Luka
Alex und ich fuhren zu Guido. Das bevorstehende Treffen machte mir etwas Angst.
„Ruhig Blut, Guido ist cool, der fängt sich schon wieder.“
„Ich hoffe es. Aber genau davor hatte ich immer Angst. Hendrik wollte ich aber nicht auch noch verlieren, dem ging das Versteckspiel ziemlich auf die Nerven.“
„Den letzten Freund hast du deswegen verloren?“
„Nicht direkt. Domi war insgesamt etwas komplizierter.“
„Ihr wart zusammen? Ich wusste ja, dass ihr euch kennt, aber das war mir neu.“
„Es war relativ kurz und … heftig.“
„Stress?“ Alex sah fragend herüber.
„Ähm, nein.“ Das Gespräch war mir peinlich. „Domi ist … war ziemlich… fixiert auf Sex. Ständig, immer und überall. Und leider fällt es mir schwer ihm zu widerstehen, sogar heute noch.“ Ich seufzte.
„Oh man, du betrügst Hendrik mit ihm? Und jetzt geht er an Peter ran?“
„Nein! Um Himmels Willen, Domi bremst mich aus. Er weiß zwar, wie er mich anmachen kann und nutzt das oft schamlos aus, um seinen Willen durchzusetzen, aber es läuft nichts. Und seit Peter ist er irgendwie verändert. Ich kann es kaum erklären, aber er scheint sich in deinen Kumpel verliebt zu haben. Der Kleine ist lange nicht so hart, wie er immer tut. Aber um auf deine Frage zurück zu kommen: ich fühl mich echt beschissen deswegen. Ich habe Hendrik zwar nicht wirklich betrogen, es mir aber schon mehr als einmal vorgestellt. Und immer nur mit Domi.“
Die eigene Offenheit überraschte mich zwar, aber Alex hatte sich in der letzten Zeit als absolut vertrauenswürdig erwiesen.
„Nicht gerade leicht, deine Situation. Liebst du Domi noch?“
„Wie meinen kleinen Bruder. Mit eben dieser einen, klitzekleinen Einschränkung.“ Ich grinste schief, Dominiks Ausruf in der Stadt war mir nur all zu gut im Gedächtnis geblieben. Alex dachte wohl ähnlich und versuchte krampfhaft ernst zu bleiben, was ihm aber kaum gelang.
Guidos Haus kam in Sichtweite und wir konnten ihn bereits von weitem erkennen. Er stand auf dem Balkon, starrte in die Ferne und rauchte eine Zigarette. Das Tuckern meines Dieselmotors weckte seine Aufmerksamkeit und er erkannte meinen Wagen. Die Zigarette flog aus der Höhe in die Hecke und er ging ins Haus zurück.
Als Alex und ich zur Tür kamen, stand diese bereits offen. Guido saß im Wohnzimmer, mit dem Rücken zu uns und starrte durch die Terrassentür in den Garten.
Seine Stimme war absolut neutral, als er uns ansprach: „Ich dachte wir wären Freunde, Luka.“
„Sind wir doch, wenn Du noch möchtest“, gab ich etwas zögerlich von mir.
„Du hättest ruhig mal ein Wort darüber verlieren können, statt mich ständig zu belügen. Oder ist an den Weibergeschichten doch was dran?“
„Nein. Ich hatte Angst vor den Reaktionen der anderen, aber heute habe ich endlich den Mut gefunden.“
„Ja natürlich, das heute war eine Steilvorlage. Aber ich bin nicht die anderen. Du hättest ruhig etwas Vertrauen haben können, so wie bei Alex. Er war nicht im Geringsten überrascht.“
Alex reagierte sofort auf meinen flehenden Blick. „Guido, ich weiß es auch erst seit kurzem und auch nicht von Luka. Sein Ex-Freund hat ihn versehentlich bei Peter und mir geoutet. Bis dahin wusste ich nichts. Naja, ich hatte eine Ahnung. Hendrik und er haben sich stellenweise echt auffällig verhalten. Denk mal daran, wie sie erschrocken auseinander geschossen sind, wenn einer von uns dazu kam. Ich bin deswegen nicht sauer, es ist ja seine Sache, ob und wem er es erzählt.“
„Da gebe ich dir auch Recht. Mich hat diese Lüge genervt. Luka, ich bin einfach nur enttäuscht. Es stört mich nicht, dass du schwul bist.“
Sein Unterton war seltsam. „Bist Du auch…“
„Nein, mit Frauen gefällt es mir deutlich besser. Ich habe aber schon ein paar Erfahrungen gemacht. Es war nicht schlecht, aber reicht mir auf Dauer nicht. Ich steh auf Brüste.“ Er grinste leicht.
Ich hätte nicht im Traum daran gedacht, dass Guido bi sein könnte. Er schien meine Gedanken zu erraten.
„Ihr zwei seid auch die Ersten, die es wissen. Mal von den ‚Erfahrungen‘ abgesehen.“
„Cool“, kommentierte Alex trocken. „Ich gehöre scheinbar einer heterosexuellen Minderheit an.“
„Willst Du das ändern?“ Guido blitzte ihn herausfordernd an.
„Nee, vielen Dank, aber Linda reicht mir voll und ganz.“
Alex
Nach Guidos ‚Offenbahrung‘ fuhr mich Luka nach Hause und verabschiedete sich. Er wollte dringend mit seinen Eltern reden und das Gespräch verlief auch ziemlich gut. Die kommenden Tage waren insgesamt sehr ruhig und der Schulalltag hatte uns bald wieder. Das Toleranzprojekt wurde, im Allgemeinen, gut angenommen und es gab keine nennenswerten Zwischenfälle.
Simon blieb nach der Suspendierung weiterhin verschwunden. Josh und Florian zeigten sich nun auch öffentlich als Paar. Peter hatte sich soweit gefangen, dass er wieder am Unterricht teilnehmen konnte. Allerdings ging er Josh aus dem Weg, wo er nur konnte, was ja verständlich war. Eine Aussprache zwischen den beiden war, meiner Meinung nach, nur eine Frage der Zeit.
Domi besuchte uns mittlerweile fast jeden Abend und die beiden, also Peter und er, kamen sich näher. Mein Brüderchen stellte sich zeitweise etwas unbeholfen an, aber Domi kompensierte das ganz gut. Peter blühte innerhalb weniger Tage auf. Ich hatte ihn noch nie zuvor dermaßen ausgelassen und fröhlich erlebt.
Auch Manfred war ein häufiger Gast, oft aßen wir alle zusammen zu Abend. Er himmelte meine Mutter an und sie umgarnte ihn ständig. Es knisterte mehr und mehr. Ich gewöhnte mich schon an den Gedanken, dass mein zukünftiger Stiefvater Bulle war.
Der erste große Hammer kam dann eine gute Woche nach dem Knall an der Schule. Axel, unser ‚Bandmanager‘, überbrachte die frohe Kunde, dass die Stadt uns für einen Jugendevent haben wollte. Baumanns kleines Projekt blieb natürlich nicht im Verborgenen. Die lokale Presse bauschte das Ganze ziemlich auf und unser Gymnasium wurde im gesamten Landkreis schlagartig bekannt. Daraus folgte eine kreisweite Kampagne ‚Aids kennt keinen Unterschied‘. Die Idee fand ich klasse.
Zum Einen war die Aufklärung nötig und wichtig, zum Anderen konnte man den bescheuerten Vorurteilen entgegen wirken, dass Aids nur eine Schwuchtelkrankheit sei.
‚Out Now!‘ passte den Verantwortlichen gut in das Konzept, also probten wir in jeder freien Minute. Josh legte sich total ins Zeug und wurde ständig besser, unter der Aufsicht von unserem neuen Dauergast, Florian. Und die beiden wälzten sich offenbar nicht pausenlos durchs Bett, der Nachschreibetermin für die Matheklausur stand an und Josh schloss mit zwölf Punkten, immerhin fast eine Eins.
Wir genossen die zwischenfallsfreie Zeit und schweißten uns zu einer tollen Clique zusammen. Linda hatte sich die Pille verschreiben lassen und machte Andeutungen, die meine Fantasie ziemlich anheizten.
Am Abend vor unserem Auftritt saßen Manfred und Mum schon früh zusammen und unterhielten sich.
„Alex, würdest Du bitte Peter holen? Wir essen gleich. Dominik sollte eigentlich auch gleich kommen. Und danach würden wir gerne noch was mit euch Jungs besprechen. Etwas, das euch alle betrifft.“
Meine Ahnungen in Bezug auf den Stiefvater schienen sich zu bestätigen.
„Okay, ich hol ihn eben.“ Ich stand vor Peters Tür und fand es verdächtig ruhig in seinem Zimmer. Vermutlich hatte er sich etwas hingelegt und schlief. Auf mein leises Klopfen hin bekam ich keine Antwort.
„Alte Pennbacke“, grinste ich und öffnete vorsichtig die Tür. Mein Blick fiel auf Peter, der gerade überhaupt nicht müde aussah.
Dominik
„Und Du bist dir wirklich sicher?“
Die Frage war eigentlich überflüssig. Peter lag hinter mir, seine warme Brust an meinen nackten Rücken gekuschelt. Seine Hand strich aufreizend über meinen Bauch und sein steinharter Schwanz presste sich fest an meinen Hintern. Immer wieder drückte er mir gierige Küsse auf den Hals. Ich war zwar nicht weniger erregt, wollte aber sichergehen, dass er dazu bereit war.
Er machte ein Geräusch, das nach einer Mischung aus Stöhnen und Zustimmung klang. Ich rückte ein Stückchen weg, drehte mich zu ihm um und betrachtete seinen fast schon zierlichen Körper. Er hatte kaum Muskeln, war aber knabenhaft schlank. Genau wie ich es mochte.
Er bekam einen schnellen Kuss auf die Lippen, bevor ich nach meinem Rucksack fischte und ein Kondomtütchen herausfingerte, zusammen mit der kleinen Tube Gleitmittel.
Seine glänzenden Augen verfolgten jede meiner Bewegungen, vom Aufreißen der Packung, wie ich seinen Schwanz noch kurz massierte, bevor er dann den Präser drüber gerollt bekam.
„Komm her“, hauchte ich und zog ihn auf mich drauf. Sofort schlang ich meine Beine um seinen Rücken und dirigierte ihn mit der Hand an meine Pforte. Ich verteilte gleichzeitig das Gel auf ihm und er bekam es, wie erwartet, nicht mit. Seine Spitze berührte gerade meinen Ringmuskel und drängte weiter, bis uns ein „Ach du Scheiße“, aus Türrichtung, zusammenfahren ließ. Peter erschrak ganz besonders und ließ sich schützend auf mich fallen.
Dabei rammte er mir sein Teil versehentlich komplett rein und ich quiekte laut auf. Es tat zwar nicht weh, aber der Schwung überraschte mich total und er streifte meine Prostata. Plötzlich wurde mein Bauch feucht, ich war gekommen.
„Hi Alex, na wie geht’s?“, grinste ich ihn an.
Statt einer Antwort prustete er laut los. „Mum hatte Recht, sie meinte, du solltest eigentlich auch bald kommen. Ähm, ja, also dann macht euch mal langsam fertig, wir essen bald.“
Alex verschwand wieder und ich konnte mich um Peter kümmern, der zitternd mit klopfendem Herzen auf mir lag.
„Alles okay mit Dir? Sorry, so war das ja nicht gedacht. Wir hätten an den Schlüssel denken sollen.“
Er reagierte nicht.
„Peter?“ Ich machte mir plötzlich Sorgen um ihn, doch er löste sein Gesicht von meiner Brust und grinste mich an.
„Halte mich nicht für pervers, aber mir ging grad auch einer ab. Man war das geil.“
Ich konnte nicht anders und lachte nun ebenfalls. „Stille Wasser sind tief, du bist der Beweis.“
Peter zog sich aus mir zurück, sprang aus dem Bett, stolzierte selbstbewusst zum Mülleimer und zog sich das Kondom ab, welches er im Eimer verschwinden ließ. Dann warf er mir eine Packung Feuchttücher zu und grinste, kurz bevor sein Gesicht nahezu feierlich ernst wurde.
„Domi?“
„Ja?“ Ich wischte die Sauerei auf.
„Ich liebe Dich.“
Eine ungeheure Glückswelle erfasste mich. Peter liebte mich also. Ein treuer Prinz, kein weiterer Frosch.
„Ist das okay für dich?“ Er klang nervös.
„Mehr als das“, lächelte ich, „ich liebe dich nämlich auch.“
Er kam auf mich zu, beugte sich vor und gab mir einen seiner zärtlichen Küsse, nach denen ich absolut süchtig geworden war. „Dann sollten wir uns anziehen und runtergehen. Dann können wir … Domi, willst du es deinem Vater überhaupt sagen?“
„Was denkst du denn? Natürlich will ich das, er wird sich freuen. Er hatte die Hoffnung auf einen monogamen Sohn ja fast schon aufgegeben.“
Er druckste verlegen herum. „Darüber wollte ich auch noch mit dir reden. Heißt das, dass du nur mit mir…?“
„Ich hab die Schnauze voll von den Fröschen, mein Froschkönig.“
Dorothea
„Ich hoffe, dass Dein Sohn damit einverstanden ist. Er gehört ja sowieso schon zur Familie.“
„Ich denke schon, von seiner Seite her sollte es da keine … Hallo Alex.“
„Peter kommt gleich, denke ich.“ Mein Sohn grinste bei den Worten.
„Sehr schön. Mein Sohn müsste ja auch bald kommen.“
Alex fing an zu kichern. „Ist er schon, er ist oben bei Peter. Sie wissen Bescheid.“
„Ist er schon? Ich hab ihn überhaupt nicht kommen hören.“
„Sie waren ja auch leise!“ Alex hielt sich den Bauch vor Lachen und japste. „Bitte Mum, kein Wort mehr, ich kann nicht mehr.“
Langsam verstand ich seine Anspielungen und Manfred auch, der gerade amüsiert meinen Sohn betrachtete.
„Scheint, als hätte er die beiden bei etwas erwischt.“
Alexander
„Oh!“ Mehr brachte meine Mutter nicht über die Lippen.
Kurz darauf betraten Peter und Dominik das Esszimmer. Mein Bruderherz atmete tief durch und griff demonstrativ nach der Hand von seinem Freund.
„Dann können wir ja loslegen.“ Unsere zwei Senioren standen auf und kamen mit zwei dampfenden Töpfen zurück. Wir ließen es uns schmecken. Nach der Mahlzeit sprachen Mum und Peter gleichzeitig.
„Wir müssen Euch etwas sagen.“ Manfred, Domi und ich fingen an zu lachen.
Wieder sprachen beide gleichzeitig.
„Du zuerst!“
Dominik kippte vor Lachen beinahe vom Stuhl. Manfred bedachte ihn mit einem gespielt bösen Blick. Auch er kämpft mit den Lachtränen, ergriff dann aber das Wort, nachdem weder Mum noch Peter sich trauten, einen weiteren Ton zu sagen.
„Jungs, Doro und ich sind uns in der letzten Zeit ein wenig näher gekommen. Ach, streicht das wenig einfach wieder. Wir möchten es gerne miteinander versuchen und hoffen wirklich sehr, dass Ihr damit umgehen könnt.“
Dominik sprang sofort auf und rannte zu seinem Vater. Ich sah die Tränen in seinen Augen, bevor er sie flüchtig mit dem Ärmel wegwischte.
„Ich freu mich so für dich, Dad“, schluchzte er.
Die Entwicklung hatte mich nicht sehr überrascht, aber jetzt, wo es beschlossen war, stahl sich auch bei mir etwas Salzwasser in den Augenwinkel. Mum hatte so lange alleine gekämpft und ich hatte es ihr sicher nicht immer leicht gemacht. Es war schön, dass sie wieder so glücklich strahlen konnte, wie in diesem Moment. Und dann sah sie mich erwartungsvoll an.
„Alex, ist das okay für dich? Und Peter?“
Letzterer nickte leicht und war von der Atmosphäre überwältigt.
„Mum, du hättest dir keinen Besseren aussuchen können.“
Irgendwie standen wir fünf plötzlich im Raum und hielten uns in einer großen Familienumarmung.
Nach einer kleinen Weile lösten wir das Knäuel aus Armen wieder auf. Nun war Peter an der Reihe. Wie schon zuvor, griff er nach Domis Hand.
„Also, bei uns ist es ähnlich, wir möchten es auch miteinander versuchen.“ Mum lächelte ganz verzückt und Manfred musterte seinen Sohn ausgiebig.
„Papa, hier ist mein Froschkönig.“ Peter errötete bei diesen Worten.
Die zweite Runde im Umarmungskampf war eröffnet.
Mum holte den Sekt aus dem Kühlschrank und wir stießen gemeinsam an.
Grinsend betrachtete ich die beiden Jungs und konnte mir einen Kommentar nicht verkneifen.
„Ihr kommt doch morgen auch, oder?“ Ich machte eine kurze Pause und genoss die rot glühenden Gesichter. „Ich meine natürlich das Konzert.“