15. Türchen – Samtpfote und Engelshaar

„Kai…“, flüsterte ich und senkte den Kopf.

Es war doch bloß die Wahrheit. Was hatte ich jetzt wieder angerichtet.

„Mach dir keine Sorgen, das wird schon wieder, ich kümmere mich darum“, hörte ich Jonas Stimme an der Tür.

Erschrocken sah ich auf und blickte in Jonas Augen, die wieder so komisch funkelten. Und weg war er wieder. Was war er? Hellseher, Alleswisser oder  Alleskönner? Jonas wurde immer unheimlicher und mysteriöser.

Ich beugte mich vor, gab der Tür einen Schubs, damit sie ins Schloss viel. Nein ich konnte jetzt nicht einfach in meinem Zimmer sitzen bleiben. Ich schlüpfte in meine Turnschuhe und verließ mein Zimmer.

Auf dem Weg nach unten hörte ich Klaviermusik und folge ihr. Durch einen Spalt am Musikzimmer konnte ich Christian an einem Flügel sehen.

This is not really me
You’re an angel not asking who I am
You understand
That is not really you
You look at me as if I’m something more
Well dream on

Welcome to my life
You see it is not easy
But I’m doing all right
Welcome to my dream
It’s the only one who needs me
And stays right by my side

Welcome to my wonderland
It’ll take time to find out where we stand
In all this mess
There was the first day for me too
And I had no guide and I was lost like you
I still am

But it makes me feel alive

Welcome to my life…

Once upon a time there was a guy
Who thought life is a joyride of ladies and red wine
He was so sure he’d get the prices and the glory with his rhymes
He’d never need no one to be there beside him
Now they’re all surrounding me and I feel lonely
So lonely

Welcome to my life
You see it is not easy
But I’m doing all right
Welcome to my dream
It’s the only one who needs me
And stays right by my side

© Sunrise Avenue – Welcome to my life

 

Wow, ich war einfach hin und weg. Der letzte Ton war ausgeklungen und Christian schaute auf.

„Öhm, wie lange stehst du schon da?“

„Habe das ganze Lied gehört und es war einfach… megaschön“, meinte ich lächelnd.

„… danke.“

„Ist das für die Weihnachtsfeier?“, fragte ich.

„Ja, aber ich muss noch etwas üben.“

„Wie üben, das hörte sich so perfekt an und deine Stimme dazu, alles hat gepasst.“

Christian wurde rot.

„Spielst du es noch einmal?“

Er nickte und begann wieder mit dem Klavierspiel. Er schloss die Augen und begann zu singen. Meine Blicke ruhten auf seinem Gesicht und ich beobachtete seine Mimik, lauschte den Tönen.

Er hatte so eine schöne glasklare Stimme, die mich in ihren Bann zwang. Seine leicht lockigen Haare bewegten sich im Takt mit, Christian ging völlig auf in diesem Lied.

„… and stays right by my side…”

Wieder verklang der letzte Ton und es war wieder still. Meine Augen waren leicht feucht und ich musste blinzeln.

„Das Lied ist so schön…“, meinte ich verträumt.

„Noch mal danke!“

Ich starrte Christian immer noch in die Augen, obwohl das Lied zu Ende war.

*-*-*

„Ich glaube du musst besser auf dein Herrchen aufpassen“, meinte Jonas zu Cleo.

Oh, verstand Cleo auch was Jonas sagte.

„Natürlich versteht sie mich“, meinte er und streichelte ihr über den Kopf.

~Jeder hier versteht Jonas und er ist auch immer für uns da~, meinte Cleo zu mir.

„So jetzt muss ich aber weiter, habe heute Abend noch einiges zu machen.“

Er streichelte uns beiden noch mal über den Rücken und verschwand dann so leise wie er gekommen war.

 

~Toller Zweibeiner…, wenn nur alle so wären~, meinte ich.

 

~Da gebe ich dir Recht.~

 

*-*-*

 

Mittlerweile lag ich wieder auf meinem Bett und summte die Melodie, die ich nicht mehr aus dem Kopf bekam. Kais verweintes Gesicht ging mir ebenfalls nicht mehr aus dem Kopf. Immer noch stand die Frage im Raum, ob es falsch war, ihm die Wahrheit zu sagen.

Jetzt waren es schon fünf Augenpaare, die ich nicht mehr aus dem Kopf bekam. Jonas, in dessen Augen ich mich ständig verlor, sie wie Kristalle funkelten und ständig die Farben veränderten.

Gerrit, dessen starke Brille die braunen Augen größer wirken ließen, als sie in Wirklichkeit waren und dadurch noch durchdringender wirkten. Tillys fröhliche und verrückten Blicke, die mich immer aufmunterten.

Dann noch Kais tiefblaue Augen, die alle Fassetten der Gefühle ausdrücken konnten, ob sehr traurig oder strahlend schön. Und zu guter letzt die von Christian, genauso tiefgründig und mysteriös.

Ich seufzte laut, während ich das Geräusch der Klappe in meiner Tür wahrnahm. Mika war von seinen Streifzügen zurück gekommen. Ein Blick auf den Boden bestätigte mein Gehör. Er stand da, sah mich mit seinem kleinen Köpfchen schief an, als wolle er fragen, was denn los sei.

Ich lächelte ihn an und er sprang zu mir aufs Bett. Langsam tapste er neben mich, ließ sich nieder und kuschelte sich an mich.

*-*-*

Am nächsten Tag in der Küche…

„Nein, dass ist zu aufwendig, da stehen wir ja ein paar Tage vorher schon in der Küche und haben zuviel Vorbereitungen“, meinte ich und ließ das Kochbuch sinken.

„Boah, wie macht das jedes Jahr Frau Kirschen. Die zaubert leckere Menus und braucht auch nur einen Tag dafür“, merkte Christian an.

Ich zuckte mit der Schulter.

„Also ich wäre für die Karottensuppe, als ersten Gang“, meinte Fine und schaute sich zu den anderen um.

Alle nickten.

„Als Nachtisch Mouse a chocolat?“

Wieder nickten alle.

„Und der Hauptgang?“

Keine Antwort kam, nur gemeinschaftliches Schulterzucken.

„Okay, wir haben ja noch etwas Zeit“, meinte ich, „vielleicht findet sich noch etwas. Aber jetzt sollten wir mit dem Mittagessen anfangen, sonst gibt es heut nichts zu essen.“

Den Vorschlag fanden alle gut und so fingen wir an den Nudelauflauf vorzubereiten.

*-*-*

Machst du die Lichter aus, Jens?“, fragte mich Fine.

„Ja!“

„Komisch, heute war Kai gar nicht da, weder beim Kochen noch beim Mittagessen. Nicht, dass ich ihn sonderlich vermisse, es ist mir nur aufgefallen.“

Ich schaute Fine durchdringend an.

„He, ich habe wirklich kein Interesse an ihm, okay?“

„Ich habe doch gar nichts gesagt.“

„Aber so geschaut!“

Ich konnte nicht anders und musste grinsen.

„Was hast du heute Mittag noch vor?“, fragte Gerrit.

„Nicht besonderes, ich habe mir auf alle Fälle noch keine Gedanken gemacht“, antwortete ich.

„Lust schwimmen zu gehen?“

„Hier?“

„Nein. Wir könnten Jonas fragen, ob er uns in dieses andere Kaff bringt, dahin fährt zwar kein Bus, aber die haben ein tolles Schwimmbad.“

„Ich passe“, meinte Fine, „ich kann nicht mit.“

„Dich habe ich auch nicht gefragt“, grinste Gerrit frech.

Dies handelte ihm eine herausgestreckte Zunge ein.

„Du mich auch!“, meinte Gerrit.

„Sollen wir noch jemanden fragen?“, fragte ich.

„Hm, ich weiß nicht… Tilly oder Christian vielleicht, die waren da auch schon öfter.“

„Fragst du?“

„Kann ich machen. Ich gebe dir dann Bescheid.“

„Okay, bis dann.“

Zurück im Zimmer ließ ich den riesen Stapel mit Rezepten auf den Schreibtisch fallen. Sollte mir vielleicht ein Ordner anschaffen. Schwimmen geht, war wirklich eine gute Idee. Da bekam ich auch den Kopf frei.

Also suchte ich in meinem Schrank nach der Badeshort und wurde im unteren Regal fündig. Ich lief ins Bad schnappte mir Handtuch und mein Duschzeug. So fehlte noch etwas? Frische Wäsche für danach.

Als ich wenig später alles in meinem Rucksack verstaut hatte, klopfte es auch schon Es waren Tilly und Gerrit, Christian hatte wohl keine Zeit.

„Hast du alles?“, fragte Gerrit.

„Ja!“

„Gut, dann können wir ja los, Jonas wartet sicher schon bei den Garagen.

„Hi Tilly“, meinte ich.

„Hi du Kochgenie!“

Ich piekste ihn in die Seite und er jaulte laut auf.

„Die Rache ist mein“, sagte er nur und grinste mich schief an.

So liefen wir die Treppe hinunter und die beiden zeigten mir, wo es zu den Garagen ging. Jonas wartet tatsächlich schon und schon wenig später waren wir mit dem Auto unterwegs. Mir fiel auf, dass ich seid meiner Ankunft hier, das Gelände noch nicht groß verlassen hatte und nichts kannte.

Umso mehr schaute ich mir jetzt die Gegend an und stellte fest, dass außer diesem kleinen Dörfchen in der Nähe wirklich nur vereinzelt Häuser da standen und sonst nichts außer Natur vorhanden war.

„Ist es euch Recht, wenn ich euch so kurz nach sechs wieder abhole?“, fragte Jonas plötzlich.

„Klar, das geht in Ordnung“, meinte Gerrit.

Der Wagen quälte sich eine Nebenstraße hinauf, durchfuhr ein kleines Waldstück, bis vor uns eine kleinere Ansammlung von Häusern auftauchte. Ich lass etwas von einem Feriendorf und einem Schwimmpark.

Hier in dieser Gott verlassenen Gegend. Etwas später wurde ich des Besseren belehrt, als wir an einem Verkehrsschild vorbei fuhren. Da war es nicht weit bis zur nächsten Stadt und noch kürzer bis zur Autobahn.

Vor uns tat sich ein großer Parkplatz auf, der halb gefüllt war.

„Ist gar nicht so voll für Samstags, wie ich dachte“, meinte Tilly neben mir.

Jonas ließ uns vor dem Eingang raus, verabschiedete sich und wünschte uns viel Spaß. Ich dagegen folgte den beiden ins Bad bis an die Kasse. Zu meiner Verwunderung war der Eintritt frei.

Doch Tilly erklärte mir, dass wir vom Internat hier aus, freies Schwimmen hätten. Denn als ich die Preise an einer Tafel sah, dachte ich an meinen Geldbeutel, der recht leer geworden wäre.

„Wir müssen nach links, da sind die Umkleidekabinen“, kam es von Gerrit.

So folgte ich den Beiden einfach, sie kannten sich ja aus. Ich suchte mir einen Spinnt aus und begann mich vor ihm auszuziehen. Gerrit verschwand sofort in einer Umkleide und Tilly folgte ihm wenig später.

So nahm ich meine Shorts aus dem Rucksack und betrat ebenfalls eine Kabine um auf die Shorts zu wechseln. Als ich fertig war, lief ich wieder zum Spinnt, vorbei an Tillys Kabine, die halb geöffnet stand.

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