Good bye Amerika – Teil 16

Ich rubbelte mein Haar, während Gustav sich neben mir kräftig schüttelte. Was wiederum Molly und Lesley dazu veranlasste, laut los zu protestieren, weil sie ja schon trocken waren und durch Gustavs Fellregenschauer ordentlich nass wurden.

„Och Gustav, musste das sein?“, meinte Molly und tupfte sich ab.

„Jeder, wie er es verdient“, meinte Berry neben mir.

*-*-*

Es war schon fast dunkel, als Abby mit uns die Hofeinfahrt hinauf fuhr.

„Das war ein richtig schöner Tag“, sagte Molly und stieg aus.

Na ja, wenn man den Morgen verdrängte, konnte man ihr Recht geben. Sie schien zu merken, was ich dachte und sah mich mitleidig an.

„Schon gut“, sagte ich und ließ Gustav aus dem Kofferraum.

„Und jetzt ab ins Haus, Darleen hat den Tisch voll geladen, dass er sich bald durchbiegt“, meinte Abby und fuhr den Wagen in die Garage.

Hunger hatte ich jetzt wirklich. Das ausgelassene Baden und die viele Toberei im Wasser hatten meinen Magen auf Hunger gestimmt. Ich brachte meine Sachen auf mein Zimmer, bevor ich die Küche betrat.

Abby hatte nicht übertrieben, der Tisch stand wirklich voll.

„Ich habe das Auto gehört, sind nun alle da?“, hörte ich Bob im Flur rufen.

„Ja Schatz, wir können essen“, kam es von Abby, die gerade zur Haustür herein kam.

Zusammen mit Molly betraten sie die Küche und wir setzten uns alle an dein reich – na ja ‚gedeckten’ Tisch konnte man nicht mehr sagen – er war hoffnungslos überladen.

„Erwarten wir Gäste?“, fragte Bob.

„Nicht, dass ich wüsste“, entgegnete Abby.

„Wer weiß, wer noch kommt“, meinte Darleen nur und wischte weiter ihre Arbeitsplatte ab.

Und wie auf ein Signal hörten wir die Haustür gehen.

„Wo seid ihr denn alle?“, hörte ich Lesley rufen.

„Wäre ja schon komisch, wenn es bei uns was zu Essen gibt und Lesley würde nicht erscheinen. Wie konnte ich das vergessen?“, sagte Abby lächelnd.

„Stimmt, er gehört ja praktisch zur Familie“, lästerte Bob.

Aber neben Lesley erschien auch Berry, was die beiden anscheinend verwunderte.

„Hallo Leute… Mum ist schon bei ihrem Nachtdienst und ich dachte…“, begann Lesley.

„… bei uns gibt es sicher etwas Essbares, oder?“, beendete Abby den Satz.

„Hallo Berry. Nett, dass du auch mitgekommen bist“, begrüßte Bob ihn.

Etwas verlegen standen nun beide im Türrahmen.

„Jetzt setzt euch endlich hin, füttern werde ich euch nicht!“, kam es von Darleen, die noch zwei Gedecke auflegte.

Mit einem breiten Grinsen setzten sich die beiden zu uns an den Tisch. Lesley zu Molly und Berry neben mich.

„Morgen muss ich nach Canberra, Medikamente holen, soll ich jemandem etwas mitbringen?“, fragte Bob der sich den Teller mit einem großen Steak belud.

„Was ist das für Fleisch?“, fragte ich, bevor noch jemand anderes Bobs Frage beantworten konnte.

„Büffel. Schon mal gegessen?“, fragte Bob.

Ich schüttelte den Kopf. Ohne etwas zu sagen, stach Bob mit der Gabel in ein Büffelsteak und lud es mir auf den Teller.

„Ein Genuss, sage ich dir!“

„Aha…“, meinte ich.

„Du kannst mir zwei Bücher holen, die ich hier nicht bekomme und bestellen müsste“, kam es von Abby.

„Über die homöopathischen Heilmethoden, die du angeschnitten hast?“

„Ja genau die, ich schreibe dir die Titel raus.“

„Wolltest du dich nicht deswegen mit Ebeny treffen?“

„Habe ich schon und er hat mir Einiges erklären können. Die Bücher brauche ich aber zur Pflanzenbestimmung. Ich bin eben kein Aboriginee, die können das anscheinend von klein auf.“

Berry nahm sich einen Löffel voll aus der Schale mit Fleisch und Paprika, während ich mein erstes Stück Büffelfleisch in den Mund steckte. Boah, schmeckte das gut.

„Und, wie schmeckt es dir?“

„Super!“

„Dachte ich es mir doch“, meinte Bob und aß weiter.

„Gibt es hier noch andere Sachen, die du nicht kennst?“, fragte Lesley.

Ich schaute mich auf dem Tisch um, konnte aber nichts entdecken und schüttelte den Kopf.

„Hast du schon mal Krokodil gegessen?“

„Krokodil?“, fragte ich entsetzt.

„Ja das Tier, mit den vielen Zähnen im Maul, das auf dem Boden kriecht und mega groß ist“, gab Molly scherzhaft von sich.

„Nein…, das kann man essen?“

„Ja klar, frag meinen Bruder, der isst es gerade…“, sagte Lesley.

Berry, der sich gerade eine Gabel voll in den Mund schob, schaute verlegen drein.

„Nicht, dass du glaubst, Darleen fährt jeden Abend so ein Mahl auf, Tom. Ich habe mir das für heute Abend mal gewünscht“, kam es von Abby.

„Ich glaube, Darleen sollte mal erklären, was da alles steht“, sagte Bob und schob das nächste Stück Fleisch in den Mund.

„Was soll ich da groß erklären, esst einfach und gut ist!“

Lächelnd schob ich mir das nächste Stück Büffelfleisch in den Mund und schaute dabei immer wieder zu Berry, der sich mit Heißhunger über sein Krokodil her machte.

*-*-*

Wir waren noch eine Weile in Mollys Zimmer gesessen, als Lesley und Berry aufgebrochen waren. Nun saß ich wieder alleine in meinem Zimmer, hatte eben mein Tagebuch zurückgelegt und starrte nun die Decke an.

Meine Gedanken kreisten um Berry. Ich gestand mir ein, ihn absolut niedlich zu finden, ja, mich etwas in ihn verguckt zu haben. Aber eine zweite Stimme meldete sich in meinem Kopf, dass Berry sicher nicht genauso fühlte.

Wie sollte er auch? Sicher war er der Mädchenschwarm in seiner Klasse – bald meiner Klasse. Ich würde ihn von der Früh bis mittags sehen und später natürlich auch. Ich seufzte und kuschelte mich in meine Decke.

Mein Blick fiel auf Gustav, der wie immer vor meinem Bett lag. Sein Kopf ruhte auf seinen Pfoten und ich in seinem Blickfeld.

„Was soll ich nur tun, Gustav? Ich bin auf dem besten Wege, mich in Berry zu verlieben und weiß nicht mal, ob ich da überhaupt eine Chance habe.“

Gustav hob den Kopf, senkte ihn aber gleich wieder, als ich ihn zu kraulen begann.

„Oh Mann, mir ist noch nie so etwas Süßes unter die Augen gekommen…“, schwärmte ich.

Es klopfte an der Tür.

„Ja?“, sagte ich erschrocken.

Die Tür öffnete sich und Bob schaute herein.

„Alles klar bei dir?“, fragte er und ich nickte.

Er schloss hinter sich die Tür und setzte sich zu mir ans Bett.

„Gustav hat dich wohl wirklich als neues Herrchen erwählt“, meinte er und streichelte Gustav über den Kopf.

„Ich wollt nur noch mal nach dir schauen…“, sagte Bob leise.

„… es tut mir Leid“, sprach ich leise.

„Es muss dir nicht Leid tun, Tom. Wir haben die Situation falsch eingeschätzt und du hast falsch reagiert… So trifft uns beide die Schuld.“

Ich starrte wieder zur Decke.

„Ich bin ausgetickt, das hätte ich nicht machen dürfen.“

„Aber nur so hast du dir das von der Seele geredet, was dich bedrückte.“

Meinen Kopf drehte ich zu Bob und unsere Blicke trafen sich.

„Alkohol ist keine Lösung… nur spukten mir die Worte im Kopf herum… einfach alles vergessen.“

„Ich weiß nicht, ob du irgendetwas vergessen solltest. Es gehört zu deinem Leben, das bist du, der vor mir liegt. Was geschehen ist, hat das aus dir gemacht.“

„Gemacht…“, ich musste kurz hysterisch auflachen.

„Tom, jeder ist etwas Besonderes. Auch du!“

„Ich bin nichts Besonderes – ich bin ganz normal.“

Bob lächelte.

„Ich würde sagen, wir vergessen das Ganze einfach, okay?“

Ich nickte. Bob breitete seine Arme aus und ich richtete mich auf, um ihm in die Arme zu fallen. Eng schmiegte ich mich an Bobs Brust. Eine Wärme durchflutete meinen Körper, wie ich sie schon lange vermisst hatte.

Bob schien zu merken, dass mir das gefiel, Er behielt mich einfach in seine Armen.

„Habe dich lieb“, sagte Bob leise.

Eine einzelne Träne verließ mein Auge und bahnte sich ihren Weg die Wange hinunter.

„Danke, ich dich auch, Bob.“

Bob lockerte zuerst die Umarmung und ließ dann schließlich los.

„So, jetzt schläfst du aber, morgen ist wieder ein langer Tag.“

„Danke!“

„Wofür?“, fragte Bob verwundert.

„Dass du für mich da warst…“

„Abby hat es dir ja angeboten. Das ist kein Problem.“

„Für mich schon, weil ich es nicht gewohnt bin, Zuha… in den Staaten hatte ich niemanden zum Reden.“

„Dann gewöhne dich daran, hier ist Familie angesagt, zu der du jetzt gehörst!

Familie – das hatte ich mir immer gewünscht… eine Familie… eine intakte Familie. Bob wuschelte mir über das Haar.

„Okay… Tom, schlaf gut, bis morgen. Gute Nacht.

„Gute Nacht Bob.“

Er lächelte noch einmal und verließ das Zimmer wieder. Ich dagegen starrte wieder zur Decke, den Kopf voller Gedanken. Als ich herzhaft gähnen musste, beschloss ich, die Lampe auszumachen.

Irgendwann muss ich dann wohl eingeschlafen sein. So unruhig ich im wachen Zustand war, umso ruhiger gestalteten sich nun meine Träume. Immer wieder hatte ich Berry vor Augen. Aber auch mein Dad erschien im Traum.

Nur, dass er diesmal nichts sagte, sondern nur ruhig da stand. Sein Gesicht war blass und bleich. Er sah alt aus… er war alt… das hatte der Alkohol aus ihm gemacht. Irgendwie fiel ich in ein schwarzes Loch und der Rest der Nacht blieb traumlos.

*-*-*

Das Winseln von Gustav weckte mich wieder. Draußen war schon die Sonne langsam am Aufgehen. Ich öffnete meine Augen und sah Gustav vor meiner Zimmertür stehen. Er musste sicherlich Gassi, so gut kannte ich mich aber nicht aus.

Also erhob ich mich schweren Herzens und ließ Gustav hinaus. Da die Haustür verschlossen war, beschloss ich, Gustav auch die Haustüre zu öffnen. Gustav lief brav neben mir her. Dort angekommen, schloss ich die Haustür auf und ließ Gustav hinaus.

Ich selber ging auf die Veranda. Da ich nur Shorts anhatte, fröstelte mich etwas. Ich verschränke die Arme vor mir.

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