It’s raining – Teil 10

Tassilo

Ich wusste nicht, wie mir geschah und schloss ängstlich die Augen. Einen dumpfen Gongton nahm ich zwar wahr, konnte ihn aber nicht einordnen. Dann löste sich ein Schuss. Ich fuhr zusammen und wartete, dass ich getroffen wurde.

Hatte ich jedes Zeitgefühl verloren? Dauerte es so lange bis eine Kugel die Mündung verließ und in ihr Ziel einschlug? Vorsichtig öffnete ich die Augen. Was ich sah, verwirrte mich. Es stand nicht, wie erwartet, Maude vor mir, sondern Daniel mit einer Bratpfanne in der Hand.

Aus dem Haus stürmten Mum und Lewis.

„Mein Gott, Kinder, was war das für ein Schuss…?“, schrie Mum und blieb entsetzt stehen, als sie Maude auf dem Boden liegen sah.

Lewis dagegen kam angerannt und kickte als erstes die Waffe weg. Er beugte sich vor und fühlte Maudes Puls.

„Keine Sorge Daniel, sie wird wieder aufstehen, vielleicht mit etwas Kopfweh…“

Daniel glitt die Pfanne aus der Hand, bevor er sich in einer wilden Umarmung an mich schmiss.

„Jessica, ruf die Polizei!“, meinte Lewis.

Mum verschwand wieder im Haus, dann wandte sich Lewis an mich.

„Glaubst du, ich sage umsonst, bleib im Haus?“, fuhr mich Lewis an.

Sein Ton gefiel mir nicht.

„Da hätte Gott weiß was passieren können…“

Erst jetzt bemerkte ich Lewis’ feuchte Augen.

„Es tut mir leid…“, sagte ich leise.

„Dein Vater ist immer noch auf freiem Fuß und ich möchte nicht, dass dir etwas passiert. Verstehst du Tassilo, mir liegt sehr viel an dir…“, er ging vor mir in die Hocke und nahm meine Hand, „du bist für mich der Sohn, den ich nicht hatte und wenn dir jetzt…“

Er wischte sich eine Träne aus dem Gesicht.

„… wenn dir jetzt etwas passieren würde, ich wüste nicht, wie ich das verkraften sollte.“

Nun war ich an der Reihe, Tränen weg zu wischen.

„… und ich denke, deiner Mum und Daniel würde es genauso das Herz brechen. Pass bitte besser auf dich auf, solange die Situation so unklar ist…, hörst du?“

Ich nickte nur. Der Kloß in meinem Hals war so groß geworden, dass ich nichts antworten konnte. Lewis stand auf, gab mir einen Kuss auf die Stirn und widmete sich dann Maude. Daniel nahm mich an der Hand und führte mich ins Haus.

„Bringen wir die Pfanne zurück…“, meinte er leise.

Ich blieb stehen und zog ihn grinsend zu mir.

„Danke mein Held!“, flüsterte ich und gab ihm einen Kuss.

Billy

„Matthew“, schrie ich nochmals, als ich sah, wie der Pickup ein Stück weiter gespült wurde, in dem er sich immer noch befand.

Ich wollte zum Wagen rennen, aber einer der Feuerwehrleute hielt mich fest. Kaum war das Wasser etwas verlaufen, rannten andere Männer wieder zum Pickup und stiegen hinein. Wenig später wurde Matthew aus dem Wagen gehoben.

Sein Kopf hing leblos herunter.

„Matthew…“, kam es leise über meine Lippen.

Mein Blick trübte sich, als ich ihn da so sah. Meine Beine wurden weich und ich verlor irgendwie den Halt. Wäre der Feuerwehrmann nicht gewesen, wäre ich schon am Boden gelegen. Er hob mich hoch und trug mich die kleine Böschung hinauf zu den anderen.

Ich schluchzte und zitterte.

„Schhht, alles ist okay…, deinem Freund geht es gut“, hörte ich den Mann aus der Ferne sagen.

Ich wurde auf eine Trage gelegt und mit einer Decke umhüllt und nur wenig später wurde Matthew direkt neben mir abgelegt. Ich wollte mich aufrichten, um zu ihm zu kommen, aber eine starke Hand drückte mich sofort wieder nach unten.

„Liegen bleiben!“

Ich schaute auf die Seite. Meine Augen blickten in zwei kräftig blaue Augen, umhüllt von einem braun gebrannten Gesicht und ein Strahlen auf den Lippen, das mir irgendwie wieder Mut gab.

„Ich glaub…, ich brauch einen neuen Gips“, hörte ich Matthew neben mir sagen, „da schwimmt alles drin.“

Ich drehte meinen Kopf wieder zu ihm. Er streckte seine Hand zu mir, die ich auch ergriff und er begann zu husten.

„Boah… man, das war jetzt aber heftig, mir reicht es für heute.“

Ich konnte ihm nickend nur beipflichten.

„Versprichst du mir eins?“, sprach er plötzlich weiter.

„Ja?“

„Wenn dieses scheiß Wetter vorüber ist und mein verfuckter Gips ab ist, können wir dann irgendwo hin fahren?“

Ich musste über Matthews Wortwahl grinsen und drückte seine Hand fest.

„Versprochen!“

„Was macht deine Schulter?“

„Der geht es besser als deinem Bein und deinen Rippen.“

„Welche Rippen?“

Ich zog die Augenbrauen hoch. Er hatte am meisten aushalten müssen bei dieser abenteuerlichen Autofahrt.

„Schau nicht so, es wird alles wieder gut, das hast du mir selbst gesagt…, oder schon vergessen?“

Bevor ich antworten konnte, unterbrach mich der Feuerwehrmann wieder.

„So ihr zwei Turteltäubchen. Der Krankenwagen ist da…, ihr zwei seid die Ersten!“

„Und meine Eltern?“, fragte ich.

„Mein Vater?“, kam es von Matthew.

Beide schauten wir ihn an.

„Die werden nachgeliefert, keine Sorge!“

Er lächelte uns noch einmal an, bevor er wieder aus unserem Blickfeld verschwand.

*-*-*

„Als Besucher hast du mir besser gefallen, Billy“, meinte Doreen und verband meine Schulter neu.

Dann funkelte sie Matthew an.

„Und du…, wenn du nicht schon so alt wärst, würde ich dich jetzt gerne über das Knie legen…“

„He keine Kindesmisshandlung!“, kam es von Matthew und ich musste lachen.

„Aber ihr beide habt unheimliches Glück gehabt dass nicht mehr passiert ist“, meinte Doreen, als mein Verband fest saß.

„Stimmt… ich habe nur ein paar Liter dreckiges Abwasser geschluckt, habe mir Zig mal die Schulter geprellt und weiß jetzt, wie sich ein Schleudergang in der Waschmaschine anfühlen muss!“

Matthew sah mich an.

„Was soll ich sagen…?“

Ich zuckte mit den Schultern und mir wurde gleich offenbart, dass ich solche Bewegungen die nächste Zeit lassen sollte.

„Auch noch Späße machen, das sieht euch ähnlich“, meinte Doreen und verließ kopfschüttelnd unser Zimmer.

„Doreen hat Recht…, als das Wasser noch einmal kam und…“, mir stiegen wieder Tränen in die Augen, „der Pickup erneut mitgerissen wurde…“

„He, jetzt mach mal halb lang! Unkraut vergeht nicht und zudem, soviel Wasser war das auch nicht.“

„Nicht viel Wasser? Mit ist fast das Herz stehen geblieben!“

„Herzkrank bist auch noch…, hast du noch mehr Geheimnisse vor mir?“

Jetzt erst merkte ich, dass Matthew mich aufzog. Er richtete sich langsam auf, verließ sein Bett und humpelte zu mir, wo er sich auf mein Bett fallen ließ und meine Hand nahm.

„He, wir haben uns erst kennen gelernt. Durch dich spielen meine Hormone verrückt, was sich aber auch irgendwie gut anfühlt. Ich möchte dieses Gefühl nicht mehr vermissen, dich besser kennen lernen.“

Ich schluckte.

„Wir haben zusammen in zwei Wochen mehr erlebt, als andere in ihrem ganzen Leben und so etwas verbindet.“

„… du liebst mich?“, fragte ich leise, stellte den Kopf schräg und begann zu lächeln.

„Dummer Kerl, klar liebe ich dich…“

Er beugte sich nach vorne und unsere Lippen trafen sich.

„Billy Fox, es hat niemand gesagt, dass du dein Bett verlassen darfst!“

Die strenge Stimme von Doreen. Wir fuhren auseinander.

„Jetzt hab dich nicht so, du kannst doch nicht dieses frische Glück einfach unterbrechen.“

Toby.

„Hallo ihr zwei, da hört man ja richtige Schauergeschichten über euch.“

Er gab jedem die Hand.

„Schauer ist gut… ja es hat sehr geregnet“, meinte Matthew und ließ sich wieder in sein Bett fallen.

Ich musste grinsen.

„Sonst geht es der… ähm Familie gut?“, erkundigte sich Toby.

„Falls du meinen Onkel George meinst…, der war nicht im Wagen und schon vorher in Springfield.“

Tobys Gesichtfarbe änderte sich auf rot und Doreen und ich konnten uns ein Kichern nicht verkneifen.

*-*-*

Matthew musste noch im Krankenhaus bleiben, zur Beobachtung hieß es, während ich mit meinen Eltern nach Hause durfte. Wir wurden von Charlie abgeholt und nach Hause gefahren, was Sam organisiert hatte.

Wie würde es wohl aussehen nach diesen Wassermassen? Der Regen hatte zwar nachgelassen und der Creek River war wieder in sein Flussbett zurück getreten, aber trotzdem sah man überall noch die Spuren der nächtlichen Flut.

Wir passierten die letzte Kurve und unser Haus kam in Sicht. Immerhin stand es noch. Von Weitem konnte man ja auch keine Schäden sehen. Im Wagen war es still, nicht einmal Charlie sagte noch etwas, der zuvor über sein Erlebtes von vergangener Nacht erzählt hatte.

An den Wägen meiner Eltern konnte ich Treibgut entdecken, beide waren von Ästen und allerlei Geröll umschlossen. Die Scheune stand offen, das Tor konnte ich nirgends sehen. Plötzlich fiel mir mein Motorrad ein, welches ich ebenfalls nicht entdecken konnte.

Charlie ließ den Wagen ausrollen.

„Na, das geht ja noch…“, meinte Charlie und stieg als Erster aus.

Mum, Dad und ich folgten. Das Haus hatte anscheinend wirklich nicht viel abbekommen, dann hatten Sams Vorsichtmaßnahmen wohl geholfen. Ich kletterte über einen Baumstamm, umrundete die Wägen und stand vor der offenen Scheune.

Außer Unmengen von Treibgut konnte ich nichts erkennen, auch nicht meine Maschine. Vorsichtig kletterte ich über den Dreck hinweg, aber ich fand sie nicht.

„Joseph hat einen kleinen Bagger, der kann euch sicherlich helfen, den Dreck wieder wegzuschaffen.“

„Danke Charlie“, meinte Dad.

Er verabschiedete sich von uns und wenig später brauste er vom Grundstück. Dad legte seinen Arm um Mum und zog sie zu sich heran.

„Da heißt es wohl Aufräumen“, meinte er.

„Wollen wir nicht erstmal hinein gehen?“, fragte Mum.

„Einverstanden! Billy, kommst du?“

„Moment… gleich“, antwortete ich Dad.

„Was ist denn?“

„Ich kann meine Maschine nicht finden.“

Dad und Mum liefen zu mir, während ich versuchte, weiter in die Scheune zu kommen, was aber wegen der vielen Äste und Steine nicht leicht war.

„Billy pass auf dass du dich nicht noch mehr verletzt!“, meinte Mum besorgt.

„Keine Sorge, so schnell will ich nicht mehr ins Krankenhaus.“

Ich schaute mich weiter um, aber von der Maschine konnte ich nichts entdecken.

„Sie ist nicht da…“

„Das gibt es doch nicht“, meinte Dad und wollte mir folgen.

„Nein, du bleibst hier“, sagte Mum bestimmend und zog Dad am Arm zurück.

„Bleib Dad, ich finde hier eh nichts. Vielleicht kann Joseph uns wirklich mit dem Bagger helfen…“

Enttäuscht kam ich wieder aus der Scheune und sah, wie Mum in ihren Wagen schaute.

„Eingedrungen ist wohl nicht viel, sieht noch sauber aus. Aber ob der Motor läuft?“

„Darum kümmern wir uns morgen“, meinte Dad.

Ich öffnete den Fliegenschutz und stutzte.

„Dad, hast du die Tür offen gelassen?“

„Nein! Die hatte ich geschlossen…“, antwortete Mum.

„Na ja, nun steht sie auf…“

Entsetzt sah mich Mum an.

„… du meinst, da hat jemand eingebrochen?“

„Ich sehe keine Spuren, dass sie aufgebrochen worden ist, nur dass die Tür nicht zugezogen ist“, erklärte ich.

Langsam schob ich die Tür auf und erblickte die nächste Überraschung. Vor mir stand mein Bike.

„Wer hat die denn hier reingestellt?“, fragte Dad.

„Egal, auf alle Fälle ist sie heil und nicht in irgendwelchen Schlammfluten versunken.“

„Aber hier kann sie nicht stehen bleiben“, kam es von Mum, die besorgt auf den Boden schaute.

„Ich stell sie auf die Veranda.“

Ich hob sie an und spürte wieder den bekannten Schmerz in meiner Schulter.

„Warte, ich helfe dir“, meinte Dad und gemeinsam schoben wir sie nach draußen.

„Hat jemand Hunger?“, rief Mum.

Die Erlebnisse der vergangenen Nacht hatten mir keine Zeit gelassen, etwas zu essen, aber um ehrlich zu sein, ich hätte wahrscheinlich auch keinen Bissen herunter bekommen.

„Ja“, riefen Dad und ich im Chor.

„Gut, dann schlag ich ein paar Eier in die Pfanne und Speck dazu.“

„Egal was, aber es hört sich gut an“, sagte Dad und setzte sich auf einen Stuhl.

„Ich bin gleich wieder da, ich möchte mir was anderes anziehen.“

 

Tassilo

„Hast du denn keine Angst?“, fragte Daniel.

„Klar…“

Wir lagen eng aneinander gekuschelt in meinem Bett. Draußen stand ein Wagen der hiesigen Police und Maude war in Gewahrsam genommen worden. Mein Erzeuger dagegen war immer noch flüchtig, obwohl immerhin sein Wagen schon gefunden worden war.

„Du bist so ruhig…, du warst die ganze Zeit so ruhig.“

„Das kam dir nur so vor Daniel, ich hatte genauso viel Schiss wie du.“

„Da wäre ich nicht so sicher.“

„Glaub es ruhig.“

Seine Hand streichelte über meine Brust, aber mit den Gedanken war er woanders.

„Worüber denkst du nach?“

„Über uns, wie es weiter geht…“

„Und wie geht es weiter?“

„Das weiß ich nicht. Ich bin froh, dass ich dich habe und kann mir vorstellen, dass wir ganz lange zusammenbleiben, aber wie sich das gestalten soll…“

„Wie meinst du das?“

Ich richtete mich leicht auf.

„Frag dich mal selbst, hatten wir bis jetzt einen ruhigen Tag gemeinsam? Einen Tag, an dem nichts passiert ist?“

„Nein.“

„Siehst du. Ich frage mich ob das jetzt ständig so sein wird…“

„Nein!“

„Wieso bist du dir da so sicher?“

„Weil es nur besser werden kann, mein lieber Daniel.“

„Deinen Optimismus hätte ich gerne.“

„Den bringe ich dir gerne bei“, erwiderte ich, lehnte mich nach vorne und küsste ihn sanft.

*-*-*

„He, wie wäre es mit Aufstehen?“

Daniel lag neben mir und kitzelte mich leicht an der Flanke.

„Ich will liegen bleiben…“, brummte ich.

„Nichts da, du stehst auch auf. Deine Mutter ist mit dem Frühstück fertig.“

Ich öffnete die Augen und sah sogleich in Daniels strahlendes Gesicht. Es war förmlich erhellt. Halt nein, die Sonne schien drauf. Die Sonne scheint? Mein Kopf drehte sich zum Fenster. Tatsächlich, die Sonne schien und warf ihr Licht auf Daniels Gesicht.

„Was ist?“

„Die Sonne scheint.“

„Ja, du Schnellmerker. Deshalb will ich aufstehen!“

„Okay…“, meinte ich, nahm ihn in den Arm und küsste ihn, während meine Hände über seinen nackten Rücken wanderten.

„Du bist gemein, weißt du das?“

„Ich gemein“, sagte ich grinsend und legte einen Dackelblick auf, „können diese Augen gemein sein?“

Er antwortete nicht darauf, sondern küsste mich weiter. Keuchend setzte er dann ab und schaute mich an.

„Ich wollte eigentlich frühstücken gehen.“

Ich grinste ihn an.

Umständlich stieg er von mir herunter und verließ das Bett.

„Willst du so ins Bad gehen?“, fragte ich kichernd.

Er folgte meinem Fingerzeig und schaute nach unten, bevor er seine Augen verdrehte und dann selbst zu grinsen begann.

„Also, ich gehe unter die Dusche, was du machst…“, meinte er lächelnd, wackelte mit dem Hintern und verließ das Zimmer.

Nicht mal eine Minute später stand ich neben ihm unter der Dusche.

*-*-*

„Guten Morgen ihr zwei“, begrüßte uns Lewis, als wir in die Küche kamen.

„Guten Morgen“, brummte ich und schob Daniel vor mir her.

„Habt ihr etwas schlafen können?“, fragte Mum besorgt, während sie Lewis einen Kaffee einschenkte.

„Also ich habe geschlafen“, meinte Daniel und setzte sich.

„Ich auch“, fügte ich an und beendete den Satz mit einem Gähnen.

„Also Jungs“, begann Lewis ernst, „die Sachlage sieht folgendermaßen aus…“

Aufmerksam schaute ich ihn an.

„Jessica und ich müssen zurück nach London. Ihr könnt mit uns zurückfahren…“

Ich wollte ihn unterbrechen, aber er stoppte mich mit einer Handbewegung.

„… oder ihr bleibt hier. Marco wird hier im Haus bleiben und auch die Police Officer werden bleiben, bis… dein Vater gefunden wurde.“

„Er ist nicht mein Vater…“, sagte ich trotzig und schaufelte mir einen Berg Rührei auf den Teller.

„Tassilo…“, begann Mum und legte ihre Hand auf die meine, „er ist dein Vater, leider und ich bereue das zutiefst.“

Ich schaute sie an und seufzte.

„Mum ich weiß, aber du musst das nicht bereuen, schließlich hast du ihn irgendwann einmal geliebt…, sonst gäbe es mich heute nicht. Aber ich will mit ihm nichts mehr zu tun haben. Ein Leben ohne ihn ist auf alle Fälle besser.“

Lewis Blick war traurig.

„Ihr braucht euch deswegen keine Sorgen zu machen und traurig schauen, ich komme damit schon irgendwie klar. Mich nervt nur die Situation und wie er sich jetzt in mein Leben drängt. Vielleicht könnten wir uns, wenn wir über ihn reden, auf Richard einigen, nicht mehr Vater oder Erzeuger ….“

„Kein Problem“, meinte Lewis und biss in seinen Toast.

„Wer soll das eigentlich alles essen?“, fragte Daniel und lenkte vom Thema ab.

Mum lächelte wieder.

„Du“, antwortete Lewis, „du solltest etwas mehr auf die Rippen bekommen.“

Daniel sah erst Lewis, dann mich an.

„Och ich denke, Tassilo gefällt das.“

Ich konnte nicht anders und musste grinsen.

„Gefallen ja, aber ein bisschen mehr könntest du schon drauf haben.“

Nun grinsten alle.

„Und wie verbleiben wir? Kommt ihr mit, oder bleibt ihr hier?“

„Wir bleiben hier“, antwortete ich, ohne mich mit Daniel abgesprochen zu haben.

„Ja, die Sonne scheint und ein Sparziergang tut da sicher gut“, fügte Daniel hinzu.

„Gut, dann werde ich nachher mit den Männern noch reden, bevor wir fahren“, sagte Lewis.

„Ihr kommt aber wieder?“, fragte ich.

„Klar“, lächelte Mum, „und bringen auch Ella mit.“

„Stimmt, die wollte ja auch kommen.“

„Ich werde nachher noch meinen Vater anrufen…“, kam es von Daniel.

„Was willst du von ihm?“, fragte ich.

„Ihn noch etwas fragen und ein paar Sachen klären.“

Mehr wollte Daniel anscheinend nicht verraten. Eine Stunde später, Lewis und Mum waren abgefahren, liefen Daniel und ich dick eingepackt an der Küste entlang. Die zwei Police Officers folgten uns in einem großen Abstand.

„Verrückt oder?“, meinte Daniel und griff nach meiner Hand.

„Was meinst du?“

„Wir laufen hier mit Polizeischutz durch die Gegend. Das find ich irgendwie verrückt.“

„Ich wäre lieber mit dir alleine…“

Mein Blick wanderte über das Meer. So schön wie heute hatte ich es bisher noch nicht gesehen, obwohl uns trotz der Sonne der Wind immer noch kalt ins Gesicht blies.

„Mr. Melright“, hörte ich es plötzlich hinter uns rufen.

Wir drehten uns um und sahen wie die Officers auf uns zu kamen.

„Ähm…, Mr. Melright. Wir werden uns verabschieden… ihr… Vater wurde gefasst…, also besteht keine Gefahr mehr, dass er hier auftaucht.“

Ich atmete tief durch.

„Danke“, meinte ich nur und die zwei Männer liefen zurück Richtung Leuchtturm. Daniel drehte sich zu mir und nahm mich in den Arm.

„Jetzt wird sicher alles gut, oder?“

Ich nickte und drückte ihn fest an mich.

Billy

Ich hatte meine Augen noch nicht geöffnet, wunderte mich aber, dass es in meinem Zimmer so hell war, dass ich es mit geschlossenen Lidern wahrnahm. Blinzelnd schaute ich, ob ich vielleicht vergessen hatte, eine Lampe auszuschalten.

Aber es war keine Lampe. Das Licht kam durchs Fenster und die Sonne schien. Mein Blick wanderte auf die Uhr. Fast zwölf! Mich wunderte, dass mich keiner geweckt hatte. Ich streckte mich kurz und stand auf.

Im Zimmer war es frisch und es fröstelte mich etwas. Gänsehaut wanderte über meinen Körper. Ich wollte ins Bad und öffnete meine Zimmertür. Etwas verschreckt hielt ich inne, da Mum vor der Tür stand.

„Guten Morgen, auch schon wach?“

„Entschuldige“, brummte ich und rieb mir die Augen.

„Du musst dich doch nicht entschuldigen, dein Vater ist auch gerade aufgestanden und verweilt gerade im Bad.“

„Erst jetzt aufgestanden?“, wunderte ich mich.

„Ja, ich denke, die Nacht hat uns allen vieles abverlangt, bin selbst erst seit einer Stunde auf den Füßen.“

„Okay, dann warte ich in meinem Zimmer, bis das Bad frei wird.“

„Ach übrigens, Sam hat angerufen und erzählt, dass Matthew zu Hause ist und er hat mir das mit dem Motorrad erklärt.“

„Mit was für einem Motorrad?“, fragte ich verwirrt.

„Deinem. Anscheinend muss gestern noch ein…, wie hieß er noch…?“

Fragend schaute ich sie an.

„… ein Jakob… oder Joseph.“

„Joseph, das ist einer unserer Nachbarn.“

„Dann wird es der sein. Sam erzählte, dass Joseph der örtlichen Feuerwehr angehört. Er hatte gestern noch einmal unser Haus geprüft und dabei anscheinend dein Motorrad in der Scheune vorgefunden haben.“

„Und wie kam er in unser Haus?“

„Sam erzählte etwas von baugleichem Haus und man kenne da ein paar Tricks, ich verstand das nicht richtig.“

Ich grinste.

„Da sollte ich mich wohl bei Joseph bedanken. Kann ich mit dem Motorrad später rüber fahren und Matthew besuchen?“

„Ja kannst du, aber vorher essen wir noch etwas.“

„Einverstanden“, lächelte ich.

In dem Moment öffnete sich die Tür zum Bad und Dad kam heraus.

„Guten Morgen ihr zwei.“

„Morgen ist gut“, meinte ich grinsend, „es ist fast zwölf.“

Er kam auf mich zu und nahm mich in den Arm. Ein roter Riss zierte seine Stirn.

„Tut es sehr weh?“, fragte ich, während Mum sich auf den Weg nach unten machte.

„Nein, alles in Ordnung… und deine Schulter?“

„Merke ich nicht mal.“

„Sonst alles klar mit dir?“

Er sah mich durchdringend an und ich nickte.

„Aber wenn du mich noch länger festhältst, kann ich nicht garantieren, ob nicht dein Bein nass wird.“

„Hä?“

„Dad, ich muss auf die Toilette“, grinste ich.

Sofort ließ er mich los.

*-*-*

Verwundert und irritiert saß ich vor meinem PC. Diese Email war irgendwie komisch, doch freute ich mich darüber. Geschrieben hatte mir ein Andrew Cavendish – Duke of Burlington. Dass es sich um den Vater von Tassilos neuem Freund Daniel handelte, verstand ich erst, nachdem ich die Mail gelesen hatte.

Er machte den Vorschlag, die Bilder samt Tassilo und Daniel mit einer Privatmaschine einfliegen zu lassen.  Wen hatte sich Tassilo da denn geangelt? Privatmaschine…! Ich drückte das Tool vom Drucker, der mit einem leisen Summen wenig später die Mail in Druckversion freigab.

Noch immer wie in Trance lief ich hinunter, wo ich Mum und Dad in der Küche vorfand.

„Was ist denn mit dir passiert?“, fragte Mum.

„Hier lies mal“, meinte ich nur und hob Dad die Mail unter die Nase.

Mum stellte sich hinter Dad und so lasen beide die Mail.

„Duke of Burlington”, sagte Mum leise.

„Privatmaschine“, kam es von Dad.

„Was haltet ihr davon?“

„Dass dich Tassilo besuchen kommt? Ich finde das super!“, antwortete Dad.

„Die müssen ja ganz schön viel Geld haben“, fügte Mum hinzu.

„Freut es dich denn nicht, dass Tassilo her kommt?“, fragte Dad.

„Doch schon…“

„Aber?“

„Ach ich weiß auch nicht. Eigentlich habe ich mich mit dem Gedanken abgefunden, Tassilo nie wieder zu sehen und jetzt kommt er her.“

„Dass er kommt ist jetzt Fakt, nur wann, das musst du noch regeln.“

Ich atmete tief durch und nahm die Mail zurück.

*-*-*

In der Sonne zu fahren tat gut. Zwar waren am Straßenrand noch die Schwemmreste der Regenflut zu sehen und überall waren noch große Seen auf den Feldern, aber der Regen schien endlich vorbei zu sein.

Ich bremste ab, als ich an das Grundstück der Fox’ kam. Langsam rollte meine Maschine Richtung Haus. Dort angekommen, stellte ich sie neben dem Gebäude ab und gerade als ich meinen Helm abzog, kam Lacey heraus.

„Das ist aber eine Überraschung, Billy. Als ich das Motorrad sah, wusste ich erst gar nicht wer kommt.“

Anstatt mir die Hand zu reichen, umarmte sie mich gleich.

„Ja, Mum meinte, Sam hätte angerufen, dass Matthew wieder zu Hause ist.“

„Sam hat ihn heute Morgen schon holen können. Wenn du zu ihm willst, lauf durch das Haus. Er liegt im Garten in der Sonne.“

Ich musste grinsen.

„Ich lauf auch gerne um das Haus herum, das ist kein Problem.“

„Oder so. Ich bringe euch auch noch etwas zu trinken.“

„Danke“, meinte ich und schaute ihr zu, wie sie verschwand.

Dann lief ich zurück zu meiner Maschine und legte den Helm ab. Ich zog den Reisverschluss meiner Jacke auf und stellte fest, dass es doch noch nicht so warm war. Also ließ ich die Jacke an und umrundete das Haus.

Da lag mein Schatz, zugedeckt mit einer Decke, nur der Gipsfuß schaute heraus.

„So würde ich mir das auch gefallen lassen“, meinte ich laut, so dass Matthew zusammenfuhr.

Er richtete sich auf und strahlte mich an, als er mich erkannte.

„He, was tust du denn hier?“, rief er mir entgegen.

„Jemand sagte mir, hier läge ein armer kranker Mann und hadere mit seinem Leben“, antwortete ich grinsend.

Matthew streckte mir kurz frech die Zunge heraus. Ich beugte mich nach unten und gab ihm zur Begrüßung einen Kuss und ließ mich dann auf einem Stuhl, der neben Matthews Holzliege stand, nieder.

„Was macht deine Schulter?“, fragte Matthew.

Ich griff nach ihr und drückte sie etwas.

„Eigentlich ganz gut, ich spür keine Schmerzen mehr.“

„Du bist mit deiner Maschine gekommen?“, fragte er weiter.

„Ja, ich hatte Glück. Anscheinend hatte Joseph bei seiner Kontrolle die Maschine gefunden und sie ins Haus gestellt. Dort hat sie nichts abbekommen.“

„Ja, Joseph ist eine gute Seele. Er tut mir etwas leid wegen seiner Tochter.“

Matthew wollte gerade erklären, was er damit gemeint hatte, als seine Mutter in den Garten kam.

„Alles klar bei euch?“, fragte sie.

„Ja“, antwortete Matthew, „was soll schon sein?“

Sie stellte die Getränke auf dem kleinen Tisch ab.

„Wenn ihr noch etwas braucht, ich bin in der Küche. Ich habe noch einen Kuchen im Ofen.“

Ich nickte und Matthew schaute genervt. Seine Mutter dagegen lächelte und verließ uns wieder.

„Das nervt mit dieser Verwöhnerei. Als wäre ich ein kleines Kind.“

„Lass sie doch, das hört ganz schnell auf, wenn der Gips ab ist“, meinte ich und erntete sogleich einen bösen Blick dafür.

„Ich habe eine Mail aus England bekommen“, wechselte ich deswegen das Thema.

„Von Tassilo?“

„Nein, von einem Duke of Burlington.“

Ich grinste.

„Wer ist denn das und vor allem, was ist ein Duke?“

„Ein Adliger…“

„Was  hast du mit einem Adligen zu schaffen?“

„Ich nicht, aber ich habe dir doch erzählt, dass Tassilos Freund Daniel von einer Adelsfamilie abstammt.“

„Und wer ist dann dieser Andrew?“

„Daniels Vater.“

„Boah Billy, jetzt lass dir doch nicht alles einzeln aus der Nase ziehen!“

Es amüsierte mich köstlich, wie Matthew sich aufregte.

„Daniels Vater hat mir geschrieben, oder besser den Vorschlag gemacht, dass Tassilos Bilder für Georges Galerie mit einer Privatmaschine, samt Tassilo und Daniel, hier her geflogen werden.“

„Wow…, sind die Rockefeller oder so etwas… Privatmaschine.“

Ich lächelte ihn an.

„Ich weiß es nicht, aber ich finde es cool, dass Tassilo mit kommt.“

Matthews Gesichtsausdruck verfinsterte sich und mir wurde auch klar warum, deshalb kniete ich mich neben seine Liege und griff nach seiner Hand.

„Matthew, ich liebe dich! Und daran ändert auch ein Besuch von Tassilo nichts…, ich bin jetzt mit dir zusammen, okay?“

Matthew hob den Kopf und sah mich an. Seine Augen waren feucht.

„Klar empfinde ich noch etwas für Tassilo, aber nicht mehr das, was den Zusammenhalt sichert, wenn man sich liebt.“

Matthew nickte.

„Ich… liebe… dich… Matthew“, wiederholte ich noch mal.

Da hob er die Arme und zog mich ganz fest an sich.

„Ich dich auch…!“

Tassilo

Marco war telefonisch abbestellt worden und wir verbrachten die erste Nacht alleine am Leuchtturm. Trotz der Meldung, dass Richard in Gewahrsam genommen worden war, schlief ich die Nacht eher unruhig. Mein Engel dagegen schlief wie ein Stein.

Frisch geduscht und abgefüttert saßen wir im Wohnzimmer und hörten Musik.

„Wann wollten deine Eltern mit Ella kommen?“, fragte Daniel.

„Sie müssten eigentlich gleich hier sein“, antwortete ich nach einem prüfenden Blick auf meine Uhr.

Und als wäre es abgesprochen gewesen hörten wir draußen einen Wagen vor fahren.

„Das werden sie sein“, meinte ich und sprang auf.

Daniel folgte mir nach draußen, blieb aber genauso verwundert stehen wie ich, als Marco aus der Limousine stieg.

„Marco?“, meinte Daniel verwirrt.

Die Beifahrertür ging auf und Lewis stieg aus. Jetzt verstand ich überhaupt nichts mehr. Die beiden hinteren Türen öffneten sich und Mum stieg zusammen mit Ella und Laura, Daniels Mutter, aus dem Wagen.

„Mum!“, rief Daniel und rannte los.

„Ella!“, rief ich und folgte ihm.

Eine herzliche Begrüßung folgte.

„Na, wie war eure erste Nacht alleine in diesem Gruselturm?“, fragte Ella.

Ein leichtes Kopfschütteln von Lewis sagte mir, dass Ella von alldem, was passiert war, nichts wissen konnte.

„Also, ich habe ausgezeichnet geschlafen“, meinte Daniel.

„Das sieht man dir an, du siehst gut aus“, merkte Laura an.

„Wollt ihr hier einziehen?“, fragte ich, nachdem ich sah, was Marco alles aus dem Kofferraum auslud.

Ella grinste mich breit an und auch die Erwachsenen grinsten alle. Was war hier im Busch?

„Dann bin ich wohl an der Reihe zu erklären“, sagte Laura.

Verstört schaute ich sie an.

„Mein Mann hat sich erlaubt, deinen Freund in den Staaten zu kontaktieren.“

„Billy? Aber woher wusste er dessen Emailadresse?“

Daniel lächelte verlegen.

„Unser Sohn hat sie uns mitgeteilt, aber weiter in der Erzählung. Ihr zwei fliegt am Sonntag mit Ella nach Springfield, zusammen mit den Bildern.“

„Bitte was…?“

Das musste jetzt ein Traum sein oder?

„Du hast schon richtig gehört“, meinte Mum, „Andrew ist ein Genie des Organisierens. Er hat sich um alles gekümmert, in einer Stunde werden hier die Bilder abgeholt, die von Zuhause sind bereits frachtfertig. Und das viele Gepäck…, irgendetwas musst du doch zum Anziehen haben, oder willst du eine Woche in denselben Klamotten herum rennen?“

„Eine Woche… wow… und Ella kommt auch mit?“

„Ja, die kommt auch mit“, sagte nun Laura und lächelte uns an.

Ich wusste nicht, wem ich als erstes um den Hals fallen sollte. Da Daniel direkt neben mir stand, war er mein erstes Opfer. Ein Opfer, das dies als sehr angenehm empfand. Er freute sich genauso wie ich.

„Könntet ihr eure Freude auf später verschieben?“, meldete sich Ella zu Wort, „ich möchte endlich sehen, was du geerbt hast!“

Nur widerwillig trennte ich mich von Daniel und wollte Ella zum Haus ziehen.

„Tassilo“, bremste mich Mum.

Ich sah sie an und sie hob ihre Arme. Sofort lief ich auf sie zu und fiel in ihre Umarmung. Ihre Augen waren feucht.

„Ich hoffe, dir gefällt die Überraschung. Lewis und ich werden mit Laura nachher wieder nach London zurück fahren und Marco wird euch Sonntagmorgen dann abholen.“

„Ihr bleibt nicht hier?“

„Nein“, meinte Lewis und legte seine Hand auf meine Schulter, „dein Zimmer ist so ziemlich leer und wir dachten uns, dass wir mit deinem Zimmer beginnen, jetzt wo mit dem Umbau alles genehmigt ist.“

„Wie ging das so schnell?“

„Ach, wir haben Beziehungen“, meinte Lewis und schaute zu Laura, die nun auch lächelte.

„Wir haben viel Arbeit und dachten, dass dein neues Zimmer schon fertig sein könnte, wenn du zurück kommst“, erklärte Mum weiter, „aber jetzt zeig Ella erst mal das Haus und dann schauen wir noch. welche Bilder du mit schicken möchtest.“

Ich nickte und wischte mir eine Träne aus dem Auge. Das war wirklich alles wie ein Traum.

*-*-*

Nun saßen wir zu dritt vor dem Kaminfeuer im Wohnzimmer.

„Tassilo, du wirst mich jetzt öfter hier ertragen müssen, es ist einfach nur cool hier.“

Ich musste lachen. Ella stand auf und lief im Wohnzimmer herum. Sie beugte sich nach vorne und hob etwas auf.

„Warum hast du das nicht mitgegeben?“, fragte sie plötzlich.

Sie hielt mir meinen kleinen Zeichenblock entgegen. Das Bild zeigte Daniel, der schlafend auf dem Bett lag.

„Das ist noch nicht fertig“, antwortete ich.

„Schade, denn es sieht wirklich toll aus und du hast Daniel gut getroffen.“

Daniel nahm ihr den Block aus der Hand und sah sich die Zeichnung an. Seine Augenbraun wanderte nach oben und sein Blick wanderte zu mir.

„So sehe ich schlafend aus?“, fragte er leise.

„Ja…“

Er begann zu lächeln und gab Ella den Block zurück.

„Ich wusste nicht, dass ich so gut aussehe“, meinte er und wir fingen alle an zu lachen.

„Amerika…“, sagte ich leise, als wir uns wieder beruhigt hatten.

„Ja, dann siehst du deinen Billy wieder“, meinte Daniel.

Ich konnte an seiner Tonlage nichts Negatives feststellen und lächelte ihn an.

„Ja, auf Billy freue ich mich auch“, warf Ella ein.

„Wir drei in Amerika…, das ist verrückt“, meinte Daniel.

„Da stimme ich dir zu und wenn ich dran denke, dass ich dich erst vor drei Wochen an einem Grab kennen gelernt habe…“

Daniel stand auf und kuschelte sich zu mir.

„Du hast Recht, zu der Zeit sah für mich alles noch anders aus.“

Ella ließ sich ebenfalls nieder.

„He, jetzt bloß kein Trübsal blasen…“, meinte sie.

„Keine Sorge, die Zeiten sind vorbei“, entgegnete ich und gab meinem Engel einen Kuss.

Billy

„Wann kommen sie an?“, fragte Matthew, der auf meinem Bett lag.

„Moment, Dad hat mir das aufgeschrieben“, antwortete ich und suchte den Zettel.

Ich durchforstete meinen Schreibtisch, der auch schon bessere Tage gesehen hatte oder besser gesagt konnte ich meinen Schreibtisch vor lauter Sachen, die darauf verstreut lagen, eigentlich gar nicht sehen.

„Kann es sein, dass du ziemlich nervös bist?“

„Was? Ich find den Zettel nicht…“

„Billy…“

„Ja, gleich, da ist der sicher dabei“, entgegnete ich, als ich einen weiteren Stoss Blätter durchsuchte.

„Billy…!“

„Ja?“

„Komm mal her.“

Matthew hob seine Arme an. Ich ließ den Stoß Blätter auf den Schreibtisch fallen, ging zu ihm und ließ mich in seine Arme gleiten. Er streichelte mir sanft den Rücken entlang.

„Ganz ruhig Billy, es wird schon alles gut gehen und wenn du den Zettel nicht findest, frag einfach noch mal deinen Dad.“

Er drückte mich fest an sich und fuhr mir mit der Hand durch das Haar.

„Und du willst wirklich mitkommen?“

„Klar! Ich will mir doch nicht entgehen lassen, wie mein Schatz seinen alten Freund wieder trifft. Nichts kann mich davon abhalten“

Ich hob den Kopf und schaute ihm in die Augen. Er lächelte mich an und sein Blick strahlte mir entgegen.

„Ich liebe dich…!“, sagte ich leise.

„Ich weiß, Billy… ich dich auch.“

*-*-*

„Danke Grace, ich kann nicht mehr.“

Mum stand vor Matthew, hielt die Fleischplatte in den Händen und wollte eine weitere Scheibe auf seinen Teller laden. Er schüttelte den Kopf und hielt seine Hände über den Teller.

„Du bist im Wachstum, Matthew…, komm, ein Stück verträgst du noch.“

„Nein Grace, wirklich nicht, ich bin voll.“

„Und ihr Jungs?“, fragte nun Mum Dad und mich.

„Ich bin auch fertig“, sagte ich.

„Also ich könnte noch ein kleines Stück vertragen“, kam es von Dad, der grinsend seinen Teller hoch hob.

Mum lud eine weitere große Scheibe auf seinen Teller und Dad löffelte sich noch eine Portion Kartoffeln dazu. Ich konnte nicht anders und musste grinsen.

„Ihr könnte ruhig schon aufstehen, braucht nicht darauf warten, bis ich fertig bin“, sagte Dad, der mein Grinsen sah.

Ich stand auf und brachte Matthew seine Krücken.

„Willst du gleich nach oben, oder noch etwas auf die Veranda?“, fragte ich.

„Veranda… keine schlechte Idee.“

Ich lief voraus und öffnete die Haustür, während mir Matthew humpelnd folgte. Draußen an der Bank angekommen, setzte ich mich, Matthew ließ sich einfach fallen und hob seinen eingegipsten Fuß auf meine Beine.

Er atmete tief durch und ließ sich einfach gehen. Die Sonne stand schon tief und zum ersten Mal sah ich in Amerika einen Sonnenuntergang. Die Farben am Himmel waren ganz anders als in England.

„Über was denkst du nach?“

„Die Farben am Himmel.“

„Was ist mit ihnen?“

„Sie sind anders als in England.“

„Verstehe ich jetzt nicht.“

„Das Rot und das Orange sind hier irgendwie kräftiger…“

„Kann ich nicht beurteilen, ich kenne nur diese Sonnenuntergänge.“

„Der erste gemeinsame…“, lächelte ich.

„Ja“, hauchte er leise und nahm meine Hand.

Tassilo

„Habt ihr alles?“, fragte ich nervös, als ich Marco meinen Koffer reichte.

„Ja Tassilo, wir haben alles“, kam es genervt von Ella, „und nun komm und steig ein!“

„Ja Mama…“

Ella kicherte und stieg nach vorne auf den Beifahrersitz. Wenig später rollte der Wagen die schmale Straße zum Ort hinunter. Ich drehte mich noch einmal um und schaute etwas wehmütig zum Leuchtturm zurück.

Der Tag gestern alleine mit Daniel und Ella war einfach ein Traum gewesen. Keine Probleme, keine Sorgen, nichts trübte unseren Spaß. Wir hatten einen langen Sparziergang an der Küste entlang gemacht, waren abends lange vor dem Kaminfeuer gesessen.

Jeder erzählte Anekdoten aus seinem Leben, es war einfach nur schön. Der Leuchtturm entfernte sich immer mehr und war schon nach der nächsten Kurve nicht mehr zu sehen.

„Alles klar mit dir?“, fragte Daniel.

Ich nickte.

„Es war schön gestern“, sprach er weiter.

„Ja, das war es“, erwiderte ich und lächelte.

Er nahm meine Hand.

„Bist du aufgeregt?“

Wieder nickte ich.

„Wie lange hast du Billy nicht mehr gesehen?“

„Fast über zwei Monate.“

Warum fragte er das jetzt?

„Wie ist er so? Ich habe dich nie so direkt nach ihm gefragt.“

„Hm… Billy. Ein gut aussehender Kerl, sehr lieb und immer für einen da. Seine ruhige Art hielt mich immer am Boden.“

„Du redest über Billy wie… du liebst ihn immer noch, oder?“

Ich seufzte.

„Ja, klar.“

Daniels Blick wurde trauriger.

„Aber was wird sein, wenn ihr euch wieder seht? Wenn du lieber mit ihm…“

Ich unterbrach Daniel, indem ich meinen Finger auf seinen Mund legte.

„Daniel, ja, ich liebe ihn immer noch“, fing ich leise an zu reden, „aber diese Liebe ist anders. Du bist jetzt mein Freund, den ich über alles liebe. Billy wird immer in meinem Herzen bleiben, aber eben nicht mehr so, wie es früher war, das ist vorbei.“

„Wirklich?“, fragte Daniel mit Tränen in den Augen.

„Jetzt küss ihn schon Tassilo“, kam es von vorne.

Ich schaute nach vorne, wo mir Ellas Lächeln entgegen strahlte.

„Ein Blinder sieht, wie er dich liebt und glaube mir, ich kann das beurteilen, ich kenne diesen Kerl schon lange genug!“

Jetzt musste sogar Daniel lächeln. Ich hauchte ihm einen Kuss auf die Wange und zog ihn in meine Arme.

*-*-*

Ich war froh, dass wir am Londoner Flughafen Heathrow so zeitig ankamen. Zur Überraschung von uns waren alle drei Mütter anwesend, um sich noch einmal zu verabschieden.

„Habt ihr auch alles?“, fragte Ellas Mum besorgt.

„Ja Mum und wenn ich etwas vergessen habe, rufe ich an und du schickst es mir nach.“

Verstört schaute Ellas Mum sie an, bevor sie merkte, dass sie mal wieder von ihrer Tochter auf den Arm genommen wurde.

„Ich bin in guten Händen und in den Staaten gibt es auch Supermärkte“, meinte Ella.

Sie wurde, wie wir auch, noch einmal kräftig gedrückt, bevor wir durch die Schleuse in den VIP-Bereich kamen. Eifrig winkten wir den drei Damen noch einmal zu, bevor uns ein junger Mann ansprach.

„Könnte ich bitte Ihre Ausweise haben?“

Alle händigten wir unsere Ausweise aus, die er an sich nahm.

„Hier entlang“, sprach er weiter und wies uns zu einer Tür.

Ich machte große Augen, da ich ja hier noch nie gewesen war. Ein großer Raum mit vielen Sesseln und einer kleinen Bar offenbarte sich uns. Daniel schien das schon öfter gesehen zu haben, denn er steuerte zielsicher auf einen Sessel zu und ließ sich fallen.

„Wow geht es hier vornehm zu“, sagte Ella, die ich zum ersten Mal total ehrfürchtig erlebte.

Der junge Mann betrat nun ebenfalls den Raum und händigte uns unsere Ausweise wieder aus.

„Möchten die Herrschaften etwas trinken, bevor sie die Maschine besteigen?“, fragte er in höflichem Ton.

„Drei Orangensaft, bitte“, meinte Daniel und der Mann nickte.

„Bist du schon oft geflogen?“, fragte ich.

„Ja, es ist praktischer, nach Schottland zu fliegen, als mit dem Auto oder dem Zug zu fahren. Im Sommer sind wir oft auf dem Anwesen bei Edinborough.“

„Das will ich alles einmal sehen“, meinte Ella und schaute sich weiter um.

„Kein Problem“, sagte Daniel lächelnd.

Der junge Mann erschien wieder und servierte jedem von uns einen Orangensaft. Daniel musste noch etwas unterschreiben und dann verließ er uns wieder. Ich nahm das Glas und nippte daran.

„Mmm, der ist frisch gepresst“, stellte ich fest.

„Klar, was denkst du denn“, sprach Daniel und nahm lächelnd auch einen Schluck.

„Das hier ist voll abgefahren“, kam es von Ella, „daran könnte ich mich gewöhnen.“

„Nicht wirklich, Ella“, widersprach ihr Daniel, „du siehst, was aus meiner Schwester geworden ist, die diesen Luxus in vollen Zügen genoss.“

„Du nutzt ihn doch auch.“

„Ja, aber nur wenn ich es für richtig halte, ansonsten versuche ich, so normal wie möglich zu sein.“

„Du bist normal“, mischte ich mich ein.

Daniel wackelte mit dem Kopf und verdrehte die Augen.

„Du weißt, was ich meine“, sagte er und ich nickte.

Da betrat diesmal eine junge Frau in Uniform den Raum.

„Lord Cavendish, das Flugzeug steht bereit, wir erwarten in wenigen Minuten die Freigabe für den Flug.“

„Danke“, erwiderte Daniel und die Dame verschwand wieder.

„Wie sich das anhört“, kicherte Ella, „Lord Cavendish.“

Ich strafte sie mit einem bösen Blick, aber sie kicherte weiter.

„Trinkt aus, dann können wir an Bord.“

Ich nickte Daniel zu und trank mein Glas in einem Zug aus. Als ich ihm dann folgte, wurde mir sehr bewusst, dass ich eigentlich noch nie in einem Flugzeug gesessen war, schon gar nicht in einem Privatjet.

„Was ist?“, fragte Daniel, als ich langsamer wurde.

„Ist das nicht ein bisschen weit… für so eine kleine Maschine?“, fragte ich, als ich diese draußen durch das Fenster sah.

„Es gibt einen Zwischenstopp in Chicago und dann direkt nach Springfield. Wir brauchen ungefähr etwas mehr als zehn Stunden.“

„Zehn Stunden?“, fragte ich entsetzt.

„Kann es sein, dass mein Schatz Angst vorm Fliegen hat?“

Ella kicherte schon wieder.

„Ich bin noch nie geflogen…“

„Noch nie?“, fragte Daniel erstaunt.

Ich schüttelte den Kopf und funkelte Ella an.

„Hast du keine Angst?“, fragte ich sie.

„Nein, ich finde das alles absolut klasse und bin total aufgeregt, aber Angst habe ich keine.“

Ich atmete tief durch und bewegte mich weiter vorwärts. Daniel nahm meine Hand und umschloss sie fest.

„Keine Angst, ich bin die ganze Zeit bei dir, okay?“

Ich nickte, wenn auch nicht überzeugt davon, dass meine Angst deswegen weichen würde. Gemeinsam betraten wir die Maschine und wurden von der Frau von eben begrüßt.

„Die Starterlaubnis wurde soeben erteilt, wir können sofort starten.“

„Danke Miller“, antwortete Daniel.

Ich war überrascht, wie nobel es hier eingerichtet war. Daniel lief voraus und ließ sich auf einem der vier bequem aussehenden Sitze nieder. Ella und ich taten es ihm gleich. Etwas hilflos hatte ich den Sicherheitsgurt in den Händen.

„Soll ich dir helfen?“, fragte Daniel und begann an meinem Gurt zu hantieren.

„Kann ich Ihnen helfen?“, meinte die Flugbegleiterin zu Ella, die grinsend nickte.

Wenig später begann die Maschine bereits zu rollen. Mein Puls ging hoch und mir wurde leicht übel.

„Ganz ruhig Tassilo, du wirst sehen, dir wird das Fliegen Spaß machen.“

„Da bin ich mir nicht so sicher…“, sagte ich leise und klammerte mich an den Armlehnen fest.

Plötzlich stand die Maschine wieder.

„Was ist jetzt?“, fragte ich ängstlich.

„Wir stehen auf der Startbahn. Der Pilot wird gleich beschleunigen und schon sind wir in der Luft.“

Es traf genau das ein, was Daniel eben beschrieben hatte. Nur, dass alles leicht anfing zu vibrieren, davon hatte er nichts gesagt. Ich fühlte mich wie in einem Aufzug, der immer schneller fuhr.

Plötzlich und ohne Vorwarnung war das Vibrieren weg und wenige Sekunden später erschien die Flugbegleiterin wieder.

„Möchte jemand etwas trinken?“, fragte sie.

Ich schüttelte nur den Kopf und Ella und Daniel verneinten.

„Ist es Ihnen Recht, wenn ich den Tee gegen vier Uhr serviere?“

„Ja, das ist in Ordnung“, meinte Daniel und die Flugbegleiterin verschwand wieder hinter der vorderen Tür.

Daniel neben mir öffnete plötzlich seinen Gurt und beugte sich nach vorne. Er zog die Schnürsenkel auf und entledigte sich seiner Schuhe.

„Würde ich euch auch vorschlagen, ohne Schuhe ist es einfach bequemer.“

Ich sah ihn an.

„Schatz, du kannst ruhig den Gurt öffnen. Wir sind bereits über 3000 Meter hoch.“

„Wo… woher weißt du das?“, fragte ich.

„Schau, da vorne über der Tür, die kleine Anzeige, da steht alles.“

Ich blickte nah vorne und sah, dass die Höhe immer noch anstieg. Plötzlich machte sich Daniel an mir zu schaffen und entfernte meinen Gurt.

„Ist es so nicht bequemer?“

Ich nickte.

„Immer noch so schlimm?“

Diesmal schüttelte ich den Kopf.

Es fühlte sich angenehm an, vor allem, weil die Maschine völlig ruhig flog.  Ella hatte sich mittlerweile auch ihrer Schuhe entledigt und lief herum.

„Wo geht es dahin?“, fragte sie und zeigte auf eine Tür.

„Toilette mit kleinem Bad.“

Und schon war Ella verschwunden. Daniel erhob sich und kam zu mir.

„He ganz ruhig, komm., schau mal nach draußen, es ist alles in Ordnung.“

Er zog mich zu einem dieser kleinen Fenster und ich blickte hinaus. Durch zahlreiche Wolkenfelder konnte ich die Küste Englands erkennen, wenn auch nur in kleiner Ausführung. Die Tür öffnete sich abermals, nur dieses Mal war es nicht die Frau von vorhin, sondern ein Mann in Uniform kam herein.

„Hallo Mike“, sagte Daniel und lächelte.

„Hallo Daniel, freut mich, dich auch mal wieder fliegen zu dürfen.“

„Das ist unser Pilot Mike“, meinte Daniel, was bei mir eine kleine neue Panikattacke auslöste.

„Ähm… wenn der Pilot hier ist… wer steuert dann die Maschine?“, fragte ich leicht panisch.

Mike grinste, während Daniel antwortete.

„Der Copilot, Schatz. Mike ist der Kapitän der Maschine und ich kenne ihn eigentlich von klein auf.“

„Aha…“

So alt sah Mike noch nicht aus.

„Mike, erzählst du bitte Tassilo etwas über die Maschine? Er fliegt heute das erste Mal.“

„Gerne! Also die Maschine ist eine Gulfstream V und kann bis zu dreizehn Passagiere befördern. Ihre Reichweite beträgt ungefähr 12.000 km und mit 15.500m recht hoch fliegen. Im Augenblick haben wir eine Reisegeschwindigkeit von knapp 600 km in der Stunde.“

„Aha…“, entfleuchte es mir erneut.

Mike lächelte immer noch und er schien zu bemerken, dass meine Angst in keinster Weise verflogen war.

„Ich habe da eine Idee Daniel, darf ich dir deinen Freund kurz entführen?“

„Klar“, antwortete dieser.

„Tassilo, würdest du mir kurz folgen?“

Ich nickte unsicher und stand auf, während Daniel mich aufmunternd anlächelte. So folgte ich Mike nach vorne durch die Tür, durch die er eben gekommen war. Vorbei an der Flugbegleiterin, die in einer Art kleinen Küche etwas zubereitete.

Eine weitere Tür, die meine Sicht versperrte, wurde geöffnet und nun stand ich plötzlich im Cockpit des Fliegers. Ein weiterer Mann kam ins Sichtfeld, anscheinend der Copilot, der die Maschine steuerte.

„Da, setz dich hin“, meinte Mike und wies auf seinen Platz.

„Ich soll mich wirklich da hin setzten?“, fragte ich verwundert nach.

Der Copilot lächelte mich an und nickte mir zu. Auch Mike nickte mir zu und so setzte ich mich, jetzt noch mehr verunsichert, auf diesen Platz. Überall blinkte es. Tausende Lämpchen leuchteten, so kam es mir zumindest vor.

„So und jetzt schau nach vorne“, sagte plötzlich Mike.

Ich blickte nach vorne, wie gesagt und sah vor uns eine unendliche Weite, viele Wolkenfelder und einen herrlich blauen Himmel darüber. Es schien, als würde der Jet die Wolken mit dem Bauch streicheln.

Irgendwo tief unten befand sich das Meer und weit hinten verfloss die Linie zwischen Meer und Himmel.

„…schön…“, sagte ich leise.

„Sag ich immer wieder“, meinte Mike.

Die Maschine wurde kurz durchgeschüttelt und meine Faszination schlug wieder in Angst um.

„Kleinere Turbulenzen, vielleicht sollten sich die Kids wieder anschnallen“, meinte der Copilot.

„Okay, ich bringe Tassilo nur wieder an seinen Platz.

Billy

„Du hast doch gesagt, dass sie in einem Privatjet kommen, oder?“, fragte Matthew.

„Ja“, antwortete ich.

„Dann brauchst du die Anzeige der ankommenden Flüge nicht studieren, da ist der Flug nämlich nicht verzeichnet.“

„Warum das denn?“

„Weil das ein Privatflug ist und keine Sau etwas angeht.“

Ich musste über Matthews Ausdrucksweise grinsen, aber es stellte sich eine andere Frage.

„Und wo bekommen wir heraus, wo die Maschine landet?“

„An der Auskunft?“

Matthew grinste über das ganze Gesicht, obwohl er etwas unbeholfen mit seinen Krücken aussah. So humpelte er voran in Richtung eines Auskunftsschalters. Dort angekommen lehnte sich Matthew gegen die Theke.

„Guten Tag, womit kann ich helfen?“, sagte die freundliche Dame dahinter.

„Könnten Sie uns sagen, wo die Privatflüge angezeigt werden?“

„Gar nicht…“

„Wo hast du den Zettel, wo alles drauf steht?“, fragte nun Matthew und hielt seine Hand zu mir hin.

Ich zog das Blatt aus meiner Hosentasche und gab ihn Matthew. Der reichte ihn der Frau hinter der Theke. Die entfaltete das Blatt und las sich alles in Ruhe durch. Danach machte sie sich an der Tastatur zu schaffen.

„Voraussichtliche Ankunft in einer halben Stunde. Dazu müsstet ihr aber in den VIP-Bereich und dazu bräuchtet ihr eine Genehmigung.“

„Wo bekommen wir die?“, fragte Matthew.

„Normalerweise durch den Besitzer des Privatjets.“

„Andrew Cavendish“, sagten Matthew und ich wie aus einem Munde.

Die Dame nickte und schaute an Matthew herunter.

„Du kannst sicher nicht mehr lange stehen, oder?“

Matthew verstand erst nicht, fing dann aber plötzlich heftig an zu nicken.

„Madeleine, kannst du mal kurz übernehmen?“, fragte nun die Dame und eine andere kam dazu.

„Man folge mir unauffällig“, sagte sie dann, als sie die Theke umrundet hatte.

So durchquerten wir fast die ganze riesige Halle, bis wir an eine Absperrung kamen. Die nette Dame vom Schalter zog einen Schüsselbund hervor und öffnete das Gittertor. Sie ließ uns ein und verschloss es nach uns wieder.

„So, hier könnt ihr warten“, meinte sie und öffnete eine Tür.

Matthew stieß einen Pfiff aus.

„Nobel…nobel“, meinte ich.

„Eine halbe Stunde müsst ihr noch warten, dann kommt die Maschine an.“

Schon waren wir alleine. Matthew lies sich in einem der großen Ledersessel nieder, ich tat es ihm gleich.

„Irgendwie fühl ich mich hier unwohl“, meinte Matthew plötzlich.

„Warum?“

„Das ist eindeutig nicht meine Welt.“

„Meine auch nicht, aber man kann ja mal hinein schnuppern oder?“

Matthew zuckte mit den Schultern. Draußen vor der Tür war Gelächter zu hören und wenige Sekunden später wurde die Tür geöffnet.

„Wenn wir dieses Geschäft unter Dach und Fach haben, fließt einiges auf unsere Konten.“

Zwei Geschäftsmänner kamen herein.

„Ach du Scheiße“, flüsterte Matthew neben mir und sank in seinen Sessel.

„Was denn?“, flüsterte ich zurück.

„Das sind die Väter von Mike und Edward.“

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