Funkelnde Augen
Robert
Gespannt sah ich auf die Terrassentür. Erst erschien meine Mutter und dann… Niklas. Niklas hatte sich total verändert. Als ich ihn das letzte Mal gesehen hatte, war er so dünn wie ich. Nun stand da ein Typ, so wie man ihn von den Diskotheken her kannte. Ein Rausschmeißer.
Vor mir stand ein grinsender Schrank.
„Mensch Rob, freu ich mich dich zu sehen!“, hörte ich ihn sagen.
Ich stand auf und er nahm mich in den Arm.
„Uffz… hi Niklas.“
Mir blieb fast die Luft weg, so heftig drückte Niklas zu.
„Oh… sorry. Wie geht es dir, erzähl was machst du?“
Er hatte mich losgelassen und musterte mich von oben bis unten.
„Du hast dich gar nicht verändert…, na ja vielleicht ein paar Mukkis mehr, aber sonst der alte Rob.“
„Nicht mehr so ganz… bin fünf Jahre älter.
Meine Eltern und Adrian saßen nur da und schwiegen. Nun fiel auch Niklas Blick auf Adrian.
„Darf ich dir vorstellen, dass ist mein Freund Adrian.“
Ich hatte das Wort Freund extra betont.
„Hast also die Kiste durchgezogen… cool…, hallo Adrian“, meinte Niklas und schüttelte ihm die Hand.
Der Händedruck schien fest, Adrian verzog etwas das Gesicht. So etwas merkte Niklas nicht, er war und blieb eben in solchen Sachen ein Trampel. Ich setzte mich wieder hin, während meine Mutter Niklas einen Kaffee einschenkte und ein Stück Kuchen gab.
„Danke“, murmelte Niklas, während er den ersten Bissen Kuchen reinschob, „nun erzähl schon.“
„Ich bin jetzt Tierpfleger in einem Zoo, arbeite in einem Delfinarium“, erzählte ich.
Fünf Jahre in Kurzfassung.
„Passt irgendwie zu dir.“
Meine Eltern standen auf unter dem Vorwand noch etwas tun zu müssen, aber ich denke, sie wollten uns einfach alleine lassen. Niklas hatte bereits das zweite Stück Kuchen hineingeschaufelt, was Adrian belustigt.
„Und ihr zwei seid zusammen? Ich fass es nicht… mein kleiner Rob ist in festen Händen.“
Eine kurze Schweigepause trat ein, Denn ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
„Hör mal… Rob, dass wegen damals tut mir leid…, wenn ich gewusst hätte, was ich anrichte…“
„Schnee von gestern…“, sagte ich nur, auch wenn ich das, ich glaube, selber nicht wirklich so meinte.
„Ach Rob… das sind fünf Jahre…, ich habe dich wirklich vermisst.“
„Und warum hast du nicht versucht, zu ihm Kontakt aufzunehmen?“
Das war diesmal Adrian, verwundert schaute ich ihn an.
„Wie denn? Ich wusste ja nicht mal wo Robert war. Seine Eltern schwiegen sich über Thema Sohn aus.“
Die Erklärung schien plausibel. Doch Adrian reichte sie anscheinend nicht.
„Also wenn mein bester Freund, in diesem Fall Robert, verschwunden gewesen wäre, ich hätte alles daran gesetzt ihn wieder zu finden“, sagte Adrian.
Niklas setzte die Kaffeetasse ab, aus der er getrunken hatte.
„Das haben wir ja, aber alle Versuche liefen ins Leere.“
Adrian schaute mich fragend an.
„Ich wollte nicht gefunden werden…“, meinte ich zu Adrian, wandte mich dann aber zu Niklas, „wen meinst du mit wir?“
„Ella, Christoph, Jürgen, Petra und so weiter, die ganze Gang.“
Ich zuckte hilflos mit den Schultern. Jetzt war es eh egal, dass war nun wirklich Vergangenheit und nun saß ich wieder hier.
„Gibt es die denn noch? Die Gang?“, fragte ich.
„Klar, du wirst dich wundern. Wir wohnen zwar nicht mehr alle hier im Dorf, aber als du weg warst… hat uns dass irgendwie zusammengeschweißt… wir wollten nicht noch einen Freund verlieren.“
Dies traf mich. Aber ich denke, jede Entscheidung hat auch ihr Gutes und zurückdrehen ließ sie sich eh nicht mehr. Ich spürte Adrians Hand auf meiner. Ich war mir sicher, er wusste genau.
„Wenn du willst, könntest du heute Abend alle sehen“, sprach Niklas weiter.
David
Da saß er nun, dieser goldige Typ. Tim hatte eine Cola in der Hand und ließ seinen Blick durch die Wohnung wandern.
„He Tim, toll dass du mir geholfen hast, so bin ich schon fertig. Dachte, ich muss noch den ganzen Abend rumwühlen.“
Ich ließ mich aufs Sofa neben ihn fallen und trank ebenso ein Schluck Cola.
„Hab dir doch gesagt ich helfe dir gerne. Und, steht noch irgendetwas an, oder bist du wirklich fertig?“
„Eigentlich nicht. Wie ich was verräume, weiß ich noch nicht. Und was mir fehlt, da werden mir schon meine beiden Brüder aushelfen, denk ich mal.“
Er zog wieder einen Schluck aus seiner Flasche.
„Und wie geht es dir jetzt?“, fragte ich.
Tim schaute mich mit funkelnden Augen an.
„Es geht…, du hast mir… schon geholfen.“
Ich lehnte mich nach vorne und legte meine Hand auf seinen Schenkel.
„Das wird wieder Tim. Klar ist es schwer, wenn deine große Liebe, dein bester Freund, ein und dieselbe Person ist. Aber es gibt noch viele Mamas mit süßen Söhnen“, grinste ich ihm entgegen.
„Deine Mama auch?“
Volker
Fritz war bereits gegangen und ich löschte die letzten Lichter in der Halle. Rolf war die ganze Zeit still in meiner Nähe gestanden. Nun brannte nur noch die Nachtbeleuchtung, die den Weg zum Ausgang schwach ausleuchtete.
„So wir können dann“, meinte ich zu Rolf.
Ich sah das schwache Licht, wie es sich in seinen Augen spiegelte.
„Du Volker?“
„Ja?“
„Ich weiß…, das geht jetzt alles etwas schnell…, aber ich glaub, ich hab mich irgendwie in dich verknallt.“
„Irgendwie?“, fragte ich laut.
Warum störte mich dieses Wort. Da stand ein Mann gegenüber, der mir gerade sagte, dass er sich in mich verliebt hat. Und ich frag nach dem >irgendwie<. „Ja, denn ich kann meine Gefühle nicht klar einordnen. Ich war bisher noch nie in einen Mann verliebt. Es ist so neu!“ Wir standen nun nur noch wenige Zentimeter von einander entfernt. Dass die Luft um uns herum zum Knistern geladen war, spürte ich nicht erst seit eben. „Da bist du ja nicht alleine…“ „Du liebst mich auch?“, fragte Rolf verwundert. „Ich weiß nicht, ob ich von Liebe reden kann… Für mich ist das ebenso neu. Ich weiß nur, dass mir deine Gegenwart gefällt, ich froh bin, dass du da bist. Sorry, wenn ich mich jetzt irgendwie blöd ausdrücke.“ „Kein Problem, Volker. Ich verstehe was du meinst.“ Unsere Gesichter wanderten langsam näher. „Du bist nicht böse, wenn … ich mich nicht so ausdrücken kann?“ „Wieso sollte ich auf so einen geilen Mann böse sein?“ Dann trafen sich unsere Lippen. Ich schloss die Augen und zog alles in mich auf. Ich spürte Rolfs warme, weiche Lippen auf meinen. Ich spürte seine Hände, wie sie sich langsam, streichelnd auf meinen Rücken bewegten. Meine Knie wurden weich und wieder war es da. Dieses Kribbeln im Bauch. Dennis In der Straßenbahn hatte ich mich von Lucca und Sebastian getrennt. Nach dem wir Luccas Vater nicht finden konnten, war er einfach mit uns mitgefahren. Nun stand ich vor dem Haus, in dem Michael wohnte. Ich stand auf der Treppe, mein Finger schon fast an der Klingel. Sollte ich wirklich reingehen. Meine Wut auf Michael hatte sich gelegt. Seine fehlende Nähe quälte mich mehr. Aber was machte ich, wenn wieder so etwas passierte? Wenn Michael noch einmal die Hand ausrutschte, oder gar mehr? Die Entscheidung zu klingeln, wurde mir abgenommen, denn die Haustür wurde aufgezogen. Vor mir stand Michaels Mutter. „Habe ich doch richtig gesehen… hallo Dennis, willst Michael besuchen?“ Ich nickte. „Er ist oben. Er hat sich hingelegt, seine Schmerzen sind doch stärker, wie er es wieder zugeben möchte.“ „Will er denn nicht ins Krankenhaus?“, fragte ich, während ich das Haus betrat. „Du kennst doch Micha. Geh ruhig hoch… willst du nachher mitessen?“ „Ja … danke“, sagte ich und stieg die Treppe zu Michaels Wohnung hinauf. Als ich vor der Wohnungstür stand, klopfte ich zaghaft an die Tür. „Mum, es ist doch offen!“, rief es von drinnen. Ohne einen Ton zusagen, öffnete ich die Tür. Ich lief direkt ins Schlafzimmer, weil ich dort Michael am ehesten vermutete, da war er aber nicht. „Mama?“, hörte ich Michael rufen. Das kam eindeutig aus dem Wohnzimmer. Also ging ich durch den Flur zum Wohnzimmer, wo ich Michael auf dem Sofa vorfand. „Ich bin es“, meinte ich leise. Michael sah mich und wollte aufsitzen, was er mit einem lauten Schrei, sofort bereute. Er hielt sich die Brust und ließ sich wieder auf Sofa nieder. „Alles klar?“, fragte ich besorgt. „Ja…, bin ja so blöd… sorry bin zu schnell hoch.“ Ich ließ meinen Rucksack zu Boden gleiten und setzte mich auf den freien Sessel. Michael schaute mich an, sagte aber nichts. Ich war ebenso ruhig. Einzig alleine das Kaminfeuer knisterte. „Ist dir kalt?“, fragte ich ihn. „Mum meinte, Wärme tät mir jetzt gut, so hat Dad meinen Kamin in Gang gesetzt.“ Da außer dem Kaminfeuer nur noch eine Kerze auf dem Sims brannte, sah ich wie Michaels Augen im Feuer funkelten. Ich schaute lange in seine Augen, verlor mich in ihnen. Er hob die Hand. „Komm!“, sagte er nur und ich folgte. Ich stand auf und setzte mich neben dem Sofa, auf dem Michael lag, auf den Boden. Seine Hand griff nach meiner. „Schatz, es tut mir leid. Ich bin noch nie gewalttätig gewesen, ich weiß einfach nicht, was in mich gefahren ist. Ich liebe dich und will dich nicht verlieren.“ Ich…, ich…, ich… Jeder Satz begann mit ich an. Gab es auch ein Wir? „Was denkst du?“, riss mich Michael aus dem Gedanken.