Solarplexus Manipura – Teil 8

Erschrocken prallte Kay nach hinten, ich konnte ihn gerade noch festhalten, damit er nicht ausrutschte. Schockiert starrte er mich an und da hämmerte es erneut an der Tür.

Unsere Gäste waren scheinbar erwacht: „Hey, wie lange braucht ihr denn NOCH? Ich warte schon seit ner Ewigkeit …”

Sichtlich verärgert schrie Kay zurück, sie solle sich gefälligst verkrümeln und noch ein paar Minuten warten. So sauer hatte ich ihn zwar noch nie erlebt, aber in dieser Situation fand ich es eher belustigend und musste mir unter größter Anstrengung ein Grinsen verkneifen. Ab da hatte es flott gehen müssen und wir seiften uns beide schnell ein. Nur leider nicht mehr gegenseitig, sondern jeder für sich.

Keine zehn Minuten später gingen wir zusammen auf die Terrasse, wo wir uns erst mal einen heißen Kaffee gönnten. Michael hatte glücklicherweise bereits welchen aufgesetzt. Unsere beiden Gäste flüchteten dann auch sofort ins Bad und ich saß mit Kay alleine draußen. Das heißt, wir waren nicht ganz alleine, denn Tammo hatte es sich schon unter dem Tisch bequem gemacht.

Traurig merkte ich aber, dass Kay meinen Blicken auswich und auch insgesamt etwas abweisend wirkte. Ich konnte sein Verhalten einfach nicht verstehen. Jedes Mal, wenn wir uns körperlich näher kamen, blockte er danach wieder komplett ab.

Durch das gemeinsame Duschen eben war mir erst wirklich klar geworden, wie sehr ich ihn erregen konnte. Und wenn er absolut und zu hundert Prozent abgeneigt gewesen wäre, dann wäre das doch gar nicht möglich gewesen. Auch dass er mich sehr mögen musste, ließ sein Verhalten mir gegenüber genau erkennen. Aber warum musste trotzdem alles so schwer sein?

Als Tanja und Michael sichtlich zufrieden wieder an den Tisch gekommen waren, meinte sie zu mir: „Hey Basti, heut kommen doch deine Ellis wieder heim, oder? Wann wird das sein?”

Mit einem traurigen Unterton, den ich nicht ganz verbergen konnte, antwortete ich: „So gegen späten Nachmittag.”

„Sollen wir dich heimbringen?”

„Darüber hab ich ehrlich gesagt noch gar nicht nachgedacht”, meinte ich leise und nun meldete sich auch Kay zu Wort: „Ne, lasst mal … ich fahr ihn.”

Da hatte Tanja eine in meinen Augen glorreiche Idee: „Was haltet ihr davon, wenn wir bei Bastian daheim ein kleines Grillfest veranstalten? So zur Begrüßung und so. Morgen ist ohnehin Sonntag, keiner müsste also am nächsten Tag früh raus.”

Mein Gott, konnte Tanja Gedanken lesen? Ich war die ganze Zeit nach einer Möglichkeit am Grübeln gewesen, wie ich noch mehr Zeit mit Kay verbringen konnte. Und sie brachte das einfach so locker flockig rüber, ich hätte sie knuddeln können. Freudig lächelte ich und als Kay gerade nicht hingesehen hatte, hatte sie mir mit einem Grinsen zugezwinkert.

Kay sagte sofort zu und so begannen wir gleich einen Plan zur Arbeitsverteilung aufzustellen. Ich würde mit Kay zu mir nach Hause fahren und dort alles vorbereiten, während Tanja und ihr Liebster einkaufen fahren würden. Das Essen würden wir dann alle gemeinsam zubereiten.

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Nachmittags waren wir dann genau richtig zur Heimkehr meiner Eltern fertig geworden und saßen erst einmal bei einem Kaffee beisammen.

Leider hatte ich bisher noch keine Möglichkeit bekommen, ungestört mit Kay zu sprechen, was ich aber unbedingt noch an diesem Tag nachholen wollte. Ich musste einfach wissen, woran ich bei ihm war.

Die Stimmung war allgemein sehr locker, Tanja und Michael waren bei meinen Eltern immer gern gesehen und auch Kay schlossen sie schnell ins Herz. Gespannt lauschten wir ihnen, was sie während dem Urlaub alles erlebt hatten und ich freute mich, dass sie so eine schöne Zeit erlebt hatten. Es gab natürlich auch wieder viel zu lachen, denn meine Eltern hatten seltsamerweise immer das Glück, dass irgendetwas schief gehen musste. So auch diesmal, als der Inhaber der Herberge meinem Dad keinen Zweitschlüssel aushändigen wollte, nachdem er sich aus dem Zimmer ausgeschlossen hatte. Meine Mutter hatte bereits geschlafen und die wollte er halt einfach nicht wecken. Allerdings wurde mein Dad für einen verschmähten Liebhaber gehalten, der erneut sein Glück versuchen wollte. Es lief darauf hinaus, dass meine Mutter doch noch geweckt wurde und sie dann alles aufklären konnte.

Zwischendurch rückten wir dann auch mit unserer Idee, dass wir ein Grillfest veranstalten wollten, heraus und meine Eltern waren sofort begeistert davon. Mein Dad äußerte sich aber noch lachend: „Also, bei der Vorbereitung müsst ihr aber auf uns verzichten. Heute ist immerhin noch Urlaub.” Ich meinte darauf nur mit einem Grinsen: „Eigentlich ist sowieso schon alles soweit fertig. Wir wollten nur noch euer ‚ja’ hören.”

Die beiden halfen uns aber dann doch zumindest alles in den Garten zu schaffen und mein Dad meinte in der Küche mit einem Zwinkern zu mir: „Nen netten Kerl hast da mitgebracht. Ganz passabler Schwiegersohn.” Auf meinen traurigen Blick war er dann ganz erschrocken gewesen: „Habe ich jetzt irgendwas Falsches gesagt?” Mit einem kurzen Kopfschütteln antwortete ich nur: „Nein, gar nicht. Glaub mir, ich würd ihn auch sofort haben wollen … aber geschlechtsbedingt habe ich null Chancen bei ihm.”

Das überraschte meinen Vater nun doch sehr, denn eigentlich war er davon überzeugt gewesen, dass sich zwischen Kay und mir was anbahnen würde.

Als wir zu den anderen, die noch mit Kaffee trinken beschäftigt waren, nach draußen gingen, sah ich Tanja aufgebracht mit Kay diskutieren. Sie standen leider etwas abseits, sodass ich kein Wort verstehen konnte, aber es wirkte sehr nach einem Streit. Mittendrin ließ Kay sie einfach stehen, verabschiedete sich kurz angebunden von meinen Eltern und verschwand ohne weitere Erklärung aus dem Garten. Mich beachtete er mit keinem Blick mehr. Tanja blickte fassungslos in die Richtung, in die Kay verschwunden war, und auch ich stand total perplex da, bis Tanja an den Tisch kam. Sie wich meinem Blick aus und so fragte ich sie mit einem Klos im Hals: „Was ist passiert?”

Es dauerte einige Augenblicke, bis sie mich schließlich ansah und antwortete: „Er ist weg.”

„Ja, das sehe ich auch … aber warum ist er weg? Kommt er wieder?”

Als sie nicht gleich antwortete, fragte ich noch einmal und diesmal konnte ich das Zittern in meiner Stimme nicht mehr unterdrücken.

Mit einem zögerlichen Blick an meine Eltern meinte sie dann, dass sich ihr Streit um mich gedreht hatte… sie hatte verzweifelt nach Worten gesucht, als sie zugab, dass sie Kay zu einer Entscheidung hatte drängen wollen. Ungläubig starrte ich sie an und sie meinte hektisch: „Mensch Basti, ich seh doch, wie er dich anguckt! Er empfindet mehr für dich, als er zugibt…”

„Ach ja?”, unterbrach ich sie bitter, „und warum ist er dann jetzt abgehauen?”

Leise und zögernd sagte sie: „Er kann es sich nicht eingestehen, er kennt solche Gefühle gegenüber einem Mann nicht.” Mit einem flehenden Blick sprach sie weiter: „Aber so kann es doch auch nicht weitergehen! Bastian, ich wollte dir doch nur helfen!”

Ich stand nur da und hatte einfach keine Worte. Wusste nicht, was ich noch dazu sagen sollte. Auch Tanja starrte nur noch geknickt auf den Boden.

Ich hatte mich so auf den Abend gefreut, hatte mich darauf gefreut, ihn mit Kay verbringen zu können. Doch nun war er weg. Und ich wusste einfach, er würde auch nicht mehr auftauchen.

„Ich muss zu ihm”, flüsterte ich aus einer Eingebung heraus. Tanja nickte wortlos, ein Blick auf meine Eltern sagte mir, dass sie es verstehen konnten. Eilig lief ich in die Garage und zerrte mein Rad hervor. Ich würde bestimmt mindestens eine Stunde brauchen, bis ich bei Kay war, aber das war mir egal. Ich musste mit ihm reden.

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Drei Stunden später – Kay:

Geknickt klingelte ich an der Tür des Einfamilienhauses, in dem Bastian wohnte und hatte ehrlich gesagt keine Ahnung, wie ich mich nun verhalten sollte. Eigentlich war ich mir nicht einmal sicher, ob Bastian mir überhaupt noch zuhören würde. Gerade in dem Moment, als er auf mich hatte zukommen wollen, war ich Schussel abgehauen.

Nach dem Streit mit Tanja waren mir  die Nerven durchgegangen, hatte einfach nicht mehr weiter gewusst. Tanja hatte mich regelrecht in die Enge getrieben und dazu gedrängt, meine Gefühle für Bastian zuzugeben. Aber was sollte ich denn zugeben, wenn ich selbst nicht einmal genau wusste, was ich eigentlich für ihn empfand? Ich wollte mir doch einfach nur sicher sein, denn was hätte es gebracht, wenn ich mich jetzt Hals über Kopf in irgendwas gestürzt hätte, nur um dann festzustellen, dass es doch nicht das war, was ich gesucht hatte? Das hätte doch bestenfalls ein gebrochenes Herz geben und das hätte ich Bastian niemals antun können.

Ich wusste ja selbst, dass ich in den letzten beiden Wochen teilweise viel zu weit gegangen war. Aber sobald ich in Bastians Nähe gewesen war, hatte ich mich immer so wahnsinnig wohl gefühlt. Ich hatte einfach immer sein können, wie ich wirklich war. Obwohl Bastian ganze sechs Jahre jünger war als ich, hatte er es innerhalb von kürzester Zeit geschafft, mir ein wahnsinnig gutes Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. Aber dennoch: Konnte ich deshalb schon von Liebe sprechen? Ich wusste es einfach nicht.

Ich war mächtig nervös und es erschien mir wie eine Ewigkeit, bis sich die Haustür endlich öffnete und Roland vor mir stand. Seinen Blick konnte ich nicht richtig deuten, als er mich erkannte. Es schien wie eine Mischung aus überrascht sein und Enttäuschung.

„Kay, komm doch herein”, bat er mich ins Haus.

Zögerlich trat ich durch die Tür und begann: „Roland, es tut mir leid, wie ich mich vorhin verhalten habe, bitte glaub mir. Kann ich bitte mit Bastian sprechen?”

Roland reagierte erschrocken: „Aber Bastian wollte doch zu dir fahren, ich hab mich schon gewundert, warum du alleine auftauchst. Er hat sich vorhin sein Rad geschnappt und ist los.”

Ich bekam sofort ein mulmiges Gefühl: „Ich komm grad von daheim. bei mir war er nicht.”

Als nun auch Tanja den Vorraum betrat, bekam sie vor Schreck große Augen: „Scheiße, er hätte doch schon längst bei dir sein müssen, selbst mit dem Rad. Er ist vor drei Stunden schon weg.”

„Wie gesagt, bei mir war er nicht. Vielleicht hat er unterwegs jemanden getroffen?” Ich versuchte zuversichtlich zu klingen, doch konnte mich selbst nicht wirklich davon zu überzeugen.

„Dann hätte er bestimmt angerufen. Außerdem glaube ich das nicht … er wollte dir unbedingt nach, da hätte er sich von niemandem aufhalten lassen”, meinte Tanja nachdenklich.

Wie gesagt, im Grunde hatte ich an diese Möglichkeit auch nicht wirklich geglaubt. Inmitten meiner Überlegungen fiel mir plötzlich siedendheiß ein, was ich vor kurzem miterlebt hatte. Vor meinem inneren Auge sah ich erneut Bastian vor mir stehen, wie er total verloren unter den ganzen Menschen gestanden hatte. Gezittert hatte er, war weiß wie eine Wand gewesen, total außer sich vor Angst. Und ich musste auch an den Grund für diese Panik denken: Rolf!

„Weiß irgendwer, wo dieser Mistkerl wohnt?!”

Obwohl ich seinen Namen nicht erwähnt hatte, wussten sofort alle, wen ich damit meinte.

Tanja nickte: „Ich weiß es, Basti hat’s mir mal gesagt…” Etwas lauter rief sie nach Michael, der sofort ins Haus kam. „Bastian ist verschwunden. Wir fahren sofort zu diesem Rolf und wehe, der hat irgendwas damit zu tun.”

„Ihr bleibt besser hier, falls Sebastian auftaucht”, meinte ich noch in Rolands und Marias Richtung, bevor wir kaum zwei Minuten später aufbrachen, um Rolf einen Besuch abzustatten.

 

 

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Rolf wohnte zwar am anderen Ende der Stadt, doch mit dem Auto waren wir in weniger als 20 Minuten bei seiner Wohnung.

„Sein Rad steht nicht da”, bemerkte Tanja leise, Michael bestätigte dies mit einem Nicken und meinte: „Das heißt aber noch lange nicht, dass er nicht hier ist.”

Nach einem kurzen suchenden Blick fügte Michael noch hinzu: „Rolf selbst ist auf jeden Fall da”, und deutete dabei auf ein Fahrzeug, das direkt vorm Haus an der Straße geparkt war.

„Du hast recht… dann lasst uns Rölfchen mal besuchen gehen…”

Zu dritt gingen wir in das Haus und dort drinnen sofort in den zweiten Stock, auf dem sich drei Wohnungstüren befanden. Rolfs Name stand direkt an der Tür, zu der man über die Treppe als erstes kam.

Tanja schaute uns für einen Moment etwas unsicher an, bevor sich ein harter Ausdruck in ihre Augen stahl und sie schließlich die Klingel betätigte.

Einige Sekunden vergingen, doch in der Wohnung rührte sich nichts, also klingelte Tanja ein zweites Mal. Erneut keine Reaktion.

„Vielleicht…”, begann Michael, wurde aber sofort von Tanja unterbrochen: „Nein, der ist auf jeden Fall da. Schließlich steht sein Auto unten und der würde niemals auch nur einen Schritt mehr als nötig zu Fuß gehen.”

Ich konnte meine Ungeduld kaum verbergen und trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. Als sich auch nach dem zweiten Klingeln noch immer nichts in der Wohnung rührte, konnte ich mich nicht mehr zurück halten und zwängte mich an meinen Freunden vorbei an die Wohnungstür. Für einen Moment dachte ich daran, die Tür einzubrechen, doch besann mich in letzter Sekunde einer vernünftigeren Methode. Dass Rolf zuhause war, daran bestand kein Zweifel, also legte ich meinen Finger auf den Klingelknopf und ließ ihn auch dort. Das Sturmläuten konnte man bis in das Treppenhaus hören, musste also in der Wohnung selbst noch um einiges lauter sein. Siehe da… plötzlich konnte man eindeutig hastige Schritte an der anderen Seite der Tür vernehmen und Sekunden später wurde sie von einem genervten und wütend dreinschauenden Rolf geöffnet.

„Was wollt ihr denn hier!”, keifte dieser auch gleich wenig begeistert los.

Ohne mich mit einer Begrüßung aufzuhalten, schnauzte ich schroff: „Wo ist Bastian!”

„Wegen dieser kleinen Schlampe macht ihr hier so einen Radau?!”, kam es als Antwort, bevor Rolf ein gehässiges Grinsen aufsetzte und noch eins drauf setzte:

„Woher soll ICH denn wissen, wo sich die kleine Schwuchtel rumtreibt! Wird halt irgendwo seinen Arsch zum Ficken hinhalten.”

Auf diesen so geringschätzigen Satz sah ich einfach nur noch rot und stürzte mich wütend auf Rolf. Ich zog ihn am Kragen aus der Wohnung und stieß ihn mit voller Wucht gegen die Wand im Treppenhaus, wobei ich meinen Arm brutal gegen seinen Hals drückte. Unter größter Anstrengung brachte ich noch den Satz: „Du mieser kleiner Pisser sagst mir jetzt sofort, wo Bastian ist, oder du lernst mich kennen!”, zustande.

Rolf schien das jedoch nicht im Mindesten zu beeindrucken, er grinste mich nur weiterhin an und entgegnete überheblich: „Aha, du bist dann wohl der neue Stecher. Furchtbar enges Loch hat der Kleine, nich?”

In dem Moment tickte ich komplett aus. Mit voller Wucht rammte ich ihm meine Faust geradewegs in den Bauch und war im Begriff, weiter auf ihn einzuschlagen, als ich plötzlich eine mir sehr bekannte Handymelodie hörte. Es war Bastians absoluter Lieblingssong, den er sich als mp3 auf sein Handy geladen hatte.

„Er ist da drin!”, rief Tanja wütend und ließ ihr eigenes Handy wieder in der Tasche verschwinden.

Rolf schien jedoch nicht aus der Ruhe zu bringen sein. Obwohl ihn mein Schlag gezielt getroffen hatte und ich ihn weiterhin gegen die Wand presste, lachte er nur und meinte: „Ja klar, es gibt ja sonst kaum Handys mit dem Rufton, oder? Macht, dass ihr hier weg kommt oder ich ruf die Bullen!”

Nun aber war ich es, der nur verächtlich lachte. Ich stieß Rolf rücksichtslos zu Boden und lief zusammen mit Tanja ins Innere der Wohnung. Einem leisen Schluchzen folgend kamen wir direkt in Rolfs Schlafzimmer an und konnten dort tatsächlich Bastian finden. Es war ein entsetzlicher Anblick.

Bastian hatte sich ganz eng in eine Ecke des Raumes zusammen gekauert, die Knie angezogen und die Arme darum geschlungen. Sein Gesicht verbarg er hinter seinen Händen, doch trotzdem konnte man seine Angst deutlich erkennen. Immer wieder entkam ihm ein Schluchzen, von dem sein ganzer Körper geschüttelt wurde. An den sichtbaren Stellen der Arme hatten sich bereits Rötungen gebildet, mehrere blaue Flecken waren sichtbar. Ein Großteil seiner Kleidung lag im Zimmer verstreut auf dem Boden.

Im ersten Moment blieb ich wie erstarrt stehen, auch Tanja erging es nicht anders. Erst lautes Geschrei aus dem Treppenhaus kommend weckte uns beide aus dieser Starre und ich stürmte endlich zu Bastian, ließ mich neben ihn auf den Boden sinken. Um ihn nicht noch mehr zu erschrecken, wartete ich noch einige Sekunden und nahm ihn dann behutsam in meine Arme.

Sofort presste er sich schutzsuchend an mich, wimmerte leise vor sich hin.

„Wir sind jetzt da … es kann dir nichts mehr passieren”, flüsterte ich und wiegte ihn beruhigend hin und her, während ich ihm sanft über das Haar strich.

Nur ganz langsam beruhigte sich Bastian zumindest soweit, dass ich mich traute aufzustehen und ihn mit mir hoch zu ziehen. Dabei flüsterte ich: „Lass uns von hier abhauen.”

Auf ein leichtes Nicken von Bastian hin bedachte ich Tanja mit einem kurzen Blick. Sie verstand sofort, sammelte Bastians Kleidung zusammen und reichte sie mir dann. Leise fragte ich Bastian: „Soll ich dir helfen dabei?”

Bastian nickte leicht und so half ich ihm, so gut es ging, sich wieder anzuziehen. Dass er Schmerzen dabei hatte, sah ich alleinig an seinem Gesichtsausdruck, denn er versuchte, tapfer zu wirken und keinen Laut von sich zu geben. Ich bewunderte diesen jungen Mann dafür und machte mir gleichzeitig schreckliche Vorwürfe. Es war meine Schuld, dass Bastian so ein Trauma erneut widerfahren war. Wäre ich vorhin nicht so überstürzt abgehauen, wäre Bastian mir nicht alleine nach. Und dann wäre das alles gar nicht passiert.

Ich wagte es kaum, ihm in die Augen zu sehen, als Bastian mir einen schüchternen Blick zuwarf. Doch als ich diesem Blick beging, überraschte mich dieser komplett. Bastian schien nicht nur ängstlich wegen Rolf zu sein, nein … er blickte MICH ängstlich an und ich wusste das nicht wirklich zu deuten.

Unsicher, ob ich etwas sagen sollte oder nicht, zog ich ihn erneut in meine Arme. Er schmiegte sich einfach nur an mich und wurde im selben Augenblick von einem heftigen Weinkrampf geschüttelt. Es schienen endgültig sämtliche Dämme in ihm gebrochen zu sein und er weinte hemmungslos vor sich hin.

Zwischen seinem Schluchzen konnte ich undeutlich seine Worte vernehmen: „Ich bin so froh, dass ihr rechtzeitig gekommen seid.”

Nun kam bei mir doch einiges an Verwirrung auf. Ich strich sanft über seine Arme und erwiderte in einem bitteren Ton: „Das sieht für mich nicht nach ‚rechtzeitig’ aus.”

Wäre die Situation nicht so aufreibend gewesen, hätte ich glatt über Bastians süßen Blick lachen können. Fast schon entschuldigend meinte er: „Rolf mußte ziemlich grob werden, damit er mich überhaupt ins Auto bekommen hat … und dann musste er mich die Treppen hoch zerren…”

Sein Blick wurde nachdenklich und augenblicklich total leer. Mit einem tiefen Seufzen schüttelte er den Kopf: „Ich … ich kann jetzt nicht…”

Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, brach er erneut in Tränen aus. Ich bemühte mich, ihn zu beruhigen und strich ihm sanft übers Haar, während ich ihn fest an mich drückte.

„Komm, lass uns von hier verschwinden”, meinte ich leise und führte ihn aus der Wohnung. Dort konnten wir dann aber noch eine erfreuende Überraschung finden. Nämlich Rolf, der bewusstlos auf dem Boden lag.

Auf einen überraschten und fragenden Blick von Tanja hob Michael, der an der Tür gewartet hatte, nur unschuldig die Schultern und meinte grinsend: „Der Kerl ist mir versehentlich in die Faust gelaufen.” Tanja musste kichern, verstummte aber sofort, als Bastian plötzlich stehen blieb und nachdenklich seinen Exfreund betrachtete.

Er sagte dabei nichts, doch seine Augen begannen wieder verdächtig zu glänzen. Schließlich berührte ihn Tanja sanft an der Schulter und flüsterte: „Wir sollten von hier verschwinden…”

Bastian sah sie kurz an, warf dann noch einen letzten Blick auf Rolf und nickte dann.

Wortlos hakte er sich wieder bei mir ein und ging zusammen mit uns die Treppe hinab.

Beim Wagen angekommen reichte ich meine Autoschlüssel sofort an Michael weiter und teilte mir mit Bastian die Rücksitzbank. Dort hielt ich ihn während der gesamten Fahrt fest in meinen Armen.

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Kurze Zeit später – Bastian:

Endlich wieder zu Hause ließ ich mich gleich in den erstbesten Stuhl fallen, den ich finden konnte. Mittlerweile war es fast zwanzig Uhr und so fragte ich mehr gespielt als wirklich fröhlich, was denn nun mit der Grillparty sei… schließlich hatten wir uns für die Vorbereitungen sehr viel Mühe gegeben.

Nach zwar einstimmiger, aber zögerlicher Zustimmung fingen die anderen an, die ganzen Salate und Getränke sowie den Rest nach draußen in den Garten zu bringen. Es war tagsüber wieder schön warm gewesen und das sollte auch in den nächsten Stunden noch so bleiben.

Ohne zu fragen hatten wir meinen Paps und Michael zu den Grillmeistern verdonnert und Tanja kümmerte sich zusammen mit meiner Mutter um den Kaffeenachschub. Ich selbst saß ohne Beschäftigung etwas abseits im Garten herum und war tief in meine Gedanken versunken. Kay bemerkte ich erst, als er sich direkt vor meinem Stuhl auf den Rasen sinken ließ und wortlos zu mir aufschaute. Ich versuchte zu lächeln und sagte: „Schön dass du da bist.”

Kay erwiderte wortlos das Lächeln und fragte nach ein paar Minuten fast schüchtern: „Können wir reden?”

Ich zwang mich zu einem frechen Grinsen und antwortete: „Ich werde dich nicht dran hindern.”

Er bemühte sich sichtlich um ein Lächeln, wurde dann aber gleich wieder ernst: „Es tut mir leid, was da passiert ist, Bastian.”

Als ich ihn unterbrechen wollte, hob er nur die Hand und so blieb ich still.

„Ich hab wie ein Blödmann reagiert und das hätte dich beinah in ne scheiß Lage gebracht.”

Kay sah während er sprach kein einziges Mal auf, sondern fixierte den Grashalm, welchen er zwischen seinen Fingern hielt.

„Ich kann nicht beschreiben, was mit mir los ist … ich hab die letzten zwei Wochen … die Zeit mit DIR wahnsinnig genossen … ich hab mich lange nicht mehr so … so geborgen gefühlt. Berichtige mich, falls ich da was falsch aufgefasst habe, aber … die Gefühle, die du für mich hast … es wirkt so ehrlich von dir … als ob es nie anders gewesen wäre und mit einer solchen Selbstverständlichkeit … das … sowas ist mir echt neu.”

Kay sah mich kurz an, so als warte er auf einen Widerspruch meinerseits, doch ich lächelte ihn nur aufmunternd an. Warum hätte ich auch nicht zugeben sollen, dass ich mich wirklich total in ihn verliebt hatte? Ich hatte es ihm ja heute ohnehin beichten wollen.

Kay erwiderte das Lächeln kurz und fuhr fort: „Ich hab dir von Anfang an gesagt, dass ich NICHT schwul bin … und … und das bin ich auch nicht.”

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