„Woher wollen sie das wissen?“, fragte Levi giftig.
„Ihr Großvater genießt eine Rundumüberwachung und wir konnten keinerlei Aktivitäten seinerseits feststellen!“
Mit großen erstaunten Augen sah ich ihn an.
„Sie überwachen meinen Großvater?“, fragte Levi erstaunt.
Captain Davis nickte.
„Nicht nur das…, ihre Großmutter hat uns gewährt, auch Abhörgeräte im großen Haus ihrer Großeltern unterzubringen.
„Grandma… aber…?“
„Mr. Scott, ihre Grandma ist eine feine Frau. Sie hat nach dem Tod ihres Sohnes und Schwiegertochter den Kontakt zu mir nie ganz aufgegeben. Deswegen war mir ihr Fall auch noch so präsent.“
Ungläubig schüttelte Levi den Kopf.
„Und anderem sind wir Dank Mr. Browns Mitarbeiter der Spur des Boten nachgegangen.“
„Meines Mitarbeiters?“, fragte nun Dad.
„Fred kam zu mir und sagte, vor dem Haus würde eine Bote stehen und hätte ein Päckchen für mich…“, erklärte ich leise, ohne ihn anzusehen.
„… und hatte ein gutes Gedächnis, was das Firmenlogo des Lieferdienstes betrifft“, fügte Captain Davis hinzu.
Lieutenant Trevor kam zu uns und hielt uns ein Tablett entgegen.
„Kennen sie diese Person?“, fragte er.
Levi und ich schauten gebannt auf den kleinen Bildschirm. Es schien wohl eine Überwachungskamera einer Firma zu sein. Es zeigte einen Raum, eine Art Büro. Ein Mann kam herein, der zu einem Schalter lief.
Dort legte er ein Päckchen ab, das meinem ähnlich sah. Er trug eine Basecap und ein Kaputzenshirt. So war sein Gesicht schlecht zu erkennen.
„Jakob?“, hörte ich Levi leise sagen.
„Jakob?“, kam es gleichzeitig aus meinem Mund und des meines Vaters.
Mum legte ihre Hand auf Dads Schenkel.
„Sie haben ihn also genauso erkannt?“, fragte nun Captain Davis.
„Die Gangart… die Bewegungen… sind unverkennbar“, antwortete Levi abwertend.
„Wer ist Jakob?“, hörte ich meinen Dad leise fragen.
„Der Sekretär von Levis Großvaters und Levis Exfreund…“, antwortete Mum leise.
„Ist das so ein verrückter Eifersüchtiger, wie man sie oft im Fernseh sieht?“
Selbst ich musste über diese Frage lächeln.
„Das ist uns leider unbekannt, Mr. Brown. Ob er aus eigenen Motiven, oder auf Anweisung von Mr. Smith Senior Anweisungen handelt, wissen wir noch nicht.“
„Dann nehmen sie ihn fest!“, sagte Dad mit fester Stimme.
„Ich habe bereits eine Überwachung beim Richter beantragt.
„Wieso, das Video ist doch eindeutig? Wenn selbst Levi ihn darauf erkennt!“
Erstaunt sah ich Dad an. Es war das erste Mal, dass er Levi beim Vornamen nannte, als würde er ihn schon ewig kennen.
„John bitte!“, sagte Mum.
„Was denn, der Typ hat versucht unseren Sohn etwas antun! Willst du Marcus wieder im Krankenhaus besuchen oder vielleicht im…?“
Er unterbrach kurz.
„Ich möchte nur, dass es Marcus gut geht und er sicher ist!“
Diese Worte trieben mir die Tränen in die Augen. So hatte ich Dad noch nie reden hören.
„Mr. Brown, ich kann ihnen versichern, dass wir dahin gehend bereits Vorkehrungen getroffen haben. Was diesen Jakob Hall betrifft, ihn jetzt schon festzunehmen, wäre ein Fehler!“
„Wieso? … Hundert Prozentig können sie nicht gewähren, das meinem Sohn, seinem Freund oder den Kindern nichts passiert?“
Auch diese Worte trafen mich unerwartet mitten ins Herz. War das wirklich Dad, der da vor mir saß? Levis Händedruck verstärkte sich, Mum dagegen lächelte mich an.
„Mr. Brown, wie schon gesagt, wir wissen nicht, ob alle Vorfälle alleine auf Mr. Hall zurück zuführen sind…, den Unfall von Mr. Smith Eltern eingeschlossen.“
„Den Unfall?“, fragte Levi verwundert, „das war vor seiner Zeit!“
„Nicht ganz richtig“, meldete sich nun Trevor zu Wort, „Mr. Hall hat bereits in jungen Jahren in der Firma ihres Großvaters angefangen und dann irgendwie hoch gearbeitet. Also war er zur Zeit des Unfalls bereits dort beschäftigt!“
„… und wenn auch die Personenbeschreibungen, der bestochenen Kindermädchen auf Mr. Hall teilweise zutreffen…“, sprach Capitän Davis weiter, „…es war Mr. Smiths Großvater, der ihrem Sohn Geld geboten hat, hier seinen Job zu kündigen.“
„… und er hat versucht, das Sorgerecht der Schwester zu bekommen und die Firma in Besitz zu nehmen!“, fügte Lieutenant Trevor hinzu.
„Das beruhigt mich in keinster Weise!“
Um das Gesagte zu unterstreichen, legte er seine Hand auf die meinige, die auf der Sessellehne ruhte.
*-*-*
Während Dad auf dem Speicher nach dem Rechten sah, Mum bei Sofia in der Küche war, hatten sich Captain Davis und Lieutenant Trevor bereits verabschiedet. Levi saß immer noch bei mir und hielt mich fest im Arm.
„Du solltest vielleicht duschen gehen und etwas anderes anziehen“, sagte Levi mit ruhiger Stimme.
Nur von der Ferne drang das Gesagte zu mir durch, Ich reagierte nicht. Zu sehr beschäftigte mich das Verhalten meines Vaters.
„Hallo!“, kam es nun von Levi und schubste mich an.
Ich schaute auf.
„Hm?“
„Wo bist du denn mit deinen Gedanken?“
„Äh… bei Dad…“
Levi begann breit an zu grinsen.
„Er scheint es akzeptiert zu haben.“
Meine Augen wurden größer.
„Denkst du?“
Fragend schaute ich ihn an.
„Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht, Marcus“, er beugte sich vor und legte seine Arme um mich, „dein Vater ist sehr schwer einzuschätzen, Aber was er von sich gegeben hat, klang für mich echt! Versuch dich einfach darüber zu freuen.“
„Vielleicht hast du ja Recht, aber es fällt mir schwer, dass zu glauben. Auf alle Fälle nicht, so wie er sich die letzten Jahre benommen hat.“
„Belassen wir es einfach so und schauen, was auf uns zu kommt… und nun geh endlich duschen und dich umziehen!“
Ich sah an mir herunter und schüttelte den Kopf.
„Die kann ich wohl abschreiben… sind hinüber“, meinte ich und rieb über meine Klamotten.
„Die geben wir in die Reinigung, vielleicht bekommen die das wieder ab.“
Die Tür zum Flur öffnete sich. Herein kam Noah, geschoben von Mike. Auf dem Gesicht des Jungen machte sich ein Grinsen breit.
„Onkel Mike, du hast Recht, Marcus siehst aus wie ein Clown“, sagte Noah und fing an zu kichern.
Ich zog die Augenbraun hoch und sah Mike genervt an.
„Wie hast du es geschafft, Noah aus seinem Zimmer zu bekommen“, fragte Levi erstaunt.
„Och ich habe ihm erzählt, dass es hier unten zu einem kleinen Unfall gekommen ist und jemand Farbe über Marcus gekippt hat.“
„Das sieht lustig aus“, kicherte Noah und griff mir ins Haar.
„Aaahh“, entwich es mir.
Die Haare klebten natürlich zusammen und es tat weh, als Noah mir ins Haar fasste.
„Müssen wir das jetzt abschneiden?“, fragte Noah, etwas erschrocken.
„Wieso abschneiden?“, wollte ein grinsender Mike wissen.
„Levi hat mir auf den Kleber aus den Haaren geschnitten…“, antwortete Noah.
Mein Boss fing breit an zu grinsen.
„Wie kam denn der Kleber in dein Haar…, hat der auch jemand über dich gegossen?“, wollte Mike von Noah wissen.
Verlegen schüttelte Levis kleiner Bruder den Kopf.
„Das ist Farbe, Bruderherz, die kann man vielleicht herauswaschen.“
„Den Kleber hast du auch nicht abgewaschen…“, meckerte Noah.
„… weil das nicht geht“, kam es postwendend von Mike und wuschelte dem Jungen durchs Haar.
Es klopfte am Türrahmen. Mike und Noah gaben die Sicht frei. Dort stand Dad.
„Ich wollte nicht stören…“
Levi erhob sich.
„Aber Mr. Brown, sie stören doch nicht!“
„Junge, du bist der Freund meines Sohnes, also sage John oder Dad zu mir, wie die anderen es tun!“
„Ähm… danke“, lächelte Levi.
„… ich wollte nur sagen, oben sieht alles sehr gut aus. Schade nur, dass das mit den ausziehbaren Fenstern nicht funktioniert hat…, da müsste wohl ein komplett neuer Dachstuhl hin.“
„Ja, das hat mir Mike schon gesagt, aber die Idee war trotzdem gut!“
„Ich werde mich jetzt verabschieden! Mike, du schaust, weiter nach dem Rechten und du“, Dad schaute zu mir, „solltest mal duschen gehen! Du siehst aus wie ein frisch geschlüpfter Bundbarsch!“
Noah fing laut an zu lachen. Ich nickte nur, einer Antwort nicht fähig.
„Nora!“, rief Dad laut im Flur.
„Ja?“, hörte ich Mums Stimme.
„Weib, wir fahren. Wir haben noch andere Söhne und eine Firma, um die wir uns kümmern müssen!“
„Ich komme ja schon!“
Während die anderen Dad in den Flur folgten, saß ich immer noch bewegungsunfähig im Sessel.
*-*-*
Mit einem Handtuch um die Lenden stand ich vor dem Spiegel. Die rote Farbe war zwar ab, aber dafür war jetzt meine Haut rot. Mehrere Waschgänge taten ihr nicht gut, außerdem klebten immer noch einzelne Haarsträhnen zusammen.
Da half wohl wirklich nur die Schere.
„Marcus?“, hörte ich Levis Stimme rufen.
„Hier im Bad!“
Die Tür öffnete sich und Levi kam herein. Die kühle Luft aus dem Zimmer, die mit ihm hereinströmte, verpasste mir eine Gänsehaut. Levi trat an mich heran und nahm mich von hinten in den Arm. Dabei küsste er mir über den Nacken. Erneut lief es mir kalt den Rücken herunter.
„Ich wollte nur fragen, ob du zum Essen kommst?“, hauchte er mir ins Ohr.
Ich zog den Kopf ein und meine Gänsehaut bekam eine Gänsehaut.
„Ja, …lass mich nur noch hier fertig machen…“
Ich drehte mich zu ihm.
„Du solltest dir vielleicht überlegen, ein paar rote Strähnen zuzulegen…, sieht irgendwie cool aus.“
„Haha! Verarschen kann ich mich selber! Vielleicht noch Regenbogenfarben!“, sagte ich und streckte ihm die Zunge heraus.
„He, ich meine das ernst!“, meckerte Levi und unterstrich das Gesagte mit einem Kuss.
Dann drückte er sich wieder an mich.
„Ich bin so froh, dass dir nichts passiert ist!“
„Ich auch, dass kannst du mir glauben.“
Levi atmete tief durch.
„Wo ist Noah?“
„Oben bei Mike.“
„Auf dem Speicher.“
Levi nickte.
„Wie hat er denn das fertig gebracht?“, fragte ich verwundert.
„Tja, dein Bruder kann zaubern!“, grinste mich Levi an, „… ach Quatsch. Er hat Noah einem Helm angezogen, mit Arbeitshandschuhen versehen und ihn einfach mit nach oben genommen, trotz anfänglicher Proteste. Jetzt hilft Noah, naja… soweit es ihm möglich ist.“
„Angst mit der gleichen Sache bekämpfen…“, sagte ich nur und gab Levi auch einen Kuss.
„Dann beeil dich, ich hol die zwei jetzt zum essen“, meinte mein Freund, gab mir einen Klaps auf den Hintern und verschwand wieder.
*-*-*
Ruhe! Endlich war Ruhe im Haus eingekehrt. Kein Gehämmer, oder Bohrungen waren mehr zu hören. Kein Getrampel, wenn jemand die Treppe hinauf, oder hinunter rannte. Im Dachstuhl waren schon erste Erfolge sichtbar, die neue Isolierung war schon fast komplett angebracht.
Noah hatte zusammen mit Mike stolz seinen Geschwistern gezeigt, wie weit man schon gekommen war. Nun lag Noah bereits im Bett und das ganz ohne Gute-Nacht-Geschichte. Kaum im Bett war er auch schon eingeschlafen.
Seine Schwester hatte sich wie immer in ihr Zimmer zurück gezogen und Levi saß immer noch in seinem Büro. Ich löschte das Licht in der Küche und lief die Treppe nach oben. Einzig die kleine Lampe unten im Flur brannte noch.
Aus Ellas Zimmer drang leise Musik und Noah schlief tief und fest. Lediglich seine Decke war verrutscht. Ich deckte ihn richtig zu und lief anschließend in mein Zimmer. Dort ließ ich mich auf meinem Stuhl nieder.
Schnell war mein Blick auf dem noch dunklen Bildschirm festgefroren. Lust hatte ich eigentlich keine mehr, noch nach Emails zuschauen. Mein Finger stoppte kurz vor dem On-Knopf.
Ich stand wieder auf, wechselte Wohlfühlklamotten gegen Schlafshirt und Shorts und verließ mein Zimmer wieder. Aber ich bremste abrupt, als ich merkte, dass es keine gute Idee war, hier mit Socken herum zu laufen.
Bei der ersten Stufen, trat ich schon auf etwas und es tat natürlich weh. So lief ich ins Zimmer zurück, vergewisserte mich, nichts im Fuß stecken zu haben. Mit Latschen versehen, starte ich den zweiten Versuch.
Der Gang in die Küche, um zwei Gläser und eine Flasche Rotwein zu holen, war schnell erledigt. Wenige Augenblicke später stand ich bereits in Levis Bürotür.
„Noch viel zu tun…?“, fragte ich leise.
Levis Kopf fuhr nach oben und als er mich sah, lächelte er.
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Leider scheint es eine Verwechslung der Familiennamen Scott und Smith zu geben