Zoogeschichten II – Teil 78

Probleme beim Nachwuchs

Dennis

Das kleine Nasenbärchen von Volker war richtig goldig, nicht zu vergleichen mit meinem Krümel. Ich hatte ihm eine Flasche Milch zu Recht gemacht und kämpfte immer noch, den kleinen Nuckel drauf zubekommen.

„Kriegst ihn nicht drauf?“, fragte Fritz.

Ich schüttelte den Kopf.

„Komm, gib mal her, ich versuche es auch mal.“

„Als würdest du mit deinen Wurstfingern das hinbekommen. Dennis schafft das schon“, kam es von Volker, der schon ungeduldig wartete.

Mit einem Plöpp rutsche der scheiß Nuckel endlich drauf. Ich gab Volker die Flasche. Fritz und ich schauten interessiert zu, ob Volker es fertig brachte, dem Kleinen die Milch zugeben. Das Kleine drehte aber immer den Kopf weg.

Volker gab ein paar Tropfen Milch auf seinen Zeigefinger und hielt diesen direkt vor dessen Schnauze. Das kleine Tier schnüffelte am Finger und leckte ihn zaghaft ab.

„Das wäre mal ein Anfang, aber es muss richtig trinken“, meinte Fritz.

Die Tür ging auf und wir schauten alle in die Richtung. Michael kam herein.

„Hi Leute, ich habe gehört, ihr habt ein Problem?“

Ich schaute wieder zu der Kleinen auf Volkers Hand und drehte Michael den Rücken zu. Fritz schaute mich verwundert an, aber ich reagierte nicht.

„Habt ihr vielleicht noch eine Wärmelampe übrig für mich“, fragte Volker.

„Müsste ich mal nachsehen“, meinte Michael und stellte sich neben mich.

Auch jetzt ignorierte ich ihn.

„Ich muss dann mal wieder rüber zu Sabine. Wenn ihr noch Hilfe braucht, dann sagt Bescheid.“

Mit diesen Worten ließ ich die drei stehen und verließ das Kleinbärenhaus.

Robert

Meine Tasche war gepackt und ich saß da und wartete auf Adrian. Er musste noch zu einer Vorlesung. Danach wollte er aber vorbei kommen und mich abholen. Ich freute mich nun irgendwie auf meine Eltern.

Auf mein… ehemaliges zu Hause, eben alles wieder zusehen. Ich lehnte mich zurück und schaute nach draußen. Vor allem wollte ich gerne Markus sehen, meinen damaligen besten Freund.

Was er die ganze Zeit von mir dachte…? ob er überhaupt noch an mich dachte? Draußen war ein Poltern zu hören und die Tür ging auf.

„So ein Mist“, hörte ich Adrian in der Tür.

„Was machst du denn?“, rief ich ihm entgegen.

„Gestern war dieser blöde Stuhl noch nicht da gestanden“, antwortete er und rieb sich am Bein.

Ich musste mir das Lachen verbeißen und Adrian schloss die Tür hinter sich.

„Und, fertig?“, fragte er.

„Ja…, alles gepackt.“

„Zu dir brauchen wir nicht mehr, ich habe mir erlaubt, ein paar Sachen für dich einzupacken.“

Ich schaute Adrian erstaunt an.

„Welche denn?“, fragte ich.

„Welche, die mir an dir gut gefallen würden“, meinte er grinsend.

„Da bin ich mal gespannt… hast aber mehr eingepackt, als nur meine Boxer, oder?“

Adrian fing herzhaft an zu lachen und begrüßte mich endlich mit einem Kuss.

„Musst du noch etwas erledigen?“

„Nein, wir können los.“

Ich wollte mich bücken und meine Tasche nehmen, aber Adrian kam mir zuvor.

„Na, na, das mach ich. Du sollst dich noch schonen.“

„Ja Schwester!“, meinte ich und wir begannen gemeinsam, wieder zu lachen.

„Das kann ja heiter werden“, meinte Adrian und trug meine Tasche zur Tür.

„Klar!“, meinte ich und schwebte ihm hinterher.

Rolf

Lustlos zog ich Linien auf das Papier. Meine Gedanken waren bei Volker und nicht auf der Zeichnung. Ich tunkte den Pinsel in die rote Farbe und begann, kleine Herzchen auf die Leinwand zu malen.

Wie kindisch, dachte ich, aber ich malte weiter. Die Herzchen wurden größer, gelb und orange vermengten sich mit rot. Die dunkelblauen Striche verblassten unter mehr Einsatz von Wasser.

Mein Pinsel strich von ganz alleine über die Leinwand. Ich ließ mich einfach treiben in den Farben. Immer schneller wütete der Pinsel. Unten hörte ich die Wohnungstür.

„Lucca?“

„Ja?“

„Du bist aber früh“, rief ich runter.

„Ist eine Lehrerkonferenz, der Rest ist ausgefallen.“

Schwer stampfte Lucca die Treppe herauf, bis er bei mir war.

„Hallo“, war alles was ihm schweratmend entfleuchte.

„Hi mein Sohn.“

„Hi… und – kräftig am Malen?“

„Ja“, antwortete ich eher lustlos.

Lucca trat hinter mich und betrachtete das Bild.

„Also, wenn ich es nicht schon genau wüsste, würde ich sagen, du bist verliebt“, meinte er schmunzelnd.

Jetzt schaute ich ebenso auf die vielen Herzen, die sich auf der Leinwand verteilten.

„Findest du?“

Lucca legte seine Hände auf meine Schultern. Das hatte er schon lange nicht mehr getan.

„Mein alter Herr ist verliebt… ich fasse es nicht.“

Michael

Er ließ mich einfach stehen und würdigte mich keines Blickes. Peinlich war das schon, denn Volker und Fritz schauten mich an.

„Jetzt lauf schon hinterher…“, meinte Volker.

„Ist etwas?“, fragte Fritz.

„Ihm ist gestern die Hand ausgerutscht“, meinte Volker.

„Oh!“

„Ja… oh!“

Mir drückte es die Tränen in die Augen. Irgendwie traute ich mich nicht, mit Dennis zu reden. Ich hatte keine Angst vor ihm…, nein, ich hatte Angst vor dem, was er eventuell sagen könnte.

„Ja auf was wartest du noch?“, sagte nun auch Fritz.

Ich wischte mir die Tränen weg und folgte Dennis. Als ich ins Freie trat, sah ich ihn kurz vor dem Bärenhaus.

„Dennis“, rief ich laut.

Er blieb stehen, drehte sich aber nicht um. Mit flauem Gefühl im Magen folgte ich ihm, bis ich ihn erreicht hatte.

„Dennis, ich…“, weiter kam ich nicht.

Dennis drehte sich um und sein Blick war eiskalt.

„Was?“, kam es scharf von ihm.

„Dennis, es tut mir leid… ich wollte das nicht…, ich war so gereizt…“

„Muss ich mich dann in Deckung begeben, wenn du gereizt bist, weil ich Angst haben muss, du schlägst mich wieder?“

Das tat weh… hatte er jetzt solche Angst vor mir?

„Michael, ich weiß nicht mehr weiter…, ich habe Angst, das kommt wieder…“

Mir wurde schlecht. Dennis hat Angst vor mir, wie konnte ich das wieder gut machen. Ich stand vor ihm und begann zu heulen.

„Ich weiß, ich bin auch schuld…, ich hätte dich nicht so provozieren sollen, aber dass du mir gleich eine runterhaust…“

„Ich… ich…“, ich wusste einfach nicht, was ich sagen sollte.

„Ich brauch jetzt einfach Zeit…, ich kann das nicht grad mal so wegstecken!“, sagte Dennis, ließ mich stehen und verschwand im Bärenhaus.

Innerlich brach ich zusammen. Äußerlich liefen die Tränen. Ich schaute auf die Tür und hoffte, Dennis würde wiederkommen, aber er kam nicht.

Phillip

Der Kassierer hatte mich sofort erkannt. Er kam aus seinem Häuschen und schloss mir das Tor auf, damit ich leichter in den Zoo kam.

„Hallo Herr Keller, heute ohne Florian?“

„Ja, der ist im Kindergarten.“

„Tut auch mal gut, wenn man nicht die ganze Zeit hinterherspr… hinterher sein muss.“

Ich war es gewohnt, dass die Leute sich oft berichtigten. Klaus, ich wusste seinen Nachnamen nicht, schloss hinter mir sein Tor.

„Viel Spass noch“, meinte er und verschwand wieder in seiner Bude.

„Danke“, entgegnete ich und rollte los.

Es waren noch nicht viele Besucher da. Klar, morgens waren die meisten bei der Arbeit und die Kinder in der Schule oder im Kindergarten. Ich sah hauptsächlich ältere Leute und ab und zu Mütter mit Kinderwägen.

Von Zeit zu Zeit blieb ich stehen und ließ die Tiere, die ich anschaute, einfach auf mich wirken. Ein Geräusch ließ mich aufhorchen. Ein Tierpfleger kam aus einer der seitlichen Pfade.

Er rieb sich die Augen… oder hatte er geweint. Automatisch rollte ich ihm nach. Er schien mich nicht zu bemerken, drehte nicht einmal den Kopf in meine Richtung. Wenig später verschwand er im Savannenhaus.

Dahin konnte ich ihm natürlich nicht folgen. So umrundete ich das Haus, bis ich das Gatter erreichte. Zebras, Giraffen auch ein paar Antilopen konnte ich entdecken. Zwei andere Pfleger waren damit beschäftigt, das Gehege zu säubern.

Nun kam auch der dritte Pfleger, den ich eben gesehen hatte. Auch er war mit einem Rechen und einem Eimer bewaffnet. Er lief etwas Abseits, wahrscheinlich, um nicht mit seinen Kollegen zusammen zu kommen.

Hin und wieder hielt er inne, wischte sich über die Augen, um dann wieder weiter zu rechen. Ich schüttelte den Kopf. Phillip, das geht dich nichts an. So drehte ich meinen Rolli um 180 Grad und verließ das Savannengehege.

Aber vergessen konnte ich den Pfleger nicht.

Lucca

Keiner hatte mich wegen gestern angesprochen. Gut, sonst sprachen sie mit mir auch nicht viel. Ich war eben der Freak in der Klasse. Einige schienen aber auch verwundert zu sein, dass ich heute das erste Mal ohne geschminktes Gesicht in die Schule kam.

Ich hatte sogar ein braunes Shirt an. Nicht das komplette schwarze Ensemble. Mich wunderte auch, dass unser Rektor mich noch nicht zu sich gerufen hatte. Er war ja mein Gesicht schon gewohnt.

Mir sollte es Recht sein, so hatte ich wenigstens meine Ruhe vor den Anderen. Desinteressiert schaute ich zur Tafel und sah unserem Mathelehrer zu, wie er die Tafel voll schrieb. Keiner im Zimmer schrieb mit.

Die Anderen schienen ebenso uninteressiert am Unterricht zu sein, wie ich. In der vierten Reihe hatte sogar einer den Kopf in den Armen vergraben. Der erlösende Gong kam und ich verließ eiligst das Klassenzimmer, um nicht doch noch Rede und Antwort stehen zu müssen.

Ich lief die Treppe runter und verließ die Schule in den Hof. Schnell war ich an meinem Stammplatz und zog meine Zigaretten heraus. Ungeduldig pfriemelte ich das Feuerzeug aus der Hosentasche und stecke mir eine an.

„Typisch… der Genster schon wieder beim Rauchen“

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