Unterdrückung der Gefühle – Teil 7

Als ich mit meiner Musterung fertig bin, schaue ich Domi fragend an.

Besagter hat ein breites Grinsen aufgelegt und sagt zu uns: „Ich bin dann mal weg. Amüsiert euch gut.“

Dann geht er aus dem Zimmer und gleich darauf hört man die Wohnungstür zufallen. Ein Schauer läuft über meinen Rücken. Man könnte eine Stecknadel fallen hören, so ruhig ist es auf einmal.

Ich werde unruhig.

Jetzt bloß keinen Fehler machen. Als ich meinen Blick zu Leon wandern lasse, schaut dieser mich auch gerade an. Es kommt mir vor, als würde genau in diesem Moment ein Blitz durch meinen Körper sausen. Wir sind wie versteinert und starren uns eine ganze Zeit an. Dann macht Leon einen kleinen Schritt auf mich zu.

Was nun? Wie soll ich mich verhalten? Will ich es überhaupt? Bevor ich jedoch reagieren kann, hat Leon schon seine Hände an meinen Oberarmen platziert, zieht mich an sich ran und küsst mich.

Wieder diese warmen weichen Lippen, die so verdammt süß schmecken. Ich dulde seinen Annäherungsversuch.

Warum auch nicht. Schließlich finde ich ihn sehr sympathisch. Seine Zunge streicht zart über meine Lippen und ich gewähre ihr Einlass. Sie ist ganz heiß und jetzt merke ich auch wo der süße Geschmack her kommt.

Ein Kaugummi. Wie unromantisch. Um nicht zu sagen ekelig. Ich versuche ihn sanft von mir zu drücken. Was mir nach kurzer Gegenwehr auch gelingt. Um nicht unhöflich zu wirken, weise ich Leon daraufhin, dass es schon spät ist und wir doch langsam los sollten.

Dieser schaut mich etwas niedergeschlagen an, nickt dann aber zustimmend. Wir nehmen also unsere Jacken, ziehen im Flur noch unsere Schuhe an und machen uns dann auf den Weg. Als wir unten auf der Straße sind, weiche ich Leons Versuch meine Hand zu nehmen gekonnt aus.

Nicht das ich etwas dagegen hätte in der Öffentlichkeit Händchen zu halten. Aber da noch nichts zwischen uns Fest steht und ich mir auch noch immer nicht schlüssig darüber bin, ob ich das wirklich möchte, läuft so etwas einfach nicht.

Ich stecke also meine Hände in die Jackentaschen. Passt auch, da es nun nicht gerade warm ist. Dort spüre ich doch tatsächlich eine Schachtel Zigaretten. Richtig, ich hatte ja zwei Schachteln gekauft, fällt es mir plötzlich wieder ein.

Und da ich immer ein Feuerzeug dabei habe, falls Domi mal seines vergessen hat, zünde ich mir auch gleich eine an. Das brauche ich jetzt einfach.

„Du rauchst“, kommt es schockiert von Leon.

„Hin und wieder“, gebe ich Auskunft.

„Und wieso dann überhaupt? Dann kannst du es doch auch sein lassen. Für deine Gesundheit wäre es besser“, erhebt Leon seine Einwände.

Ich verdrehe genervt die Augen, das hat mir gerade noch gefehlt. Um einen Streit zu umgehen, drücke ich die Zigarette an einer Wand aus und schmeiße sie in den nächsten Mülleimer. Als ob das jetzt so schlimm war.

Viele Rauchen doch. Und wenn ich es nur hin und wieder mache, ist es doch längst nicht so schlimm, als wenn ich es immer machen würde. Aber ich glaube, der eigentliche Grund ist Domi. Er raucht ja nun schon seit Jahren und deswegen habe ich das Gefühl, wir sind uns näher, wenn ich auch ab und an eine rauche.

Außerdem kommt man sich so öfters mal näher. Ich muss dabei an unsere Verfolgungsjagd von heute Nachmittag denken und ein Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht. Den restlichen Weg zum Club schlendern wir wortlos nebeneinander her.

Die Stimmung wird schlagartig besser, als wir bekannte Leute im Club treffen, mit denen wir ins Gespräch kommen. Ich bestelle mir ein Bier. Leon nimmt einen Cocktail. Bei der Musik haben wir auch ganz gegensätzliche Geschmäcker.

Ich mag es eher poppig. Es muss Schwung und Rhythmus drin stecken. Leon hingegen mag es eher ruhig. Würde mich nicht wundern, wenn er mir gleich erzählt, dass er auf Classic steht. Außerdem bin ich von seiner flippigen Art von Minute zu Minute genervter.

Umso mehr er trinkt, des so unruhiger wird er. Das ist jetzt schon sein fünfter Cocktail, den er da schlürft. Wir passen einfach nicht zusammen, egal wie gut er aussieht und wie nett er ist, wir sind einfach zu verschieden.

Bloß wie werde ich Leon wieder los, ohne gleich unhöflich zu wirken? Wie es der Zufall will, fragt mich ein Bekannter, der mit uns am Tisch sitzt, ob wir mit rüber in die Diskothek gehen. Dort ist es meist brechend voll und es wäre die Gelegenheit sich aus den Augen zu verlieren.

Also willige ich ein.

Und nachdem ich meine und auch Leons Getränke bezahlt habe, ziehe ich Besagten am Arm hinter mir her. Leon freut sich und hüpft wie ein kleines Mädchen von einem aufs andere Bein.

„Wo gehen wir jetzt hin?“, will er neugierig wissen.

„Warts ab“, erwidere ich.

Den Eintritt bezahlt jeder für sich, als Leon auf einmal aufschreit: „Ich hab meine Getränke gar nicht bezahlt.“

Er will schon kehrt machen, als ich ihn festhalte.

„Ich habe alles bezahlt. Bist von mir eingeladen“, beruhige ich Leon.

„Och, wie süß von dir“, mit diesen Worten schlingt Leon beide Arme um mich und ich hab Mühe die wieder los zu werden.

Aber so gab es wenigstens eine Abschiedsumarmung, denn nur wenige Minuten später haben wir uns tatsächlich verloren. Das muss gefeiert werden, weshalb ich mich erst einmal auf direktem Weg zur Bar begebe.

Als ich mein Bier bekomme, setzte ich die Flasche an und leere sie in einem Zug. Das merk ich jetzt aber. Ich hätte doch mehr essen sollen. Dann erspähe ich plötzlich Leon, der genau auf mich zu kommt, und ich beschließe: Nichts wie weg hier!

Also begebe ich mich in die Menge, wenn auch auf wackeligen Füßen. Am Besten wäre es ja wenn ich die Diskothek verlasse, doch vorher muss ich dringend noch wohin. Mit dem Druck auf meiner Blase schaffe ich es unmöglich nach Hause.

Ich peile die neuen Toiletten an und sehe wie verdammt voll es dort ist. Zum Glück weiß ich, dass die alten Toiletten noch benutzt werden können. Und nur die Wenigsten wollen da hin. Alle möchten den neuen Luxus genießen. Aber mir ist es egal. Immer noch besser als draußen hin zu machen.

Ich kämpfe mich also zu den alten Toiletten durch. Dort angekommen trennt mich nur noch ein langer Korridor von meiner Erleichterung. Das Licht flackert. An… aus… an… aus… an… aus. Ich fühle mich wie in einem schlechten Horrorfilm und taste mich zur Sicherheit an der Wand entlang.

Was meinem Kopf auch ganz gut tut. Mittlerweile dreht sich schon alles. Warum kann ich auch nicht so viel  vertragen? Überraschend taucht vor mir ein knutschendes Pärchen auf, denen ich gerade noch ausweichen kann.

Die zwei sind wohl genauso erschrocken wie ich und machen sich schnell aus dem Staub. Hab sie wohl verschreckt. Endlich komme ich bei den Toiletten an. Dort ertappe ich einen großen Mann beim Onanieren.

Der ebenfalls das Weite sucht. Bevor noch mehr düstere Gestalten auftauchen, erleichtere ich mich schnell. Die Spülung funktioniert nicht richtig und als ich mir die Hände waschen will, kommt nur braunes Wasser. Okay, dann eben ohne.

Ich will ja eh nach Hause. Als ich aufschaue, fällt mir auf, dass die meisten Spiegel fehlen und die noch vorhandenen kaputt sind. Kein Wunder, dass hier niemand hin gehen will. Ich schaue in einen zerbrochenen Spiegel und merke wie fertig ich aussehe. Ich schwöre, nie wieder Alkohol!

Für einen Moment halte ich mich am Türrahmen fest, bevor ich mich torkelnd auf dem Weg Richtung Tanzfläche mache. Das Licht flackert noch immer. Ich wandere wieder stützend an der Wand entlang.

Das Licht am Ende des Korridors scheint mir so unendlich weit weg. Als mich plötzlich jemand an der Schulter herumreißt und gegen die Wand drückt. Erschrocken schließe ich reflexartig die Augen.

Und spüre einen Druck an meinem Körper, der nun noch fester an die Wand gepresst wird. Oder ist er nur schwer wegen des Alkohols? Als ich es endlich schaffe meine Augen zu öffnen, blicke ich in ein bekanntes Gesicht.

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