Der nächste Tag begann viel zu früh. Ich wollte noch gar nicht aufstehen. Im Bett war es viel gemütlicher, doch ein nervendes Etwas ließ mich nicht weiter schlafen. Mühsam öffnete ich ein Auge und erkannte Sascha. „Jetzt steh schon auf, Killi, es gibt gleich Frühstück und du willst doch nicht ohne das in den Unterricht, oder? Immerhin ist doch heute der Projekttag. Na los raus aus den Federn.“ Nur die Hälfte wirklich registrierend, setzte ich mich aber bei dem Wort Projekttag ruck zuck auf. Den hatte ich beinahe vergessen. Mir graute es richtig, wenn ich mir Gedanken über die möglichen Themen machte. „Na endlich. Ich dachte schon du wolltest gar nicht mehr aufstehen“, seufzte Sascha theatralisch auf.
Lachend befreite ich mich von meiner, mich umschlingenden, Decke und suchte meine Sachen zusammen. Gemeinsam gingen wir uns fertig machen. Auf dem Weg nach unten trafen wir auf Max und Jerome und geschlossen gingen wir in den Speisesaal, um noch etwas von dem Frühstück abzubekommen. „Wisst ihr schon welchen Lehrer wir für das Projekt kriegen?“, fragte Max in die Runde. Gemeinsames Schulterzucken zeigte ihm, das wir keine Ahnung hatten. „Da müssen wir wohl warten, bis es anfängt, um es zu erfahren“, meinte Jerome nur.
Nach dem Frühstück begaben wir uns zu den Anderen in unser Klassenzimmer. Ich war wirklich gespannt, wen wir bekommen würden. Darauf hoffend, dass es Herr Yamamoto sein würde, schaute ich ununterbrochen zur Tür. Doch nicht Herr Yamamoto kam herein, sondern Herr Mathies, der Mathelehrer.
„Oh nee, bitte nicht mit dem. Einen ganzen Tag das überleb ich nicht“, flüsterte Max mir leise zu.
„Wieso? Der ist doch ganz nett“, meinte ich.
„Du kennst ihn ja auch noch nicht so lange wie wir. Er mag zwar nett sein, aber er ist auch verdammt streng“, bekam ich von Max erklärt.
„Was gibt es denn da hinten zu tuscheln?“, erklang auf einmal Herrn Mathies‘ Stimme.
„Nichts, nichts“, antwortete Max schnell.
„Gut, das hoffe ich für euch und nun hört zu.“
„Ja, Herr Mathies.“
„Wie ihr wisst, ist dieser Projekttag dafür da, dass ihr euch mit diversen Randgruppen beschäftigt und lernt etwas toleranter zu sein“, fing er an zu erklären und schaute dabei jedem fest in die Augen. „Wir werden uns mit dem Thema der Homosexualität beschäftigen…“
Leise aufseufzend ließ ich meinen Kopf auf dem Tisch knallen. Ich hatte es doch geahnt. Über dieses Thema wollte ich nicht den ganzen Tag reden müssen. Schon jetzt wanderten die ersten Blicke zu mir und sehr freundlich sahen die nicht gerade aus. Als ob ich schuld wäre, dass sie sich nun damit beschäftigen mussten. Viel eher lag es doch an ihrer Denkweise dazu, hatte ich doch mit einigen von ihnen schon Bekanntschaft geschlossen. Die gezischten ‚Schwuchtel‘ von einigen musste dann ja wohl doch jemandem aufgefallen sein, sonst hätten wir bestimmt nicht dieses Thema bekommen. Oder es lag ganz einfach an der Sache mit Steve.
„Zu Beginn möchte ich erst einmal von euch erfahren, wer sich denn schon einmal mit diesem Thema auseinander gesetzt hat.“
Nun doch etwas neugierig geworden, hob ich den Kopf. „Na los nicht so schüchtern. Oder soll ich euch etwa glauben, dass sich noch keiner damit beschäftigt hat? Noch nie darüber nachgedacht hat?“ Als immer noch keiner die Hand hob, tat ich es dann doch. Eigentlich wollte ich mich erst einmal etwas heraus halten, aber wie es schien, wollte die Klasse mir diese Auszeit nicht gönnen. „War ja klar, dass die Schwuchtel sich damit auskennt“, kam auch schon direkt der erste Kommentar.
Doch Herr Mathies ließ so etwas gar nicht erst zu und forderte sofort wieder Ruhe.
„Sowas will ich hier nicht hören. Hör ich auch nur noch eine Beleidigung heute, dann kann derjenige morgen direkt zum Nachsitzen antanzen, hab ich mich klar genug ausgedrückt?“ Fragend sah er in die Runde. Das obligatorische „Ja Herr Mathies“ folgte. „Also ich fasse mal meinen ersten Eindruck von euch zusammen; es hat sich nur einer bisher mit dem Thema auseinander gesetzt und doch meinen die Anderen ihn beschimpfen zu dürfen obwohl sie keine wirkliche Ahnung haben – Was sagt uns das?“ Wieder sah er sich um. Neben mir schoss
eine Hand nach oben. „Ja Max?“
„Das sagt uns, dass man sich zu sehr von Vorurteilen lenken lässt, anstatt sich eigene Gedanken darüber zu machen.“
„Richtig, und wir werden heute versuchen gegen diese Vorurteile anzukämpfen.“
„Und wenn wir das gar nicht wollen“, fing Einer an zu meckern, doch es genügte ein einziger Blick von Herrn Mathies und er schwieg wieder.
„Fangen wir mal ganz am Anfang an. Was bedeutet Homosexualität?“ Kaum hatte Herr Mathies die Frage gestellt rief jeder etwas in die Klasse, doch bei den meisten kamen nur Beleidigungen heraus, die Herr Mathies unterband. Er seufzte leise.
‚Ja, er schien wohl endlich zu merken, dass sein Vorhaben nicht so einfach umzusetzen war.‘
„Was habe ich eben gesagt? Keine Beleidigungen. Also bleibt so gut es geht sachlich.“ Und wieder begann das Hineinrufen, doch schienen sie sich jetzt an die Anweisungen zu halten. „Beziehung zwischen gleichgeschlechtlichen Menschen“, sagte einer, ich konnte nicht genau erkennen wer. Bevor jedoch der Nächste etwas sagen konnte, machte Herr Mathies ein Zeichen für Stopp. „Gut, da hätten wir einen Punkt, lasst uns erst darüber reden, bevor wir den nächsten hören. Ja Jerome?“
„Ich finde der Punkt passt nicht so ganz…“, fing er an, wurde jedoch gleich von demjenigen der den Punkt genannt hatte, angeschnauzt, warum das nicht stimmen würde. Doch Jerome ließ sich davon nicht beirren und redete einfach weiter. „…weil der Begriff Beziehung ein viel zu weitgefächertes Gebiet abdeckt. Darunter fällt ja auch die Freundschaft oder auch Bekanntschaft. Daher würde ich eher sagen Liebe oder Partnerschaft anstatt Beziehung“, beendete Jerome seine Erklärung.
„Danke Jerome, das war ein sehr guter Einwand. Patrick, bist du damit einverstanden wenn wir das so ändern?“, ging Herr Mathies auch gleich auf diesen ein, hatte er doch den Punkt beigesteuert.
„Meinetwegen“, war jedoch alles was er dazu sagte. Herr Mathies klappte die Tafel auf und schrieb den ersten Punkt an. Wir besprachen noch lange diverse Punkte und ich war mehr als erleichtert als es endlich zur Mittagspause klingelte. Ich hatte die erste Hälfte des Tages überstanden.
Wir verließen das Klassenzimmer und gingen zum Speisesaal. Vor der Essensausgabe war schon die obligatorische Schlange, es wäre ja auch zu schön um wahr zu sein, wenn wir einmal nicht hätten warten müssen. Geduldig stellten wir uns an. Ich war kurz davor mir endlich ein Tablett nehmen zu können, als vor mir ein Gedrängel entstand. Scheinbar wollte sich jemand vordrängeln, doch genau konnte ich es nicht erkennen. „Uff“, ich fühlte einen Stoß in den Magen. ‚Man tat das weh.‘ Mühsam richtete ich mich aus meiner leicht gekrümmten Haltung wieder auf. „Killi, alles in Ordnung?“, fragte mich Sascha. „Ja, ja geht schon.“ Das Gedrängel vor mir hatte sich gelichtet und ich konnte mir etwas zu Essen holen.
Als wir alle etwas hatten, setzten wir uns an unseren Stammtisch. Dort stocherte ich nur in meinem Essen rum. Wirklichen Hunger hatte ich nicht mehr. „Killian, ist wirklich alles in Ordnung?“, fragte mich da Sascha schon wieder. „Ja mir ist nur ein wenig schlecht. Geht schon.“ Ich schob mein Essen von mir weg und wartete darauf, dass die Anderen fertig wurden. Geschlossen machten wir uns dann auf den Weg zum Klassenzimmer zurück. Wir mussten immerhin noch den halben Tag herumkriegen. Gerade als wir auf den Gang zum Klassenzimmer einbogen, kam der erste Spruch. „Hey Schwuchtel, na haste deine Freunde auch schön rangelassen?“
„Wie war’s denn so mit Steve?“
„Du bist doch schuld das er weg ist. Das wirst du noch büßen.“
„Dreckige Schwuchtel, Arschficker“ erscholl es im Chor.
„Du hast hier nichts zu suchen. Geh wieder dahin wo du herkommst.“
Ich versuchte diese Sprüche und den Chor auszublenden, aber es ging nicht. Immer lauter schrien mir die, zu meist unbekannten, Jungs ihre Beleidigungen entgegen. Doch irgendwann reichte es mir. Ich ging auf die Gruppe zu, die sich da gebildet hatte. Und baute mich so groß es ging vor ihnen auf. „WAS SOLL DER SCHEIß EIGENTLICH? KÖNNT IHR MICH NICHT EINFACH IN RUHE LASSEN? WAS VERDAMMT NOCH MAL HAB ICH EUCH DENN GETAN?“, schrie ich sie an und gestikulierte dabei weit ausholend mit meinen Armen, als mich plötzlich ein stechender Schmerz im Bauch zusammen zucken ließ. Auf einmal wurde mir richtig schummrig im Kopf. Bevor ich auch nur irgendwas sagen konnte, klappte ich zusammen.
Aus der Sicht von Patrick
Ich saß schon mit Ben und Alex im Klassenzimmer als es draußen plötzlich sehr laut wurde. Neugierig wie wir nun mal waren, gingen wir auf den Gang und dann sahen wir was los war. Die Jungs der anderen Klasse beschimpften Killian. Gut ich mochte ihn auch nicht besonders, was aber wohl eher daran lag, dass ich ihn noch nicht so richtig kannte. Aber so viele, die auf Einen einschreien, sind nicht toll. Auf einmal ging Killian auf die Gruppe zu, die ihn so beleidigte und machte sich ganz groß. Was irgendwie lustig aussah. Doch dann war ich überrascht. Er schrie die Anderen an. Hammer, dass er sich das traute. Ich hätte nie gedacht, dass er das je machen würde, ich meine es schien eher so als würde er die Beleidigungen einfach so hinnehmen. Selbst als wir vorhin schon über einiges geredet hatten, war er eher still. Hä, was ist denn jetzt los, warum guckt Killian denn so komisch. Und bevor irgendeiner reagieren konnte, kippte er mit den Händen an seinem Bauch einfach um.
Sofort liefen Sascha und die Anderen zu ihm, während von der anderen Seite, wohl durch den Lärm herbeigelockt, Herr Mathies und Herr Yamamoto angerannt kamen. „Was ist passiert?“, rief uns da auch schon Herr Yamamoto zu. Er schien wirklich ernsthaft besorgt zu sein. Und da fiel mir ein, dass es Gerüchte gab, dass er vor ein paar Tagen mit einem Blutüberströmten Killian zum Krankenwagen gegangen war. Ich wandte meinen Blick wieder Sascha und Killian zu und sah gerade noch wie Sascha und die Anderen Killians Hände wegschoben um ihm den Pullover hochzuschieben. Dann sah ich nur noch Rot. Und das wortwörtlich – Killians ganzer Bauch war rot, rot vor Blut. Genauso wie ich waren auch alle Anderen auf einmal still. Geschockt sah jeder das Blut an.
Bis Sascha schrie. „Seine Wunden sind aufgeplatzt!“ Da wurde es uns allen bewusst. Diese Wunden hatte Steve ihm zugefügt, nur weil er schwul war. Langsam verstand ich warum wir diesen Projekttag hatten. Herr Yamamoto drängelte sich zwischen uns hindurch und ließ sich neben Killian auf die Knie fallen. „Wir müssen ihn auf die Krankenstation bringen. Jerome, lauf zur dort hin und sag bescheid, dass wir jetzt kommen, Sascha, Max ihr helft mir“, wies er die Anderen an und nahm Killian auf die Arme. Schnell rannten sie alle weg und die anderen Jungs, die hier noch geschockt auf dem Gang standen, machten ihnen den Weg frei.
Nun kam auch Herr Mathies hervor und scheuchte uns alle in die jeweiligen Klassenräume. „Es gibt nichts mehr zu sehen, los geht in eure Klassen. Ach und noch etwas“, fing Herr Mathies an als sich die ersten auf den Weg machen wollten, „denkt mal über das nach was hier eben passiert ist.“
Schweigend machten sich nun alle auf in die Klassenräume zukommen. Auch ich ging zurück und setzte mich wieder hin. Meine Gedanken waren immer noch bei dem Blutüberströmten Killian. Ich hätte nie gedacht, dass ich so etwas mal sehen würde. Herr Mathies kam in die Klasse und schloss die Tür. Langsam ging er zum Pult und ließ sich dort auf den Stuhl fallen. Wie es schien, hatte ihn das Geschehen gerade auch sehr mitgenommen. Und nicht nur ihn, wie ich mit einem Blick durch den Raum erkennen konnte. Alle waren sehr still. Niemand traute sich ein Wort zu sagen.
Dann ging ein Ruck durch Herr Mathies und er stand auf. „Sagt mir was euch durch den Kopf geht.“ War alles was er sagte.
Wir schauten uns alle gegenseitig an. Niemand wollte den ersten Schritt machen. Doch dann ganz zögerlich hob Alex die Hand. „Ja, Alex?“
„Ich weiß nicht wie ich damit umgehen soll. Wie ich das verstehen soll, was da gerade draußen passiert ist. Ich meine, ich versteh nicht wieso Killian zusammen gebrochen ist und
vor allem warum er auf einmal so geblutet hat. Ihn hat doch niemand angefasst“, versuchte
Alex seine Gedanken zu ordnen.
Herr Mathies sagte nichts dazu. Er blieb still. Wahrscheinlich wollte er, dass wir selbst darauf reagierten. Ich hob die Hand. Nun wollte ich auch loswerden was ich dachte. „Ja Patrick?“
„Ich denke, na ja ich hab eher eine Vermutung, warum Killian zusammen gebrochen ist“, wartend sah mich Herr Mathies an. „ich denke, dass Killian, derjenige ist, von dem unser Direx letzte Woche geredet hat. Also der, der zusammengeschlagen wurde. Und vielleicht, so könnte ich es mir vorstellen, ist ihm heute eine Wunde aufgeplatzt oder so. Ich meine, wenn er es wirklich war, der zusammengeschlagen wurde, dann verheilt so etwas ja nicht so schnell. Kann ich mir vorstellen.“
Alle starrten wir gebannt zu Herrn Mathies. Würde er mir zustimmen? Und ja er tat es – zwar nur mit einem kleinen Nicken aber jeder von uns hatte es gesehen. Killian war das Opfer der Rede. Obwohl doch schon so einige, wie ich auch, Vermutungen hatten, wen Steve und seine Gang zusammengeschlagen hatte, war es doch etwas anderes es nun auch noch bestätigt zu bekommen. Und auf einmal bekam diese ganze Veranstaltung hier einen erschreckenden Sinn. Ich hatte mich schon so über die Themen gewundert, da mir Ben, einer aus der Parallelklasse, gesagt hatte, sie hätten das Thema Hautfarbe. Es schien wohl wirklich so, als ob der Direx Themen aufgegriffen hatte, die Grund zur Intoleranz liefern könnten.
„Ihr habt nun gesehen wozu Vorurteile und intolerantes Verhalten führen können. Und ich hoffe, dass ihr euch Gedanken darüber macht. Wirklich einmal nachdenkt, und es nicht einfach nur hinnehmt. Eigentlich hatte ich jetzt mit euch vor ein Rollenspiel zu machen. In dem wir eine ähnliche Situation wie sie nun leider passiert ist dargestellt hätten. Doch ich habe mich um entschieden. Wir lassen das Rollenspiel sein und kommen gleich zum nächsten Schritt“, fing Herr Mathies an uns das weitere Vorgehen zu erklären.
Er beschloss, dass wir erst weiter über das Geschehen redeten. Wir unterhielten uns sehr lange darüber. Nicht nur über das von eben sondern auch über die Situation mit Steve. Ich weiß nicht wie lange wir darüber diskutierten, doch plötzlich standen Sascha, Jerome und Max in der Tür.
„Kommt rein, wie geht es Killian?“, fragte Herr Mathies sie gleich.
„Es geht. Eine seiner Wunden ist aufgeplatzt. Aber laut der Krankenschwester ist er morgen wieder fit“, antwortete Jerome.
„Das ist gut. Na dann setzt euch hin.“
Während die Drei zu ihren Plätzen gingen, erklärte Herr Mathies ihnen was wir bis dahin gemacht hatten und danach fing er an, das neue Thema zu erklären. „Ihr habt gesehen was passieren kann und in den meisten Fällen sind Vorurteile der Grund für dieses Handeln. Anstatt erst einmal selbst seinen Grips anzuschalten, hören viele nur auf Vorurteile. Das diese nicht immer stimmen, meist immer als Rechtfertigkeit benutzt werden, um zu erklären warum man etwas gemacht hat, ist leider so. Doch wir werden jetzt versuchen diese Vorurteile zu sammeln und sie zu entkräften.“
Er schaute fragend in die Runde und schien auf das erste Vorurteil zu warten, doch wir schwiegen…überlegten. „Na los, nur raus damit. Egal was es ist. Hier wird keiner dafür verurteilt, was er sagt. Es sagt ja niemand, dass ihr dieser Meinung seid, es geht nur um Vorurteile, die ihr kennt oder mal gehört habt“, ermutigte Herr Mathies uns.
Schwulsein ist eine Krankheit, es ist gegen die Natur“, rief dann auch schon der Erste hinein.
„Wer möchte dazu etwas sagen?“, fragte Herr Mathies. „Ja Max.“
„Ich finde, dass das nicht stimmt. Die Aussage ist totaler Schwachsinn. Wie kann es bitte
schön eine Krankheit sein, wenn man jemanden liebt?“
„Aber es ist gegen die Natur, gegen Gott, es gehören nur Mann und Frau zusammen und nicht zwei Männer“, behauptete dann einer unserer Streber, die es wohl leider in jeder Klasse geben muss. Nur leider war dieser Streber auch noch blöd, er glaubte immer gleich alles was er las anstatt selbst nachzudenken.
„Du verzapfst doch grad nur Blödsinn“, fing Sascha an. „Die Liebe ist niemals gegen Gott und ob ich nun eine Frau oder einen Mann liebe, ist doch egal. Das wichtigste ist doch das man überhaupt fähig ist zu lieben. Es kann außerdem gar nicht gegen Gott sein, sonst hätte er es ja nicht erschaffen. Es gleich von Anfang an verhindert, dass man überhaupt an so etwas denken könnte. Hat er aber nicht, also ist es Gott wohl doch nur wichtig, dass wir überhaupt dazu fähig sind, egal welches Geschlecht unsere Liebe bekommt.“ Zwischen Sascha und unserem Streberchen ging es noch eine Weile so weiter und erst als Herr Mathies dazwischen ging, wurde es wieder ruhiger zwischen den Beiden.
„Gut, gut. Ich sehe schon, ihr habt wirklich gut verstanden worum es mir geht. Sascha, ich finde es gut wie du versucht hast deine Meinung begründet kundzutun, Paul, ich denke du solltest dir selbst noch einmal klar machen, ob du wirklich das glaubst, was du hier versucht hast zu behaupten. Es schien mir nicht so, deine Argumente waren immer die gleichen, einzig ihre Wortwahl hat sich unterschieden. Machen wir weiter, was kennt ihr noch? Worüber sollen wir noch reden?“
Wir redeten noch so über einige Vorurteile. Ich blieb die meiste Zeit eher still und dachte über das nach was so gesagt wurde. Bei so gut wie jedem Punkt brachten Sascha, Jerome und Max die Gegenargumente. Es schien so als hätten sie sich ausgiebig mit dem Thema auseinander gesetzt. Vielleicht lag es daran, dass Killian ihr Freund war und sie ihn verstehen wollten. Ich wusste es nicht und hörte einfach nur weiter zu.
„So, noch ein Vorurteil, dann hören wir mit der Diskussion auf“, meinte da Herr Mathies.
Ich schaute auf die Uhr und merkte, dass wir schon gute 3 Stunden diskutierten. Wie schnell doch die Zeit verging. „Also wer hat noch eins?“ Wir schwiegen. Jeder überlegte, doch es schien keinem etwas einzufallen, was wir noch nicht hatten, bis sich in der ersten Reihe eine Hand zögerlich hob. Dave war eher ein stiller und schüchterner Zeitgenosse. Viel geredet hatte ich mit ihm noch nicht, dabei waren wir schon seit Jahren in einer Klasse. Aber er ist immer so ruhig, selbst wenn man ihn etwas fragt, kommt die Antwort immer sehr leise, als könne er nicht glauben, dass jemand mit ihm redet. „Ja Dave?“
„Ich hab gehört, Schwule sollen bindungsunfähig sein und eher auf One-Night-Stands aus ein“, kam es sehr leise von ihm.
Er guckte aus großen erschrockenen Augen in die Runde, als sein leiser Einwand eine neue Diskussionsflut auslöste. Dieser Punkt spaltete die Klasse fast, die eine Hälfte war genau dieser Meinung doch die andere nicht. Hin und her wurde debattiert. Es war irgendwie lustig. Wie bei einem Tennismatch. Immer hin und her. Herr Mathies schaute sich das alles einfach nur an. Er sagte nichts dazu und verfolgte nur die Diskussion. Doch so langsam schien die Diskussion sich festgeredet zu haben. „Meine Herren, ich bitte jetzt um ein Schlusswort“, sagte da Herr Mathies. Doch die Pro-Seite schwieg sich aus. Herr Mathies ließ seinen Blick zur Contra-Seite schweifen und schaute sie fragend an. Hatte ich schon erwähnt, dass ich, mit meinen Freunden, genau in der Mitte saß? Wir hielten uns zum größten Teil einfach heraus. Was eher daran lag, dass uns Herr Mathies zu Schreibern degradiert hatte, was gar nicht so einfach war, wenn alle durcheinander redeten. Darum war ich sehr froh, als es wohl jetzt zu Ende ging. Gespannt warteten wir auf das Schlusswort. Max meldete sich da zu Wort.
„Gut Max, dann lass man hören.“
„Ich finde, man kann es nicht so verallgemeinern. Sicher gibt es auch Schwule, die nur auf das Eine aus sind, doch es gibt auch immer welche, die eine Beziehung, etwas Ernstes, Festes suchen. Weiterhin ist es ziemlich einseitig es nur auf Schwule zu beziehen, denn die Heten sind doch nicht anders. Sie suchen auch nicht immer nach etwas Ernstem sondern einfach nur nach Spaß. So finde ich, dass man dieses Vorurteil so wie viele des heutigen Tages genau so auf die Heten beziehen kann. Es gibt wohl immer welche, die diesem Vorurteil gerecht werden, doch auch immer welche, die ganz anders sind. Man sollte daher nie etwas verallgemeinern, weil man sich nie sicher sein kann ob es auch wirklich auf alle zutrifft“, tat Max sein Schlusswort für die heutige Diskussionsrunde kund.
„Das war ein sehr gutes Ende, Max, danke.“
Wir setzten uns alle wieder ordentlich hin und warteten auf das, was nun kommen würde. „Ihr habt wirklich sehr gut mitgearbeitet heute. Darum hören wir auch jetzt auf…“ bevor Herr Mathies zu Ende reden konnte, packten wir unsere Sachen ein. „RUHE!“, schrie er jedoch gleich. „Ich bin noch nicht fertig.“ Seufzend ließen wir uns wieder auf die Stühle fallen. „Wie ihr wisst, sollen kommenden Sonntag die Ergebnisse vorgetragen werden. Wie ihr das macht, überlasse ich euch, doch ich hoffe, dass es in einem ordentlichen Rahmen stattfindet. Ihr könnt euch jetzt schon dransetzen oder es im Laufe der Woche machen. Doch am Sonntag möchte ich, dass alles glatt läuft, also gebt euch genau so viel Mühe wie ihr es hier getan habt. So jetzt könnt ihr gehen.“
Schnell verließen wir das Klassenzimmer bevor er es sich noch einmal anders überlegen konnte. Ich ging hinter Sascha, Jerome und Max aus dem Zimmer und bekam noch mit wie sie planten wieder zurück zu Killian zu gehen. Da schoben sich bei mir wieder die Bilder an die Oberfläche. Ich würde sicher lange damit zu kämpfen haben, man sieht so etwas ja nicht jeden Tag. Doch jetzt versuchte ich mich erst einmal zu entspannen. Ich war fertig. Auch wenn kein Unterricht gewesen war, so war der Tag trotzdem sehr anstrengend. Zusammen mit meinen Freunden ging ich nach draußen. Die Sonne schien und lockte geradezu, dass man die freie Zeit im Freien verbrachte.
Killians Sicht
‚Ahh…was ist nur los? Oh man mir tut alles so weh…was ist nur passiert?‘ Verwirrende Gedanken durchflossen meinen Kopf doch greifbar waren sie nicht. Vorsichtig versuchte ich meine Augen zu öffnen. Ich wollte wissen wo ich war und was passiert war. Das Letzte was ich wusste, war das ich im Gang stand und jemanden anschrie…’Warum bin ich nicht mehr dort?‘
Mühsam schaffte ich es meine Augen zu öffnen, doch ich schloss sie gleich wieder. Das helle Licht war nicht sehr angenehm. Vorsichtig öffnete ich die Augen diesmal langsamer und es ging. Ich schaute mich um, doch den Raum kannte ich nicht. ‚Wo bin ich hier nur?‘
„Killian, bist du wach?“ Die Stimme kannte ich. Wo kam sie her. Ich erschrak als ich links neben mir etwas nicht richtig erkannte. Doch dann fokussierte sich mein Blick und ich erkannte Herrn Yamamoto. „Herr Yamamoto?“ kam es eher fragend von mir.
„Genau. Du hast uns ja einen gehörigen Schrecken eingejagt“, meinte er.
„Was? Wieso? Was ist passiert? Wie komm ich hierher? Und wo bin ich überhaupt?“ „Langsam, langsam. Eins nach dem Anderen. Du bist hier auf der Krankenstation, wir haben dich her gebracht, nachdem du zusammengebrochen bist. Du hast viel Blut verloren. Eine deiner Wunden am Bauch ist aufgegangen“, erklärte er mir. Verwirrt schaute ich an mir herunter und sah den weißen Verband um meinen Bauch.
„Morgen solltest du wieder fit sein. Doch heute musst du hier bleiben und dich ausruhen“, meinte eine dickliche Frau, die gerade das Zimmer betrat und meinen Blick wohl gesehen hatte.
„Hallo ich bin Mrs. Blun die Krankenschwester. Wie fühlst du dich?“
„Ähm, ein wenig müde aber sonst gut.“
„Hast du irgendwo Schmerzen?“
Ich horchte ihn mich hinein doch ich fand keine Schmerzen. Leicht schüttelte ich den Kopf. „Das ist gut, dann schlaf noch etwas, und morgen wird es dir besser gehen“, wies sie mich an und gehorsam schloss ich die Augen. Ich bekam noch am Rande mit, dass Herr Yamamoto das Zimmer verließ.
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Mich hätte wirklich interessiert ob und wie diese Story weiter geht.