18. Türchen – Samtpfote und Engelshaar

Kai und ich fuhren beide zusammen.

„Oh entschuldigt, ich wusste nicht dass du Besuch hast, Jens“, meinte Fine.

„Ist eh zu spät… was hast du gerade mit, ich habe sie, gemeint?“, fragte ich etwas genervt.

„Mila & Klaus, die machen geile Tanzmusik.“

„Ich muss noch etwas machen“, meinte Kai und schlüpfte in seine Schuhe und verschwand.

Fine sah ihm verwundert na

„Was hat er denn?“

„Wir hatten ein ernstes Gespräch und er hatte mich gerade etwas fragen wollen…“

„Und was?“

„Das liebe Fine, wird ewig ein Geheimnis bleiben, denn er konnte seine Frage nicht beenden, da du reingestürmt kamst.“

„Oh.“

„Ja – Oh!“

*-*-*

Freitag

Die letzten zwei Stunden Geschichte waren ausgefallen, denn es hatte eh keiner mehr einen Kopf für Unterricht. Während die anderen alle damit beschäftigt waren, sich um Dekoration und Tische richten kümmerten, saß ich in der Küche bei Frau Kirschen.

Wir gingen noch einmal alles durch, was für das Weihnachtsmenu benötigt wurde. Auf ihren Rat hin kamen einige meiner Mitschüler später und wir wollten gemeinsam, das Mouse a chocolat machen.

So hatte ich später ein paar Helferlein und ich freute mich, dass mit der Menge Mouse alles glatt ging. Wir waren gerade mit Aufräumen fertig, als Kai herein kam. Er hatte ein Blatt in der Hand und sah mich an.

Ach so, die Rede, stimmt, die wollte er mir ja zeigen.

„Hallo Kai, soll ich durchlesen?“

„Hi Jens… wäre nett“, meinte Kai etwas unsicher und reichte mir das Blatt.

Ich nahm es entgegen und war verblüfft, wie toll sich Kai ausdrücken konnte.

„Hammer…“

„Echt?“

„Ja, klar! Ich würde nichts mehr verändern.“

Ein kleines Lächeln wanderte über Kais Mund, das erste seid langem.

„Danke.“

Die anderen waren gegangen und so stand ich mit Kai alleine in der Küche.

„Du hör mal…“, begann Kai.

„Ja?“, lächelte ich ihn an.

Er schaute kurz zu Boden, atmete tief durch und sah mich wieder an.

„Boah ist das schwer“, meinte er.

Ich stellte meinen Kopf schräg und lächelte weiter.

„Ich weiß, wir hatten keinen guten Start miteinander und auch jetzt fühle ich, dass immer noch ein gewisser Abstand zwischen uns herrscht. Besteht die Möglichkeit, dass wir uns besser…“

Die Tür zur Küche wurde aufgerissen und Tilly stürmte herein.

„Ach hier habt ihr euch versteckt, los keine Müdigkeit vortäuschen, der Flügel muss noch in den Saal geschoben werden.“

Ich verdrehte die Augen. Nicht schon wieder.

„Ähm… ich bin gleich da, muss nur kurz etwas auf mein Zimmer bringen“, meinte Kai und war wieder verschwunden.

„Aaaaaaaaaaaaaaaah“, schrie ich.

Tilly zuckte zusammen.

„Kann man hier nicht mal fünf Minuten alleine sein und sich ordentlich unterhalten?“

„Jetzt hab dich nicht so… du Zicke!“

Mir blieb die Luft weg und Tilly grinste mich frech an.

„Soll ich dem Herr die Tür aufhalten, oder muss ich gewalttätig werden“, sagte er.

„Du und welche Armee?“, fragte ich nur und verließ die Küche.

*-*-*

Als ich den Saal betrat, war ich erst einmal angenehm überrascht, wie festlich geschmückt es war.

„Na, gefällt es dir?“, meinte Gerrit, der plötzlich neben mir auftauchte.

„Nicht schlecht“, meinte ich.

„Wusste, dir würde das gefallen.“

Ich schaute zu Gerrit, der mich anlächelte. Hinter uns strömten noch ein paar Jungs herein und so konnte die Schinderei ein Anfang haben. Doch soviel gab es nicht zu schinden. Durch eine Trennwand zum Öffnen, war es eigentlich leicht den Flügel nur in den Saal zu schieben.

Dies wiederum erwies sich doch als schwierig, denn so ein Flügel hatte eine Menge Gewicht und obwohl wir zu zehnt waren, dauerte es eine Weile, bis das Klavier stand. Christian war mittlerweile auch eingetroffen.

Er klappte den Deckel nach oben und brachte die Stütze an. Gerrit kam noch mit der Klavierbank und stellte sie hinter den Flügel. Christian setzte sich, rieb sich die Hände und begann zu spielen.

Obwohl ich nicht so viel Klassik hörte, gefiel mir das, was Christian zum Aufwärmen spielte, sehr gut. Ich lehnte mich an die Bühnenkante und träumte vor mich hin.

„Soll ich Messer und Gabel holen?“, fragte Gerrit neben mir.

„Hä… was… bitte?

„Hör auf so zu starren, man könnte meinen du fixierst deine Beute.“

„Man darf doch zugucken“, protestierte ich.

„Zugucken…, aber nicht mit den Blicken verschlingen.“

„Habe ich doch gar nicht!“

„Hast du wohl.“

„Öhm, bist du eifersüchtig?“, meinte ich und fing an zu kichern.

Abrupt hörte Christian auf zu spielen.

„Könntet ihr eurer Liebesgeplänkel in einen anderen Raum verlegen, ihr stört mein Spiel!“

„Liebesgeplänkel… mit dem?“, empörte sich Gerrit, „ich bin enttäuscht von dir Christian, dachte du traust meinem Sinn für Schönheit mehr zu!“

Mein Kiefer kullerte über die Bühne und Christian fiel vor Lachen fast von seinem Sitz.

„Aber wir werden den Herrn der Klänge nun alleine lassen, wollen ja nicht schuld sein, wenn du dich morgen Abend vergreifst. Komm du Herr des rührenden Löffels, folge er mir unauffällig.“

Immer noch nicht fähig, einen Ton zu sagen, folgte ich Gerrit nach draußen. Dort angekommen fand ich meine Stimme wieder.

„So, ich bin also hässlich?“, fragte ich im gespielt empörten Ton.

„Ja, hier rennen durchaus hübscher Jungs herum.“

„Und du kannst das beurteilen.“

„Ja klar! Für den modebewussten Mann von heute ist das eine gute Note zu wissen, was in ist und was out ist.“

„Aha… modebewusst…“, sagte ich und versuchte nicht loszukichern, „dieses originelle Haiwaihemd, das du trägst, dass auch schon bessere Tage gesehen hat, ist sehr modebewusst… du hast Recht!“

Gerrits Geschmacksorgan schnellte heraus und wies in meine Richtung.

„Klar… wann und wo?“

Damit hatte Gerrit nun wohl nicht gerechnet und verschluckte sich anscheinend an seiner eigenen Spucke. Er hustete so kräftig, dass ich ihm auf den Rücken klopften musste.

„Aua… hust, wie kannst du einen zartbeseideten… hust… jungen, dynamischen… hust… aufstrebenden Mann so misshandeln?“

Jetzt war es vorbei. Ich verfiel in einen Lachanfall, der mich auf dem Boden sinken ließ. Tilly kam herzu geeilt.

„Oh, ist das ansteckend… soll ich einen Arzt rufen?“, fragte er Gerrit.

„Nein, lass ihn, er hat es nicht anders verdient“, meinte Gerrit trocken, hob etwas die Nase und lief von dannen.

Tilly half mir auf und ich bekam auch endlich wieder Luft.

„Der hat es so was von faustdick hinter den Ohren, der Typ“, kicherte ich.

„Gerrit live eben“, meinte Tilly, „warum ich zu dir komme, die anderen wollten wissen, wann sie in der Küche morgen erscheinen sollen.“

„Zwei Uhr reicht, um alles in Ruhe vorzubereiten und danach sich noch für die Feier zu recht zu machen.“

„Okay, ich werde Fine sagen, sie soll es auf der HP hinterlassen, da liest es jeder garantiert.“

*-*-*

Ich stand vor Kais Zimmer und klopfte. Nun schon zum dritten Mal, aber er schien wirklich nicht hier zu sein. Etwas enttäuscht verließ ich das Stockwerk und betrat wieder meines. Es roch irgendwie nach Nadeln und Kerzen.

Jonas hatte auch das Haus geschmückt und überall standen kleine Sträußchen oder Gestecke. Das war das erste Mal, wo ich seit langem wieder richtig in Weihnachtsstimmung war. Sonst war eben Schule und Adventsstress angesagt gewesen.

„Hast du ihn gefunden?“

Ich drehte mich um und Jonas stand vor mir.

„Aber, wie…?“

„Ich weiß vieles Jens… heißer Tipp, versuche es mal in der Turnhalle, bei den Kraftgeräten…“

„Aha…“

Und schon war ich wieder alleine. Ich schaute Jonas noch eine Weile hinter her, obwohl er Jonas schon längst aus dem Flur verschwunden war. Wer war er… oder sollte ich fragen, was war er?

Etwas komisch war mir schon. So beschloss ich Jonas Rat zu folgen und in die Turnhalle zu gehen. Ich wollte schon wieder gehen, weil die Turnhalle im Dunkeln lag, aber bei einem Fenster brannte Licht.

Ich stapfte durch den Schnee, der mir mittlerweile bis zum Knöchel reichte. Turnschuhe sind auch nicht geeignet für dieses Wetter, ärgerte ich mich. So versuchte ich möglichst trocken in die Turnhalle zu kommen, indem ich einfach in die Fußstapfen trat, die schon vorhanden waren.

Endlich angekommen, zog ich die Glastür auf. Hier war es ruhig und ich versuchte mich zu erinnern, wie ich in den Fittnessraum kam. Nach einigen Irrwegen und falschen Türen, fand ich endlich die Tür.

Laut drang Musik aus dem Raum. Ich öffnete die Tür und fand Kai auf einem Laufband vor. Er bemerkte mich nicht, kein wundert bei der Lautstärke. Ich stand eine Weile und beobachtete ihn, bevor das Lied endlich zu Ende war.

„Öhm… hi….“, sagte ich leise.

Sein Kopf fuhr herum und hätte er nicht einen Ausfallschritt gemacht, hätte es ihn in voller Länge hingehauen. Kai schaltete das Gerät ab und das band lief aus. Er griff nach einem Handtuch und wischte sich das Gesicht ab.

„Bist du schon lange hier?“

„Nein eben gekommen.“

„Wegen mir?“

„Ja“, meinte ich und schloss hinter mir die Tür.

Das nächste Lied hämmerte los und schnell hatte Kai das Gerät leiser gedreht.

„Du willst mir schon die ganze Zeit etwas sagen, doch jedes Mal kommt etwas dazwischen. Deshalb habe ich dich gesucht, war sogar an deinem Zimmer.“

„Und wie hast du mich gefunden?“

„Jonas gab mir den Tipp, dich hier zu suchen. Was wolltest du mir denn sagen?

Kai sah mich an.

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