hast Recht, die wollt ich nicht mal als Freundin“, erwiderte Lesley.

Ich wollte lieber nicht nachfragen, über wen sie da redeten. Ich lief ihnen einfach nach. Es war schwül, die Wolken waren dichter geworden und keine Sonne war mehr zu sehen. Aber das schien den beiden egal zu sein.

So lernte ich verschiedene Boutiquen kennen, in denen sich Molly stets einkleidete. Einen Musikladen und andere diverse Läden, in die mich Lesley hineinzog. Irgendwann waren wir dann an der Eisdiele angekommen.

Hier war die Hölle los. Anscheinend waren die ganzen Jugendlichen der Stadt hier versammelt.

„Hi Molly…Lesley“, rief jemand.

Die beiden winkten und gingen auf diesen Jungen zu. Er kam mir bekannt vor und es stellte sich heraus, dass es dieser Horaz war, den ich gestern schon mit Lesley gesehen hatte.

„Du bist Tom, oder?“, fragte er mich.

„Ja.“

„Du bist Stadtgespräch.“

„Ich?“

„Ich habe es befürchtet“, kam es von Molly.

„Was denn?“, wollte ich wissen.

„Erinnerst du dich an Mrs. Greenwich? Die Frau, die gestern zur Sprechstunde da war?“

„Ähm ja…“

„Sie ist so gut wie eine Kettenmail. Innerhalb einer Stunde weiß die ganze Stadt, was sie weiß.“

„Aha… und was weiß sie?“

„Wo soll ich anfangen?“, fragte Horaz.

Ich sah ihn fragend an, da er sich darüber wohl sehr amüsierte.

„Also ich habe gehört, du bist ein elternloses Kind, das von einem Heim zum anderen gewechselt hat und nun von Mollys Eltern aus diesen derben Sümpfen befreit worden bist“, erklärte Horaz.

„Stimmt doch gar nicht“, begann ein Mädchen neben Horaz, „hi, ich bin Sophie. Also ich habe gehört, Tom ist ein Erbe der Mafia und muss sich nun in Australien verstecken, um nicht der Blutrache der Verwandtschaft zum Opfer zu fallen.“

Lesley begann unkontrolliert neben mir zu lachen und auch Molly konnte sich nicht zurückhalten.

„Alles Quatsch“, mischte sich ein Typ ein, „ Tom soll der uneheliche Sohn eines Pfarrers und seiner Küsterin sein.“

Das war jetzt wirklich zu viel, nun konnte ich auch nicht anders als zu lachen.

„Du hast die Version mit dem ausgesetzten Kind vergessen“, kam es von Horaz.

Mittlerweile waren wir alle am Lachen.

„Und was stimmt jetzt?“, fragte Sophie und mein Lachen verstummte abrupt.

„Oh…, ich bin wohl in ein Fettnäpfchen getreten…“

„Bist du nicht, Sophie. Das geht halt niemanden etwas an“, verteidigte mich Molly.

„Schon gut Molly, irgendwann werden sie wohl doch die Wahrheit erfahren, warum dann nicht durch mich?“

„Bist du sicher?“, meinte Lesley und legte seine Hand auf meine Schulter.

Was wusste er nun schon wieder. Klar, Molly hatte ihm sicher alles erzählt.

„Ist es so schlimm?“, meinte der Typ, der mich als Pfarrerssohn ausgab.

„Meine Mutter ist vor Jahren weggelaufen und mein Vater hatte nach einem Besäufnis einen Zusammenbruch.“

„Aber deswegen verlässt man doch nicht gleich seinen Dad“, meinte Sophie.

„Es war nicht sein erstes…“, begann ich und drehte mich zur Fensterscheibe, als wollte ich die Sorten von Eis studieren.

„Oh… das tut mir leid“ kam es von Sophie.

„Hast du dir schon dein Eis ausgesucht“, fragte Lesley.

Er wollte vom Thema ablenken. Was ihm aber sicherlich nicht gelang, so gedrückt, wie jetzt jeder drein schaute.

„Sophie, es ist so wie es jetzt ist besser so, glaub mir“, meinte ich, nachdem niemand mehr einen Ton sagte, „ reden wir nicht mehr darüber… okay?“

Alle nickten.

„Ach so, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt“, meinte der Pfarrers Typ, „ich bin Joshua.“

Er streckte mir seine Hand entgegen und ich schüttelte sie artig.

„Dass ich Tom bin, wisst ihr ja bereits“, meinte ich und versuchte etwas zu grinsen.

„Es sind zwar in der Zeitung noch keine Bilder von dir erschienen, aber davon gingen wir aus“, grinste Horaz neben mir.

„Der ausgesetzte Pfarrerssohn mit Mafiaverbindungen möchte jetzt auf jeden Fall ein Eis“, meinte ich und alle lachten wieder.

Wir kauften uns alle ein Eis und versammelten uns wieder vor dem Eisladen. Jetzt hagelte es natürlich fragen über Amerika, meine Hobbies… Freundinnen. Ich beantwortete natürlich alles schön brav, bei der Freundin verneinte ich.

Joshua meinte, bei meinem Aussehen glaubte er das nicht. Als Sophie ein ähnliches Kompliment vom Stapel ließ, wurde ich rot.

„Nein, ich hatte noch nie eine Freundin, ehrlich!“, verteidigte ich mich.

„Der Arme. Frischfleisch an unserer Schule“, kam es von Horaz, dessen Eis sich bereits auf seiner Hand verteilte.

„Erzählt ihnen einfach etwas von meinem italienischen Onkel von Sizilien, dann lassen sie mich sicher in Ruhe“, sagte ich.

Und eine weitere Lachsalve ging auf mein Konto. Wie auf Kommando schauten plötzlich alle nach oben und ich wusste nicht mal, warum.

„Was ist?“, fragte ich, denn keiner sagte was.

„Spürst du diesen Wind?“, fragte Lesley.

„Ja… warum? Ich finde den angenehm.“

„Dieser Wind, den du als so angenehm empfindest, ist das sichere Zeichen für einen ordentlichen Sturm“, erklärte Horaz.

„Stimmt, wir sollten uns auf den Heimweg machen“, sagte Molly.

„Wird es so schlimm?“, fragte ich.

„Das weiß nie jemand, aber provozieren möchte es auch keiner, dies heraus zu finden“, sagte Horaz.

„Okay, dann sag ich mal Bye“, sagte Sophie und verdrückte sich.

Ich spürte selbst, wie dieser Wind nun immer stärker wurde.

„Dann lass uns zurück zu den Rädern laufen“, sagte Lesley.

„Wo habt ihr sie stehen?“, fragte Joshua.

„An der Schule“, antwortete Molly.

„Gut, da habe ich meins auch, dann kann ich mit euch laufen.“

Ich hatte schon bemerkt, dass Joshua mich des Öfteren fixierte, aber ich machte mir da keine weiteren Gedanken drum. Ich folgte einfach den anderen, ohne Wissen, was da jetzt wirklich auf uns zukam.

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