Good bye Amerika – Teil 14

Frisch geduscht trat ich aus dem Bad. Bob hatte Recht, ich fühlte mich wirklich gleich wohler. Bis eben auf die Kopfschmerzen. Nur mit Badetuch um die Hüften verließ ich das Bad.

Gustav lag wieder auf seinem Lieblingsplatz vor meinem Bett. Ich ließ mich auf den Stuhl vor meinem Schreibtisch fallen. Ich zog die Schublade auf und nahm mein Tagebuch heraus. Und noch während des Eintrags, was ich mir geleistet hatte, kam ich mir ziemlich blöd und albern vor.

Ich hatte Tante Abbys Zeichen missverstanden, hatte zu wenig Vertrauen zu Onkel Bob. Konnte man es mir aber verübeln? Ich war es nicht gewohnt, jemanden zum Reden zu haben. Dann die Sache mit Dad und Mum.

Wo sollte mein Vertrauen denn herkommen? Mit >diese Familie ist in Ordnung< schloss ich meinen Eintrag. Ich legte das Tagebuch wieder an seinen Platz zurück und warf dabei aus Versehen den Stift herunter.

Als ich ihn aufheben wollte, spürte ich einen leichten Luftzug, der durch den Holzboden drang. Ich setzte mich auf den Boden und fühlte mit der Hand über den Boden. Aber nur eben an dieser einen Stelle kam kühle Luft herauf.

Nach Betrachten der Holzbretter fiel mir auf, dass diese zwei Bretter, an denen ich den Luftzug spürte, weder verschraubt noch genagelt waren. Ich streckte mich nach oben und holte den Brieföffner vom Schreibtisch.

Vorsichtig hebelte ich in die Kerbe zwischen den beiden Bretter. Eins der Bretter knackte leicht und bewegte sich.

„Tom?“, hörte ich rufen.

Erschrocken stand ich auf. Mein Fuß stand auf dem Brett.

„Ja?“, rief ich.

Die Tür ging auf und Lesley streckte den Kopf herein. Er beäugte mich kurz und mir wurde bewusst, dass es etwas lächerlich aussehen musste, wie ich nur im Handtuch etwas verdreht vor ihm stand.

„Ähm, kommst du mit raus?“, fragte Lesley.

„Was machen?“

„Wissen wir noch nicht…“

„Ich zieh mich mal an, okay.“

Lesley blieb noch kurz an der Tür stehen und schaute mich an, bevor er mit einem Kopfschütteln die Tür wieder hinter sich schloss. Mein Blick fiel auf Gustav, der mir auch gerade den Kopf zuwandte.

„Was war das jetzt?“

Gustav schaute mich nur an und die Zunge hing aus seinem Maul. Also ging ich an meinen Schrank und nahm mir neue Wäsche heraus. Schnell war ich angezogen und hatte mir die Turnschuhe übergestülpt, als mir der Luftzug und die Bretter wieder einfielen.

Ich schaute zum Brieföffner, als ich im Flur etwas hörte.

„Tom zieht sich nur noch an, dann kommt er nach“, hörte ich Lesley sagen.

Später, dachte ich und verließ das Zimmer. Gustav trottete wie immer hinter mir her. Als ich die Tür nach draußen aufstieß, kniff ich meine Augen zusammen, es war doch recht hell.

„Tja“, meinte Molly und grinste.

Lesley schaute zwischen mir und Molly hin und her. Erst jetzt sah ich, dass etwas versetzt hinter Lesley auch Berry auf dem Holzzaun saß.

„Ich habe nichts erzählt“, riss mich Molly aus dem Gedanken, als dachte sie, ich hätte ihr einen Vorwurf gemacht.

„Habe ich auch nicht behauptet“, meinte ich.

„Könntet ihr mal so reden, dass ein Normalsterblicher es auch kapiert?“, kam es von Lesley.

„Nein!“, kam es von Molly und mir gleichzeitig.

Lesley zog einen Schmollmund, was bei mir zu einem unkontrollierten Lachanfall führte und Molly mitmachte. Er zeigte uns den Stinkefinger und lief die Treppe weiter hinunter. Molly schaute mich an.

„Er kann ab und zu eine richtige Zicke sein“, meinte sie, was mein Lachen nicht minderte.

Aus meinem Blickwinkel heraus konnte ich sehen, dass Berry lächelte.

„Ja, halte du nur zu ihnen“, meckerte Lesley und stupste seinen Bruder gegen die Brust.

Dieser verlor das Gleichgewicht und krachte mit einem Schrei rücklings auf seinen Rücken. Wie ein Käfer mit zappelnden Beinen lag er da.

„Lesley, du bist gemein!“, kam es von Molly.

„Wieso gemein? Drei gegen einen… ist das etwa nicht gemein?“

„Wir sind keine Musketiere!“, hörte ich Berry sagen.

Es war überhaupt das erste Mal, dass Berry in meiner Gegenwart soviel gesagt hatte.

„Hä?“, fragte Lesley.

„Kennst du doch. Einer für alle, alle für einen!“, erklärte Berry.

„Du guckst eindeutig zuviel fern!“, lästerte Lesley.

Nun schwieg Berry wieder, dafür fing Molly neben mir an.

„Ich weiß gar nicht, was du hast. Ich finde die Musketiere gut!“

„Was denn? Den ganzen Tag im Sattel und abends die Wampe voll fressen und saufen.“

Molly schaute kurz zu mir und lächelte.

„Wieso? Du isst doch auch gerne!“, kam es von Molly.

„Wenn ich, meine Liebe, jeden Abend soviel essen würde, könnte ich niemals diesen geometrisch perfekten Körper halten.“

Nun war es Berry – immer noch am Boden liegend – der anfing, unkontrolliert zu lachen. Ich streckte ihm meine Hand entgegen und mit etwas Mühe konnte ich ihn hochziehen. Lesley schaute seinen Bruder schief an.

„Sei du bloss ruhig! Würde ich alles das, was du in dich hineinschaufelst, essen, könnte ich jedem Sumoringer Konkurrenz machen“, sagte Lesley und wandte sich ab.

„He, ich bin im Wachstum. Ein Junge in meinem Alter braucht das“, meinte nun Berry.

Molly grinste mich weiter an.

„Gewöhn dich daran, so sind die beiden immer“, flüsterte sie mir zu.

„Ich finde es ungerecht verteilt!“, kam es von Lesley.

„Was?“, fragte ich nun.

Lesley drehte sich wieder zu mir um.

„Guck ihn dir an, Tom. Während ich jeden Tag laufe, Fahrrad fahre, öfter schwimmen gehe, tut dieser Faulpelz überhaupt nichts. Und hat so eine gute Figur!“

Oh, Berry wurde rot bei dem Kompliment seines Bruders.

„Jeder, wie er es verdient“, kam es aus Mollys Munde.

Der zweite Stinkefinger des Tages wies gegen Molly.

Lesley hatte Recht. Berry sah gut aus, natürlich wie er selbst auch. Sie waren Zwillinge. Doch Berry hatte eine andere Ausstrahlung. Wie sollte ich es beschreiben? Etwas Natürliches, aber auch Geheimnisvolles umgab ihn.

Berry schien zu merken, dass ich ihn länger angeschaut hatte. Er sagte zwar nichts, aber er schaute mich fragend an. Ich zuckte kurz mit den Schultern und ging dann an ihm vorbei.

„Und was machen wir jetzt?“, fragte Molly.

Ein weiteres Schulternzucken meinerseits unterstrich die Frage.

„Eine gute Frage… ich weiß es nicht“, meinte Lesley.

„Wie – Lesley der Allwissende hat keinerlei Ideen?“, fragte Molly.

Er zeigte Molly den Vogel, sagte aber weiter nichts.

„Reiten?“, fragte Molly.

Ich schaute sie gequält an und griff mir an den Kopf.

„Okay, reiten entfällt“, kam es dann von ihr.

„Wieso?“, fragte Lesley.

„Tom hat Kopfschmerzen, ich vergaß.“

„Was für Optionen stehen uns noch offen?“

Es war recht schwül, trotz des Schattens, in dem wir standen. Die Dusche von eben war schon wieder vergessen.

„Schwimmen?“, fragte Molly.

„Im Pool?“, fragte ich.

„Schwimmen ist eine gute Idee, aber nicht im Pool, Tom“, meinte Lesley.

„Wo denn dann? Gibt es hier ein Schwimmbad?“

„Na ja. Schwimmbad haben wir eines und ein Freibad auch, aber das ist sicher überfüllt, bei diesen Temperaturen. Es gibt noch eine Möglichkeit aber ich würde dies nicht als Badesee bezeichnen. Eher… so natürliches… wildes Wasser.“

„Wildes Wasser?“

„Ja, wir haben da am Stadtrand einen kleineren See…“, begann Molly zu erklären.

„Klein ist gut…“, unterbrach Berry.

„Ist doch egal. Dort gibt es eine Art Überlauf für den See, der sich wie ein“, Molly schaute kurz zu Berry, „ ein kleiner Wasserfall zu einem Bach ergießt.“

Berry grinste nur.

„Hört sich gut an“, meinte ich.

Nun schauten wir alle zu Lesley, der sich noch nicht geäußert hatte.

„Da wird es sicher voll sein“, begann er.

„Na und, ist es doch immer!, erwiderte Molly.

„Mit dem Fahrrad?“, fragte Lesley.

Ehrlich gesagt, hatte auch ich keine Lust bei der Wärme mit dem Fahrrad zu fahren.

„Ich kann Mum oder Dad fragen, ob er uns hinbringt“, sagte Molly.

Gute Idee!

„Okay, frag du. Wenn einer fährt, düsen Berry und ich nach Hause und holen unsere Schwimmsachen.“

Molly nickte und betrat wieder das Haus. Berry und Lesley standen nur da. Ich wusste aber selbst nicht, was ich sagen sollte. Plötzlich wurde die Tür wieder aufgestoßen.

„Mum fährt, sie hat sowieso in der Gegend zu tun“, sagte Molly.

„Okay. Komm Berry, Schwimmsachen holen“, meinte Lesley.

„Wir holen euch dann ab“, sprach Molly.

Und schon waren die beiden weg.

„Geht es?“, fragte mich Molly und legte ihre Hand auf meine Schulter.

„Warum sollte es nicht gehen?“

„Na ja. Du starrst die ganze Zeit so auf Berry. Ob da schwimmen gut ist?“

Sämtliches Blut meines Körpers schoss auf einmal in den Kopf. Die Ohren rauchten.

„He, ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen…“

„War… es so offensichtlich?“, fragte ich leise.

„Ich denke mal nur für mich, weil ich über dich Bescheid weiß. Ob Berry oder Lesley etwas gemerkt haben, kann ich mir nicht denken. Komm, lass uns unsere Schwimmsachen holen, Mum will sicher gleich fahren.“

Ich nickte und betrat mit ihr das Haus. Mein Schatten folgte mir.

„Gustav, dich kann ich aber nicht mitnehmen“, meinte ich und kraulte ihm über den Kopf.

„Warum nicht?“, hörte ich Abby hinter mir sagen, die unbemerkt den Flur betreten hatte, „nimm ihn ruhig mit.“

„Geht das so einfach… ich meine, es ist euer Hund…“

„Unser Hund! Also auch dein Hund. Und anscheinend hat er sich eh auf dich eingeschossen, dann nimm ihn ruhig mit. Wasser macht Gustav auch Spass!“

Und als hätte Gustav verstanden, was Abby sagte, unterstrich er das Ganze noch mit einem >Wuff<.

Schwanz wedelnd folgte er mir ins Zimmer.

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