Zoogeschichten II – Teil 53

Zweite Chance

Sebastian

„Sollen wir reingehen?“

Ich atmete tief durch. Mann, war das kompliziert.

„Dich kenn ich aber auch irgendwo her?“, meinte Volker und strahlte Brit an.

„Ja… ich hab vor kurzem Dennis besucht und war bei der Operation der Bärin dabei.“

„Stimmt… ja… Brit, glaub ich.“

Brit nickte und Volker richtete den Lichtstrahl wieder auf den Boden.

Der Chef zog seine Codekarte durch den Scanner und dank Wunder der Technik öffnete sich die schwere Tür.

Adrian

Warten war wohl wirklich nicht meine Stärke. Nervös lief ich im Flur auf und ab und wartete auf meine Mutter. Die Tür ging auf und ich sah erwatungsfroh hin, aber es war nur eine Schwester.

Also lief ich zum hundertsten Male den Flur wieder hinab, als abermals die Tür auf ging. Diesmal war es meine Mutter und auch Roberts Eltern. Seine Mutter schien wieder geweint zu haben.

„Junior, ich fahre mit den Klausens nach Hause. Sie werden bei uns im Gästezimmer übernachten. Du gehst jetzt zu Schwester Hildegard und meldest dich bei ihr.“

„Ja?“

„Du darfst bei Ihm bleiben. Wenn die Nachtschwestern aber sagen, du musst den Raum verlassen, dann folgst du ihren Anweisungen.“

„Okay Chef“, meinte ich mit einem Lächeln und äffte ein wenig einen Soldaten nach, wenn er salutierte.

„Nicht frech werden, sonst überleg ich es mir noch anders.“

Die Klausens grinsten nun beide. Wir verabschiedeten uns voneinander und ich suchte Schwester Hildegard. Endlich gefunden, ging sie mit mir auf die Intensivstation. Erst verpasste sie mir noch diesen grünen Kittel und dann folgte ich ihr leise durch die Station.

Je näher ich zu Robert kam, desto mehr wühlte es mich innerlich auf.

„Du darfst bei ihm sitzen. Wir haben dir einen bequemen Stuhl besorgt. Wenn etwas ist, meldest du dich bei der Nachtschwester.“

Ich nickte und Schwester Hildegard ließ mich alleine. Nur zögernd durchschritt ich die Tür in den Raum, in dem Robert lag. Als Erstes fielen mir die ganzen Maschinen auf, die um Robert herum aufgestellt waren und wild blinkten.

Dann fiel mein Blick auf Robert und es presste mir die Tränen in die Augen. Um den Kopf hatte er einen Verband und ein Schlauch war an diesem Verband angeschlossen. Schweren Herzens lief ich um das Bett und setzte mich hin.

Ich nahm Roberts Hand in die Meine und streichelte sie sanft. Sie war so warm und weich.

Dennis

Ich hörte das Summen der Tür. Michael entließ mich aber nicht aus seiner Umklammerung.

„Alles in Ordnung?“, hörte ich Jürgens Stimme.

Oh Gott, nun sah mich auch noch mein Chef so da liegen! Musste das sein, blieb mir heut gar nichts erspart?

„Ich finde, wir sollten alle rüber gehen und du kochst deinen berühmten Tee?“, hörte ich Volker sagen.

Nein, nicht auch noch der! Langsam schaute ich auf und schaute in vier besorgte Gesichter. Brit und Sebastian standen dicht hinter Volker und Jürgen.

„Kannst du aufstehen?“, fragte Michael.

Ich nickte.

Michael entließ mich aus seinen Armen. Schade eigentlich, aber ich musste wohl jetzt aufstehen.

„Der Stift ist ja völlig durchnässt“, sagte Volker.

Betreten stand ich nun vor den Fünfen.

„Okay. Sebastian, du gehst rüber ins Personalhaus und holst Dennis frische Sachen und wir gehen zu mir, da kann Dennis auch duschen“, meinte Jürgen.

„Ihr sollt euch nicht wegen mir soviel Umstände machen“, krächzte ich heiser.

„Kleiner, ob das Umstände sind oder nicht, das entscheiden immer noch wir“, meinte Volker, „was riecht denn hier so?“

Ich wurde rot.

„Ich … ich musste mich vorhin übergeben“, meinte ich schüchtern.

„Verständlich… umso besser, wenn du unter die Dusche kommst… Sebastian, warum stehst du noch hier rum? Hol die Sachen für Dennis“, sagte Jürgen bestimmend.

„Äh, ja… klar“, meinte Sebastian und zog Brit einfach mit sich.

„So… und nun noch mal zu dir, junger Mann. Ich weiß nicht, was alles in deinem Kopf vorgeht, aber du sollst wissen – auch wenn du adoptiert bist, ändert das nichts zwischen uns, okay?“, meinte Jürgen, sah erst mich, dann Volker und Michael an.

Ich nickte und versuchte, nicht wieder in Tränen auszubrechen. Michael nahm mich wieder in den Arm und so gingen wir zum Ausgang.

„Ich ruf noch schnell Dennis’ Eltern an, damit sie sich keine Sorgen mehr machen.“

„Mum macht sich Sorgen?“, fragte ich verwirrt.

„Ja klar, du Dummerle, was denkst du denn? Du bist ihr SOHN!“

Beschämt schaute ich zu Boden. Was hatte ich da nur angerichtet?

„Falls sie herkommen möchten, kein Problem. Und jetzt ab rüber ins Haus, mir wird langsam kalt“, meinte Jürgen.

Adrian

Ich weiß nicht, wie lange ich hier gesessen hatte. Die ganze Zeit saß ich da und starrte Robert an. Immer wieder wanderten meine Blicke über die Monitore und Maschinen und ich versuchte zu ergründen, ob es irgendwelche Veränderungen gab.

Robert lag friedlich da, als würde er schlafen. Ruhig hob sich sein Brustkorb und senkte sich wieder. Ob er jetzt etwas träumte? Mein Arm tat schon weh, aber ich wollte seine Hand nicht los lassen.

Er sollte spüren, dass ich da war. Irgendwann war ich eingeschlafen.

Sebastian

Brit hielt meine Hand fest umklammert.

„Ich wusste gar nicht, dass das Leben im Zoo so aufregend sein kann“, meinte sie.

„Dann fang doch hier an“, sagte ich.

„Habe ich ja vor. Zumindest in den nächsten Ferien mache ich ein Praktikum bei Doc Reinhardt.“

„He, cool, dann würden wir uns ja jeden Tag sehen.“

Brit blieb stehen.

„Willst du das denn?“

Gut, dass wir im Dunkeln waren, obwohl… mein Kopf vor Röte eigentlich schon leuchten musste.

„Ja… ich habe gemerkt… ich… ich hab mich in dich verguckt.“

„Süß!“, meinte Brit und küsste mich auf die Nase.

Ich atmete tief durch, weil ich sie jetzt gern geküsst hätte…, aber die Pflicht ging vor.

„Wir müssen Dennis’ Klamotten holen…“

Ich sah im Dunkeln, wie Brit mit dem Kopf nickte.

So liefen wir weiter zum Personalhaus.

Dennis

Es war ein feudales Bad, in das uns Jürgen führte, noch mit alten Kacheln von früher und einer großen, gusseisernen Wanne in der Mitte.

„Michael, vielleicht solltest du Dennis doch lieber in die Wanne setzten, er ist total kalt. Nicht, dass er sich noch unterkühlt“, meinte Jürgen.

Michael nickte. Mittlerweile zitterte ich am ganzen Körper, es war mir wirklich kalt.

„Dort drüben sind Handtücher und Sebastian wird ja hoffentlich gleich mit Dennis’ Sachen kommen“, sprach Jürgen weiter und ließ uns dann alleine.

„Komm mein Schatz, ausziehen!“, sagte Michael und drehte den Wasserhahn der Wanne auf.

Mir war viel zu kalt, um mich zu bewegen. Michael schaute mich mitleidend an.

„Ich helfe dir… muss dich ja schließlich noch öfter ausziehen…“

Dabei grinste er mich an und auch ich hatte ein kleines Lächeln auf den Lippen. Er küsste mich und machte dabei meine Hose auf. Ich wurde auch wieder ganz ruhig, mit Michael in meiner Nähe.

Nach und nach zog er mir die ganzen nassen Sachen aus, bis ich nur noch in Shorts da stand. Dass die Hände von Michael auf meinem Körper mich nicht ganz kalt ließen, konnte er spätestens jetzt an meiner Beule sehen.

Nun fiel auch die letzte Hülle.

„Manchmal kannst du richtig gemein sein“, meinte Michael.

„Was denn, was habe ich denn getan?“

„Nichts… du stehst nur gerade so verführerisch vor mir, dass ich über dich herfallen könnte.“

„Tu es doch“, grinste ich ihm entgegen.

„Ich werde jetzt nur eins tun.“

„Und das wäre?“

Michael antwortete auf meine Frage nicht, sondern trat auf mich zu und hob mich hoch.

„Lass das Michael, sei nicht albern.“

Meine Glieder fühlten sich auf einmal nicht mehr kalt an.

„Ich setzte dich nur in die Badewanne.“

„Michael, bitte!“

Die Tür ging auf.

„Was ist denn hier los?“, fragte ein für mich unbekannter junger Mann.

Mir war das jetzt mehr als peinlich, nackt auf Michaels Arm und vor uns stand eine wildfremde Person.

„He David, wieder im Lande?“

„Hallo Michael, was machst du mit einem so süßen nackten Kerl im Arm im Bad meines Bruders?“

Das war also David und der sollte das Nesthäkchen der Familie sein? Familienähnlichkeit gab es nicht im Geringsten. Während Volker und Jürgen recht schlank waren, stand hier nun ein Schrank vor uns.

Nein, dick war er nicht… eher massig oder gut gebaut.

„Das ist ein längere Geschichte, aber lass mich erst Mal meinen Kleinen in die Badewanne setzten, der muss aufgewärmt werden.“

Und Volker und Jürgen waren dunkelhaarig, während David hier sehr blond war. Michael setzte mich ins Wasser ab und ich war froh, unter der Schaumdecke zu versinken.

„Aufgewärmt? Bei dem Anblick wird mir heiß“, meinte David.

„He, das ist meiner und du bist selbst vergeben.“

Davids Gesichtsausdruck wurde plötzlich traurig. Hatte Michael da eben etwas Falsches gesagt?

„Ist was, David?“, fragte Michael.

„Nein, nein. Kümmere du dich um deinen Kleinen. Wir können nachher reden, ich begrüß jetzt erst mal meine Brüder.“

„Ist wirklich nichts David? … ich seh’ dir an, dass etwas nicht stimmt.“

David sah zu Boden und ich spürte nun auch, dass da etwas nicht stimmen konnte.

„Erkan…“, er schaute auf und uns direkt an, „soll heiraten, seine Eltern haben sogar schon den Termin bestimmt.

„Hat sich Erkan denn immer noch nicht geoutet?“, fragte Michael.

„Nein…, mir machte das auch nichts aus…, aber nun ist er weg… seine Eltern haben ihn in die Türkei geschickt.“

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