Good bye Amerika – Teil 15

Wie verabredet standen Berry und Lesley bereits vor ihrem Haus und warteten auf uns. Beide stiegen sie zu mir auf die Rückbank.

„Und weiter geht es“, meinte Abby und gab Gas.

Griffith schien doch recht groß zu sein. Jedenfalls kam es mir so vor, als würden wir ewig fahren. Irgendwann wurden die Häuser weniger und wir erreichten den Stadtrand.

„So, alles aussteigen!“, hörte ich Abby sagen, als sie den Wagen abbremste.

Ich stieg aus und lief nach hinten. Während nun Berry und Lesley auch den Wagen verließen, ließ ich Gustav aus seinem Gefängnis, der freudig aus dem Wagen hüpfte.

„Kommt Gustav mit?“, fragte Lesley.

„Ja“, antwortete Molly, die nun neben mir stand.

„Cool, einen Anstandswauwau“, meinte Lesley kichernd.

Musste ich den Satz jetzt verstehen?

*-*-*

Wie Lesley prophezeit hatte, war es recht voll hier. Aber klein war das hier wirklich nicht. Der Überlauf des Sees war recht breit und auch diesen Bach würde ich eher als Fluss bezeichnen, wenn er nicht so niedrig gewesen wäre.

Ich folgte den Anderen durch die Menge der Strandlaken, die hier überall verteilt waren. Zielsicher liefen die drei auf eine freie Stelle zu.

„Es ist immer wieder schön, dass wir einen Platz haben“, kam es von Lesley.

„Platz? Gehört er euch?“, fragte ich dumm.

„So könnte man es ausdrücken. Wir Älteren haben sozusagen hier einige Rechte. Jeder hat hier seinen angestammten Platz… ein ungeschriebenes Gesetz…“

„Aha“, meinte ich sprachlos.

„Es stimmt schon, was Lesley erzählt. Die Jüngeren der Stadt sind da hinten“, meinte Molly und zeigte auf einen Pulk wild gewordener Kinder, „unser Alter ist hier versammelt.“

„Und die über uns?“, fragte ich und zeigte auf dem Damm des Sees.

„Das ist die Oberstufe, dort ist alleine für sie reserviert“, erklärte Lesley, während er seine Sachen ausbreitete.

„Gibt es da nie Streit?“

„Doch, klar. Es gibt immer welche, die meinen, sich behaupten zu müssen. Sonst ist es aber ruhig.“

Schon komisch. In konnte mich nicht erinnern, dass es in San Fransisco so etwas gab. Auch ich machte mich auf meinem Handtuch breit. Ich sondierte meine Umgebung, blieb ab und zu an einem Kerl hängen, der auffallend gut aussah.

„Und woher genau aus den Staaten stammst du?“, fragte plötzlich Berry neben mir.

„San Fransisco…“, antworte ich.

„Darüber habe ich schon viel gelesen im Internet.“

So interessant war die Stadt nun auch nicht. Gut, ich war dort aufgewachsen, für mich war da alles normal. Aber warum interessiert der sich für San Fransisco?

„Gehen wir ins Wasser?“, fragte Molly.

Ein einstimmiges „Ja“ beendete die Kurzkonversation mit Berry. Ich folgte einfach Molly und Wesley. Ich dachte, mit ‚ins Wasser gehen’, meinten sie, wir gehen zum See. Aber sie liefen direkt auf die Wasserbruchkante zu.

Dort waren schon recht viele zu Gange und ich fragte mich, was da so Spass machen sollte. Gustav trottete brav neben mir her.

„Na los, ich dachte, du bist so eine Wasserratte?“, meinte ich und wie auf Kommando sprintete er los.

Molly setzte sich an die erste Stelle, die frei war und ließ das Wasser über sich rieseln. Lesley und Berry folgten ihr. So blieb mir also nichts anderes übrig, als mich zu ihnen zu setzten. Als ich dann aber endlich saß und dieses kühle Nass auf meinem Körper spürte, wusste ich, warum wir hier saßen.

Ohne viel Aufwand, verschafften wir uns Abkühlung. Die Sonne stand hoch, brannte unerlässlich auf uns hernieder. Doch das kühle Wasser schaffte Erholung. Ab und zu schwappte etwas mehr Wasser über die Kante.

Beim ersten Mal erschrak ich mich etwas, weil ich eine volle Ladung über mein Gesicht bekam. Hustend nahm ich wahr, dass die anderen lachten. Doch schon nach einer Weile hatte ich mich dann auch daran gewöhnt und sah Gustav zu, wie er im Wasser herumtollte.

Meine Kopfschmerzen waren vergessen und ich genoss einfach dieses sprudelnde Bad.

„Geht ihr eigentlich auch im See schwimmen?“, wollte ich wissen.

„Ja, klar“, antwortete Lesley, „aber nur, wenn es hier an den Kaskaden zu voll ist.“

„Kannst du surfen?“, fragte mich Molly.

„Ich habe es mal probiert…, aber richtig kann ich es nicht.“

„Berry, da hast du ein neues Opfer“, sagte Molly.

Fragend sah ich zu Berry.

„Jetzt übertreibe mal nicht, so gut bin ich auch wieder nicht“, kam es von Berry.

„Übertreiben?“, kam es von der anderen Seite, Lesley tauchte unter einem Wasserschwall hervor, „daheim müsstest du mal die Trophäen sehen, die er bei den Wettbewerben gesammelt hat.“

Berry schaute verlegen zu Boden.

„Wettbewerbe? Hier?“, fragte ich verwundert.

„Ja klar. Auch wenn der See friedlich aussieht, Wind herrscht hier immer.“

Ich erhob mich kurz und schaute auf den See und konnte tatsächlich einige Surfer auf dem See finden. Ich ließ mich wieder auf meinem Platz nieder.

„Und? Hättest du Lust?“, fragte Berry leise neben mir.

„Äh… was?“

„Surfen zu lernen?“

„Öhm … ja klar.“

Eine Gruppe Kinder hatte sich mittlerweile um Gustav geschart und spritzen ihn nass. Ihm schien das zu gefallen. Er tollte im Wasser herum und sorgte bei den Kindern für gute Laune.

„Ich könnte es hier ewig aushalten“, meinte Lesley und streckte sich.

Mein Blick fiel automatisch auf Lesley. Neidisch war ich schon auf seine braune Haut, vom Körperbau ganz zu schweigen. Dagegen sah ich regelrecht wie ein weißer Hänfling aus. Mein Kopf drehte sich auf die andere Seite.

Hier hatte ich Berry im Blickfeld. Wie sein Bruder hatte er diese geblümten Badeshorts an. Wenn ich jetzt aber beide verglich, bemerkte ich, dass Berry doch um einiges stabiler war. Seine Muskeln waren viel mehr ausgebildet, als die seines Bruders.

„Gefällt er dir?“, flüsterte Molly mir ins Ohr.

Ich fuhr erschrocken zusammen, was Molly zu einem Heiterkeitsausbruch führte. Verwundert schauten uns die beiden Brüder an, während mein Gesicht eine Sonnenbrand ähnliche Farbe annahm.

„Ich geh glaub ich etwas schwimmen“, meinte ich und stand auf.

„Bist du jetzt böse?“, fragte Molly.

„Nein!“, antwortete ich und unterstrich es mit einem Lächeln.

Beide Brüder sahen uns immer noch verwundert an.

„Könnt ihr mir mal sagen, was im Hause der Doktoren wieder für Geheimnisse herrschen?“, fragte Lesley.

„Neugierig wie ein Weib“, kam es von Molly die sich nun auch erhob.

„Ich bin nicht neugierig!“, protestierte Lesley.

„Nein, du willst immer nur alles genau wissen“, kam es von Berry.

„Ich lege mich etwas in die Sonne“, meinte Molly und stieg aus dem Wasser.

Ich dagegen stieg die Kaskaden hinauf und ließ mich ins Wasser des Sees gleiten. Was ich nicht bemerkte – dass Berry mir gefolgt war. Natürlich erschrak ich etwas, als er mit kräftigen Zügen neben mir auftauchte.

„Alles klar mit dir?“, fragte er und spuckte eine Fontaine Wasser vor sich her.

„Ja.“

Mittlerweile hatten wir keinen Boden mehr unter den Füssen. Also ruderte ich mit den Armen, damit ich auf einem Fleck verharren konnte. Jetzt erst merkte ich auch, dass mich Berry durchdringend anschaute.

Anstatt wegzuschauen, erwiderte ich seinen Blick.

„Was?“, fragte ich.

Er lächelte kurz.

„Ach, nichts“, antwortete er und schwamm weiter.

„Ach ja?“, sagte ich und setzte ihm nach.

Als ich ihn eingeholt hatte, versuchte ich, nach ihm zu greifen, aber sein Fuß entglitt meiner Hand.

„He, was soll das“, kam es von Berry, der abrupt stoppte.

Alles, was ich dann noch sah, war viel Wasser vor meinen Augen. Berrys Hand spürte ich auf meinem Kopf, der mich nach unten drückte. Hustend tauchte ich wieder aus dem Wasser. Natürlich konnte ich mir das nicht gefallen lassen.

Mit beiden Händen versuchte ich, Berrys Schultern zu greifen, damit ich ihn nach unten drücken konnte. Doch Berry war im Wasser viel geschickter, als meine Wenigkeit. Er hatte den Arm um meinen Hals gelegt, mich in den Schwitzkasten genommen und tauchte nun mit mir unter.

Gerade noch rechtzeitig konnte ich Luft holen, da war ich auch schon wieder unter Wasser. Wenige Sekunden später tauchten wir wieder auf. Sein Arm immer noch um meinen Hals liegend, war Berry im Augenblick klar im Vorteil.

Ich wusste mir aber auch nicht zu helfen. So griff ich aus Panik einfach nach hinten, erwischte ihn an der Seite, was Berry laut aufquieken ließ. Der Herr war kitzlig und das war meine Chance, mich aus seinem Griff zu befreien. Zwei weitere gezielte Piekser in die Seite und ich war frei.

„Das ist fies!“ rief Berry.

„Wieso fies? Du bist viel kräftiger als ich“, gab ich zurück.

Wieder lächelte er und kam auf mich zu geschwommen. Doch ich traute ihm nicht.

„Ich höre auf – versprochen“, meinte er, als er sah, dass ich zurückwich.

Sollte ich ihm trauen? Zu spät. Er hatte mich eh erreicht.

„So schwach bist du auch wieder nicht“, sprach er weiter, wohl um das Gespräch am Laufen zu halten.

Ich verzog mein Gesicht zu einer komischen Grimasse und streckte die Zunge heraus.

„Treibst du denn überhaupt keinen Sport?“, fragte Berry nun.

„Doch, ich hab angefangen, Basketball zu spielen.“

„Spielt hier kaum einer.“

„Hat Molly schon erzählt.“

„Kannst du es mir beibringen?“

„Spielt ihr an der Schule kein Basketball?“

„An der High School kannst du unter vielen Sportarten wählen, wie Soccer, Reiten, Schwimmen, Hockey, Netball, Volleyball, Cricket, Rudern, Segeln, Tauchen, Tennis, Tanzen, Surfen, Golfen, Kajakfahren, Skifahren, Fischen und vieles mehr.“

„Wow, so viel?“

„Ja, deswegen kann ich auch kein Basketball. Surfen liegt mir doch eher.“

„Alles, was wohl mit Wasser zu tun hat.“

„Ja, aber tauchen habe ich noch nicht probiert.“

„Und schwimmen kannst du ja schon“, meinte ich und grinste breit.

„Und wie!“, meinte er, „wer zuerst an Land ist.“

Völlig überrascht sah ich ihm nach, wie er mit kräftigen Zügen Richtung Ufer schwamm. Mir blieb nichts anderes übrig, als ihm hinterher zu schwimmen. Total erschöpft erreichte ich – natürlich hinter ihm das Ufer – wo Gustav schon freudig auf mich wartete.

„Na du Racker, abgekühlt?“, fragte ich ihn, was er mit einem Wuff beantwortete.

„Der Verlierer zahlt eine Runde Eis!“, rief Berry und lief zu unseren Handtüchern.

„Der war gemein zu deinem Herrchen. Darf der das?“, sagte ich zu Gustav.

Der schaute mich nur mit seinen großen, dunklen Augen an.

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