„Eigentlich nicht, bin zu meiner Überraschung fertig. Habe heute bereits mehr geschafft, als vorgenommen.“
„Dann steht heute keine Nachtarbeit an?“
Levi schüttelte den Kopf.
„Es ist zwar noch ungewohnt für mich, dir den ganzen Haushalt zu überlassen, nicht mit Noah zu spielen, oder nach dem Rechten zu sehen, Dafür habe ich richtig ranklotzen können.“
Levi fuhr sein Laptop herunter und machte die Schreibtischlampe aus. Ich hob den Wein etwas nach oben und er lächelte.
„Gerne!“
Zusammen liefen wir in sein Schlafgemach hinüber und ließen uns auf dem Sofa nieder.
„Ich versteh es nicht…“
Ich schaute Levi an.
„Ähm… was meinst du? Ich weiß gerade nicht, wo du mit deinen Gedanken bist!“
„Jakob. Es wäre damals so und so in die Brüche gegangen, auch ohne Großvaters Einmischung. Warum jetzt dieser Hass auf mich?“
„Wie kommst du darauf, dass er dich hasst?“
„Aus Liebe wird er sicher nicht meine Eltern umgebracht haben!“, bekam ich es sarkastisch zur Antwort.
„Zum einen ist es noch nicht heraus, ob er es war… und zum anderen… viele haben schon aus Liebe getötet… ist aber der falsche Weg! Was meinst du damit, dass es sowieso in die Brüche gegangen wäre.“
Levi schien zu überlegen, nahm einen Schluck von seinem Glas Wein.
„…er hat geklammert…, mich mit seiner Eifersucht fast erdrückt… Du denkst, er tut das wirklich, weil er mich immer noch liebt?“
„Ob das wirklich Liebe ist, kann ich dir beim besten Willen nicht sagen. Ich denke eher so etwas wie… Besessenheit vielleicht. Sollten wir das nicht Captain Davis erzählen?“
Levi schüttelte den Kopf.
„Ich will ihn nicht auch noch mit alten Liebeskamellen nerven, er hat sicher schon genug mit unserem Fall zu tun.“
„Aber es ist vielleicht ein wichtiger Anhaltspunkt und erklärt sein Verhalten.“
Darauf sagte Levi nichts und starrte auf seinen Wein. Ich legte meine Hand auf seinen Schenkel.
„Ich kann nur erahnen, wie sehr dich das alles beschäftigt und vielleicht auch herunter zieht…, aber denke immer daran, du bist nicht mehr alleine… okay?“
Zumindest nickte er, also drangen meine Worte zu ihm durch.
„Aber gerade darum mache ich mir Sorgen. Wenn du Recht hast und er ist wirklich davon besessen, mich irgendwie zurück zu gewinnen… zu was ist er noch im Stande zu tun?“
„Ich weiß es nicht Levi… wir müssen eben aufpassen.“
„Deine Worte in Gottes Gehörgang! Wie sollen wir das bitte schön anstellen? Nach dem Vorfall heute…“
Er sprach nicht weiter. Ich griff nach seiner Hand.
„He! Wir sind zu zweit, er alleine… also klarer Vorteil für uns!
*-*-*
Den morgendlichen Lauf ließen wir ausfallen. Eigentlich ärgerlich, weil Jakob es schon geschafft hatte, unseren Alltag zu beeinflussen. Aber ich hatte beschlossen, ihm keinerlei Angriffsfläche zu geben.
Über kurz oder lang, würde Captain Davis ihn schon zu Strecke bringen. Im Haus waren bereits, die ersten Handwerker zu Gange, als es an der Tür klingelte. Sofia schaute mich besorgt an.
Ich zuckte mit der Schulter und lief zu Haustür. Vor der Tür konnte ich durch das bunte Glas zwei Leute ausmachen, so öffnete ich die Tür.
„Guten Morgen, Bruderherz“, kam es mir entgegen.
Mike und ein Mann, denn ich nicht kannte standen vor mir.
„Morgen Mike“, entgegnete ich.
„Darf ich dir einen guten Freund vorstellen, dass ist Joe! Er hat einen kleinen Elektroladen in Queens und kennt sich bestens mit Sprechanlagen aus.“
Sprechanlagen? Ich konnte meinem Bruder gerade nicht folgen.
„Ähm… morgen Joe…“, sagte ich und streckte ihm die Hand entgegen.
„Morgen Mr. Brown!“, sagte dieser strahlend und schüttelte meine Hand.
„… Marcus…“, fügte ich noch an.
„Ich habe Levi gestern noch getextet, dass ich jemanden mitbringe, der sich um eine Sprechanlage an eurer Tür kümmert.“
„Aha… davon hat er mir gar nichts gesagt.“
„Bestimmt vergessen… aber egal. Ich zeige Joe kurz die Örtlichkeiten, wo überall ein Anschluss sitzen sollte…“, sagte Mike und schob diesen Joe an mir vorbei.
Etwas fassungslos schaute ich den beiden hinter her, als ich hinter mir einen Wagen hörte. Automatisch drehte ich mich um und sah, wie Levi gerade seinen Wagen einparkte. Ich trat nur vor die Tür und beobachte ihn dabei.
Natürlich fiel mir der andere Wagen auf, der vier Wagen weiter hinten einparkte. Darin saßen die zwei Männer von Captain Davis Truppe.
„He, du brauchst mich nicht an der Tür zu empfangen“, rief mir ein gut gelaunter Levi entgegen, als er die Straßen überquerte.
Ich wartete bis er am Haus war.
„Reiner Zufall, dass ich an der Tür stehe. Mike ist gerade gekommen und…“
„Schade…!“, fiel mir Levi ins Wort, „ ist aber irgendwie schön.“
Als er mich erreichte, drückte er mir einen Kuss auf die Wange und betrat das Haus. Ich folgte ihm ins Haus und schloss die Tür.
„Boah habe ich einen Hunger. Ist Noah unten oder noch in seinem Zimmer…?“
„… ähm in seinem Zimmer… Mike hat einen Elektriker mitgebracht…“
Levi wollte gerade die Treppe hinauflaufen, stoppte aber dann in seiner Bewegung. Er drehte sich zu mir.
„Ah Mist, das habe ich total vergessen. Mike hat mir gestern geschrieben, dass euer Vater die Idee hatte, dass wir dringend eine Sprechanlage an der Haustür bräuchten.“
„Mein Vater…“
Levi legte den Kopf schief.
„Was ist?“
„Ich kam mir gerade, als Mike ankam, etwas blöd vor, weil ich nichts davon wusste.“
Levi legte seine Arme um mich und zog mich zu sich heran.
„Entschuldige Marcus, ich habe es wirklich vergessen, dir zu sagen. Mike meinte, er kümmert sich um alles, so habe ich es irgendwie aus meinem Kopf verbannt. Bist du mir jetzt etwa böse?“
Meine Fassade fing mächtig an zu bröckeln. Diese Augen, die mich gerade wie zwei kleine Sonnen anstrahlten, hatten bereits von mir Besitz ergriffen. Ich ihm böse? Mein Kopf begann sich automatisch zu schütteln.
Die leichte Wut, die vorhin in mir aufgestiegen war, weg, einfach verschwunden.
„Gut, ich dachte schon, ich hab etwas falsch gemacht“, säuselte er und drückte mir einen Kuss auf den Mund.
„Ich hol Noah zum Frühstück“, meinte er noch und lief schon die Treppe nach oben.
Ich dagegen stand immer noch an der untersten Stufe und schaute ihm nach. Wie machte er das? Aber ich hatte keine Zeit, mir weitere Gedanken darüber zu machen. Es klingelte erneut an der Tür.
Dort stand eine Person, mit der Figur einer Frau. So lief ich seufzend zu Tür zurück und öffnete sie erneut.
„Morgen Marcus“, schallte es mir entgegen.
Vanessa, Levis Tante. Sie drückte sich an mir vorbei und betrat das Haus.
„Ähm… guten Morgen… Vanessa.“
Wieder schloss ich die Tür. Sie dagegen stellte ihren Korb auf den Boden und war dabei ihren leichten Sommermantel aus zuziehen.
„Gib ihn mir, ich lege ihn ins Wohnzimmer, hier draußen könnte er schmutzig werden.“
„Wie aufmerksam von dir, danke Marcus“, sagte Levis Tante und drückte mir das Ding einfach in die Hand.
„Guten Morgen Vanessa“, kam es von der Küchentür.
„Guten Morgen, Sofia… ich habe einen Kuchen mitgebracht“, und schon waren die zwei Frauen in der Küche verschwunden.
Kopfschüttelnd ins Wohnzimmer, um den Mantel abzulegen. Levi kam die Treppe herunter.
„Wer war das?“
„… deine Tante.“
„Tantchen?“, fragte er und bevor ich darauf etwas erwidern konnte, war er bereits in der Küche verschwunden.
Ich legte den Mantel auf die Couch und verschloss die Tür wieder. Dann folgte ich Levis Gekicher in die Küche.
„… du weißt ganz genau, dass ich nicht backen kann“, hörte ich Vanessa sagen, „… den habe ich beim Bäcker gesehen und bin nicht daran vorbei gekommen.“
„Wo ist Noah?“, fragte ich einfach, als keiner Notiz von mir nahm.
Die drei, die an der Küchenzeile standen, drehten sich gleichzeitig zu mir.
„Der ist oben bei Mike…“, antwortete Levi.
Bevor ich etwas sagen konnte, klingelte es erneut. Mittlerweile etwas angepisst, hier den Türöffner zu spielen, lief ich erneut zu Tür. Ohne weiter nach zudenken, riss ich die Tür auf und war mehr als erstaunt, meine Mutter dort vorzufinden.
„Guten Morgen Marcus, gut siehst du aus, ohne das rote Zeugs im Haar!“
„Du hast schon bessere Witze gemacht!“, sagte ich sauer.
„Ich wollte eigentlich nur Noah abholen…“
Ich drehte mich um und ließ sie an der Tür stehen.
„Marcus…, was ist denn los?“, hörte ich sie rufen, aber das war mir egal.
Ich lief den Flur entlang, direkt zur Hintertür des Hauses. Sie führte in den kleinen Garten, den ich bis jetzt nur durch das Fenster gesehen hatte. Ich drehte den Schlüssel um, öffnete die Tür und stand mitten im hohen Gras.
Das war mir aber irgendwie egal. Ich warf die Tür hinter mir zu und schloss die Augen. Was war bloß los mit mir? Nicht nur, dass plötzlich hier jeder für mich unangemeldet auftauchte, ich kam mir gerade irgendwie nutzlos vor.
Ich hatte hier angefangen, als Manny, der sich um die Kids kümmert. Gut, die Basis hatte sich geändert, mein Boss war nun mein Freund. Aber trotzdem war meine Aufgabe weiterhin mich Noah und Ella anzunehmen und etwas um den Haushalt zu kümmern.
„Marcus?“
Ich zuckte zusammen, denn ich hatte Levi nicht kommen hören. Ich reagierte nicht auf ihn, hatte die Arme vor meiner Brust verschränkt und schaute immer noch in den verwilderten Garten.
Warum mir gerade jetzt auffiel, dass am hinteren Ende eine verfallene Laube stand, wusste ich nicht. Sofort starteten die grauen Zellen, wegen eines Renovierungsversuchs, was man dazu alles benötigen würde.
„Marcus…?“
Wieder bremste Levi meine Gedanken.
„Entschuldige, wenn ich etwas falsch gemacht habe…“
Ich verdrehte die Augen. Er wusste anscheinend nicht, dass er überhaupt etwas falsch gemacht hatte.
„Ja, ich weiß… du hast es wieder vergessen!“, sagte ich, ohne ihn anzuschauen.
„Was habe ich vergessen…?“
„Das Mum Noah abholen will, oder macht sie das einfach von sich aus?“
Nun hatte ich mich doch umgedreht. .
„… ähm… das war Tante Vanessas Idee, zusammen mit deiner Mutter für Noah neue Klamotten auszusuchen…, davon wusste ich wirklich nichts! …sie hat eben erst angerufen, bevor sie kam.“
Ich atmete tief durch.
„.. und hast es vergessen zu sagen… Levi ich versuche dir so gut wie möglich den Rücken frei zu halten, damit du für das, was nötig ist, genügend Zeit hast. Aber wenn du mir von deinen Plänen nichts sagst, ist das so gut wie unmöglich!“
Am Fenster oben bemerkte ich Mike und Noah, hinter Levi standen Vanessa und meine Mutter in der Tür. Ich war laut geworden.
„Mum sagte mal zu mir, in einer Partnerschaft ist Vertrauen das wichtigste und dass man immer über alles miteinander redet. Davon merke ich gerade nicht sehr fiel!“
Eine einzelne Träne lief über meine Wange. Hastig wischte ich sie weg. Vanessa flüsterte meiner Mutter etwas zu, die darauf nickte und im Haus verschwand. Danach lief sie zu Levi.
„Du schnappst dir jetzt Marcus und ihr zwei fahrt irgendwo hin…! Redet miteinander und macht euch um das Haus keine Gedanken.“
„… aber…“; begann Levi, aber Vanessa fiel ihm ins Wort.
„Nichts aber, das ist jetzt wichtig und nichts anderes!“
Mum erschien wieder in der Tür und hatte zwei Jacken in der Hand. Levi schaute wieder zu mir.
*-*-*
Seit wir das Haus verlassen hatten, wurde nichts gesprochen und langsam machte sich mein schlechtes Gewissen breit. Natürlich war mir nicht entgangen, dass Levi neben mir mit seinen Tränen kämpfte.
Levi ließ den Wagen ausrollen, der Motor erstarb. Erst jetzt schaute ich mich um und sah die Brooklyn Bridge im Hintergrund. Ohne ein Wort zu verlieren, stieg Levi aus, ich folgte ihm.
Beide standen wir nun vor dem Wagen, und Levi schaute zu Boden.
„Tut mir leid, dass ich dich so angefahren habe…“, sagte ich leise.
„Wieso… du hast doch Recht…“
Immer noch schaute Levi nach unten, Tränen tropften auf seine Schuhe. Was hatte ich nur gemacht? Ich hatte ihm versprochen, dass ich ihn so gut ich konnte unterstütze, für ihn da war.
Nun tat ich aber gerade das Gegenteil. Aber war es meine Schuld? Ich trat auf ihn zu und legte meine Hand auf seine Schulter. Er zitterte am ganzen Körper. Plötzlich fuhren seine Arme nach oben, legten sich um mich und zogen mich zu sich heran.
„… bitte verlass mich nicht, ich versuch mich zu bessern… bitte Marcus, lass mich nicht alleine!“
Seine Beine schienen nachzugeben und er drohte abzurutschen, aber ich hielt ihn nun fest an mich gedrückt. Ich gab ihm einen Kuss aufs Haar, denn sein Gesicht war in meine Jacke vergraben.
„Niemand hat etwas von verlassen gesagt, Levi… wie kommst du nur darauf?“, versuchte ich so ruhig wie möglich zu sagen.
Er zuckte mit den Schultern. Ich drückte ihn leicht von mir weg, aber er schaute mich immer noch nicht an.