„Ja und… nein.“
„Wie soll ich das verstehen?“
„Nein… da es einige wissen… und ja… weil ich es nicht war haben wollte… will…“
„Warum willst du es nicht sein… ähm…“
Ich wusste nicht, was ich weiter sagen sollte, denn mir ging es ja nicht anders, besser gesagt, mir war nicht klar, was ich machen sollte.
„Das gibt doch eh nur Probleme…“
„Kann es sein, dass du zu schwarz siehst?“
Er schaute kurz zu mir rüber.
„Weiß nicht…“
„Aber?“
„Nichts aber… ich kann dem nichts abgewinnen…“
„Findest du es nicht schön einen Freund haben zu können mit dem du alles teilen kannst, der immer für sich da ist… bei dir ist…?“
Kai sagte nichts auf meine Frage und nun kam auch jemand in den Duschraum.
„Gehen wir wieder zu den anderen?“, fragte er und blieb mir dir Antwort schuldig.
*-*-*
Zum Reden kamen wir nicht mehr und später im Kleinbus, in dem uns Jonas abholte erst recht nicht. Tilly und Fine frotzelten aus Spaß miteinander herum, während die anderen sich darüber amüsierten.
Nur Kai saß leicht abwesend vorne neben Jonas und schaute zum Fenster hinaus. Es tat mir echt Leid, dass ich nicht mehr mit ihm reden konnte. Später im Internat verzog sich jeder erst mal auf sein Zimmer.
Ich hängte im Bad alles zum Trocknen auf und betrat wieder mein Zimmer. Mika lag auf dem Bett und starrte mich an.
„Ach Mika, du hast es gut… ein Kater müsste man sein“, sagte ich und nahm das Glas vom Schreibtisch um einen ordentlicher Schluck zu mir zu nehmen.
„Was soll bitte schön an einem Katzenleben besser sein?“
Ich fuhr zurück, knallte gegen den Schrank und ließ vor Schreck das Glas fallen. Hatte da Mika gerade etwas gesagt oder wollte mich jetzt jemand verarschen? Entsetzt schaute ich zu ihm hin.
„Mika…“, sagte ich ängstlich.
„Ja?“, antworte Mika.
Er bewegte sein Maul und schaute mich dabei an. Ich ließ mich am Schrank herunter gleiten und fuhr mit meinen Händen durchs Gesicht.
„Das ist lustig, verstehst du mich jetzt auch? Jonas redet schon die ganze zeit mit mir und jetzt du…“, kam es aus Mikas Richtung.
Ich fand das gar nicht lustig, sondern versuchte alle Möglichkeiten zu finden, warum Mika plötzlich sprechen konnte. Ich blieb am Gedanke hängen, dass mir meine Nerven einen üblen Streich spielten und ich schon Wahnvorstellungen hatte.
„Was ist mit dir… du schaust so komisch?“
Diesmal kam die Stimme nicht vom Bett, sondern von direkt vor mir. Ich hob leicht den Kopf und Mika stand vor meinen Füßen.
„Solltest du nicht die Scherben wegmachen, bevor sich einer von uns noch weh tut.“
„Du sprichst nicht wirklich mit mir… ich bilde mir das alles nur ein… vielleicht habe ich auch zuviel Chlorwasser geschluckt, oder ich habe mich irgendwie verkühlt, als wir im Freien rumgelaufen sind.“
„Verkühlt… du bist ganz blass um die Nase… könnte sein.“
Immer noch starrte ich entsetzt Mika an. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, er grinste sogar jetzt.
Wieder rieb ich über mein Gesicht, meine Augen, bevor ich sie wieder vorsichtig senkte. Mika lag auf dem Bett und stand nicht mehr vor mir. Ich hatte mir das sicher eingebildet, oh man.
Ich rappelte mich auf und lass die Scherben ein.
„Autsch“, entfuhr es mir, als ich mich an einem kleinen Splitter schnitt.
Von Mika kam nichts, saß nur da mit gespitzten Ohren. Ich schnappte mir ein Tempo und verließ mein Zimmer. Vor Jonas Zimmer blieb ich stehen und klopfte.
„Ja? Herein!“, hörte ich von drinnen.
Langsam drückte ich die Klinke herunter und streckte meinen Kopf durch die Tür.
„Entschuldige die Störung“, begann ich, als ich Jonas auf einem Stuhl entdeckte.
„Hast du ein Pflaster für mich?“
„Wieso… ist etwas passiert?“, fragte Jonas besorgt.
„Nein, nichts Schlimmes, mir ist nur mein Glas runter gefallen und beim Aufheben der Scherben, habe ich mich geschnitten.“
„Zeig her“, meinte Jonas und kam zu mir.
„Es ist wirklich nicht schlimm, blutet halt nur wie Sau.“
„Moment.“
Jonas lief zu einem Regal und holte einen großen Lederkoffer herunter. Er stellte ihn auf den Tisch ab und öffnete den Verschluss. Zum Vorschein kam allerlei Dinge, die man zum verarzten brauchte.
„Ah, hier haben wir es ja.“
Er zog eine Pflasterbox heraus und wenig später hatte ich an dem Riss ein Pflaster kleben.
„Sind alle Scherben weg?“
„Nein…“
„Komm, ich helfe dir und mach alles weg.“
Wie hergezaubert hatte er plötzlich einen Handfeger und eine Kehrschaufel in der Hand. Ich folgte ihm wieder in mein Zimmer, wo Mika immer noch auf dem Bett saß.
„Hallo Mika“, meinte Jonas.
~Hallo Jonas.~
Ich schaute Mika an, aber er gab keinen Laut von sich. Jonas hatte bereits alle Scherben aufgefegt und war wieder dran zu gehen.
„Danke Jonas.“
Er lächelte mich an und verschwand. Ich schloss dir Tür und setzte mich an den Schreibtisch, ohne Mika aus den Augen zu lassen.
*-*-*
Das Wochenende war ohne Mikas Zwischen rufe vorbei gegangen. Mit Kai konnte ich auch nicht mehr sprechen, immer war jemand dabei. Zu ihm aufs Zimmer zu gehen traute ich mich nicht recht.
Die Woche vor dem Weihnachtsfest brach an. Von den Lehrern wurden Zettel verteilt, ob man über Weihnachten dableiben oder nach Hause fahren wollte. Eigentlich wollte ich schon gern heim, aber ich beschloss mich erst einmal umzuhören, ob überhaupt jemand da blieb.
Draußen hatte es angefangen zu schneien und so wurden viele Außenaktivitäten eingeschränkt und neue kamen hinzu. Ich glaubte es kaum, als man mir erzählte, der See wäre schon fast zu gefroren und man könnte bald darauf Eislaufen.
Die Woche zog sich zäh dahin und die letzten Vorbereitungen für die Weihnachtsfeier wurden getroffen. Der Hauptgang stand und ich musste mich mit Frau Kirschen zusammensetzten, um die Bestellungen mit ihr durchzugehen.
So ging alles seinen Weg. Donnerstagabend klopfte es wie so oft wieder einmal an meine Tür. Ich machte mir nicht mal mehr die Mühe aufzustehen und zu schauen, wer da stand und rief nur kurz „Herein“.
„Hi… Jens. Lust auf etwas Gesellschaft?“
An der Tür stand Kai.
„Klar komm rein, ich bin eh fertig mit der Homepage.“
„Du schreibst schön, mir gefällt das“, meinte Kai und schloss hinter sich die Tür.
„Setz dich ruhig aufs Bett, Mika ist eh nicht da, also keiner der dir den Platz rauben könnte.“
Kai zog seine Latschen aus, setzte sich auf das Bett und lehnte an die Rückwand. Ich schaute ihn erwartungsvoll an. Unsicher schaute sich Kai im Zimmer um, versuchte den direkten Blickkontakt zwischen uns zu vermeiden.
„Fine hat jemand an Land gezogen, der wunderschöne Gestecke für die Feier macht“, sprach er plötzlich.
Ich nickte.
„Der Direx will dieses Jahr auf seine Rede verzichten und…“
„Keine Rede dieses Jahr?“
„Doch… aber nicht von ihm.“
„Und wer hält dann die Rede?“
Kai seufzte laut.
„Ich…“
„Du? Das ist ja mal cool.“
„Findest du? Ich plage mich jetzt schon eine Woche damit herum und finde laufend neue Fehler, oder Stellen mit denen ich nicht zufrieden bin.“
„Soll ich sie mir morgen einmal durchlesen?“
„Wenn du Zeit hättest, wäre das toll. Ich gebe viel auf deine Meinung.“
Huch, auf meine? So gut kannte er mich jetzt doch auch wieder nicht.
„Wieso denn… öhm… du kennst mich doch noch nicht so lange.“
„Bei manchen Leuten ist es so, dass man denkt, man kennt sie schon ihr Leben lang.“
„Und dazu zählst du mich… wie kommts?“
„Deine Frage… im Duschraum im Schwimmbad.“
„Bekomme ich jetzt die Antwort.“
„Kann ich dir nicht genau sagen, Jens. So weit habe ich nie gedacht, einen Freund zu haben. Um ehrlich zu sein, ich dachte meist an Sex, nie so richtig auf etwas länger anhaltendes.“
„Hattest du schon mal Sex mit einem Jungen?“, fragte ich einfach direkt.
Er schüttelte den Kopf.
„Und du?“, fragte er nun.
„Über einen Kuss bin ich nie darüber rausgekommen.“
„Du weißt es also selbst nicht, wie es ist, wenn man einen Freund hat?“
„Nein, aber ich kann mir es gut vorstellen, kann davon träumen.“
„Und du möchtest einen Freund?“
Ich nickte.
„Könntest du dir vorstellen, mit jemand von hier…“
Auf was wollte er hinaus.
„Dazu müsste ich erst jemand besser kennen lernen“, sagte ich, „so schnell geht das nämlich nicht. Den Fehler habe ich einmal gemacht, das hat mir gereicht.“
„Was für ein Fehler, wenn ich fragen darf?“
„Klar darfst du… ich habe jemanden vertraut, obwohl ich ihn noch nicht richtig kannte.“
„Und das ist schief gelaufen?“
„Ein voller Schuss in den Ofen!“
„Hört sich nicht gut an.“
„Ja, hat mich auch sehr viel gekostet.“
„Und du bist jetzt nicht eingeschüchtert und willst niemand mehr kennen lernen?“
„Anfangs schon und es auch hat einige Zeit gedauert, bis ich wieder normal denken konnte.“
„Was war der Grund deines Gesinnungswechsels?“
„Ein Gespräch mit Jonas.“
„Ja Jonas ist gut, hat immer ein Ohr für einen. Du…“
„Ja?“
„Könntest du dir vorstellen…, mit…“
Die Tür wurde aufgerissen und Fine stürmte herein.
„Ich hab sie“, schrie sie.