Good bye Amerika – Teil 43

Die Tür ging auf und eine Schwester kam herein, die mich kurz beäugte.

„So junger Mann, könnten sie bitte draußen warten, die Polizei ist hier.“

Die Polizei?

„Kann Tom bitte bei mir bleiben?“, fragte Berry hinter mir.

Wieder beäugte mich die Schwester von oben bis unten.

„Wenn die Polizei nichts dagegen hat, von mir aus. Einen Moment, ich hole die zwei Beamten.“

Ich schaute zu Berry, der mit den Schultern zuckte, aber gleich darauf sein Gesicht vor Schmerz verzerrte.

„Tut es sehr weh?“, fragte ich besorgt.

„Nein, ich vergaß nur, dass ich Schmerzen habe, wenn ich mich bewege.“

Die Schwester kam zurück, gefolgt von zwei Männern, dann verließ sie das Zimmer wieder und schloss die Tür hinter sich. Die zwei Männer bauten sich vor Berrys Bett auf.

„Berry? Ich darf sie doch Berry nennen?“, begann der eine Mann.

Berry nickte.

„Und wer sind sie?“, fragte der Mann, die Frage an mich gerichtet.

Bevor ich antworten konnte, fiel mir Berry ins Wort.

„Das ist Tom, mein Freund.“

„Aha. Mein Name ist Special Agent Brandis und das hier ist mein Kollege Special Agent Potter.“

Special Agents? Die kommen, wenn man einen Unfall mit dem Fahrrad hat?

„Können sie uns den Ablauf ihres Unfalls schildern?“, sprach dieser Brandis weiter.

„Tut mir Leid, aber ich kann mich an nichts erinnern“, antwortete Berry.

Die zwei Männer schauten sich kurz an.

„Und woher wissen sie von ihrem Unfall?“, fragte nun Potter.

„Weil ich das von den anderen erzählt bekommen habe.“

„Anderen?“

„Bob Miller, der hiesige Tierarzt, Toms Onkel.“

Ein kurzer Blick zu mir und wieder machten sich die Herren Notizen.

„Sie wissen also nicht, was ihren Unfall verursacht hat?“, kam es von Brandis.

„Nein, wie sollte ich denn?“

„Berry, wir haben ihr Fahrrad genau untersucht und am Vorderrad festgestellt, dass mehrere Speichen gebrochen waren und einige stark verbogen. Außerdem wurden verstärkt Spuren von Holz entdeckt.“

Berry sah mich fragend an. Hatte Berry ein Stück Holz übersehen?

„Sie fragen sich sicher, ob sie über ein Stück Holz gefahren sind“, redete nun Potter weiter.

Berry und ich nickten nur.

„Zumindest können sie davon ausgehen, dass es nicht so war. Das Holz, das wir gefunden haben, stammt von einem Baseballschläger.“

„Baseballschläger?“, fragte ich laut, „sie meinen…“

„Ja, es lässt den Verdacht aufkommen, dass jemand das mit Absicht getan hat.“

„Könnten sie sich vielleicht vorstellen, wer das getan haben könnte?“, fragte Brandis.

Berry schüttelte den Kopf.

„Und sie?“, ging die Frage an mich.

„Ich wohne erst seit kurzem hier in der Stadt, kenne ja kaum jemand.“

„Okay“, seufzte Brandis, „wir melden uns bei ihnen zu Hause, wenn sie aus dem Krankenhaus entlassen sind.“

Sie schüttelten uns beide die Hände und verließen uns.

„Timothy…“, sagte ich leise.

„Was?“, fragte Berry.

„Das war bestimmt Timothy“, meinte ich.

„Hast du Beweise?“

Ich schüttelte entmutigt den Kopf.

„Pass bei solchen Äußerungen bitte auf. Die Steffersons haben viel Geld und gute Anwälte.“

Diesmal nickte ich nur.

„Tom, wärst du mir arg böse, wenn ich etwas schlafen würde… ich bin so müde.“

„Warum sagst du denn nichts?

„Habe ich doch gerade.“

Ich gab ihm einen kleinen Kuss auf den Mund.

„Darf ich dich noch etwas fragen?“, meinte ich.

„Tom, du darfst mich alles fragen.“

„Warum… hat Timothy dich Stadtmatratze genannt? Wissen hier alle, dass du schwul bist?

Berry seufzte laut.

„Du brauchst mir nicht antworten, verzeih, war eine blöde Frage. Du wolltest schlafen und ich muss sowieso auf die Toilette.“

Ich stand auf, schob den Stuhl zur Seite und wollte das Zimmer verlassen.

„Tom, warte bitte. Ja, es wissen alle, dass ich schwul bin, dank Timothy. Er hat mich in der Sporthalle mit Nath erwischt.“

„Nath… Nath ist auch schwul?“

Ich musste dringend daran arbeiten, andere Schwule zu erkennen.

„Ja… Nath und ich sind schon lange Freunde, quasi seit dem Kindergarten miteinander aufgewachsen. Irgendwann im letzten Jahr fanden wir halt heraus, das wir beide nur auf Jungs stehen.“

„Du musst mir das wirklich nicht erzählen, Berry.“

„Doch, ich will keine Geheimnisse vor dir haben. Nath und ich waren auch nie zusammen.“

„Warum nicht?“

„Mehr als freundschaftliche Gefühle haben wir beide nie füreinander entwickelt.“

„Und warum seid ihr dann doch… ähm bei was erwischt worden?“

„Nach dem Sport sind wir, wie immer, duschen gegangen. Da keiner sonst mehr da war, hatten wir die Dusche für uns alleine.“

Berrys Gesicht wurde zunehmend roter.

„Na ja… wir neckten uns, spritzen uns nass, kitzelten uns gegenseitig. Da blieb es nicht aus, dass wir beide mit steifen Schwänzen dastanden.“

Schon die Vorstellung trieb mir das Blut in die untere Region.

„Ich weiß es auch nicht mehr, wie es dazu kam. Jedenfalls hat Nath mir plötzlich einen geblasen.“

„Ui“, rief ich und setzte mich wieder.

„Es war das erste Mal, dass mir ein anderer Junge einen blies… es war gigantisch.“

Ich grinste ihn an und hing an seinen Lippen.

„Nath war wirklich gut, er schaffte es in kürzester Zeit, dass ich kam. Nur, wir hatten vor lauter Geilheit nicht mitbekommen, dass die Tür zum Duschraum aufgegangen war. Als ich grad laut stöhnend kam, stand Timothy in der Tür.“

„Scheiße… die Quasselstrippe.“

„Du sagst es. Du kannst dir denken, wie peinlich Nath und mir das war. Timothy ist daraufhin verschwunden und wir standen wie begossene Pudel unter der Dusche. Eine Woche später wusste es fast die ganze Schule und ich hatte den Ruf als schwule Stadtmatratze weg.“

„Und Nath und du?“

„Das war eine einmalige Aktion…, wir sind weiterhin gute Freunde.“

Der Druck auf meiner Blase machte sich wieder bemerkbar.

„Nicht böse sein Schatz, aber jetzt muss ich wirklich auf die Toilette“, meinte ich.

„Nein, bin ich nicht!“, gähnte mir Berry entgegen.

Ich stand auf und ging ausnahmsweise auf Berrys Toilette, der Druck war einfach zu groß. Als ich total erleichtert wieder ins Zimmer trat, fand ich Berry friedlich schlafend vor. Ich setzte mich wieder zu ihm und streichelte sanft über seine Hand.

*-*-*

Die heiße Dusche tat gut. Abby hatte mich unter Protest aus dem Krankenhaus geholt, weil sie meinte, eine ordentliche Dusche und etwas zu essen, würden wieder einen Menschen aus mir machen. Ich schloss einfach die Augen und ließ das Wasser über meinen Körper fließen.

Ich wurde aus meinem Wachtraum gerissen, als jemand an die Badtür klopfte. Ich drehte das Wasser ab.

„Ja?“, rief ich.

„Tom? Hier will dich jemand sprechen“, hörte ich Abby rufen.

„Okay, ich beeile mich. Wer ist es denn?“

„Nathaniel.“

„Danke…, ich bin gleich fertig.“

Was wollte Nath von mir? Ich stieg aus der Duschkabine und trocknete mich notdürftig ab. Da ich natürlich nichts mit ins Bad genommen hatte, wickelte ich einfach das Handtuch um meine Hüften.

Mit noch tropfenden Haaren verließ ich das Bad und fand Nath, auf meinem Sessel sitzend, vor.

„Hallo… Nath“, meinte ich und wurde etwas verlegen.

Nath schien wohl in Gedanken gewesen zu sein. Sein Kopf zuckte hoch und seine Augen musterten mich erst Mal.

„Kein Wunder, dass sich Berry in dich verliebt hat…“, seufzte er, „ bei dem Anblick wäre ich auch schwach geworden.“

Mir schoss das Blut regelrecht in den Kopf. Warum waren hier immer alle so direkt?

„Ich wollte dich eigentlich nur fragen, wie es Berry geht“, sprach er weiter.

So als Anschauungsobjekt vor Nath zu stehen, war mir zu blöd. Also setzte ich mich aufs Bett, passte aber auf, dass er keinen Einblick unter das Handtuch bekam.

„Hat es sich schon herumgesprochen…? Es geht Berry soweit gut. Eine kleine Kopfwunde – eine geprellte Rippe und ein paar Abschürfungen.“

„Gut…, ich dachte, es wäre schlimmer.“

„Warum besuchst du ihn nicht?“, fragte ich.

„Wieso, geht das denn schon?“

„Na klar, wenn du willst, kannst du gleich mit mir gehen.“

„Wenn ich euch nicht störe…“

„Quatsch, Nath. Berry hat mir erzählt, du bist sein bester Freund. Warum solltest du denn stören?“

„Du bist… sein Freund… jetzt“, sagte Nath und ich spürte seine Traurigkeit in der Stimme.

Ich beugte mich nach vorne und griff nach seiner Hand.

„Nathaniel…, ja, ich bin sein Freund. Aber du bist immer noch sein bester Freund. Ich denke, das wird sich auch nicht ändern.“

„Danke…“

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