Bevor ich mich auf den Weg, zurück zum Gutshof machte, telefonierte ich mit Marion und besprach mit ihr den Wunsch von Gabriele Müller, die zukünftigen Adoptiveltern von Bettina noch vor der Beisetzung besser kennenzulernen. Marion reagierte damit, dass sie meinte, es würde ausreichen, wenn sie und Jens, Gabi Morgen beim Leichenschmaus näher kennenlernen würden. Ich erklärte ausführlich, warum ich das anders sehen würde, es reicht immerhin dazu, dass sie einem Treffen heute bei einem gemütlichen Abendessen zustimmte.
Da wir als Ort und Zeit vereinbart hatten, dass wir uns um neunzehn Uhr dreißig im Nebenzimmer des Restaurants treffen, rief ich bei Alexandra an und bestellte einen Tisch für zwölf Personen im Nebenzimmer. Meine Mitbewohner informierte ich, dass sie kein Abendessen vorbereiten brauchen, da wir mit Gabi aus München und Familie Habermüller zum Essen ins Nebenzimmer des Restaurants gehen.
Es war am Ende doch schon nach siebzehn Uhr als ich endlich im Auto saß und unterwegs zum Gutshof war. Die Hälfte der Strecke hatte ich bereits zurückgelegt, als der Anruf von Gabi kam. Sie erklärte, dass sie vor dem Jugendhotel steht und von mir, wie versprochen die Infos will, wann wir uns treffen.
Ich erklärte über die Freisprechanlage, dass ich noch unterwegs zum Gutshof sei, aber in den nächsten fünf Minuten eintreffen werde. Wir verblieben damit, dass wir uns gleich in der Lobby des Jugendhotels treffen werden und sie dort eincheckt und wir dann gemeinsam ins Gutshaus gehen, entweder in mein Büro oder in die Wohnung.
Es dauert dann doch etwas länger, bis mein Auto in der Garage stand und ich ins Jugendhotel eintrat. Dennis stand hinterm Tresen und schaute zu mir. Beim Näherkommen erkannte ich seine beiden Brüder, mit denen er sich unterhielt. Ich begrüßte sie recht herzlich und fragte Dennis, wo Gabi Müller sei, da ich mit ihr in der Lobby verabredet sei.
Er meinte Frau Müller ist kurz hoch in ihr Zimmer, den Koffer loswerden, dann wollte sie wieder nach unten kommen. Ich hoffe, du wunderst dich nicht, dass meine beiden Brüder hier sind. Meine Eltern und meine beiden Brüder sind heute bereits angereist, wegen Bettinas Beerdigung, und übernachten im Jugendhotel bis zum Sonntag.
Noch bevor Gabi wieder auftauchte, kamen bereits Dennis Eltern die Treppe herunter. Robert begrüßte mich und erklärte mir: „Ich habe unsere beiden Jungs wegen einer auswärtigen Beerdigung für Morgen vom Unterricht befreien lassen. Wir haben beschlossen, dass wir vor dem großen Umzug Anfang September, noch ein paar Tage hier Urlaub machen wollen. Ich habe gehofft, dass wir schon einmal einen kleinen Blick in unsere Wohnung werfen können.
Gabi näherte sich uns und begrüßte uns. Ich stellte ihr Robert als einen der Münchner Kollegen von Bettina vor, zusammen mit seiner Frau Angelika und den beiden Söhnen Georg und Lutz. Hinterm Tresen steht Sohn Nummer drei, Dennis hat im vergangenen Herbst seine Ausbildung zum Hotelkaufmann bei uns begonnen. Danach stellte ich Gabi als die Wohnungsnachbarin von Bettina vor. Robert erklärte: „Die übrigen Kolleginnen und Kollegen von Bettina kommen morgen direkt zur Beerdigung, nur ich bin mit meiner Familie bereits heute angereist.
Da uns unser Sohn Dennis, in München kaum noch besucht, nutzen wir die Gelegenheit mit ihm ein paar Tage zu verbringen. Ich hoffe, dass es sein Dienstplan zulässt, mit uns etwas zu unternehmen. Da der morgige Tag dafür nicht in Frage kommt, bleibt uns eigentlich nur der Samstag und teilweise noch der Sonntag für gemeinsame Unternehmungen.“
Dennis grinste und sagte: „Unglücklicherweise habe ich am Samstag meinen freien Tag und am Sonntag beginnt meine Schicht erst am Nachmittag im Restaurant, es besteht Hoffnung, dass wir mit Felix zusammen etwas unternehmen können. Morgen darf ich arbeiten, aber zumindest ab dem Leichenschmaus seht ihr mich ständig, da ich im Nebenzimmer Dienst habe.“
Ich fragte in Richtung Familie Huber: „Wie sieht es bei euch aus, was habt ihr in Sachen Abendessen geplant? Solltet ihr bis jetzt noch planlos sein schlage ich vor, dass wir uns um neunzehn Uhr dreißig im Nebenzimmer des Restaurants zum Abendessen treffen. Dabeisein wird, neben euch, meine Familie, Familie Habermüller, die zukünftige Familie von Christina und Gabi Müller, die Wohnungsnachbarin und gute Freundin von Bettina.“
Angelika, Dennis Mama meinte: „Wir hatten geplant heute Abend mit unseren Jungs ins Restaurant zum Essen zu gehen, da wir im vergangenen Jahr, bei unserem ersten Besuch, nur das Essen im Jugendhotel, beziehungsweise, dass der Kantine kennenlernen durften. Wir waren neugierig darauf, wie groß der Unterschied zwischen den beiden Lokalitäten ausfallen würde. Ich denke es wird für uns kein Fehler sein, sich euch anzuschließen.“
Dennis grinste und erklärte: „Mama, lass das, was du soeben gesagt hast, nur nicht Sebastian, dem Chef der Küche hören. Er kann bei dieser Aussage sehr heftig reagieren. Es gibt geschmacklich zwischen den Gerichten im Restaurant und im Jugendhotel keinen Unterschied. Der einzige Unterschied, den es dabei gibt, ist die Tatsache, dass du im Restaurant bedient wirst und im Jugendhotel Selbstbedienung angesagt ist.“
Ich schaute zu Dennis und bat darum, Alexandra zu informieren, dass sie im Nebenzimmer für sechzehn Personen eindecken sollen. Er frage frech zurück, ob ich mir sicher sei, dass ich für sechzehn Leute reservieren will. Ich erwiderte: „Meinen mathematischen Kenntnissen nach gehe ich davon aus, dass später sechzehn Personen beim Essen dabei sein werden. Dabei handelt es sich um acht Erwachsene und acht minderjährige Kinder oder Jugendliche. Wenn du auf ein anderes Ergebnis kommst, lasse ich mich gerne von deiner Berechnung überzeugen.“
Felix grinste ihn an und sagte: „Ich an deiner Stelle würde nicht an Peters Anzahl an Personen zweifeln, ich komme auch auf maximal sechzehn Personen.“
Dennis grinste und sagte: „Ich komme auf achtzehn Personen zum Abendessen. Meine Familie mit uns beiden macht sechs Personen, dazu Gabi aus München und Familie Habermüller bin ich bei zwölf Personen. Wenn ich jetzt die sechs Bewohner aus Peters Wohnung dazu rechne, komme ich auf achtzehn Personen.“
Felix lacht lauthals, was ich dazu nutzte, Dennis zu fragen: „Willst du die Gelegenheit nutzen und für dich und Felix ein doppeltes Abendessen herausschlagen. Immerhin zählst du Felix und dich zweimal. Bei deinen Eltern und bei unserer Wohngemeinschaft.“
Felix meinte: „Jetzt wird mir langsam bewusst, warum du auf achtzehn Personen gekommen bist. Dass du dabei mich und dich doppelt berechnet hast, ist dir anscheinend nicht aufgefallen. Oder lag es wirklich daran, so wie Peter es formulierte, dass du für uns beide eine doppelte Portion beim Abendessen herausschlagen wolltest.“
Dennis bog sich vor Lachen und als er sich langsam wieder etwas beruhigt hatte, erklärte er: „Ihr liegt völlig daneben mit eurer Vermutung. Ich habe nicht Felix und mich doppelt berücksichtigt, ich habe dabei an Tony und seine neue Freundin gedacht. Die meisten von euch kennen Tony.
Ich wollte meine Eltern damit überraschen, dass Tony seit wenigen Wochen in einem Appartement des Gesindehauses wohnt und seit gut einer Woche eine feste Freundin hat. Sie haben Tony schon seit letztem Sommer nicht mehr gesehen, seit wir im Juli anlässlich des Zeltlagers und unserer Ausbildung, hier angetreten sind. Der Rest hat wohl auch noch keine blasse Ahnung davon, dass Tony derzeit in festen Händen ist.“
Ich meinte: „Wenn das so ist, akzeptiere ich deine achtzehn und würde auf zweiundzwanzig aufstocken, wenn Tonis Eltern und Geschwister dazukommen wollen. Immerhin bist du mit Toni schon seit Jahren befreundet und eure Eltern kennen sich auch recht gut. Sie haben sich sicher schon längere Zeit nicht mehr gesehen.“
Robert erklärte: „Stimmt, Familie Mittermayer haben wir zum letzten Mal getroffen, als wir euch beide im Juli hier abgeliefert haben. Ich habe dann nur noch zwischendurch gehört, dass sie irgendwann nach Rosenheim umgezogen sind, weil Tonis Vater David dort eine gutbezahlte Stellung gefunden hat. Ich dachte, dass Toni wieder bei seinen Eltern eingezogen ist, nachdem sie umgezogen sind.“
Da mein Wissen dazu mit am umfangreichsten war, klärte ich auf: „Tonis Familie ist bei ihrem Umzug nach Rosenheim vorübergehend in unser möbliertes Reihenhaus eingezogen. Sie werden aber im Herbst endgültig in die neuen Wohnungen im Gutshof umziehen. Was die Freundin von Toni betrifft, weiß ich nur, dass es sich um eine Auszubildende aus unserem gastronomischen Bereich handeln soll, mehr Informationen wurden mir nicht zugetragen.
Dennis, du kümmerst dich darum, dass sowohl Toni und seine Freundin als auch seine Eltern und Geschwister zum Essen ins Nebenzimmer des Restaurants kommen. Ich verlasse mich da vollkommen auf dich. Seinen Eltern sagst du, dass sie auf deine Eltern und Geschwister treffen, Toni und seine Freundin lockst du ebenfalls zu einem Zusammentreffen mit deinen Eltern und Geschwistern ins Restaurant.
So ihr ihr kommt jetzt mit mir ins Gutshaus, wir setzen uns zu einem gemütlichen Gedankenaustausch zusammen und die jüngere Generation kann im Wohnzimmer zocken, sofern sie nicht neugierig genug sind, um bei uns zu lauschen.“
Dennis sagte noch: „Felix und ich kommen in etwa einer halben Stunde, dann habe ich Dienstschluss für heute. Dann kann ich dir sagen, ob mit den Einladungen alles hingehauen hat. Ich habe vorher Toni und seine Freundin gesehen, wie sie nach ihrer Schicht in sein Appartement gegangen sind. Er hat den Rest des Tages keinen Dienst mehr.“
Die beiden Brüder waren vorausgerannt ins Gutshaus und klingelten an unserer Wohnungstür. Da David öffnete, schaute er die beiden verwundert und fragte: „Wo kommt ihr zwei den her und zu wem wollt ihr. Wer seid ihr eigentlich?“
Der Jüngere der beiden sagte: „Ich bin Georg Huber und ich möchte zu meinem Bruder Dennis“
Als wir mitbekamen, was sich oben abspielte blieben wir auf der Treppe stehen und lauschten dem, was da noch kommen sollte. David antwortete: „Ersten, ich kenne dich nicht und zweitens, da könnte jeder X-Beliebige daherkommen und sich als Bruder von Dennis ausgeben. Kannst du dich wenigstens ausweisen, dann verrate ich dir, wo du deinen Bruder finden kannst.“
Georg antwortete: „Als Kind bin ich nicht verpflichtet meinen Kinderausweis ständig bei mir zu tragen, also kann ich mich auch nicht ausweisen. Wir haben uns beim Einkaufen in München in den Riem Arkaden getroffen als mein Bruder mit uns einkaufen war und von daher weiß ich, dass du David bist. Ihr seid mit dem Auto gekommen und wir sind mit der U-Bahn ins Einkaufszentrum gefahren. Also stell dich nicht so an, wo ist Dennis?“
Inzwischen schien Tobias ebenfalls an der Eingangstür zu stehen, da wir von ihm hörten: “Hi, ihr zwei, Dennis arbeitet noch, normalerweise sollte er um die Zeit noch im Jugendhotel sein. Ich kann dir auch verraten, dass sein Dienst in knapp einer halben Stunde zu Ende ist. Du musst Georg sein und dein anderer Bruder heißt Lutz. Kommt rein, wollt ihr mit uns zocken, bis euer Bruder seinen Dienst beendet hat.“
David sagte wütend: „Tobi, du kannst doch nicht zwei wildfremde Jungs in die Wohnung lassen und willst auch noch mit ihnen zocken. Ich hole jetzt Thomas, der soll entscheiden, was mit den beiden Jungs geschieht.“
Er stampfte wütend auf und entfernte sich, wir setzten uns in Bewegung und gingen die restlichen Stufen nach oben. Tobias der uns inzwischen zur Kenntnis genommen hatte, fing zu grinsen als uns erblickte. Als wir neben Tobias und Dennis Brüdern standen, meinte er: „Peter war das eben Absicht David hereinzulegen, wenn ja, dann finde ich das nicht in Ordnung!“
Meine Antwort: „Nein, keiner hatte geplant euch zu verarschen, so wie du das eben betrachtet hast. Dennis Brüder sind nur vorausgelaufen und haben geklingelt. Wir waren bereits auf dem Weg nach oben, als wir Davids pampiges Benehmen mitbekamen. Wir stoppten kurz, um zu hören, wie es weitergeht. Nachdem er wütend in die Wohnung gerannt ist, um Thomas zu holen, sind wir weiter nach oben gegangen.“
Tobias wollte schon reagieren und etwas sagen als David mit Thomas aus der Wohnung in den Flur trat. Thomas schaute verwundert auf mich und die Truppe, die hinter mir stand. David lief rot an, da ihm schlagartig bewusstwurde, dass er sich vorher gewaltig in ein Fettnäpfchen gesetzt hatte. Ich stellte die mit mir Angekommen kurz vor, Dennis Eltern und die beiden Jungs kannte er noch vom Einkauf. Nur Gabi, Bettinas und Christinas Nachbarin in der Münchner Wohnung kannte er noch nicht persönlich.
David schaute die Jungs noch einmal an, dieses Mal etwas genauer an und meinte: „Ich befürchte, ich muss mit jetzt bei euch beiden entschuldigen, weil ich euch nicht erkannt habe. Tut mir leid, dass ich so komisch reagiert habe, aber ich konnte mich wirklich nicht mehr erinnern, wie die Brüder von Dennis ausgesehen haben. Ich habe euch an dem Samstagnachmittag in den Riem Einkaufs Arcaden nur sehr kurz gesehen.
Georg meinte: „David, was soll´s, wenn du dich nicht mehr an uns erinnern kannst, kann doch jedem mal passieren. Dieses Mal siehst du uns definitiv länger, wir bleiben bis zum Sonntag. Wir sind hier, weil Papas Arbeitskollegin morgen hier beerdigt wird. Ich nehme an, du hast Christina, ihre Tochter bereits kennengelernt. Sie wird ab sofort hier am Gutshof leben.“
Ich störte die Unterhaltung und meinte: „Klar kennt er Christina, er war am letzten Wochenende mit in München, als wir die Wohnung von Bettina und Christina geräumt haben. Diese Woche sind sie schon gemeinsam morgens zur Schule und mittags zurück mit dem Linienbus gefahren und er weiß, dass sie die Schwester von Stephan und Raphael wird.
Wollt ihr jetzt noch länger im Treppenhaus herumstehen oder können wir endlich in die Wohnung gehen. Thomas, zeige unseren Gästen, wie sie ins Esszimmer kommen und unsere Jungs können mit den Kids, ins Wohnzimmer zum Zocken verschwinden.“
Ich wunderte mich nicht über die Aussage von David, der erklärte: „Peter du glaubst doch nicht wirklich, dass wir uns zum Zocken ins Wohnzimmer verkrümeln, wenn ihr im Esszimmer wichtige Gespräche führt. Du weißt doch wie neugierig wir Jungs sind, wir können uns doch wichtige Neuigkeiten nicht einfach entgehen lassen.“
Die ersten waren gerade dabei in unsere Wohnung einzutreten, als sich auf der gegenüberliegenden Seite die Wohnung die Wohnungstür öffnete und meine und Thomas Mutter aus ihrer Wohnung heraustraten. Sie schauten sich den Menschenauflauf an und Thomas Mutter fragte: „Wer war vor einigen Minuten so laut im Treppenhaus, dass wir den Lärm bis in unser Wohnzimmer gehört haben?“
David drehte sich um und sagte: „Ich war derjenige der vorher etwas lauter wurde im Treppenhaus. Es tut mir leid, dass ich euch mit meiner Lautstärke aufgeschreckt habe, aber ich habe die beiden jüngeren Brüder von Dennis nicht gleich erkannt und dachte, es sind zwei Freunde von den jüngeren Kids vom Gutshof, die mich auf den Arm sollen.“
Ich blickte zu den beiden Damen und sagte: „Gerlinde, Elisabeth, es ist nichts passiert, Dennis Brüder sind vorausgerannt und haben an unserer Wohnungstür geklingelt, Als David öffnete, fragten ihn die beiden nach Dennis, entweder hat er sie nicht sofort erkannt oder er dachte von Anfang an, dass er hereingelegt werden soll. Als Tobias dazu kam und die beiden Jungs begrüßte, drehte er endgültig durch, vermutlich deswegen, weil er annahm, dass Tobias an der Verschwörung beteiligt sei.
Er holte Thomas, zwischenzeitlich sind wir nach oben gekommen und als er zurückkam, erkannte er, dass hier keiner versucht hat ihn hinters Licht zu führen oder auf den Arm zu nehmen. Dennis Eltern sind bereits hier, weil morgen in unserem Dorffriedhof die Beerdigung von Bettina Binder, einer Mitarbeiterin aus der Münchner Immobilienverwaltung, stattfindet. Sie wollen bis zum Sonntag bleiben und Rosenheimer Landluft schnuppern, um sich bereits jetzt daran zu gewöhnen, da sie im Spätsommer hierher umziehen. Das wusste weder David noch Tobias, dass Dennis Vater in unserer Münchner Immobilienverwaltung beschäftigt ist.“
Da beide nur nickten und sofort in ihre Wohnung zurückgingen, scheuchte ich den Rest, der noch im Treppenhaus stand in unsere Wohnung und schloss die Wohnungstür. Wir gingen ins Esszimmer, da wir geplant hatten uns zu unterhalten und auf Marion, Jens und die drei Kids zu warten. Kaum hatten wir uns an den Tisch gesetzt, standen alle Kinder und Jugendlichen im Esszimmer. Ausnahmsweise war zocken eine langweilige Angelegenheit, wobei ich denke, es war die Neugier oder die Angst die letzten Neuigkeiten zu verpassen.
Robert bedankte sich noch einmal dafür, dass er mit seiner Frau und ihren beiden Jungs im Jugendhotel unterkommen konnten. Gleichzeitig wollte er wissen, wann er mit seiner Familie einen Blick in den Rohbau ihrer Wohnung werden könne.
Ich erklärte: „Robert, dir ist schon bewusst, dass ihr aus haftungstechnischen Gründen normalerweise den Rohbauten nicht betreten könnt. Ich kann höchstens bei unseren Handwerkern nachfragen, ob sie für euch eine Ausnahme machen und ihr unter Aufsicht das Gebäude und die Wohnung betreten dürft. Ich vermute, dass morgen früh am ehesten die Möglichkeit vorhanden ist, wenn unsere Handwerker auf der Baustelle sind und arbeiten.
Alternativ wäre ein Besichtigungstermin am Samstag möglich, dass aber abhängig davon, ob am Samstag einer Zeit hat oder sogar gearbeitet wird. Ich kann gern anfragen, ob euch jemand die Wohnung zeigen kann. Dazu brauche ich nur die Information, welche Wohnung in welchem Gebäude ihr für euch reserviert habt.“
Da sie nicht mehr wussten welche Wohnung sie genau reserviert hatten, bot ich nachzusehen, welche Wohnung auf ihren Namen reserviert ist. Als ich mein Notebook holen wollte, lief mir Felix über den Weg. Ich fragte, ob er sein Notebook in der Wohnung oder unten im Büro habe. Er erklärte, dass sein Notebook in seinem Zimmer stehen würde.
Er holte seinen Laptop und folgte mir ins Esszimmer, setzte sich an den Tisch und startete seinen Rechner. Ich erklärte, dass er in der Mieter- und Mietinteressentendatei nach Robert und/oder Angelika Huber suchen soll. Felix startete die Suche und erklärte: „Ich habe euch zweimal gefunden, einmal als Mieter einer Wohnung in München, die der Stiftung gehört und als Interessent für eine Wohnung im Gutshof, Gebäude vierzig, Wohnung acht, eine Vier-Zimmer-Wohnung im ersten Obergeschoß.“
Ich schaute Felix an und bat ihn, den Grundriss für diese Wohnung auszudrucken, damit Robert und seine Familie wenigstens etwas in der Hand hat, wenn sie die Wohnung besichtigen. Ich bat Tobias nach unten zu gehen und mit den beiden Jungs der Familie Huber den ausgedruckten Plan zu holen. Georg fragte, ob sie sich jeweils eine Kopie des Grundrisses für sich machen können, da sie demnächst planen wollen, wie ihre Zimmer aussehen sollen.
Ich grinste und meinte: „Ihr braucht nicht extra Kopien machen, Felix kann für euch beide einfach zwei weitere Ausdrucke starten, Kopieren funktioniert nur mit einem Chip.“
Felix erklärte: „Wenn ihr euch noch einen Moment gedulden könnt, ich starte sofort für euch zwei weitere Ausdrucke.“ Als er den Ausdruck gestartet hatte, sagte er: „Jungs ihr könnt nach unten gehen und euch die Kopien der Grundrisse aus dem Drucker holen.“
Während die drei nach unten stürmten, um die Kopien der Grundrisse zu holen, rief ich bei den Handwerkern an. Axel Baumeister meldete sich und ich erklärte: „Hallo Axel, ich brauche eure Hilfe. Bei mir sitzt Familie Huber, die Anfang September die Wohnung acht im Gebäude vierzig des Gutshofes beziehen werden. Sie würden gern morgen am frühen Vormittag oder am Samstag die Wohnung besichtigen wollen. Ich habe ihnen erklärt, dass das nur möglich sei, wenn einer der Handwerker bei der Besichtigung dabei ist. Ich schalte auf Lautsprecher, damit Robert und Angelika mithören können.“
Axel antwortete: „Lasst mich einen kurzen Blick in die Planung von morgen werfen, dann kann ich euch sagen, ob morgen jemand vor Ort ist und Familie Huber die Wohnung zeigen kann.“
Während er noch in seiner Planung suchte, kamen die drei Jungs wieder zurück, die die Kopien aus dem Drucker geholt hatten. Georg überreichte seinem Vater einen der Grundrisse. Axel erklärte: „Für das Gebäude vierzig werden morgen die ersten Teile für den Dachstuhl angeliefert, der ab Montag aufgestellt wird. Peter, Dennis wäre morgen auf der Baustelle und könnte mit Familie Huber den Rohbau besichtigen. Gearbeitet wird morgen im Gebäude vierzig nicht.
Ich sage Dennis Bescheid, dass Familie Huber gegen neun Uhr im Baustellenbüro sein wird, um sich den Rohbau ihrer Wohnung anzusehen. Er kann morgen früh vier Schutzhelme mit auf die Baustelle nehmen, mit denen sich Familie Huber schützen kann. Ginge das so in Ordnung?“
Ich grinste und sagte: „Axel, da schauen mich zwei Erwachsene zweifelnd an, ich muss ihnen kurz erklären, das mit Dennis nicht ihr Sohn, sondern Dennis Burgmüller, einer der beiden Chefs des Handwerksbetriebs Obermeier GmbH gemeint ist. Ich denke der Termin ist so rechtzeitig, dass sie pünktlich um elf Uhr auf unserem Dorffriedhof sein können, wenn unsere ehemalige Arbeitskollegin Bettina Binder beerdigt wird.“
Axel unterbrach mich mit der Frage: „Peter sprichst du von der Bettina Binder aus der Münchner Immobilienverwaltung? Dass Bettina verstorben ist, ist bei uns bisher nicht bekannt. Ich habe nur vor zwei Wochen gehört, dass sie ins Krankenhaus geht und für sechs bis acht Wochen ausfallen wird und wir uns bei Rückfragen an ihren Kollegen wenden sollen. Ist da bei der Operation etwas schiefgelaufen?“
Ich antwortete: „Bettina ist nie im Krankenhaus für die notwendige Operation angekommen. Sie war vor einer Woch hier in Rosenheim und hat ihre Tochter Christina bei Marion und Jens abgegeben, die Christina für die Zeit ihres Krankenhausaufenthalts und der Reha betreuen sollten. Auf dem Rückweg nach München ist Bettina tödlich verunglückt, ich weiß nicht, vielleicht habt ihr es mitbekommen, dass am Donnerstag vor einer Woche ein Laster auf der Autobahn umgekippt ist und mit seiner Ladung auf das Auto von Bettina gestürzt ist.“
Axel meine bestürzt: „Ja wir haben von dem Unfall gehört und gelesen, aber da in der Zeitung nur von einer Bettina B. geschrieben wurde, konnte bei uns trotzdem keiner einen Zusammenhang mit unserer Kollegin in München herstellen. Peter, wann ist morgen die Beerdigung, ich werde unsere Mitarbeiter, die mit Bettina Kontakt hatten, davon informieren und ihnen erlauben, zur Beisetzung von Bettina zu gehen.
Wenn du damit einverstanden bist, werden Dennis und ich ebenfalls an der Beisetzung teilnehmen. Kommen noch mehr von den Münchner Kollegen zur Beerdigung?“
Robert antworte: „Hallo Axel, alle Münchner Kollegen kommen morgen zur Beerdigung nach Rosenheim, ich bin mit meiner Familie bereits heute angereist, weil wir bis zum Sonntag hierbleiben wollten, um ein paar Tage auszuspannen. Wir haben auch die ehemaligen Kollegen informiert und die meisten haben zugesagt morgen zu kommen. Wir sehen uns morgen bei der Beerdigung und vorher treffen wir uns mit Dennis.“
Ich ordnete an: „Axel, erkläre bitte allen, dass sie in Anschluss an die Beerdigung zum Leichenschmaus und am Nachmittag zu einer gemütlichen Kaffeerunde im Restaurant im Gutshof eingeladen sind. Das gilt für alle, auch die ehemaligen Kollegen von Bettina. Ach so, du wolltest wissen, wann die Beerdigung stattfindet. Ich habe vorher bereits angedeutet, dass die Trauerfeier um elf Uhr auf unserem Dorffriedhof stattfinden wird.“
Da jetzt alles geklärt war verabschiedeten wir uns von Axel und ich beendete das Gespräch durch Knopfdruck. Thomas schaute mich an und sagte: „Ich befürchte, wir brauchen keine größeren Gespräche mehr anfangen, es ist bereits nach neunzehn Uhr und ausnahmsweise sollten wir nicht wieder in letzter Minute im Restaurant eintreffen. Wenn ich dich vorher richtig verstanden habe, kommen vermutlich auch Tonys Eltern mit seinen Geschwistern und Toni mit seiner Freundin.“
Felix grinste und sagte: „Ich habe vorher eine Nachricht von Dennis bekommen, dass euer Plan funktioniert hat und sowohl Toni mit Freundin als auch seine Eltern mit seinen Brüdern kommen werden. Beide Seiten wissen jedoch nicht, dass die andere Seite auch mit dabei ist.“
Ich lachte und verkündete: „Dann sollten wir wirklich rechtzeitig im Restaurant sein, bevor Tonis Eltern oder Toni mit seiner Freundin aufkreuzt. Am besten wir gehen sofort nach unten. Wollt ihr nach dem Essen gleich ins Jugendhotel, dann nehmt bitte eure Jacken mit nach unten, dann braucht ihr nicht mehr extra nach oben zu gehen.“
Fünf Minuten später standen wir unten im Restaurant bei Alexandra, die mich gleich informierte, dass Toni mit seiner Freundin und Familie Habermüller bereits eingetroffen sind und im Nebenzimmer auf uns warten. Sie meinte zusätzlich, dass Dennis in wenigen Minuten zu uns dazustoßen wird, er wird dann die Getränke- und Essensbestellung noch aufnehmen und anschließend ist für ihn Schluss für heute, damit er sich zu euch setzen kann.“
Wir gingen ins Nebenzimmer, wo wir wie angekündigt, Familie Habermüller, sowie Toni und seine Freundin vorfanden. Ich sagte: „Bevor ich mir jetzt die Mühe mache und euch gegenseitig vorstelle, überlasse ich euch selbst die Aufgabe, wie sich jeder vorstellt. Die meisten von euch kennen sich bereits, ausgenommen Familie Huber und Familie Habermüller, die bisher noch nicht das Vergnügen hatten, obwohl Familie Huber letztes Jahr bereits einmal hier war, als es darum ging, die Münchner Immobilienverwaltung nach Rosenheim umzusiedeln.“
Dennis betrat den Raum und meinte, ich solle doch zu Alexandra ins Restaurant kommen, da sie mit mir kurz etwas Wichtiges besprechen möchte. Ich ging zurück ins Restaurant und als ich Tonis Eltern und Geschwister bei Alexandra entdeckte, wusste ich, warum er mich zu Alexandra ins Restaurant beordert hatte.
Ich ging zu Familie Mittermayer und begrüßte sie herzlich, um ihnen dann zu erklären, dass Toni mit seiner Freundin ebenfalls eingeladen sei. Die vier schauten mich erstaunt an, bis Ilona erklärte: „Interessant, Toni hat bis jetzt mit keiner Silbe erwähnt, dass er eine Freundin hat. Wie lange wollte er das vor uns noch Geheimhalten?“
Ich grinste und antwortete: „Die Frage kann ich euch leider nicht beantworten, das können euch nur die beiden Turteltäubchen erklären. Meinen Informationen zufolge sind die beiden erst seit dieser Woche fest zusammen. Wenn wir jetzt gemeinsam ins Nebenzimmer gehen, tut bitte so, als wüsstet ihr nichts von seiner Freundin, er weiß nämlich nicht, dass ich euch zum Abendessen eingeladen habe.
Dennis Eltern sind mit dabei, dazu Familie Habermüller, die Nachbarsfamilie von Toni im Dachgeschoss des Jugendhotels. Sie haben ein Mädchen bei sich aufgenommen, deren Mutter letzte Woche tödlich verunglückt ist. Dennis Vater hat mit ihr in der Münchner Immobilienverwaltung zusammengearbeitet und morgen um elf Uhr ist die Beerdigung von Bettina in unserem Dorffriedhof. Dazu kommt noch die Nachbarin Gabi Müller von Bettina und Christina, die ebenfalls wegen der Beerdigung angereist ist und Thomas mit unseren beiden Jungs.“
David Mittermayer, der Vater von Toni sagte: „Ich bin mir fast sicher, dass Dennis alles gewusst hat. Warum hat er uns nicht vorgewarnt, als er uns deine Einladung übermittelt hat?“
Ich lachte und erklärte: „Das war eine Anordnung von mir, dass er weder euch noch Toni etwas erklären soll, sondern euch herzulocken hat, mit der Anwesenheit von Familie Huber, was ihm in der Tat gut gelungen ist. Und ja, er wusste das Toni sich eine Freundin angelacht hat.“
Gemeinsam gingen wir ins Nebenzimmer und als hinter mir auch noch die Familie von Toni auftauchte, gab es erst einmal ein herzliches Hallo von Familie Huber. Ich achtete hauptsächlich auf Toni, wie er mit der Überraschung umging. Seine erste Reaktion war, dass er Dennis einen bösen Blick zuwarf. Danach schnappte er sich Jana Wertmüller und ging zu seinen Eltern.
Als er vor ihnen stand, sagte er: „Dennis, du bist ein hinterlistiger kleiner Teufel. Konntest du mich nicht vorwarnen, dass meine Eltern und Geschwister ebenfalls eingeladen sind? Aber wenn sie schon einmal hier sind, kann ich ihnen wenigstens gleich meine Freundin Jana vorstellen.“
Papa, Mama, darf ich euch Jana Wertmüller vorstellen, sie ist Auszubildende zur Housekeeping Fachkraft im Jugendhotel im Gutshof und nicht ganz zwei Monate jünger als ich. Sie kommt aus Rosenheim und hat, wie ich, im letzten September ihre Ausbildung begonnen. Eigentlich wollte ich euch beim nächsten Zusammentreffen meine Freundin vorstellen, was Dennis durch seine Hinterlistigkeit unterlaufen hat.“
David, Tonis Vater, meinte: „Toni, denk dir nichts, uns hat Dennis auch nicht erzählt, dass ihr ebenfalls zum Essen eingeladen seid. Er hat uns hergelockt unter dem Vorwand, dass seine Eltern hier seien und wir uns nach längerer Zeit wiedersehen können. Auch die anderen Gäste, die von Peter eingeladen wurden, hat er mit keiner Silbe erwähnt. Peter hat uns draußen kurz erklärt, wie und warum dieses Treffen zustande gekommen ist.
Eine Mitarbeiterin des Unternehmens ist letzte Woche tödlich verunglückt und wird morgen hier beerdigt. Ihre Tochter ist bei den Nachbarn von Toni untergekommen. Da sie zu den Münchnern gehört, ist mir nur nicht klar geworden, warum sie hier und nicht in München beerdigt wird?“
Ich antwortete: „Das ist eine lange Geschichte, um es kurz zu machen, es gibt keine lebenden Verwandten von Bettina und Christina. Da Christina auf Wunsch ihrer Mutter zukünftig am Gutshof leben soll, wird sie auch hier in der Nähe beerdigt, damit Christina jederzeit das Grab ihrer Mutter besuchen kann.
Wenn ich mir die Aufstellung der Tische so betrachte, gehe ich fast davon aus, dass die jüngere Generation an einem Tisch sitzen will und der andere Tisch für die Älteren unter uns gedacht ist. Nehmt Platz und lasst Dennis seine Arbeit erledigen, er soll zuerst alle Getränkebestellungen entgegennehmen und danach, was ihr zum Essen wollt, eine Speisekarte liegt an jedem Platz.“
Während sich alle setzten und Dennis die Getränkebestellungen aufnahm, stand Toni wieder auf und näherte sich mir. Als er neben mir stand, flüsterte er mir ins Ohr: „Peter, woher hast du die Information, dass ich neuerdings eine feste Freundin habe. Ich vermute, dass dir Dennis verraten hat, dass ich mit Jana zusammen bin.“
Ich lachte und sagte: „Dennis hat mir heute nur das bestätigt, was mir bereits vor zwei Tagen von dritter Seite erzählt wurde. Du vergisst dabei, dass du im Dachgeschoß des Jugendhotels wohnst und ihr von zu vielen Personen gesehen werden könnt. Denk daran, Jana arbeitet im Jugendhotel, dich findet man in der Küche oder des Öfteren bei der Essensausgabe im Speisesaal/Kantine.
Du kannst dir jetzt in aller Ruhe überlegen, wo du mit Jana aufs leidenschaftlichste herumgeknutscht hast und dich so sicher dabei gefühlt hast, dass euch keiner beobachtet hat. Dir sollte schon bewusst sein, dass du am Gutshof nur in deinen eigenen vier Wänden von keinem gesehen werden kannst. Ist aber im Grunde genommen doch völlig egal, wer euch dabei beobachtet hat. Ich werde meine Informationsquelle auf keinen Fall preisgeben, dessen kannst du dir sicher sein. Eines kann ich dir jedoch verraten, wer immer es auch gewesen ist, hat sich gefreut, dass du jetzt in festen Händen bist.“
Als Dennis neben mir stand und wissen wollte, was ich zum Trinken bestellen will, meinte ich nur, dass die Frage absolut überflüssig sei, da ich in neunundneunzig Prozent aller Fälle immer das gleiche Getränk bestellen würde. Dennis meinte: „Okay Peter, du willst wie immer ein alkoholfreies Weißbier.“
Da ich als Letzter abgefragt wurde, welches Getränk ich bestellen will, verkündete Dennis: „Wer von euch hat sich schon entschieden, was er zum Essen bestellen will, ich fange sofort an eure Essensbestellungen aufzunehmen.“
Da am Tisch mit den Jugendlichen am lautesten mitgeteilt wurde, dass sie sich bereits entschieden hätte, fing Dennis dort an die Bestellungen aufzunehmen. Während er am Nebentisch die Bestellungen registrierte, hatte ich Gelegenheit einen Blick in die Speisekarte zu werfen. Mir fiel sofort auf, dass die als Menu angegebenen Speisen der Tageskarte bereits gestrichen waren.
Ich entschied mich für eine Frühlingssuppe mit Nudeleinlage und als Hauptgang orderte ich nur eine große Salatplatte mit gebratenen Putenstreifen. Nachdem Dennis die Bestellungen fürs Abendessen vollständig aufgenommen hatte, übergab er Alexandra das Tablet und setzte sich zu Felix an den Tisch der jüngeren Generation. Alexandra und die Mitarbeiterin im Service verteilten derweil die bestellten Getränke.
Bis die ersten Vorspeisen serviert wurden, war es an der Tischgruppe der jüngeren Generation laut. Obwohl dort kaum Vorspeisen serviert wurden, reduzierte sich der Lärmpegel gewaltig und das blieb auch so lange erhalten, bis alle mit dem Essen fertig waren. Thomas meinte deshalb zu mir: „Schatz, kannst du mir erklären, warum die Jugend immer so laut ist?
Ich grinste ihn an und antwortete: „Definitiv kann ich es dir nicht erklären, ich kann nur Mutmaßungen anstellen, warum es bei Kids so laut zugeht. Eine Möglichkeit wäre, dass alle schwerhörig sind, kann aber durchaus auch sein, dass die Laustärke erhöht ist, weil die Entfernung von einem zum anderen Ende des Tisches zu lang ist und deshalb eine höhere Grundlautstärke erforderlich ist.“
Marion, die mir schräg gegenübersaß, mutmaßte: „Ich vermute, dass da ganz was anderes dahintersteckt, warum es bei ihnen so laut sein muss. Es gibt Studien, die zu dem Schluss gekommen sind, dass sich fehlendes Selbstwertgefühl an einer höheren Lautstärke festmachen lässt. Vor allem, wenn man einer weiteren Studie glauben darf, dass sich das Selbstwertgefühl langsam bis zum sechzigsten oder siebzigsten Lebensjahr auf und danach langsam wieder abbaut.
Wenn ich also das Durchschnittsalter am Tisch der Kinder und Jugendlichen, mit dem an unserem Tisch vergleiche, muss es dort zwangsläufig lauter sein als bei uns. Geringeres Selbstwertgefühl bedeutet jung und lautstark, im Umkehrschluss, höheres Selbstwertgefühl steht für älter und ruhiger.“
Thomas grinste und meinte: „Soll das bedeuten, dass wir uns vor dreißig oder vierzig Jahren genauso verhalten haben, wie es bei der heutigen Jugend ist. Ich kann mich gar nicht daran erinnern, dass wir mit ähnlicher Lautstärke gesprochen hätten.“
Jens meinte: „Doch, wir waren früher auch so laut wie unsere Kids es heutzutage sind. Der Lärmpegel in der Disco oder bei Konzerten war so hoch, dass wir uns nur vernünftig verständigen konnten, wenn jeder einzelne gebrüllt hat. Ich sehe da keinen großen Unterschied zu heute.“
Gegen einundzwanzig Uhr wurde von den Anwesenden beschlossen, dass wir uns für heute trennen, morgen zur Beerdigung von Bettina sollten alle gut ausgeschlafen sein. Es dauerte dann doch mehr als fünfzehn Minuten, bis sich die Reihen lichteten. Zu den ersten gehörte Familie Habermüller mit ihren drei Kids und Familie Huber mit ihren beiden Jungs.
Gabriele Müller kam auf mich zu und wollte wissen: „Peter, haben wir morgen im Laufe des Tages die Gelegenheit uns für etwa eine halbe Stunde zusammenzusetzen. Ich will mit dir noch eine private Angelegenheit besprechen. Sollte das morgen nicht möglich sein, bleibt uns nur der Samstag, um ein Gespräch zu führen.“
Thomas hatte die Frage mitbekommen und antwortete für mich: „Wenn du eine Frühaufsteherin bist, dann könnte Peter mit dir das Gespräch gleich am frühen Morgen führen. Vermutlich zwischen neun und neun Uhr dreißig wird Peter zum Friedhof aufbrechen. Er trifft sich dort mit dem Bestatter, um gemeinsam den Ablauf kurz abzustimmen, vor allem, was sich noch kurzfristig geändert hat.
Da ich morgen früh normal ins Büro fahre, ich habe eine wichtige Besprechung, die schon länger vereinbart ist und die nicht mehr aufgeschoben werden kann, ist es mir nicht möglich, Peter den Termin mit dem Bestatter abzunehmen. Da er und Christina gemeinsam mit dem Bestatter den Ablauf geplant hat, kennt er sich besser mit den Vereinbarungen aus, deshalb ist seine Anwesenheit gefragt.“
Ich erklärte: „Gabi, ich bin wie immer so gegen sieben Uhr dreißig in meinem Büro im Erdgeschoß des Gutshauses. Für morgen sind keine festen Termine eingetragen, du kannst gern um diese Zeit bei mir sein. Ich kann dir jedoch keine Garantie geben, dass nicht irgendwer unangemeldet im Büro auftaucht und von mir eine Entscheidung braucht. Am Samstag kann ich auf alle Fälle eher ein ungestörtes Gespräch mit dir führen.“
Gabriele erklärte: „Peter, nachdem im Jugendhotel ab sechs Uhr dreißig gefrühstückt werden kann, komme ich spätestens um halb acht zu dir. Sollten wir zu oft gestört oder unterbrochen werden, können wir uns immer noch für Samstag verabreden. Wir sehen uns dann morgen früh.“
Sie verabschiedete sich und nachdem Thomas unser Essen bezahlt hatte, verschwanden wir mit unseren beiden Jungs nach oben in die Wohnung. Dennis meinte noch zu mir: „Felix und ich werden in ein paar Minuten nachkommen, wir räumen nur im Nebenzimmer noch alles auf, das habe ich mit Alexandra so vereinbart.“
Fünf Minuten später standen sie im Wohnzimmer und Dennis sagte: „Peter, ich kann morgen bei der Beisetzung nicht dabei sein, Alexandra hat mich gebeten, bei den Vorbereitungen für den Leichenschmaus mitzuhelfen, da sie vorher noch eine Absage wegen Erkrankung einer Mitarbeiterin bekommen hat. Ich hoffe, dass das so in Ordnung geht.“
Ich grinste und antwortete: „Ich habe da kein Problem damit, solange du nicht Felix abkommandierst euch zu helfen. Er sollte auf alle Fälle dabei sein, da sie eine Mitarbeiterin der Stiftung gewesen ist. Aber nicht nur deshalb, er wird mit mir zum Friedhof fahren und mich unterstützen bei den letzten Abstimmungen mit seiner Schwester oder seinem Vater, da er an den Vorgesprächen auf Wunsch von Christina beteiligt war.“
Felix sagte: „Das hatte ich bereits mit Dennis abgeklärt, dass ich mit dir vorab zum Friedhof fahre, da ich auch zusammen mit Christina, die eine Stunde später mit ihrer neuen Familie nachkommt, alle Trauergäste begrüßen werde. Ich kenne die wenigen Mitarbeiter aus München am besten, da ich bei den Vorgesprächen zur Übernahme beteiligt war und den Event zur Umsiedelung organisieren durfte.
Peter, kann ich morgen bei dem Gespräch mit Gabriele dabei sein oder willst du das Gespräch mit ihr allein führen?“
Ich erklärte: „Ich denke es ist vernünftiger, wenn ich das Gespräch mit Gabi erst einmal allein führe. Sollte ich deine Hilfe als Mitarbeiter der Stiftung benötigen, würde ich dich nachträglich zu dem Gespräch hinzuholen. Ich vermute nämlich, dass sie ins Rennen um die Adoption von Christina ins Rennen steigen will. Sie hat beim letzten Treffen am vergangenen Samstag in München schon eine Andeutung in diese Richtung gemacht. Halte dich auf alle Fälle bereit, kurzfristig dazuzukommen.“
Felix erwiderte: „Peter, ich komme morgen früh gleich mit dir nach unten ins Büro, dann kann ich noch einige Sachen für Montag vorbereiten und ich bin jederzeit greifbar für dich.“
Ich fragte David und Tobias: „Gab es an der Schule Probleme, weil wir euch für morgen vom Unterricht befreit habe, wegen der Beerdigung von Christinas Mutter?
Beide grinsten und Tobias antwortete: „Probleme gab es keine, es war an der Schule früh genug bekannt, dass Christina, Stephan und Raphael wegen der Beerdigung von Christinas Mutter fehlen werden. Auch Kevin und Rafael haben eine Entschuldigung für den morgigen Tag von ihren Eltern beziehungsweise ihren Vätern abgegeben. Wir wurden von Frau Gerber nur gefragt, warum die anderen Kids und Jugendlichen vom Gutshof nicht befreit wurden. Die Frage konnten wir ihr nicht beantworten.
Peter, stellt euch darauf ein, dass fast alle Schüler aus Christinas Klasse zur Beerdigung kommen. Ich habe mitbekommen, wie Frau Gerber mit einer Mutter über die Organisation sprach, wie die Mitschüler zum Friedhof kommen und wieder zurück zur Schule. Wenn ich das richtig mitbekommen habe, haben sich einige Mütter und Väter bereit erklärt, die Fahrten zu übernehmen. Für die Klasse endet der Unterricht nach der dritten Stunde.“
Ich schaute zu Dennis und bat ihn, Alexandra und Sebastian morgen früh davon zu informieren, dass ich die Mitschüler von Christina und deren Fahrdienst zum Leichenschmaus einladen werde. Wie viele letztendlich mitkommen, kann ich leider nicht abschätzen.
David meinte: „Peter könntest du kurzfristig arrangieren, dass die restlichen Kids und Jugendlichen, die im Gutshof leben und noch zur Schule gehen, nach der dritten Stunde von der Schule abgeholt werden und ebenfalls an der Beerdigung teilnehmen.“
Ich schaute ihn an und erklärte: „Wenn ihr mich etwas eher gefragt hättet, hätte ich sicher etwas anleiern können, dass der Rest ebenfalls vom Unterricht befreit wird. Erstens brauche ich einen Fahrer, der sie von der Schule abholen kann und zweitens kann ich nicht für alle eine Befreiung anordnen. Für Pete, Pit, Gero und Randolf kann ich die Befreiung beantragen, bei Klaus und Florian können das nur Manuel oder Daniel machen.“
Tobias meinte: „Könnte als Fahrer nicht Manuel oder Daniel engagiert werden, ein Galaxy würde doch ausreichen, um die Jungs zum Friedhof zu bringen.“
Ich sagte: „Ich denke die sechs Jungs hatten bisher so gut wie keinen Kontakt zu Christina, sie sollen zur Schule gehen, wie bisher geplant. Was ich euch jedoch anbieten kann, dass sie nach der Schule, statt in die Kantine zu gehen, ins Restaurant kommen und am Leichenschmaus teilnehmen. Dabei erhalten sie die Chance unsere neue Mitbewohnerin näher kennenzulernen. Könntet ihr die sechs Jungs benachrichtigen, dass sie mittags ins Restaurant zum Leichenschmaus und besseren Kennenlernen der neuen Mitbewohnerin kommen.“
David erklärte: „Peter ich kümmere mich darum, dass die sechs Jungs nach der Schule ins Restaurant zum Leichenschmaus kommen. Ich werde sie gleich noch davon in Kenntnis setzen. Sollten sie Fragen dazu haben, verweise ich sie an dich. Peter, sollen wir morgen für die Beerdigung unsere Anzüge anziehen oder reicht es, wenn wir ordentlich gekleidet erscheinen?“
Thomas grinste und antwortete: „Ich aus meiner Sicht würde sagen, ihr solltet im Anzug erscheinen, aber so wie ich Peter kenne, wird er euch erklären, dass es ausreicht, wenn ihr ordentlich gekleidet, am besten in nicht zu bunter Bekleidung erscheint.“
Meine Anmerkung dazu: „Ihr könnt die Entscheidung selbst treffen, ich erwarte nur, dass ihr für den Anlass angemessen angezogen erscheint. Wenn wir morgen einen Hochsommertag mit über dreißig Grad hätten, könnte ich mir durchaus vorstellen, dass ihr nur mit Hose und Hemd bekleidet zur Beerdigung erscheint. Schwarz muss nicht unbedingt sein, gedeckte Farben oder grau reichen dabei vollkommen aus.“
Inzwischen war es dann doch nach zweiundzwanzig Uhr geworden. Thomas und ich beschlossen uns so langsam ins Schlafzimmer zurückzuziehen, da für uns beide die Nacht nicht länger sein würde als an einem normalen Werktag. Felix und Dennis schlossen sich uns an, da Felix ebenfalls morgens ins Büro wollte. Dennis meinte noch, da er morgen früh mit Toni fürs Frühstück im Jugendhotel zuständig sei, würde es für ihn auch langsam Zeit ins Bett zu verschwinden.
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Auf dem Weg in die Küche lief mir Felix über den Weg, der erklärte, dass er den Kaffee schon aufgesetzt habe, da Dennis bereits vor dreißig Minuten in Richtung Jugendhotel verschwunden sei. Ich ging deshalb direkt ins Bad.
Zwanzig Minuten später stand ich in der Küche und konnte nur noch feststellen, dass Felix bereits alles fürs Frühstück vorbereitet hatte. Wir zwei setzten uns ins Esszimmer und warteten auf Thomas, der sich nur wenige Minuten später zu uns an den Frühstückstisch setzte. Wie immer machte sich Thomas kurz nach sieben Uhr auf den Weg ins Büro der J. Graf GmbH, wobei er noch ankündigte, dass er spätestens kurz vor elf Uhr am Friedhof erscheinen werde.
Kurz vor sieben Uhr dreißig verließen Felix und ich die Wohnung nach unten in unsere Büros. Felix ging in sein Büro, während ich in der Büroküche frischen Kaffee kochte. Zehn Minuten nach sieben Uhr dreißig stand Gabriele in meinem Büro. Ich bat sie, sich bereits in die Besprechungsecke zu setzen, ich würde sofort bei ihr sein.
Ich setzte mich zu ihr an den Besprechungstisch, nachdem ich die angefangene Mail beendet hatte und forderte sie auf mir ihr Anliegen zu erzählen. Sie sagte keinen Ton, sondern schob mir eine Mappe über den Tisch zu, die ich beim genaueren Hinschauen als eine Bewerbungsmappe identifizierte. Zu so früher Stunde wurde ich noch nie mit einem Vorstellungsgespräch konfrontiert, wobei ich noch keine Ahnung hatte, wofür sich Gabi bei uns bewerben will.
Ich fragte: „Gabi, für welchen Job möchtest du dich bei uns bewerben und vor allem interessiert mich, was du mit deiner Bewerbung erreichen willst. Wenn du dich bei uns bewirbst, um dich als mögliche Adoptivmutter für Christina ins Spiel zu bringen, dann kann ich dir nur sagen, dass bereits eine endgültige Entscheidung zu Gunsten von Familie Habermann gefallen ist. Das Verfahren läuft bereits beim Familiengericht.“
Gabi begründete ihre Bewerbung damit: „Peter, mir geht es in erster Linie nicht um Christina. Ich habe mich in den letzten Tagen mit dem Gutshof und der Stiftung Sonneneck ausgiebig beschäftigt. Dabei bin ich darüber gestolpert, dass ihr zusammen mit der Stadt Rosenheim einen integrierenden Kindergarten mit fünf Gruppen plant, dazu noch eine Gruppe zur Betreuung von Schulkindern am Nachmittag. Wenn ich die Information richtig verstehe, wird der Kindergarten von der Stiftung errichtet und auch betrieben.
Ich habe mich im Internet auch auf den Portalen für Arbeitgeberbewertungen schlau gemacht und dabei festgestellt, dass die Gutshofgruppe und die Stiftung insgesamt sehr positiv bewertet werden. Im Vergleich zu meinem bisherigen Arbeitgeber, ist die Zufriedenheit mit dem Unternehmen weitaus höher eingestuft.
Dass war am Ende der Punkt, der mich überzeugte, zusammen mit der Idee des integrierenden Kindergartens, mich bei euch zu bewerben. Ich möchte gern von Anfang dabei sein, vielleicht kann ich mit meinen Ideen, das Projekt noch bereichern.“
Ich schaute sie an und erklärte: „Gabi, das wird nicht der einzige integrierende Kindergarten bleiben, auch wenn er von der Anzahl der Gruppen und den zu betreuenden Kindern vorerst der größte sein wird. Es sind zwei weitere integrierende Kindergärten, einer in Kaufbeuren, als Betriebskindergarten und in Marktoberdorf geplant. Marktoberdorf ist bereits beschlossen und die Planung wurde bereits vom dortigen Baureferat vergeben. Beim Betriebskindergarten in Kaufbeuren wird erst in einem Gespräch zwischen dem Bauherrn und der Stadt über die Größe und das Konzept verhandelt.
Ich frage mich, willst du nur die Leitung des Kindergartens im Gutshof übernehmen oder kannst du dir auch vorstellen, eine Führungsposition im neu zu schaffenden Unternehmen für alle integrierenden Kindergärten einzunehmen. Über kurz oder lang wird eine Entscheidung aus meiner Sicht, dafür nicht zu vermeiden sein. Im Moment kümmern sich unser Ausbildungsbeauftragter und Marion Habermüller um den geplanten Kindergarten im Gutshof, bis eine andere Entscheidung getroffen wird.“
Gabi erklärte: „Da ich bisher nur von dem Kindergarten im Gutshof wusste, zielt meine Bewerbung in erster Linie auf eine Anstellung in diesem Kindergarten an. Dass ihr bereits weitere derartige Einrichtungen für behinderte und nicht behinderte Kinder plant, ging aus den Informationen nicht hervor. Auf eurer Webseite gibt es aktuell nur ein oder zwei Stellenangebote, die aber nicht in diese Richtung gehen.“
Es gab folgende Erklärung von mir: „Das mit den Stellenangeboten ist so eine Sache, wir haben vor kurzem zwei weitere Mitarbeiter für die Buchhaltung gesucht, die nicht einmal öffentlich ausgeschrieben wurden. Bei unserem Gespräch mit der Personalabteilung stellte sich heraus, dass in den Tagen vorher drei Initiativbewerbungen eingegangen waren, von frisch ausgebildeten Buchhalterinnen und Buchhaltern, die von ihren Ausbildungsbetrieben nicht übernommen wurden.
Die beiden Stellen waren innerhalb vierundzwanzig Stunden besetzt und die Bewerber konnten kurzfristig bei uns angefangen. Wir haben inzwischen die angenehme Konstellation, dass wir regelmäßig mit Initiativbewerbungen überschwemmt werden. Dabei ist unter anderem unser guter Ruf bei den Portalen mit Arbeitgeberbewertungen mit ausschlaggebend für diese Bewerbungen.
Auch als Ausbildungsbetrieb haben wir uns inzwischen einen guten Ruf erworben, vor allem bei den Kids, die im vergangenen Jahr beim Zeltlager mit dabei waren. Florian, unser Ausbildungsbeauftragter hat mir diese Woche berichtet, dass inzwischen bereits wieder neun Bewerbungen von Jugendlichen aus Kinderheimen in Thüringen, Hessen und München vorliegen, nicht mehr für dieses Jahr, sondern bereits für den Ausbildungsbeginn im kommenden Jahr.
Die große Nachfrage kommt daher, dass wir für auswärtigen Auszubildenden allein in Rosenheim rund sechzig Appartements und Kleinwohnungen vorhalten. Dazu kommen nächstes Jahr Appartements in Scharbeutz an der Ostsee und spätestens im Jahr darauf weitere Appartements im Marktoberdorf. Für Scharbeutz und Marktoberdorf werden hier ab Herbst voraussichtlich acht Jugendliche ausgebildet.“
Es dauert einen Moment, bis Gabi meinte: „Peter, grundsätzlich kann ich mir schon vorstellen, zukünftig die Leitung der Projektgruppe integrierende Kindergärten zu übernehmen, nur habe ich keinen blassen Schimmer, was mich in dieser Position erwarten wird. Kannst du mir schon ungefähr sagen, was mich in diesem Job erwarten wird. Wenn ich die Leitung eines Kindergartens übernehme, weiß ich genau, was auf mich zukommt.“
Ich erklärte, dass ich ihr das derzeit auch noch nicht mit absoluter Sicherheit sagen könne, dass wird sich vermutlich erst herauskristallisieren, wenn der Arbeitsplatz spruchreif ist. Ich stelle mir vor, dass die Funktion als zentraler Ansprechpartner für alle Kindergärten gilt, falls unvorhergesehene Probleme auftreten. Dazu sehe ich die Aufgabe als Ansprechpartner für alle Fragen der Auszubildenden im Zusammenhang mit ihrer Ausbildung zur Erzieherin oder zum Erzieher. Du wirst dich mit Fragen zur Einrichtung der Kindertagesstätten beschäftigen dürfen, ansonsten ist das für mich ebenfalls Neuland, wo ich noch nicht weiß, was am Ende alles auf mich zukommt.
Gabi, du musst heute noch keine endgültige Entscheidung treffen, ich gebe deine Bewerbung am Montag an unsere Personalabteilung mit dem Hinweis, dass du dich Initiativ als Leitung der Kindertagesstätte im Gutshof bewirbst. In etwa einer Woche erhältst du ein Schreiben, mit dem der Eingang deiner Initiativbewerbung bestätigt wird und du darauf hingewiesen wirst, dass wir auf dich zukommen, sofern konkret Bedarf besteht und du deine Bewerbung nicht zurückgezogen hast.“
Es klopfte, das Klopfen kam vom Büro der Ausbildungsabteilung und nicht von der Tür zum Flur. Auf mein herein, öffnete sich die Tür und Florian traf ins Zimmer. Als er Gabi erblickte, fragte er, ob er später vorbeikommen soll, wenn mein Besuch wieder weg sei. Ich bat ihn sich zu setzen und unterrichtete ihn davon, wer meine Besucherin sei. Sie ist die Nachbarin von Bettina und Christina in München und hat sich als Leiterin für unseren integrierenden Kindergarten bei mir beworben.
„Genau wegen Christina bin ich hier“ erklärte er, „heute findet doch die Beerdigung ihrer Mutter statt. Ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll, einige Kollegen haben bei mir angefragt, ob ich an der Beerdigung teilnehme und ob ich sie zum Friedhof mitnehmen kann. Würde es dich oder Christina stören, wenn ich zur Beisetzung komme, obwohl ich Bettina nie persönlich kennengelernt habe, mit Christina habe ich mich zumindest in der Kantine schon unterhalten können.“
Meine Antwort: „Florian, grundsätzlich ist das deine private Entscheidung, ob du zur Beisetzung kommst. Es gibt aus betrieblicher Sicht keinen Zwang, bei einer Beerdigung anwesend zu sein, bei einer Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter, die man nicht einmal persönlich gekannt hat.
Gabi, darf ich dir Florian Untersberger, meine Beauftragten für die Verwaltung und Betreuung aller Auszubildenden in der Unternehmensgruppe vorstellen. Dazu gehören inzwischen auch die Auszubildenden in Österreich und die aus dem Hotel in Scharbeutz. Ich persönlich würde mich freuen, wenn du die Zeit findest und zur Beerdigung kommst.“
Gabriele hatte Florian intensiv betrachtet und sagte: „Ich bin überrascht, dass du so einen jungen Mann als Ausbildungsbeauftragten eingestellt hast. Florian, du hast doch sicher noch nicht lange deine eigene Ausbildung beendet. Wie kommt es, dass dir Peter so eine verantwortungsvolle Stelle anvertraut hat?
Florian grinste nur, während er aufstand und mein Büro verließ, hörte ich wie er sagte, ich solle doch Gabi erklären, warum meine Entscheidung so ausgefallen sei. Ich erzählte Gabi die Geschichte und anschließend meinte sie: „Jetzt verstehe ich deine Entscheidung für die jungen Mitarbeiter in leitenden Positionen im Unternehmen. Sie sollen für andere Auszubildenden Ansporn sein, sich genauso engagiert zu verhalten, um später in eine Führungsposition hineinzuwachsen.
Die Methode habe ich bisher noch nirgends erlebt, aber scheinbar ist sie genau das, was deine Beliebtheit bei deinen Mitarbeitern nach oben treibt.“
Ich bedankte mich bei Gabi für das Gespräch und die Bewerbungsunterlagen zur Leiterin der Kindertagesstätte im Gutshof. Ich meinte noch, wir sehen uns später bei der Beisetzung oder spätestens beim Leichenschmaus und verabschiedet mich. Ich ging zu Petra ins Büro und sie erklärte, dass sie mich nicht gestört hat, solange noch Besucher bei mir im Büro waren.
Sie wäre nur gekommen, wenn ich gegen neun Uhr dreißig die Besprechung noch nicht beendet hätte, da ich um diese Zeit zum Friedhof fahren wollte um mich dort mit dem Bestatter treffen will, um letzte offene Fragen zu klären. Sie meinte danach: „Peter ich habe eine Anfrage von Eberhard Vogler, der wissen will, ob es bei dir nächste Woche eine Möglichkeit gibt, nach München zu kommen. Er will sich mit dir Treffen, damit das Projekt integrierender Betriebskindergarten angeschoben werden kann.“
Ich schaute Petra an und antwortete: „Grundsätzlich wäre ein Termin sicher möglich, ich frage mich jedoch, ob ich bei dem Termin allein aufkreuzen soll, oder ich Jason mitbringen soll, weil er ihm offiziell den Planungsauftrag für den Kindergarten erteilen will. Würdest du das bitte mit Eberhard abklären und sofern Jasons Anwesenheit erforderlich ist, mit ihm einen gemeinsamen Termin bei Eberhard organisieren.
Petra antwortete: „Peter, entschuldige, ich habe im Eifer vergessen, dir genau diese Tatsache zu vermitteln. Er will sich mit dir und Jason oder einem anderen Mitarbeiter des Architekturbüros treffen, der die Planung des Kindergartens in Kaufbeuren übernehmen soll. Am besten ich rufe sofort im Architekturbüro an und wir klären gemeinsam, wer mit dir nach München reisen wird.“
Sie wählte Jasons Nummer und als er das Gespräch entgegennahm, erklärte sie ihm den Sachverhalt, wobei sie vorher noch erklärte, dass ich bei ihr im Büro sei und mithören würde. Jason grüßte mich und erklärte: „Peter, wenn du zu dem Termin nach München fährst, wird mein Vater mitkommen. Er hat das Projekt integrierende Kindergärten in seine Obhut genommen, da er aus der Vergangenheit bereits umfangreiche Erfahrungen mit Kindertagesstätten besitzt.
Er wird aller Wahrscheinlichkeit noch einen unserer jüngeren Architekten mitnehmen, der vermutlich langfristig sich in diese Richtung spezialisieren soll, er befürchtet nämlich, dass die beiden Kindertagesstätten nicht die letzten gewesen sein werden. Der Kollege wird von meinem Vater bereits in die Kindertagesstätten im Gutshof und in Marktoberdorf mit eingebunden. Am besten, ihr sprecht direkt mit meinem Vater wegen des Termins in München, soll ich dich mit ihm verbinden?
Wegen des Badeteichs im Gutshof war Alexander vorher bei mir, weil er dich kaum erreichen kann. Du solltest dir dringend die letzten Verträge anschauen und unterzeichnen, die beiden Landschaftsbauer wollen spätestens im Laufe der nächsten Woche mit dem Aushub für den Teich beginnen, nachdem die Vorarbeiten mit den Regenwasserzuflüssen nächste Woche beendet werden.“
Ich erklärte, dass ich mich am Wochenende um die Verträge kümmern werde, diese Woche bin ich wegen dem Notartermin im Allgäu, der Ladeneröffnung in der Gärtnerei und den Vorbereitungen für die Beerdigung von Bettina, kaum zum vernünftigen Arbeiten gekommen. Er wird die unterzeichneten Verträge spätesten am Montag in seinem Mailpostfach finden und du brauchst uns nicht zu verbinden, wir rufen Maximilian direkt an.
Nachdem wir uns verabschiedet hatten, wählte Petra die Nummer von Maximilian Schreiber, dem Vater von Jason. Sie erklärte ihm das Gleiche, was sie vorher bereits Jason mitgeteilt hatte. Max antwortete: „Peter, Petra ich schalte auch auf Lautsprecher, bei mir sitzt gerade Maximilian Wegner, einer unserer jüngeren Kollegen. Er wird von mir mit in die Thematik Kindertagesstätten eingearbeitet und soll anfangs die Bauüberwachung der beiden von euch geplanten Projekte übernehmen.
Petra, welche Terminvorschläge hat dir der Unternehmer aus München unterbreitet, aus denen Peter und wir auswählen können?“
Petra antwortete: „Er hat gemeint, dass er sich Mittwoch oder Donnerstag bisher freigehalten hat, für den Termin mit euch, wobei es ihm egal ist, ob der Termin vormittags oder nachmittags stattfinden kann. Bei Peter sind bisher für Donnerstag interne Termine für Abteilungsgespräche eingetragen. Am Mittwoch geht es bei ihm sowohl vormittags als auch am Nachmittag.“
Maximilian sagte: „Ich würde vorschlagen, wir nehmen den Mittwoch. Damit es für uns alle morgens nicht zu stressig wird, würde ich von unserer Seite einen Termin ab vierzehn Uhr anbieten. Entweder er lädt uns vorher zum Mittagessen ein oder wir gehen auf eigene Kosten zum Essen. Ich nehme Maxi direkt vom Büro mit und wir holen dich gegen elf Uhr dreißig am Gutshof ab. Ich denke dann sollten wir pünktlich in München sein.“
Ich stimmte zu und Petra erklärte: „Ich werde den Termin gleich bei Peter eintragen und Herrn Vogler euren Termin am Mittwoch um vierzehn Uhr in seinem Büro bestätigen. Ich werde ihm von unserer Seite drei oder vier Personen avisieren, da Peter vermutlich einen Mitarbeiter der Stiftung mitnehmen wird. Peter nickt, was ich als seine Zustimmung betrachte.“
Es klopfte an meiner Bürotür und ich rief herein. Felix trat in mein Büro und wunderte sich, warum ich im Türrahmen zu Petras Büro stand. Er erklärte: „Peter, es wird langsam Zeit, dass wir beide aufbrechen, damit wir rechtzeitig am Friedhof sind.“
Ich erklärte ihm, dass wir am Mittwochnachmittag einen Termin bei Eberhard in München haben und aus dem Architekturbüro Jasons Vater und einer der jüngeren Architekten, ein Maximilian Wegner mitkommen wird. Ich verabschiedete mich von Petra bis Montag und nachdem ich mein Sakko angezogen hatte, ging ich mit Florian zu meinem Wagen, wo wir bereits von David und Tobias erwartet wurden.
Zu meiner großen Überraschung hatten sich beide, die im letzten Jahr anlässlich der Hochzeit gekauften Anzüge angezogen. Ich meinte: „Jungs ihr seid ganz schön mutig mit euren Anzügen hier aufzukreuzen. Ich habe, soweit ich mich erinnern kann, nur von ordentlicher, unauffälliger Kleidung gesprochen.“
Tobias grinste und sagte: „Peter, wir haben das mit Felix abgesprochen. Er hat uns gesagt, dass wir einen Anzug anziehen sollen, weil er uns als Einweiser auf dem Parkplatz am Friedhof einsetzen will. Er hat uns erklärt, dass bei der Beerdigung deines Vaters alle Autos im Gutshof parken mussten und es einen Shuttle-Service mit Bussen zum Friedhof gab. Den gibt es heute nicht, es werden aber auch nicht so viele Trauergäste erwartet.“
Felix ergänzte: „Es kommen zwar nicht so viele Trauergäste wie vor knapp drei Jahren, aber wenn ich berücksichtige, dass ein Teil der Kinder aus Christinas Klasse mit einigen Eltern an der Trauerfeier teilnimmt und die Mitarbeiter aus München berücksichtige, kommen wir mit den Gutshofbewohnern sicher auf mindestens vierzig bis fünfzig Personen. Um möglichst wenig Chaos rund um den Friedhof zu verursachen, sollen deine beiden Jungs die Autofahrer einweisen und den vorhandenen Platz so gut wie möglich nutzen.“
Am Friedhof angekommen wunderte ich mich, dass kein Fahrzeug auf dem Parkplatz stand, was Felix kommentierte: „Wenn eine Beerdigung geplant ist, hat es sich in den letzten drei Jahren eingebürgert, dass Grabbesuche oder auch das Gießen der Bepflanzung in die Zeiten verschoben werden, bevor der Trubel rund um die Beisetzung beginnt oder sich wieder gelegt hat.“
Peter, du stellst dich am besten gleich als gutes Beispiel ganz vorne und so eng wie möglich auf den Parkplatz, damit genügend Fahrzeuge Platz finden. David, Tobias, das ist auch das, worauf ihr beim Einparken achten solltet.“
Nach dem Einparken stiegen wir aus dem Auto aus und gingen gemeinsam zur Aussegnungshalle. David und Tobias wollten zuerst am Parkplatz stehen bleiben und auf die ersten Autos warten. Ich erklärte, dass es reicht, wenn sie ab zehn Uhr fünfzehn am Parkplatz stehen würden, vorher wird kaum jemand kommen.
Vor der Aussegnungshalle trafen wir auf Monika und Benjamin Müller vom Bestattungsunternehmen, die gerade mit den letzten Vorbereitungen beschäftigt waren. Felix begrüßte seinen Vater und seine Schwester herzlich und ließ sich von ihnen bestätigen, dass alles nach unseren Wünschen vorbereitet sei.
Von mir wurden die beiden ebenfalls recht herzlich begrüßt, wobei Benjamin meinte, dass wir uns immer nur dann persönlich sehen, wenn eine Beerdigung ansteht. Ich lachte und meinte: „Das liegt aber nicht an mir, ihr seid jederzeit herzlich willkommen am Gutshof. Seit Felix im Gutshof wohnt, nachdem er bei euch ausgezogen ist, weil er von seiner Mutter gemobbt wurde, haben wir uns nicht mehr persönlich gesehen. Benjamin, wie geht es deinen Eltern?“
Benjamin meinte: „Soweit ganz gut, nur Mutter macht uns inzwischen mit ihrer Demenz etwas Probleme. Vater kann es immer noch nicht lassen und mischt gelegentlich bei Kundengesprächen mit, wenn aus seinem Freundes- und Bekanntenkreis jemand beerdigt wird, aber das hast du ja bereits bei der Beisetzung deines Vaters erlebt.
Babsi hat sich zwar wieder etwas beruhigt, aber sie kann es immer noch nicht verstehen, dass Felix bei euch einen kaufmännischen Beruf erlernt und nicht studieren will. Felix Schwester und ich, aber auch meine Eltern finden das in Ordnung, dass er eine Ausbildung in einem kaufmännischen Beruf durchzieht. Wie sagt mein Vater immer, studieren kann er auch noch später, aber mit einer kaufmännischen Ausbildung hat er eine grundsolide Basis.“
Felix hatte ein Problem mit unserer Unterhaltung über das Verhalten seiner Mutter, so dass er zusammen mit meinen beiden Jungs das Weite suchte, genaugenommen gingen sie zum Parkplatz, um die ankommenden Gäste einzuweisen.
Ich erklärte, dass vermutlich mehr Trauergäste kommen werden, da die Kids aus Christinas neuer Klasse zu ihrer Unterstützung an der Beisetzung von Bettina teilnehmen, womit keiner gerechnet hatte.
Ich meinte zu Monika und Benjamin: „Es gibt zwei kleine Änderung beim Ablauf, Christina und ich werden zusammen mit Stephan und Raphael, ihren zukünftigen Brüdern gemeinsam jeden Trauergast am Eingang zur Aussegnungshalle begrüßen. Nach Aussage eines Mitarbeiters des Münchner Büros wird einer ihrer Kollegen ebenfalls eine kurze Trauerrede halten. Er soll sich aus den vorhandenen Musikvorschlägen noch einen Titel aussuchen. Die Trauerrede von Christina und deinem Sohn Felix, bildet den Abschluss bevor wir zum Urnengrab gehen.
Ich hoffe, dass ich euch nach den Beisetzungsfeierlichkeiten beim Leichenschmaus im Restaurant im Gutshof sehe.“
Benjamin erklärte: „Mit mir kannst du beim Leichenschmaus rechnen, Monika musst du entschuldigen, aber sie hat gegen dreizehn Uhr einen Termin, wegen einer Beerdigung, die nächste Woche am Dienstag stattfinden wird.
Wieso wird jetzt Felix mit Christina zusammen die Trauerrede für ihre Mutter halten, ursprünglich war doch geplant, dass sie und ihr zukünftiger Bruder Stephan den Part gestalten.“
Ich blickte Benjamin frech an und erklärte: „Die Entscheidung haben Christina, Stephan und Felix gemeinsam getroffen, genau genommen wurde Felix dazu verdonnert, mit Christina diesen Teil der Trauerfeier zu bestreiten, nachdem er mit den drei Kids von Familie Habermüller den Text erarbeitet hat. Felix wurde in den letzten Tagen so etwas wie eine weitere Bezugsperson für Christina.“
Benjamin machte mich darauf aufmerksam, dass die ersten Trauergäste eintrudeln würden. Ich blickte in Richtung Parkplatz und erkannte, dass Marion mit Christina, Stephan und Raphael auf uns zukamen. Als sie bei uns standen, meinte Marion: „Die drei haben darauf gedrängt früher loszufahren, als es geplant war. Sie begründeten das damit, dass du Peter auf sie warten würdest, um die Trauergäste zu grüßen. Folglich sind wir viel zu früh hier angekommen.“
Ich grinste und sagte: „Benjamin, darf ich dir Christina und ihre beiden zukünftigen Brüder vorstellen, die mit mir die eintreffenden Trauergäste begrüßen werden. Marion, die Mutter von Stephan und Raphael arbeitet als Sozialarbeiterin am Gutshof. Ihren Mann Jens lernst du später noch kennen, er kommt mit Thomas direkt aus dem Büro, wo beide heute noch eine Besprechung hatten.
Die drei Kids begrüßten Benjamin und Christina sagte: „Du bist also der Vater von Felix, ich freue mich dich kennenzulernen. Gibt es noch etwas, was wir unbedingt wissen müssen, bevor die weiteren Trauergäste eintrudeln?“
Benjamin sagte: „Erst einmal mein herzlichstes Beileid für den Verlust deiner Mutter. Zu deiner Frage, ob es noch wissenswertes gibt, Peter hat noch einen weiteren Trauerredner angekündigt, der vor dir und Felix seine Ansprache halten wird. Ich war etwas überrascht, als Peter vorher ankündigte, dass du deine Rede gemeinsam mit meinem Sohn bestreiten wirst. Hast du dich in der letzten Woche schon etwas einleben können auf dem Gutshof?“
Christina antwortete: „Danke für deine Anteilnahme, nachdem ich am Mittwoch vor einer Woche von allen hier am Gutshof so freundlich aufgenommen wurde, fällt es mir leicht sich auch ohne meine Mama hier gut einzugewöhnen. Klar fehlt sie mir, aber meine beiden neuen Brüder sorgen schon dafür, dass ich mich am Gutshof wohlfühle. Mit Marion und Jens bekomme ich neue Eltern, mit denen ich mich hervorragend verstehe.
Mit deinem Sohn Felix, der im Gutshof arbeitet, habe ich mich von Anfang an gut verstanden, er hat mir einfühlsam erklärt, wie so eine Trauerfeier abläuft und uns bei der Aufbereitung der Rede sehr gut unterstützt. Deshalb wollte ich mit ihm die Trauerrede gemeinsam bestreiten. Ich freue mich schon auf nachher, wenn wir loslegen können.“
Raphael zupfte an meinem Ärmel und sagte: „Peter, wir sollten so langsam am Zugang zur Aussegnungshalle postieren, damit wir die Trauergäste begrüßen können. Die ersten Besucher kommen schon vom Parkplatz auf uns zu.“
Ich erklärte: „Keine Panik Raphael, Monika, Felix Schwester lässt keinen in die Aussegnungshalle, solange wir noch nicht Aufstellung genommen haben, um die Gäste zu begrüßen. Ihr könnt ruhig vorausgehen und euch schon einmal bereitmachen. Wollt ihr nicht mit euren Eltern die Trauergäste gemeinsam empfangen, ich sehe gerade Jens und Thomas auf uns zukommen.“
Benjamin begrüßte kurz die beiden Neuankömmlinge, bevor die drei Kids sich Jens schnappten und ihn mit Marion zum Eingang der Aussegnungshalle schleppten, um ab sofort die ankommenden Gäste zu begrüßen.
Die nächsten die sich uns näherten, waren die ersten Münchner Mitarbeiter, angeführt von Dennis Familie. Ich wollte wissen, ob der Trauerredner von den Münchnern schon mit dabei sei, weil noch ein paar Kleinigkeiten zu klären wären. Ich musste grinsen als Benedikt Huber seinen Arm hob und erklärte, dass er derjenige sei, den ich suche. Ich bat ihn mich zu begleiten und ging mit ihm zu Benjamin und Monika.
„Benjamin, hier ist der Kollege aus München, der ein paar nette Worte über seine verunglückte Kollegin sagen möchte. Ich überlasse ihn dir, damit du mit ihm abklärst welcher Song nach seiner Ansprache gespielt wird und wie alles abläuft. Übrigens, ich habe mich spontan entschlossen auch ein paar Worte an die Trauergemeinde zu richten. Einplanen kannst du mich direkt nach dem offiziellen Trauerredner am Anfang und als Song nehme ich `Zeit zu gehen` von Karel Gott, den hatten wir doch auf der Liste.“
„Peter, du bist unmöglich, hättest du mir das nicht eher sagen können, dass du als weiterer Redner auftreten willst. Ich hoffe nur, dass du nicht den Zeitrahmen sprengst, wir haben für die gesamte Beisetzung vierzig Minuten eingeplant, da wir mit maximal drei Rednern kalkuliert hatten.“
„Ich habe doch gesagt, spontane Entscheidung und nur kurz, da ich mich bei Christinas Mitschülern bedanken möchte, weil sie ihr auf diese Weise die Integration im Schulunterricht und in Rosenheim erleichtern.“
Ich ließ die beiden allein und ging zu den ersten Kids, die am Friedhof eingetroffen waren. Ich stellte mich der Mutter als Vormund von Christina vor und fragte, mit wie vielen Mitschülern wir bei der Beerdigung rechnen dürfen. Sie meinte, wir kommen mit sieben Fahrzeugen, die mit jeweils 4 Kindern und einem Erwachsenen besetzt sind. Der Rest dürften jeden Moment hier sein.
Innerhalb der nächsten fünf Minuten waren alle Mitschüler und ihre Begleiter um uns versammelt. Ich bat um etwas Ruhe und sagte: „Hallo, ich bin Peter Maurer und bin vom Gericht als Vormund für Christina bestimmt worden, bis die Adoption geregelt ist. Ich habe leider erst gestern Abend erfahren, dass ihr als Mitschüler von Christina zur Beisetzung ihrer Mutter kommt. Ich lade euch und eure Begleiter zum Leichenschmaus im Restaurant im Gutshof ein. Ich würde mich, auch im Namen von Christina freuen, wenn ihr alle am Leichenschmaus teilnehmt.“
Der einzige männliche Begleiter, vermutlich der Vater eines der Kinder sagte: „Die Einladung kommt zwar etwas kurzfristig, trotzdem werde ich mit meinem Sohn dabei sein. Ich denke, dass alle Kids, die mit mir gekommen sind, sich mir und Rene anschließen. Ich schlage vor ihr ruft jetzt kurz eure Eltern an und erklärt ihnen, dass ihr nach der Beerdigung zum Leichenschmaus im Restaurant im Gutshof eingeladen seid.
Klärt bitte gleichzeitig ab, ob euch eure Eltern, so ab vierzehn Uhr dreißig oder fünfzehn Uhr am Gutshof abholen können oder ob ihr doch nach Hause gebracht werden müsst. Am Ende der Trauerfeier klären wir, wer mitkommt zum Leichenschmaus und organisieren, wie diejenigen zum Gutshof kommen. Ihr habt jetzt noch locker zehn Minuten, bis die Trauerfeier beginnt.“
Während die Kids bereits anfingen zu telefonieren, wandte ich mich an den Vater: „Okay, ich sehe sie organisieren das hervorragend, wir sprechen uns nachher und klären dann ab, wie wir die Kids, die zum Leichenschmaus mitkommen, zum Gutshof befördern.“
Als ich mich umschaute, stellte ich fest, dass vom Gutshof doch mehr Bewohner gekommen sind, als ich erwartet hatte. Meine beiden Enkelkinder waren mit ihrer Mutter hier, Rafael und Alejandro standen bereits am Eingang zur Aussegnungshalle. Manuel und Daniel waren hier, was am auffälligsten war, dass eine zehnköpfige Delegation der Handwerker gekommen war.
Als ich nachfragte, erhielt ich die Auskunft, dass ein Großteil der Belegschaft Bettina entweder persönlich oder zumindest telefonisch kannte, weil sie in der Vergangenheit mit ihr zu tun hatten. Ich ging zum Begrüßungskomitee und stellte mich zu ihnen, was Christina dazu veranlasste: „Peter, du kommst ja doch noch, um mit uns die Trauergäste zu begrüßen.“
Ich antwortete: „Christina, ich war bei deinen Mitschülern und habe sie zum Leichenschmaus eingeladen. Sie klären im Moment, wer nachher zum Gutshof mitkommt. Ich hoffe, du hast nichts dagegen, dass ich sie eingeladen habe?“
Christina meinte: „Peter, wenn ich das gewusst hätte, hätte ich meine Mitschüler und Mitschülerinnen bereits gestern zum Leichenschmaus eingeladen. Ich habe zu ihnen nur nichts gesagt, weil ich mir nicht sicher war, ob du damit einverstanden bist und fragen konnte ich dich gestern nicht mehr.“
„Christina, du hättest sie jederzeit einladen können, ich habe erst gestern Abend von meinen Jungs erfahren, dass deine Mitschüler nach der dritten Stunde vom Unterricht befreit sind und zur Beerdigung deiner Mutter kommen. Ich bin überzeugt davon, dass deine Integration in die Klasse damit beschleunigt wird, da sie sowohl dich als auch dein Umfeld besser kennen lernen.“
Inzwischen war es kurz vor elf Uhr und die letzten strömten in die Aussegnungshalle. Der Vorplatz leerte sich zusehends, so dass ich meinte, wir sollten jetzt hinein gehen, damit die Trauerfeier rechtzeitig beginnen kann.
Während wir in die Aussegnungshalle eintraten, fragte Christina: „Peter, kannst du mir sagen, warum von euren Handwerkern so viele zur Beerdigung meiner Mutter gekommen sind?“
„Christina, die Frage ist einfach zu beantworten, ich habe selbst nachfragen müssen, weil ich mich gewundert habe. Deine Mutter hatte sehr viel Kontakt mit unseren Handwerken, die für die Renovierung und Sanierung sämtlicher Immobilien, sowohl der Stiftung als auch des Gutshofs zuständig sind. Ihre Kollegen aus München haben sie von ihrem tödlichen Unfall informiert und ihnen mitgeteilt, wann die Beerdigung stattfindet.“
Wir hatten inzwischen unsere Plätze in der ersten Reihe eingenommen, die für uns freigehalten wurden. Kurz nach elf Uhr startete die Trauerfeier mit dem Titel `Amazing Graze`. Die engagierte Trauerrednerin hatte aus den Informationen, die sie von mir und Christina erhalten hatte, eine gefühlvolle Rede erstellt, in die sie sogar den schmerzlichen Verlust von Bettinas Eltern und ihre Flucht nach München mit einbrachte. Marion und Jens blickten in diesem Moment zu mir, was mir verdeutlichte, dass weder Christina noch die beiden Jungs, Stephan und Raphael, sie von der Geschichte informiert hatten.
Während mit dem Ende der Rede der Grabrednerin der nächste Song gespielt wurde, ging ich ans Rednerpult und als die letzten Töne verklungen waren, begann ich meine kurze Ansprache: „Liebe Trauergäste, ich freue mich, dass sie so zahlreich erschienen sind, um mit uns Abschied zu nehmen von Christinas Mutter, unserer Mitarbeiterin im Münchner Büro, die sich bereits auf ihren Umzug im Sommer nach Rosenheim gefreut hat.
Was ich bis heute nicht wusste, sie war die Kontaktperson für unseren Handwerksbetrieb, wenn es um die Sanierung oder Renovierung der von der Münchner Niederlassung verwalteten Immobilien ging. Noch mehr freue ich mich darüber, dass die Mitschüler, die Christina erst vor wenigen Tagen kennengelernt haben, sie auf dem letzten Weg ihrer Mutter begleiten.
Für euch alle gilt, ihr seid zum anschließenden Leichenmahl ins Restaurant im Gutshof eingeladen, Christina und ich als ihr Vormund würden uns freuen, wenn sie nachher alle mitkommen.“
Damit hatte ich meine kurze Ansprache beendet und mein gewünschter Song, `Zeit zu gehen` von Karel Gott wurde abgespielt. Ich ging auf meinen Platz neben Christina zurück und der Münchner Mitarbeiter Benjamin Huber ging ans Redepult.
Er erzählte von Bettina als einer von allen sehr geschätzten Kollegin, die vor fast elf Jahren in die Firma gekommen sei. Er musste seine Ansprache noch einmal geändert haben, da er Bezug darauf nahm, dass keiner ihrer Kollegen gewusst hatte, dass Bettinas Eltern vom Erzeuger ihres Kindes im Streit erschlagen wurden. Ansonsten bedauerte er den großen Verlust, den er und seine Kolleginnen und Kollegen erlitten haben durch den tödlichen Unfall.
Er kam so langsam zum Ende seiner Ansprache und ich überlegte, welchen Song er wohl ausgewählt haben wird. Ich wurde überrascht, dass ´My Way´ von Frank Sinatra erklang, ich hatte eher etwas anderes erwartet. Ich beobachte aufmerksam, wie Felix Christina auffordert, mit ihm ans Rednerpult zu kommen.
Als die letzten Töne verklungen waren, fing Felix an: „Jetzt werden sich einige, die mich persönlich kennen, doch wundern, warum ich mit Christina zusammen am Rednerpult stehe. Christina hat mich gebeten mit ihr zusammen, ihre persönliche Abschiedsrede zu erstellen. Peter hatte mich im Vorfeld gebeten, Christina alle Fragen zu beantworten, die mit der Beerdigung ihrer Mutter im Zusammenhang stehen, aber auch einen würdigen Rahmen zu planen.“
Christina sprach weiter: „Peter hatte mir vorher verraten, dass Felix der Sohn des Bestatters sei und er sich gut damit auskennt. Seine Geduld, mit der er meine Fragen beantwortete, auch wenn sie noch so einfältig waren, gaben mir viel Sicherheit bei den Entscheidungen, die zu treffen waren.
Geplant war, dass ich jetzt allein oder mit Stephan, meinem zukünftigen Adoptivbruder vor euch stehen und meine Rede halten sollte. Während wir dabei waren, die ersten Texte für die Rede zu erstellen, fragte ich Felix, ob er sich vorstellen könne, dass wir gemeinsam vor euch stehen und über meine Mutter reden. Als er ja sagte, war ich überglücklich. Inzwischen ist Felix so etwas wo ein großer Bruder für mich, den ich jedoch nie hatte.
Nach dem ersten Schock beim Unfalltod meiner Mutter, kam die nächste schockierende Erkenntnis gleich hinterher. Bei meinem ersten Zusammentreffen nach dem Unfall, mit unserer Nachbarin und Mamas bester Freundin, erfuhr ich das größte Geheimnis meiner Mutter, dass sie mir bis zu ihrem Tod verheimlicht hatte.“
Felix durfte jetzt weitersprechen: „Wir sprechen von der Tatsache, dass Christinas Erzeuger, kurz vor dem geplanten Hochzeitstermin, Bettinas Eltern und Christinas Großeltern, wegen kleineren Differenzen, kaltblütig ermordet hat. Bettina hatte nach ihrer Flucht aus Hamburg in München einen neuen Mann kennengelernt, von dem sie sich jedoch wieder trennte, als er ihr erklärte, dass er ihr ungeborenes Kind nicht als sein Kind Anerkennen werde, da es von einem Mörder gezeugt wurde. Bettina entschied daraufhin, dass sie ihr Kind allein großziehen will.“
„Mama, ich bin immer noch ein wenig böse mit dir, weil du mir nie erzählt hast, welche Probleme und Schwierigkeiten du hattest, bevor ich auf die Welt gekommen bin. Zugutehalten muss ich dir die Tatsache, dass du mich angenommen hast, so wie ich bin, auch mit dem Makel, das Kind eines Mörders zu sein. Ich möchte dir an dieser Stelle dafür danken, dass ich bis zu deinem frühen Tod, immer deine Tochter gewesen bin, die du über alles geliebt hast.
Wie hat Felix zu mir gesagt, ich darf nicht nur zurückblicken, ich soll einem Blick in meine Zukunft werfen, die ich ab sofort ohne meine Mutter erleben werde. Wobei er betonte, dass damit nur die körperliche Nähe zu meiner Mutter gemeint sei, da sie in meinem Herzen ewig weiterleben werde. Ich freue mich, dass ich mit Marion, Jens und den beiden Jungs Stephan und Raphael eine neue Familie bekomme, die mich mögen und adoptieren.“
Felix durfte wieder weitermachen: „Ja Christina, auf deine Zukunft kommt es an. Du wirst in den nächsten Wochen und Monaten immer wieder einmal deine Mutter vermissen. Du hast vorher angedeutet, dass du in mir so etwas wie einen großen Bruder siehst, dann will ich ab sofort dein großer Bruder sein, zu dem du jederzeit mit all deinen Problemen kommen darfst.“
„Mama, ich hoffe du bist nicht sauer auf mich, weil ich nicht nur, wie du es dir so sehr gewünscht hast, eine Familie bekomme, die am Gutshof lebt, sondern ich auch noch einen großen Bruder gefunden habe, der ebenfalls am Gutshof wohnt. Mama, ich verspreche dir, einmal sehen wir uns wieder, so wie es Andreas Gabalier in seinem Lied besingt, das wir jetzt hören, bevor wir dich in deiner Urne zu deiner letzten Ruhestätte begleiten.“
Mit den Worten, einmal sehen wir uns wieder, wurde der Vorspann zum Song von Andreas Gabalier gestartet. Fast eine Minute dauerte es in der sechsminütigen Fassung, bis Andreas Gabalier seinen Text zu singen beginnt. Nachdem die letzten Takte verklungen waren, griff Monika nach der Urne, kam auf mich zu und fragte mich, ob ich mir zutraue, die Urne zur letzten Ruhestätte zu tragen.
Wir stellten uns noch in der Aussegnungshalle auf und danach ging es gemäßigten Schrittes mit der Urne zur letzten Ruhestätte von Bettina. Christina ging direkt neben mir, dahinter ihre zukünftige Familie und anschließend bunt durchgemischt die restlichen Trauergäste. Vor uns war nur Monika, die uns den Weg wies.
Die Trauerrednerin hielt eine kurze Ansprache, bevor die Urne in die Erde gesenkt wurde und wies noch einmal darauf hin, dass man von Beileidsbekundungen absehen soll, um für Christina die Sache nicht noch schwerer zu machen als sie für sie ohnehin schon sei. Ab dem Zeitpunkt konnte jeder noch kurz von Bettina Abschied nehmen.
Ich war verwundert, dass sich alle Trauergäste, von einer Ausnahme abgesehen daranhielten, Christina keine Beileidsbekundung zu übermitteln. Die Ausnahme war ein Mitschüler von Christina, der zu ihr ging und statt dem üblichen Spruch laut erklärte: „Christina, ich freue mich, dass du jetzt für immer in Rosenheim bleibst und mit mir zur Schule gehst.“
Als der Junge außer Hörweite war, sagte Thomas flüsternd zu mir: „Christina hat aber schnell einen Verehrer in Rosenheim gefunden.“
Ich sagte dazu nichts, konnte aber sehen, dass Stephan und Raphael grinsten. Von Christina fingen sich die beiden Jungs, die links und rechts von ihr standen, dafür einen leichten Knuff auf ihren Oberarm ein.
Inzwischen hatten sich fast alle von Bettina verabschiedet, als Dennis von den Handwerkern plötzlich neben mir stand und erklärte: „Peter, du hast uns mit deiner Einladung zum Leichenschmaus eiskalt erwischt. Wir sind davon ausgegangen, dass nur die Familie und vielleicht noch die Münchner Kolleginnen und Kollegen daran teilnehmen. Wir fahren zuerst kurz ins Büro zurück, weil einige Kollegen nicht teilnehmen können, ich bring dann aber Axel, Gerry und Gregor mit, wenn du nichts dagegen einzuwenden hast.“
Ich nickte nur und Axel verabschiedete sich bis später von mir. Da außer uns keiner mehr in der Nähe des Grabs stand, gingen wir in Richtung Ausgang zum Parkplatz. Dort wartete die ganze Klasse von Christina auf uns. Der Vater der vorher die Organisation übernommen erklärte: „Herr Maurer, zuerst möchte ich mich vorstellen, ich bin Oliver Gruber, der Vater von Rene Gruber. Die Einladung wird teuer für sie. Alle Kids haben von einem Elternteil die Erlaubnis am Leichenschmaus teilzunehmen.
Mehr als die Hälfte aller Kinder wird später von ihren Eltern direkt im Wirtshaus im Gutshof abgeholt. Der Rest wird von den vorhandenen Eltern nach Hause gebracht, so wie es von Anfang an geplant war. Ich möchte mich im Namen aller Kinder bei ihnen bedanken, da es nicht unbedingt selbstverständlich ist, dass Klassenkameraden zum Leichenschmaus eingeladen werden.“
Ich erklärte: „Herr Gruber, zuerst einmal, ich freue mich, dass alle Mitschülerinnen und Mitschüler aus Christinas Klasse teilnehmen dürfen. Wir treffen uns gleich im Restaurant im Gutshof, wo wir im Nebenzimmer untergebracht sind. Da Christina sich das gewünscht hat, interessiert mich nicht, was der Leichenschmaus kostet.
Als Vormund bin ich nur dem Gericht Rechenschaft schuldig und die werde ich schon überzeugen können von der Notwendigkeit dieser Ausgabe. Wenn nicht, übernehme ich privat die Kosten, die vom Richter nicht anerkannt werden. Ich sehe es vor allem als eine Art teambildende Maßnahme für die Kids. Christina gehört gerade einmal seit Montag zur Klasse, so haben alle die Gelegenheit sich gegenseitig besser kennenzulernen.
Gerade im Hinblick auf die heute in der Öffentlichkeit bekanntgegebenen Fakten zu Christinas Großeltern sehe ich dies als notwendig an. Wie gesagt wir sehen uns gleich im Restaurant im Gutshof.“
Am Auto angekommen stiegen meine beiden Jungs und Felix direkt ein. Inzwischen hatte sich der Parkplatz weitestgehend geleert, nur die Eltern mit Christinas Mitschülern waren am Abfahren. Am Jugendhotel und vor dem Gutshaus waren fast alle Parkplätze belegt, so dass ich nur ausstieg und Felix bat, mein Auto in die Garage zu bringen.
Ich ging ins Restaurant und direkt durch ins Nebenzimmer, wo absolutes Chaos herrschte. Ich ging zu Alexandra und fragte, ob ein Teil der Gäste im Restaurant sitzen könne, denn hier gibt es zu wenig Sitzplätze für alle. Alexandra antwortete: „Peter, ich denke es ist besser ihr weicht in den großen Saal aus, gib uns fünf bis zehn Minuten, dann ist dort alles vorbereitet.“
Nachdem Alexandra verschwunden war, erklärte ich, nachdem ich um Ruhe gebeten hatte: „Liebe Trauergäste, damit wir in einer großen Gruppe zusammenbleiben können, werden wir im großen Saal untergebracht, das Nebenzimmer ist doch etwas zu klein für uns alle, vor allem da auch noch einige Leute fehlen. Wir können in gut fünf Minuten in den großen Saal umziehen.
Teilt euch dort so auf die Tische auf, dass die jüngeren Generationen gemeinsam an den Tischen zusammensitzen, das gleich gilt für die Älteren unter uns, auch wir werden an eigenen Tischen sitzen. Vorab zur Information, es gibt drei Menüs, aus denen ihr nachher wählen könnt. Die Vorspeise ist für alle gleich, es gibt eine Frühlingssuppe mit Nudeln und Frühjahrsgemüse.
Als Hauptspeise gibt es ein Fischgericht, ein Fleischgericht und ein fleischloses Gericht. Sollte irgendwer an Lebensmittelunverträglichkeiten leiden, bitte bei der Bestellung angeben, damit demjenigen von der Küche Alternativen angeboten werden können. Dazu gibt es abschließend ein Dessert, mit dem Titel Gruß aus der Küche, lasst euch einfach überraschen.
Ab vierzehn Uhr gibt es Kaffee und Kuchen, wobei das mit dem Kaffee nicht so wörtlich genommen werden sollte, da wir auch Milchmixgetränke oder Tee anbieten. Sollten die Kids ihren Kuchen mit den üblichen Kaltgetränken genießen wollen, geht das aus meiner Sicht auch in Ordnung. Spätestens gegen sechzehn Uhr wird mit dem Ende des Leichenschmauses die Ausgabe von Speisen und Getränken eingestellt. Ich hoffe, dass vorher keiner verhungert ist.“
Über meinen letzten Satz wurde laut gelacht, man hatte meinen Spaß verstanden. Alexandra öffnete die Tür zum großen Saal und forderte alle auf, es sich im Saal gemütlich zu machen. Ich ging als einer der letzten in den Saal. Die jüngeren hatten sich überwiegend an meine Ansage gehalten und hatten an fünf Tischen Platz genommen. Christina, Raphael, Kevin und Stephan hatten sich zu den Mitschülern von Christina gesetzt.
Felix stand neben Dennis, der bereits bei den Kids die Getränkebestellung aufnahm. Beim Vorbeigehen hörte ich, wie er Felix aufforderte, an der Theke die bereits vorbereiteten Getränke für die ersten Tische abzuholen und zu servieren. Meine Tochter steuerte auf mich zu und bat mich ein Auge auf Katharina zu werfen, da sie sie in die Konditorei geht und sich darum kümmert, dass nachher genügend Kuchen und Torten für die Meute zur Verfügung steht.
Ich nickte und schon war sie verschwunden, so dass ich zu Katharina ging und sie fragte, ob sie bei den anderen Kids sitzen möchte. Sie grinste mich an und erklärte: „Opa, ich würde gern bei deinen beiden Jungs sitzen, ich traue mich jedoch nicht, sie zu fragen.“
Mit meiner Enkelin im Schlepptau ging es an den Tisch, wo sich David und Tobias, sowie die Jungs aus dem Verwalterhaus gesetzt hatten. Ich fragte, ob sich Katharina zu ihnen setzen dürfe. Tobias wollte wissen, ob sie zwischen ihm und David sitzen will. Da meine Enkelin nickte, stand er auf und setzte sich einen Stuhl weiter wieder hin, so dass Katharina sich auf seinen Platz setzen konnte.
Da das Mittagessen, doch etwas länger dauerte als es ursprünglich geplant war, wurden erst ab vierzehn Uhr dreißig mit Kaffee und Kuchen gestartet. Die ersten Eltern, die eintrudelt, um ihr Kinder einzusammeln, wurden kurzerhand eingeladen, an der Kaffee- und Kuchenrunde teilzunehmen.
Ab fünfzehn Uhr fing es langsam an, dass sich die Reihen zu lichten begannen. Nach und nach verabschiedeten sich die Väter oder Mütter mit ihren Schulkindern, wobei sie sich noch einmal extra für die Einladung zum Essen oder zum Kaffee bedankten. Ein Vater fragte mich: „Herr Maurer, meine Tochter hat mir erzählt, dass sie als Vormund für Christina eingesetzt wurden. Wie ist es dazu gekommen, normalerweise landen doch Vollwaisen direkt in einem Kinderheim.“
Ich erklärte: „Es existierten von Christinas Mutter verschiedene Dokumente, die sie vor ihrer Operation angefertigt hatte, für den Fall, dass sie sich nicht mehr um Christina kümmern könne, wobei ich davon ausging, dass damit der Fall geregelt werden sollte, dass bei der Operation etwas schiefgegangen ist. Ich hatte diese Unterlagen nach dem tödlichen Unfall dem Jugendamt zur Verfügung gestellt.
Dabei gab es eine Verfügung, dass ich die vorläufige Vormundschaft übernehmen soll, bis für Christina eine Familie gefunden wurde, die sie adoptiert. In Absprache mit dem Jugendamt kümmere ich mich zumindest so lange um Christinas Angelegenheiten, bis das Adoptionsverfahren abgeschlossen ist.“
Er schaute mich an und erwiderte: „Sie haben mir mit dieser Aussage schwer geholfen, denn das würde bedeuten, wenn meine Frau und ich so eine Verfügung treffen würden für den Fall des Falles, dass in diesem Fall unsere Geschwister und unsere Eltern nicht als Vormund für unsere beiden Kinder eingesetzt werden dürfen.“
Diesmal blickte ich ihn fragend an: „Darf ich fragen, warum sie wissen wollten wie diese Konstellation zustande gekommen ist. Normalerweise werden in solchen Fällen doch immer die Großeltern oder Geschwister angesprochen, ob sie sich um die Kinder kümmern können. Bei Christina gab es keine weiteren Angehörigen, die man hätte fragen können. Ich würde ihnen empfehlen, sich mit einem Familienanwalt in Verbindung zu setzen, der ihnen sicher besser und detaillierter weiterhelfen kann.“
Er antwortete: „Noch kann ich ihnen ihre Frage nicht beantworten. Sofern wir uns für sie als Vormund für unsere Kinder entscheiden würden, und sie dem zustimmen, kann und muss ich ihnen gegenüber das Geheimnis lüften.“
Wir vereinbarten, dass er sich mit seiner Frau und einem Familienanwalt bespricht und er dann wieder auf mich zukommen wird, sofern sie sich für mich als Vormund für seine beiden Kinder entscheiden würden.
Christina setzte sich neben mich und sagte: „Peter, ich finde, das war im Großen und Ganzen ein gelungener Tag, auch wenn der Ausgangspunkt ein trauriges Ereignis war. Für mich war es die erste Trauerfeier meines Lebens. Das Zusammensitzen mit meinen Mitschülerinnen und Mitschülern war eine sehr gute Idee.
Ich konnte bereits mit drei Kids aus meiner Klasse eine Freundschaft schließen. Ich bin eingeladen, sie in den nächsten Wochen, in ihrem Zuhause zu besuchen. Marion hat bereits zugestimmt, dass ich die Kids auch zu uns einladen darf. Marion hat sich, soweit ich das mitbekommen habe, mit einigen Müttern von meinen Mitschülern unterhalten.“
Kurz nach sechzehn Uhr leerte sich der Saal endgültig und Alexandra näherte sich mir und setzte sich neben mich. Sie meinte: „Sebastian will gleich noch mit dir sprechen, bevor wir uns ins Abendgeschäft stürzen. Er will nur kurz was erledigen und dann kommt er.“
Sie hatte kaum geendet, als ich schon Sebastian näherkommen sah. Er setzte sich gegenüber an den Tisch und sagte: „Peter, ich frage mich seit Tagen, warum von uns keiner auf die Idee gekommen ist, zu einem Leichenschmaus einfach unsere Mittagsmenüs anzubieten. Diese Idee ist mega genial, so ist es jederzeit möglich unseren Gästen einen Leichenschmaus anzubieten.
Wir haben bisher immer abgelehnt, weil unsere individuelle Küche nicht darauf ausgelegt ist, so viele Essen in so kurzer Zeit herauszugeben. Mit den Mittagsmenüs ist das kein Problem, schnell sechzig bis siebzig zusätzliche Essen fertigzustellen. Wir werden nach dem sehr guten Probelauf heute, ab sofort auch Aufträge für einen Leichenschmaus oder für einen Leichentrunk mit Kaffee und Kuchen annehmen, immer auf der Basis unserer Mittagsmenüs. Alternativ besteht die Möglichkeit, dass der Caterer einen größeren Leichenschmaus im Saal durchführen will. Peter, wie siehst du die Sache?“
Ich antwortete: „Sebastian, ich werde mich nicht in die Angelegenheiten des Küchen- oder Restaurantbetriebs einmischen, solang ich mir nicht sicher bin, dass etwas schiefläuft. Das gilt für alle Entscheidungen, die ihr trefft. Wenn du heute festgestellt hast, dass du mit den Mittagsmenüs oder mit Kaffee und Kuchen solche Veranstaltungen durchziehen kannst, spricht nichts dagegen, sie den Kunden anzubieten.
Ich hätte eine Frage dich, wie viele Essen hast du heute beim Leichenschmaus aus der Küche herausgegeben? Ich habe den Überblick verloren, wie viele Leute am Ende beim Leichenschmaus anwesend waren. Ich kann dir sagen, wie viele Essen es bei den Kids und deren Begleitern gewesen sind, da komme ich bereits auf fünfunddreißig. Ihre Kollegen aus München dürften rund zehn Personen gewesen sein.
Bei den Gutshofbewohnern gehe ich von mindestens fünfundzwanzig Personen aus. Bei den Handwerkern waren es noch einmal zehn Personen. So überschlägig geschätzt könnten es zwischen achtzig und neunzig Essen gewesen sein.“
Sebastian grinst und meinte: „Nicht schlecht geschätzt, es waren exakt siebenundachtzig Essen, die aus der Küche für euch geliefert werden. Beim Kuchen waren es am Ende achtundneunzig Kuchenstücke. Alexandra hat mir schon gesagt, dass auf deine Anweisung den abholenden Elternteilen Kuchen und Kaffee angeboten wurde. Mein einziges Problem besteht, dass heute alle Mittagsmenüs ausverkauft sind und wir sie heute Abend von der Speisekarte streichen müssen.“
Der Rest des Freitags verlief so ruhig, dass ich schon fast befürchten musste, dass irgendwo bereits wieder neue Herausforderung auf mich warten würden.