Zoogeschichten II – Teil 52

Die Suche

Sebastian

„Guck der ist da, im Bärenhaus brennt schwach Licht“, meinte ich und klopfte Michael auf den Rücken.

Michael beschleunigte sein Tempo, so dass Brit und ich ihm nur schwer folgen konnten. Er zückte seine Codekarte und schon war er im Bärenhaus verschwunden.

„Na toll!“, meinte ich.

„Was denn?“, fragte Brit.

„Ich habe meine Codekarte nicht dabei und die Tür ist wieder zu.“

„Dann bleiben wir eben draußen und warten.“

„Und Dennis?“

„Ich glaube es ist besser wenn Dennis mit Michael alleine ist, die zwei können uns jetzt nicht gebrauchen.“

„Und was machen wir dann so lange?“, fragte ich.

Brit grinste mich an und nahm mich in den Arm.

Volker

Ab und zu könnt ich meinen Bruder an die Wand klatschen. Teilt der mich doch tatsächlich heute für den Nachtdienst ein, wo doch das Spiel im Fernseher läuft. Hier konnte ich nicht die ganze zeit vor dem Kasten sitzen bleiben.

Aber jetzt war ja Halbzeit. Ich griff nach meiner Taschenlampe und zog die Jacke über. Es regnete und sicherlich waren nun die Temperaturen gesunken. Den kleine Fernseher und die Tischlampe ließ ich brennen und verließ den Raum.

Als ich nach draußen trat, wehte mir eine kalter Wind entgegen. Ich zog den Kragen meiner Jacke hoch und schloss den Reisverschluss. Klar, wenn ich Dienst schieben musste, dann war so ein Sauwetter.

So begann ich meinen Rundgang, leuchtete ab und zu in die Gehege, auch wenn dort keine Tiere waren. Alles war ruhig, nur ab und zu drangen die Laute der nachaktiven Tiere ans Ohr. Es schien alles in Ordnung zu sein, wer sollte denn auch schon um diese Zeit hier sein.

In Jürgens Büro brannte noch Licht. Sicherlich saß er noch über den Plänen des neuen Bärenhauses, die der Architekt heute Mittag vorbei gebracht hatte. Mein Handy klingelte und als hätte ich es gewusst, es war Jürgen.

„Ja?“, antworte ich, als ich das Gespräch entgegen genommen hatte.

„Und alles in Ordnung?“, hörte ich meinen Bruder fragen.

„Ja, alles friedlich und ruhig.“

„Du, David hat vorhin angerufen, er will morgen nach Hause kommen.“

„Jetzt mitten im Semester?“

„Ja, das habe ich ihn auch gefragt, aber er wollte nicht so recht sprechen am Telefon.“

„Hat er Ärger?“, fragte ich.

„Weiß ich nicht, aber glaube ich auch nicht, danach hat sich seine Stimme nicht angehört, eher traurig und enttäuscht.“

Ich hörte jemanden reden und fuhr herum.

„Du Jürgen, ich glaube da ist jemand“, flüsterte ich.

„In Zoo? Warte ich komm runter zu dir… wo bist du genau?“

„Kurz vor dem Bärenhaus.“

„Bin gleich bei dir.“

Jürgen beendete das Gespräch und ich steckte das Handy weg. Meine Taschenlampe hatte ich ausgeknipst und ich versuchte in dem Schein der wenigen Lampen etwas zu erkennen.

„Und schon jemand entdeckt?“, flüsterte es dicht hinter mir.

Erschrocken fuhr ich herum.

„Mensch Jürgen du Arsch, erschreck mich doch nicht so“, meinte ich sauer und versuchte dabei trotzdem leise zu sein.

„Du warst schon immer der Schreckhaftere von uns beiden“, kicherte er.

Ich sah es nicht, aber ich konnte mir sein fieses Grinsen denken.

„Also, wo hast du etwas gehört?“, fragte Jürgen.

„Am Bärenhaus.“

„Gut, lass uns nachsehen.“

Adrian

Ich konnte am Gesichtausdruck meiner Mutter nicht erkennen, was die Lage war. Mir blieb nichts anders übrig, als zu warten, was für Nachrichten sie brachte. Roberts Eltern standen nun beide neben mir.

„Also ich kann nur soviel sagen… die Operation ist gut verlaufen, aber wir müssen noch bis morgen warten, dann kann man sagen er ist über den Berg“, meinte meine Mum.

Etwas Erleichterung durchfuhr mein Körper. Vergessen die letzten Minuten meiner Gedankenwelt.

„Können wir zu ihm?“, fragte Roberts Mutter.

„Ja, aber nur kurz. Sie müssen sich aber noch kurz gedulden, bis er in sein Zimmer der Intensivstation verlegt worden ist.“

Eine Schwester kam und meine Mutter veranlasste, dass Roberts Eltern zu ihm gebracht wurden. Nun stand ich alleine mit Mum da.

„He Sohnemann, du hast geweint.“

„Wenn du in kürzester Zeit, nun auch den zweiten Freund verlieren tust…“

„Pst, Adrian, ich habe gesagt Robert ist noch nicht über dem Berg, aber er ist stabil. Du hast ihn nicht verloren.“

„Ja… ist gut… mein Kopf hat mir nur einen Streich gespielt…“

„Du liebst Robert wirklich…“

„Ja!“

„Und was war mit Dominik?“

„Ich… ich hab gemerkt, dass ich für Dominik nur geschwärmt habe… hab gedacht das ich in ihn verliebt wäre. Aber seit es Robert gibt, fühlt sich in mir alles anders an.“

„Mein Sohn hat es richtig erwischt und was soll ich dir sagen… ich freue mich unwahrscheinlich für dich!“

„Danke Mum!“

Ich nahm sie in den Arm und drückte sie fest an mich.

„Kann ich auch zu Robert?“, fragte ich, als ich sie wieder aus meinen Armen entlassen hatte.

„Normalerweise nur enge Verwandtschaft, dass weißt du doch.“

„Mum… ich bin quasi enge Verwandtschaft… bin der zukünftige Schwiegersohn…“, sagte ich und ein Lächeln fand sogar meine Lippen.

„Schön dich wieder lächeln zu sehen, ich versuch was sich machen lässt.“

„Meinst du ich dürfte bei ihm sitzen bleiben… die ganze… Nacht.“

„Jetzt übertreib mal nicht junger Mann, ich geh jetzt wieder rein und dann sehen wir weiter.“

„Ist Herr Kahlberg noch da?“

„Nein, wieso? Er hat überstürzt die Klinik verlassen.“

„Ich wollt mich bei ihm bedanken… ist was passiert?“

„Ähm… sein Sohn ist weg…“

„Der Dennis? Weg?“

„Du weißt ich bin mit den Kahlbergs schon lange befreundet… und ich weiß auch, das die beide nie Kinder hätten bekommen können.“

„Aber Dennis…?“

„Dennis ist adoptiert… hat das heute erfahren… seither ist er verschwunden.“

„Scheiße!“

„Sohnemann, ändere deine Wortschatz…“, sagte meine Mum und ließ mich alleine im Flur stehen.

Dennis

„Dennis?“

Ich fuhr zusammen, denn ich hatte hier niemand erwartet. Ich schaute nach oben und konnte verschwommen Michaels Gesicht sehen.

„Komm mal her…“

Ich versuchte mich etwas aufzurichten, aber Michael zog mich mit seinen starken Armen zu sich. Jetzt wo ich seine Nähe und seine Wärme spürte, fing ich erst Recht an zu weinen.

„Ja… lass alles raus Kleiner“, flüsterte Michael und küsste mich auf den Kopf.

„Ich … ich…“, begann ich.

„Pscht… alles wird gut Dennis… ich liebe dich“, unterbrach mich Michael und drückte mich noch fester an sich.

Sebastian

Ich genoss die Wärme, die Von Brits Wange an meiner Wange aus ging. Wir standen einfach nur so da, fest umarmt, sagte keinen Ton. Plötzlich ging das Licht an, nein, ein Lichtstrahl wurde auf uns gerichtet.

„Wer ist da?“, hörte ich eine Stimme und Brit und ich fuhren auseinander.

„Sebastian… bist du das?“, hörte ich eine bekannte Stimme.

Der Lichtstrahl wurde zum Boden gerichtet und ich hörte Schritte die auf uns zukamen. Brit stellte sich hinter mich.

„Ja bin ich.“

„Was hast du um diese Zeit im Zoo zu suchen?“, hörte ich Volker sagen.

„Ich kann das erklären… dass ist nicht so wie es scheint…“

Mittlerweile waren Volker und der Chef bei uns.

„Da bin ich mal gespannt“, meinte der Chef.

„Also der Dennis hat heut erfahren, durch eine dummen Zufall, weil ich mich mit seiner Mutter unterhalten habe, dass er nicht ihr Sohn ist, dann ist er weggerannt, weil er ja…“

„Halt langsam, zum verstehen“, unterbrach mich Volker.

„Okay… also von ganz vorne. Bei mir in der Wohnung wurde eingebrochen und alles verwüstet. Die Kahlbergs Dennis’ Eltern haben mir angeboten, solange bei ihnen zu wohnen.“

„Und was hat das jetzt mit dem hier zu tun, dass du hier bist?“, fragte der Chef.

„Dazu komme ich ja jetzt. Also wohne ich jetzt bei Kahlbergs und so ergab es sich dass ich mit Dennis’ Mutter zusammensaß, wir uns unterhielten. Ich hab dabei erfahren, dass Dennis nicht der leibliche Sohn der Kahlbergs ist, sondern adoptiert wurde.“

„Und Dennis?“

„Der wusste nichts davon, hat das aber leider irgendwie mitbekommen und ist darauf weggerannt.“

„Und deswegen seid ihr jetzt hier im Zoo?“, fragte Volker.

„Ja… weil Michael und ich…“

„Michael?“

„Ja Michael ist auch hier… wir dachten Dennis könnte in den Zoo sein, was ja auch so ist…“

„Dennis und Michael sind hier?“

„Ja im Bärenhaus und weil wir nicht stören wollten, stehen wir hier draußen…“

„Hört sich kompliziert an, aber langsam steige ich durch“, meinte Volker.

„Und die beiden sind jetzt da drinnen?“, wollte der Chef wissen.

„Ich denke, weil Michael ja nicht mehr heraus gekommen ist.“

Volker sah den Chef an.

„Sollen wir reingehen?“

Ich atmete tief durch, man war das kompliziert.

„Dich kenn ich aber auch irgendwo her?“, meinte Volker und strahlte Brit an.

„Ja… ich hab vor kurzem Dennis besucht und war bei der Operation von der Bärin dabei.“

„Stimmt… ja… Brit glaub ich.

Brit nickte und Volker richtete den Lichtstrahl wieder auf den Boden.

Der Chef zog seine Codekarte durch den Scanner und dank Wunder der Technik öffnete sich die schwere Tür.

Adrian

Warten war wohl wirklich nicht meine Stärke. Nervös lief ich im Flur auf und ab und wartete auf meine Mutter. Die Tür ging auf und ich sah erwatungsfroh hin, aber es war nur eine Schwester.

Also lief ich zum hundertsten Male den Flur wieder hinab, als abermals die Tür auf ging. Diesmal war es meine Mutter und auch Roberts Eltern. Seine Mutter schien wieder geweint zu haben.

„Junior, ich fahre mit den Klausens nach Hause, sie werden bei uns im Gästezimmer übernachten. Du gehst jetzt zu Schwester Hildegard und meldest dich bei ihr.“

„Ja?“

„Du darfst bei hm bleiben, wenn die Nachtschwestern aber sagen du musst den Raum verlassen, dann folgst du ihren Anweisungen.“

„Okay Chef“, meinte ich mit einem Lächeln und äffte ein wenig eine Soldaten nach, wenn er salutierte.

„Nicht frech werden, sonst überleg ich es mir noch anders.

Die Klausen grinsten nun beide. Wir verabschiedeten uns voneinander und ich suchte Schwester Hildegard. Endlich gefunden, ging sie mit mir auf die Intensivstation. Erst verpasste sie mir noch diesen grünen Kittel und dann folgte ich ihr leise durch die Station.

Je näher ich zu Robert kam, umso mehr wühlte es in mir auf.

„Du darfst bei ihm sitzen, wir haben dir einen bequemen Sitz besorgt, wenn etwas ist, meldest du dich bei der Nachschwester.“

Ich nickte und Schwester Hildegard ließ mich alleine. Nur zögernd durchschritt ich die Tür in den Raum, in dem Robert lag. Als erstes fielen mir die ganzen Maschinen auf, die um Robert herum aufgestellt waren und wild blinkten.

Dann fiel mein Blick auf Robert und es presste mir die Tränen in die Augen. Um den Kopf hatte er einen Verband und ein schlauch war an diesem Verband angeschlossen. Schweren Herzens lief ich um das Bett und setzt mich hin.

Ich nahm Roberts Hand in die Meine und streichelte sie sanft. Sie war so warm und weich.

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