19. Türchen – Samtpfote und Engelshaar

„Ich weiß nicht, ob es überhaupt richtig ist… irgendetwas zu sagen. Nachdem laufend jemand störend dazu kam, kommt mir der Zweifel, ob es richtig ist.“

„Ob es richtig ist?“, fragte ich.

Kai schnappte sich seine Sachen.

„Wenn es dir nichts ausmacht Jens, ich möchte erst duschen gehen, so verschwitzt fühle ich mich nicht wohl…“

Ich nickte und Kai ließ mich alleine zurück. Ich atmete tief durch. Hatte ich zuviel Gewicht in Kais angefangenen Aussagen gelegt? Sollte ich hier warten oder einfach gehen?

*-*-*

 

Wo Jens wieder steckt, bei dem Sauwetter kann man doch nicht raus. Läuft einfach da rüber und jetzt schneit es noch mehr. Wo der nur bleibt? Ich sollte echt besser auf ihn aufpassen. Hier passieren Dinge, die komisch sind.

Ich könnte zu Clifferton gehen, vielleicht hat der etwas Zeit im Haus umherzustreifen.

*-*-*

Ich schaute auf meine Uhr, besser gesagt auf meinen Arm, denn ich hatte wohl vergessen, sie anzuziehen. Ein Duschgeräusch konnte ich hier nicht hören. So folgte ich den weg, den Kai vorhin gegangen war.

Na ja, bis zur Tür, im Flur horchte ich dann angestrengt nach Geräuschen. Eigentlich blöd, da nur aus einem Raum Licht heraus strahlte. So folgte ich dem Licht und wurde fündig. An einer Garderobe hingen Kais Sachen, aus einem Nebenraum hörte ich Wasser laufen.

Ich setzte mich auf einer der Bänke und beschloss zu warten. Die Zeit schien langsam zu vergehen, aber irgendwann hörte das rauschen auf und Kai kam mit einem Handtuch um die Hüften aus dem Duschraum.

Er schaute mich grinsend an und ließ das Handtuch fallen. Ich musste schwer schlucken, denn so nah bei einem nackten Typen war ich noch nie. So wie er war, ging er vor mir auf die Knie.

„Und jetzt?“, fragte er.

Ich zuckte mit den Schultern.

„Ich weiß es nicht Kai, ich weiß überhaupt nichts.“

„Das kann man ändern“, sagte Kai leise und beugte sich leicht nach vorne.

Seine Hand wanderte sanft auf meinen Nacken und er zog mich zu sich. Dann spürte ich seine Lippen auf meine. In mir spielte plötzlich alles verrückt. Mir wurde kalt und heiß gleichzeitig, mein Bauch rotierte und mein herz schlug wie wild.

Nackt wie er war, kniete er immer noch vor mir und eigentlich wäre ich ja jetzt dran gewesen, ihn irgendwie auch zu umarmen oder so. aber ich war nicht fähig mich zu rühren. Kai hörte auf und wich zurück.

„Oh… Entschuldigung… ich wollte nicht…“

„Halt Kai, sorry, darauf war ich nicht gefasst.“

Er kam wieder näher.

„Hat dir das gefallen?“

Ich nickte.

Er senkte den Kopf.

„Was ich dich fragen wollte… hm…“

„Wie wäre es, wenn du dich anziehst, wir zu dir oder mir rüber gehen… du hast schon Gänsehaut und bequem ist diese Bank auch nicht.“

Er lächelte. Ein lächeln, dass mich erweichen lies.

„Okay.“

Ich hatte noch niemand gesehen, der sich so schnell angezogen hatte.

„Können wir?“, fragte er.

*-*-*

Eine halbe Stunde und ein Schneegestöber später saßen wir in Kais Zimmer auf seinem Bett. Er hatte meine Hand in der seinen und schaute mich an.

„Ich weiß du magst mich vielleicht für verrückt halten, aber ich habe mich bei unserem ersten sehen schon in dich verguckt“, meinte Kai.

„Beim Joggen, als ich spazieren ging?“

„Nein, auf dem Parkplatz an der Autobahn.“

Ich schaute ihn verwirrt an.

„Ich habe gesehen, wie du da mit deiner Katze gespielt hast, dachte noch, den siehst du nie wieder.“

„Du hast mich auf dem Parkplatz bemerkt?“

„Ja.“

„Und warum hast du dich dann so komisch verhalten…?“

Kai sah auf unsere Hände.

„Ich habe mitbekommen, wie die anderen über mich reden und auch, dass du das alles gehört hast.“

„Was hat das eine mit dem anderen zu tun?“, fragte ich.

„Sorry, das war mein Fehler, denn ich dachte, du lässt dich von den anderen beeinflussen…“

„Falsch gedacht Kai, ich möchte eigentlich immer jemand selbst kennen lernen, bevor ich mir meine Meinung bilde, aber dazu hast du mir keine Chance gelassen…“

„Ja, ich weiß… wie gesagt mein Fehler.“

„Und nun willst du das ändern?“

„Habe ich denn eine Chance?“

Ich schüttelte den Kopf und sagte: „Ja!“

Es war süß Kais Gesicht zu beobachten, dass sich erst in ein total entsetztes, danach in ein strahlendes Gesicht verwandelte.

„Boah… erschreck mich doch nicht so“, meinte Kai und piekste mir in die Seite, ohne aber meine andere Hand loszulassen.

„Hast du verdient…“

Er lächelte wieder.

„Und du meinst das jetzt Ernst?“

„Was?“

„Das mit uns?“

Er nickte.

„Kai, du musst mir aber Zeit lassen… ich kenne dich kaum… mir geht das etwas zu schnell.“

Er ließ meine Hand los und hob seine beiden Hände hoch.

„Ich werde nie wieder etwas tun, dass dich irgendwie ärgern oder verletzen würde… versprochen!“

„Ich glaube dir, ja. Ich wollte das nur gesagt haben.“

„Ja hast du…, aber ich habe da noch eine… Frage.“

„Was denn?“

„Was ist mit Gerrit oder … Christian.“

„Was soll mit denen sein?“

„Besteht da kein Interesse?“

Jetzt fing ich an zu lachen… der Kleine war eifersüchtig, wie süß.

„Nein mein lieber, darüber brauchst du dir keine Gedanken machen, mit denen verstehe ich mich gut, sonst nichts.“

„Und der Kuss im Schwimmbad… bei Gerrit.“

„Ach, den hast du auch gesehen… aber ich denke nicht deutlich genug, er hat mich geküsst, nicht ich ihn!“

Kai schaute verlegen und wurde rot. Ich musste grinsen.

*-*-*

Die Nacht hatte ich natürlich in meinem Zimmer alleine mit Mika verbracht, doch ich hatte herrlich geschlafen. Frisch erholt kam ich in den Frühstücksraum, wo einige der anderen schon saßen.

„Morgen Jens, na gut geschlafen?“, fragte Tilly.

„Ausgezeichnet!“, antwortete ich.

„Hört, hört“, meinte Nadine, „etwas Neues für die Gerüchteküche?“

„Nicht dass ich wüsste?“, gab ich zur Antwort.

„Und warum hast du dann dieses komische Grinsen auf dem Mund?“, fragte nun Tilly wieder.

In diesem Augenblick betrat Kai den Raum. Mein Blick wanderte automatisch zu ihm und aus meinem Grinsen wurde ein breites Lächeln.

„Guten Morgen zusammen“, sagte Kai, lächelte mich ebenfalls an und setzte mich neben mich.

Tillys und Nadines Blicke wanderten abwechselnd zwischen Kai und mir hin und her.

„Nadine, da ist was im Busch…“, sagte Tilly.

„Was für ein Busch?“, fragte Nadine verwundert.

Ein lautes Gelache folgte.

„Morgen… na, was für einen Grund für euren Heiterkeitsausbruch gibt es?“

Fine stand am Tisch.

„Och nichts“, meinte Tilly und schaute zu Nadine rüber, die ihn böse anfunkelte.

Das Gekicher ging so über das ganze Frühstück. Ich spürte zwar die Blicke, die auf mir ruhten, aber ich gab keinen weiteren Kommentar ab, warum ich so fröhlich war. Der restliche Morgen zog sich eher schleppend.

Die letzten Vorbereitungen für den Abend wurden noch getroffen und irgendwann fand ich mich in der Küche ein. Ich richtete die Sachen, die ich zum Arbeiten brauchte vor und wartete auf die anderen.

Gegen zwei kamen dann auch alle in die Küche geströmt und wir konnten mit dem Kochen anfangen. Es lief auch alles zunächst sehr gut, bis Tilly auf einem Stück Kartoffel, dass auf dem Boden lag ausrutschte.

Er knallte gegen Claire, die gerade Sahne in einer Schüssel schlug. Sie wurde nach vorne gedrückt und fegte die Schüssel Sahne vom Tisch, traf Fine an der Hüfte, wo sich die Sahne an ihrer Hose verselbstständigte.

Fine total erschrocken wich zurück, prallte gegen Gerrit, der vor Schreck das Sieb voll Salat auf den Boden knallen ließ. Dieser Knall ließ alle zusammenzucken und das Resultat, der Krug mit der Salatsoße lag umgeschüttet am Herd.

Hätten wir jetzt Unterricht, wäre das ein tolles Beispiel für eine Kettenreaktion gewesen. Aber nicht nur das. Einer der Schüler kam Fine zur Hilfe, wollte ihr helfen die Sahne zu entfernen und vergaß dabei, weiter in der Suppe herum zurühren, welche dann überkochte.

Das alles passierte in Sekundenschnelle und danach sah die Küche aus, wie ein Schlachtfeld.

Entsetzt schauten alle auf das Chaos in der Küche.

„Und was machen wir jetzt… es ist alles hin…“, kam es weinerlich von Nadine.

Ich war genauso entsetzt. Die Tür ging auf und Jonas kam herein.

„Was ist denn hier passiert?“, fragte er.

„Eine Aneinanderreihung von vielen unglücklichen Umständen“, sagte Tilly, der immer noch auf dem Boden saß.

„Das sehe ich selbst…“, meinte Jonas.

Die Suppe war angebrannt, der Salat in der Küche verteilt, die Soße tropfte auf den Boden und überall war Sahne. Die Kühlhaustür ging auf und Kai kam heraus, trug die große Schüssel mit dem Mouse a chocolat in der Hand.

Ich wollte ihn warnen, aber es war zu spät. Ein Tritt in die Soße und er kam ins Rutschen. Wer jetzt denkt, das Dessert flog im hohen Bogen durch die Küche, hatte falsch gedacht. Irgendwie blieb die Zeit stehen und niemand bewegte sich mehr.

Außer Jonas, der sich auf Kai zu bewegte, Kai die Schüssel aus der Hand nahm. Ich konnte mich nicht bewegen, nichts sagen, aber ich sah alles. Jonas machte einen Fingerzeig Richtung Sahne und alles sammelte sich wieder in der Schüssel und stand am Schluss vor Claire.

Die Suppe blubberte wieder fröhlich vor sich hin und auch die Salatsoße fand sich wieder in ihrem Topf ein. Jonas und mein Blick trafen sich und er hielt inne.

„Das war nicht geplant“, meinte Jonas zu mir.

„Was denn?“, fragte ich, oh meine Stimme ging wieder.

„Das du das alles siehst.“

„Jonas, wer bist du?

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