Taylor und ich wünschten Grandpa eine gute Nacht. Danach standen wir beide alleine vor dem großen Haus und waren unschlüssig, was wir jetzt machen sollten. Weiterlaufen, oder uns zu den Erwachsenen in die Bibliothek setzten?
Oder wir verzogen uns still und heimlich in unser Zimmer. Letztendlich entschieden wir uns für das Zimmer, denn mir war kalt und nach kuscheln zumute. So schlichen wir leise ins Haus, aber wie hieß es so schön, der Wunsch ist die Mutter der Gedanken.
Leider wurden wir entdeckt, nämlich die liebe Tante Abigail trat genau dann aus der Bibliothek, als wir gerade in deren Höhe waren.
„Nanu, ihr seid schon zurück? Wo ist Vater?“
„Der hat sich schon auf sein Zimmer zurück gezogen. Die anderen sind noch am See“, antwortete ich leicht verlegen, als wären wir bei etwas Schlimmes erwischt worden.
„Und ihr zwei?“
„Werden erst mal nach oben gehen uns etwas Gemütliches anziehen.“
„Kommt ihr noch herunter?“
„Das weiß ich noch nicht“, antwortete ich, nun doch rot werdend.
„Soso“, grinste Abigail und lief Richtung Küche.
*-*-*
„Einfach herrlich“, meinte Taylor neben mir, in dessen Arm ich lag.
Bis auf eine Kerze auf dem Tisch, war es dunkel im Zimmer. Ab und zu konnte man die Erwachsenen unten Lachen hören, sonst war es ruhig.
„Das haben wir Herbst, jeden Abend…“
Taylor drehte seinen Kopf zu mir.
„Bist du sicher? Also ich meine, so ruhig wie hier wird es sicher nicht sein! London ist eine große Stadt…“
„.„und da ist immer Leben“, beendete ich seinen Satz.
„Ich weiß was du meinst, Schatz. Aber ich kann dir versichern, wir wohnen in einem sehr ruhigen Stadtteil von London und an die wenigen Autos, die man hören kann, wirst du dich sicher gewöhnen.“
„Du hast sicher Recht…, es ist ja nicht so, dass zuhause bei Cloe, keine Autos vorbei fahren. Der Gedanke, in die Stadt zu ziehen, ist halt immer noch ungewöhnlich.“
„Du würdest gerne hier bleiben.“
„Jaein…! Klar, es wäre gelogen, wenn ich die Natur und die Gegend hier nicht vermissen würde…, aber ich will ja vorwärts kommen und zum Studieren muss ich eben in die Stadt. Zudem kann ich mit dir zusammen sein!“.
Er drückte mir einen Kuss auf die Wange.
„Und ich kann dir jedes Wochenende eine etwas andere grüne Stelle in London zeigen, davon gibt es sehr viel in London!“, lächelte ich ihn an.
„Im Herbst?“
Ich sah in Taylors grinsendes Gesicht.
„Du weißt was ich meine“, grinste ich genauso frech zurück.
Unten wurde es lauter. Unsere Seewanderer schienen zurück zu kommen. Auch waren nun die Erwachsenen deutlicher zu hören. Es waren anscheinend jetzt alle im Eingangsbereich.
„Vorbei die schöne Ruhe…!“, sagte ich und Taylor kicherte neben mir.
Wenig später klopfte es an unserer Tür.
„Als hätte ich es geahnt!“, beschwerte ich mich leise und stand auf.
Widerwillig lief ich zur Tür und schloss auf. Davor fand ich Gregory.
„Hättet ihr Lust, noch etwas mit uns zu spielen?“
„Spielen?“, ich kratzte mich am Hinterkopf, „ach ich weiß nicht…“
Mein Blick wanderte zu Taylor, der immer noch grinsend auf dem Bett lag.
„Ich weiß nicht recht, es ist gerade so kuschelig in meinem Bett.“
„Ach komm, du hast ja noch morgen Abend für dich und Taylor.“
Da hatte er Recht.
„Ja, wenn nicht so ein süßer Cousin mit Dackelblick an mein Zimmer klopft und etwas möchte!“
„Stimmt doch gar nicht!“
„Wie du bist nicht süß?“
„Boah eh! Du weißt was ich meine.“
Hinter mir fing Taylor an zu lachen.
*-*-*
Ich weiß nicht wie lange wir schon gespielt hatten, aber die anderen hatten immer das nach sehen. Es war schon die dritte Runde. Taylor und ich hatten viele Hotels auf dem Brett stehen und kassierten mächtig ab.
„Ich bereue mittlerweile, dass ich die beiden zum Monopoly spielen herunter geholt habe“, sagte Gregory und zog ein langes Gesicht.
„Genau, du bist schuld, dass wir schon wieder fast vor dem Bankrott stehen!“, beschwerte sich Sabrina.
Molly und die Zwillinge sagten gar nichts. Wir hatten einfach beschlossen in Grüppchen zu spielen. Natürlich Taylor und ich, Gregory mit Molly, die Zwillinge und guter Letzt Jayden mit Sabrina zusammen.
„Du gibst einfach zu viel Geld aus!“, mahnte sie Jayden.
„Stimmt doch gar nicht, aber ich musste doch Straßen kaufen, wovon wollen wir sonst leben?“
Ich schaute auf den bunt gemischten Haufen von Straßen und musste grinsen. Nicht eine Sammlung hatten sie beisammen und es war ihnen nicht möglich, auch nur ein Haus zu kaufen, also aufzustellen. So fielen diese Einnahmen weg.
„Zudem, würden wir nicht ständig wegen deiner Ereigniskarten zahlen müssen, hätten wir auch mehr Geld.“
„He, das ist nur ein Spiel, ihr werdet euch doch jetzt nicht anfangen zu streiten?“
Er und Molly besaßen wenigstens zwei komplette Straßenzüge. Auch die Zwillinge waren mit drei Straßenzügen dabei. Sabrina griff sich die Würfel und ließ sie aufs Spielbrett rollen.
„Sieben!“, sagte Molly und Jayden rückte mit der Spielfigur vor.
Mein Grinsen wurde breiter, als ich sah, wo er landen würde. Taylor nahm schon die entsprechende Karte in die Hand.
„Parkstraße… mit einem Hotel… das macht 40000 Euro!“, lass Taylor vor.
Jayden ließ sein Gesicht hinter seinen Händen verschwinden, während die anderen anfingen zu kichern. Sabrina dagegen, begann doch tatsächlich ihr Geld zu zählen.
„Lass es Schatz, wir haben verloren!“, grummelte Jayden hinter seinen Händen.
„Wieso denn, dann machen wir eben Schulden bei der Bank, dass macht doch jeder!“
Nun lachten alle am Tisch.
„Noch eine Runde?“, fragte ich.
„Nein, ich bin müde und will nur noch ins Bett“, sagte Stan, „… Niclas?“
Dieser nickte und begann das Geld unter dem Spielbrett vorzuziehen.
„Und das fragte einer, der vorhin noch lieber in seinem Bett liegen bleiben und kuscheln wollte!“
Frech grinste ich Gregory an und half Taylor die Sachen in die Spielkiste zu räumen. Mein Cousin verzog sein Gesicht zu einer Grimasse und streckte mir die Zunge heraus. Schnell war das Spiel abgeräumt und alle erhoben sich.
„Dann mal Gute Nacht!“, sagte Stan.
Das gegenseitige Gute Nacht sagen, ließ den Geräuschpegel noch einmal kurz anschwellen. Auch die Gute Nacht Grüße, bei den Erwachsenen in der Bibliothek, ging etwas lauter von statten, da die Herrschaften alle schon etwas angetrunken waren.
Froh, endlich wieder im Zimmer zu sein, zog ich mich gleich aus. Ich wollte nicht noch einmal aufstehen müssen, Taylor tat es mir gleich. Ich trat ins Bad und hörte aus der Gegenseite eine heftige Diskussion. Ich ging zur Tür und klopfte.
„Geht das auch leiser?“, rief ich und augenblicklich herrschte Ruhe.
*-*-*
Taylors Handy weckte mich, wie üblich um diese Zeit. Mein Schatz zuckte kurz und wenig später verschwand der Alarm. Ich musste gähnen.
„Morgen mein Schatz“, meinte Taylor und hatte nun meine volle Aufmerksamkeit.
Er strich mir eine Strähne aus dem Gesicht.
„Guten Morgen mein Banker“, grinste ich, hob etwas den Kopf, um einen Kuss zu bekommen.
Der ließ nicht lange auf sich warten. Dann fiel mein Kopf zurück aufs Kissen.
„Dann werde ich wohl aufstehen“, meinte Taylor und schlug seinen Teil der Decke zurück.
„Frühstückst du eigentlich nie, wenn du Dienst hast?“
Darüber hatten wir uns noch nie unterhalten.
„Doch, aber später mit James und jetzt auch Christine zusammen, warum fragst du?“
Er verschwand kurz im Bad, bevor er, wieder im Zimmer zu meinem Schrank lief und sich ein paar Klamotten heraus zog. Es war einfach günstiger, bei mir etwas zu deponieren, als sich hier die normalen Klamotten anzuziehen und unten in Stall sich gleich wieder umzuziehen.
„Einfach nur so, ich habe dich hier noch nie frühstücken gesehen.“
„James bringt immer etwas mit und in seiner Bude steht auch eine Kaffeemaschine und Wasserkocher. Du siehst, ich muss also nicht Hunger leiden.“
Er hatte seinen Wollpullover über gezogen und kam noch einmal ans Bett. Etwas mühselig beugte er sich nach vorne und ich bekam meinen zweiten Kuss an diesem Morgen.
„Bleibst du noch liegen?“
„Nein, ich werde wohl aufstehen und wieder mit Großvater frühstücken, da ist es so schön ruhig.“
„Ja, das genieße ich im Stall auch, diese Ruhe am Morgen.“
Er küsste mich erneut, dieses Mal etwas länger. Dann richtete er sich auf.
„Dann bis später“, meinte er und lief zur Zimmertür.
„Taylor…“, er stoppte und drehte seinen Kopf zu mir.
„Ich liebe dich!“
„Ich dich auch mein Schatz!“, entgegnete er und warf mir einen Handkuss zu, bevor er leise das Zimmer verließ.
Ich ließ mich lächelnd auf mein Kissen fallen und schaute verträumt an die Decke.
*-*-*
Als ich später das Esszimmer betrat, saßen da nur Mum und Abigail. Etwas enttäuscht schloss ich die Tür.
„Morgen Jack“, begrüßte mich meine Tante.
Mum winkte mir nur zu. Ihre Augen waren klein
„Morgen ihr zwei…, wo ist Grandpa?“
Ich griff mir einen Teller.
„Der ist schon in seinem Büro und wollte etwas überprüfen“, antwortete Abigail.
„Achso…“, sagte ich nur und belud meinen Teller.
Danach lief ich an meinen Platz und ließ mich nieder. Mum hatte ihren Kopf aufgestützt und schaute auf ihre leere Tasse.
„Was ist denn mit dir los?“, fragte ich und sah wie Abigail zu Grandpas Platz griff und den Knopf für die Küche drückte.
„Ich sag nur Rotwein! Ich bin echt nichts mehr gewöhnt!“
„Wirkt die Schmerztablette noch nicht?“, fragte Abigail.
Mum schüttelte den Kopf, griff sich aber sofort in die Haare. Ich schaute sie mitleidig an, während Abigail grinste. Die Seitentür ging auf und Harry trat herein.
„Guten Morgen… Jack, wieder eine Schokolade?“
„Guten Morgen Harry, danke, das wäre lieb!“
Harry nickte und verschwand wieder.
„Daran könnte ich mich wirklich gewöhnen“, meinte ich und biss in einer der Würstchen.
„Das kannst du dir gleich abschminken! Ich werde dir nicht jeden Morgen eine heiße Schokolade kochen!“, kam es von Mum.
„Verlangt auch niemand von dir!“, grinste ich sie an.
Die Tür zum Flur ging auf und Niclas kam herein.
„Guten Morgen“, sagte er leise.
„Guten Morgen Niclas und konntest du wieder nicht schlafen?“, fragte Abigail.
„Doch, ich habe gut geschlafen…“, antwortete er und legte sich eine Toastscheibe auf den Teller, bevor er zu mir gelaufen kam.
Ich zog schon automatisch den Nachbarstuhl etwas nach hinten, damit er sich setzten konnte.
„Ist das alles, was du isst?“, fragte ich.
„Ich bin nicht so… der Frühstücksmensch.“
„Bei so vielen leckeren Sachen ist nichts dabei?“
Niclas schüttelte den Kopf.
„Was hast du denn zuhause immer gegessen?“, fragte nun Abigail.
„Ein Müsli und dazu ein Glas Orangensaft.“
Dieses Mal brauchte Abigail nicht zu drücken, denn Harry kam mit meiner Schokolade zurück. Er nickte Niclas kurz zu, bevor er mir die heiße Schokolade servierte.
„Harry wissen sie, ob wir Müsli haben?“, fragte Abigail.
„Da müsste ich Caitlin fragen.“
„Wenn ja, bringen sie doch bitte eine kleine Schüssel für Niclas und noch ein Glas Orangensaft dazu.“
„Wie sie wünschen Madam!“, sagte Harry und verschwand wieder durch die Seitentür.
Niclas schaute mich mit großen Augen an.
„Tja, wenn du hier öfter auf Besuch sein solltest, wirst du dich daran gewöhnen müssen!“, meinte ich und bis von meinem Toast ab.
„Also Niclas…, du und dein Bruder sind hier herzlich willkommen!“
„Danke!“, meinte Niclas und erneut öffnete sich die Tür zum Flur.
Grandpa trat ein und ich begann an zu lächeln.
„Guten Morgen Grandpa!“
„Guten Morgen mein Junge… Niclas!“
Er ließ sich auf seinem Stuhl nieder. Dann ging erneut die Seitentür auf und Harry kam mit einem Tablett zurück. Mit dem lief er zu Niclas und stellte eine Schüssel auf einen Teller vor den Jungen.
Es folgte ein Kännchen Milch und ein Glas Orangensaft. Zum Schluss legte er noch einen Löffel neben den Teller.
„Ich hoffe, so ist es Recht?“, sagte Harry.
Niclas zog etwas den Kopf ein.
„Ähm… ja danke… Harry…“
Harry lächelte, bevor er sich zu Grandpa wandte.
„Duke, noch irgendeinen Wunsch.“
„Nein danke Harry!“
Dieser nickte und verschwand wieder.
„Was ist das?“, fragte Grandpa und zeigte auf Niclas Schüssel.
„Ein amerikanisches Frühstück!“, antwortete ich grinsend.
„… und davon wird man satt?“
„Anscheinend…“
Die Tür zum Flur wurde erneut aufgeschoben und Oma Brenda kam herein, dicht gefolgt von Dema. Erneut begann eine kurze Begrüßung. Auch Harry kam zurück. Ob ihn das nicht nervte, ständig hier rüber zu laufen.
Noch während Abigail sich nach den Wünschen der beiden Damen erkundigte, wandte sich Grandpa an uns.
„Ich habe da noch etwas für dich Niclas.“
„Noch ein Buch? Das andere habe ich schon fast gelesen!“
„Dieses dicke Ding?“, fragte ich verwundert.
„Nein… kein Buch, aber eine andere Überraschung“, sagte Grandpa.
Ich schaute zu Niclas, aber konnte nicht sagen, ob er sich nun freute, oder enttäuscht war.
*-*-*
„Das ist für mich?“, fragte Niclas aufgeregt.
Er stand neben mir an Grandpas Schreibtisch und starrte auf die Kiste vor uns. Darin befanden sich eine große schwarze Dampflok, mehrere Waggons und ein paar Schienen. Alles sah sehr alt auf und hatte sicher auch einen Wert.
Deutlich größer, als die Lok, die er gestern von seinem Vater geschenkt bekommen hatte. Ob er auch diese Dampflokomotive kannte.
„Ja, ich dachte, nach dem die anderen kein Interesse daran gezeigt haben, ist sie am besten bei dir aufgehoben.“
Nun machte Niclas etwas, was ich nicht für möglich gehalten hätte. Er lief zu Grandpa und fiel ihm um den Hals.
„…. Danke…, danke….danke!“, konnte ich ihn sagen hören.
Verwundert schaute ich Grandpa an, der aber nur lächelte.
„Nichts zu danken…, wenn ich dir eine Freude bereiten darf!“
Niclas ließ los und trat wieder zu mir. Vorsichtig, als wäre sie zerbrechlich, nahm er die Lok aus der Kiste. Niclas drehte sie und schaute sie sich genau an.
„Das ist eine WD Austerity 2-8-0 Class, einer der am häufigsten gebauten Loks in England.“
Gut, das hätte ich mir dann sicher auch merken können, wenn die Lok so berühmt ist. Gesehen hatte ich bisher noch keine, aber auch kein Interesse daran gehabt.
„Möchtest du sie fahren lassen? Ich weiß nämlich nicht, ob sie noch fährt“, sagte Grandpa.
„Hier?“, kam es erstaunt von Niclas.
„Nein, drüben im Kaminzimmer, da müsstest du genügend Platz haben.“
„Ich darf wirklich…?“
„Ja!“, strahlte ihn Grandpa an.
Genauso vorsichtig legte er die Lok zurück und schaute dann zu mir.
„Würdest du mir helfen?“
Ich nickte und er hob langsam die Kiste vom Schreibtisch,
*-*-*
Natürlich fuhr sie nicht, dafür war sie viel zu sehr mit Staub behaftet. Während Niclas auf dem Boden saß, hatte ich es vorgezogen mich auf einem der Sessel nieder zulassen. Mit dem von Ruby gebrachten Putzzeug war ich gerade dabei, einer der Personenwagen zu reinigen. Die Tür zur Bibliothek wurde aufgeschoben und Mason kam herein.
„Hier bist…“
Mitten im Satz brach Mason ab, als er sah, was wir gerade machten.
„Wo hast du die denn her?“
„Die habe ich von Jacks Grandpa bekommen!“, strahlte Niclas.
Mason bückte sich und nahm die Dampflok seinem Sohn aus der Hand.
„Das sieht edel aus, hast du dich beim Duke auch bedankt?“
„Keine Sorge, Mason“, meinte ich, „er ist ihm sogar um den Hals gefallen!“
Verwundert schaute mich Mason an.
„Dann brauch ich wohl nicht zu fragen, ob du mit mir in die Stadt willst?“