Welcome to Australia – Teil 15

Tom

Erstaunt schaute mich Mollys Großvater an.

„Mein Tagebuch?“

„Ja, Tom wohnt doch in deinem alten Zimmer und hat er es durch Zufall unter dem Dielenboden gefunden“, erklärte Molly.

Ich reichte ihm das Buch, weil ich einfach dachte, es wäre besser so. Er nahm es entgegen und lies die Seiten durch seine Finger gleiten.

„Komm Kinder setzt euch“, meinte er und ließ das Buch sinken, „ich hätte nicht gedacht, dass ich es noch einmal in Händen halten würde.“

„Wieso hast du es überhaupt versteckt?“, fragte Molly.

„Den Grund kann ich dir heute nicht mehr nennen, dass ist schon zu lange her…, aber vielleicht wollte ich einfach nur vergessen.“

Die anderen blickten mich an.

„Wa..arum wollten sie vergessen…?“, fragte ich leise.

„Weil… weil etwas zu einer Zeit geschah, für dass die Zeit nicht reif war. Es ist etwas zerbrochen, bevor es richtig entstand…“

Gedankenverloren starrte Mollys Grandpa auf das Buch.

„Es… es tut mir Leid“, begann ich zu stottern, „dass ich… ich darin… gelesen habe.“

Er schaute mich an.

„Ich habe schon damit gerechnet, dass es mal jemand findet, aber ich dachte, da wäre ich lange tot. Ich wollte niemand diese Schmach auflasten…“

„Was für eine Schmach?“, fragte Molly, die natürlich nichts verstand.

„Ich… sehe es nicht als Schmach“, gab ich von mir.

„Nicht?“

Ich schüttelte den Kopf.

„Ich weiß, heute ist eine andere Zeit und ich habe auch im Fernsehen gesehen, dass anscheinend nicht mehr so viele Probleme hat, wenn sich zwei Jungen küssen.“

Molly schaute mich erstaunt an. Sie kannte nicht den ganzen Inhalt des Buches, aber dafür Berry, der mir zulächelte. Ich wusste dass Abby ihren Vater oft besuchte, aber nicht, was er über mich erzählt hat.

„Ich weiß nicht was Abby ihnen über mich erzählt hat…“

„Dass du ein feiner Junge bist, ihr Neffe aus Amerika, der leider Pech hatte. Mehr weiß ich nicht.“

Ich nickte. So erzählte ich ihm in Kurzfassung was in Amerika passiert war.

„Junge, das tut mir sehr Leid mit deinem Vater.“

„Danke. Aber da ist etwas, was ich ihnen noch nicht erzählt habe, der Grund, warum ein Vater so sauer auf mich war.“

„Ich dachte, er gab dir die Schuld, warum deine Mutter gegangen war.“

„Das auch, aber er kam nicht damit klar…, dass ich lieber mit Jungs zusammen bin…, als mit Mädchen.“

Sein Kopf fuhr hoch und er schaute mich durchdringend an.

„Du meinst, du bist…“

„Ja, ich bin schwul und“, ich schaute zu Berry und griff nach seiner Hand, „und dass ist mein Freund.“

„Du Berry?“

Berry nickte und lächelte breit.

„Und deine Eltern Molly haben keine Schwierigkeiten damit, oder eure Mutter Berry?“

Alle schüttelten den Kopf Mollys Grandpa lehnte sich zurück.

„Das hätte ich jetzt nicht gedacht.“

Wir vier lächelten um die Wette.

„Deshalb… ist es für mich keine Schmach…“, sagte ich dann leise.

„Junge, damals war eine andere Zeit, wenn heraus gekommen wäre, dass Timothy und ich… „, er unterbrach und bekam wirklich ein rotes Gesicht, „mehr füreinander gefühlt haben, als es erlaubt war… ich weiß nicht was aus uns geworden wäre.“

Ich sah wie seine Augen feucht wurden und er den Kopf senkte. Timothy war weg gezogen und die Geschichte vorbei.

„Hatten sie…“

„Du, du kannst ruhig du sagen.“

„Hast… du nie versucht, Timothy zu finden?“

Er schüttelte den Kopf.

„Ich habe es mir nicht zugetraut. Was hätte ich auch sagen sollen, warum ich nach Timothy suche. Etwas später habe ich dann Mollys Großmutter kennen gelernt und habe versucht zu vergessen.“

„Kann man so etwas vergessen?“, wollte Molly wissen.

Wieder schüttelte er den Kopf.

„Und später hast du es auch nicht versucht?“, hakte ich nach.

„Nein, das Thema war für mich Vergangenheit. Ich hatte eine Tochter, die bald heiratete und mir eine süße Enkelin schenkte.“

Molly wurde rot und Lesley kicherte. Plötzlich spürte ich etwas auf meinem Arm. Ich schaute hinunter und sah einen Wassertropfen. Unbemerkt hatte sich der Himmel zugezogen und es schien das Regen kam.

Ich war anscheinend nicht der einzige der das bemerkte, denn nach und nach gingen alle Köpfe nach oben. Es war der erste Regen, den ich hier erlebte.

„Wir sollten vielleicht hineingehen…, ihr bleibt doch noch?“

„Klar Grandpa“, meinte Molly und stand auf.

„Bei Regen möchte ich nicht unbedingt draußen sein“, kam es von Lesley.

„Wieso?“, fragte ich, „wäre doch einmal eine schöne Abwechslung und kühlend auch.“

Berry schaute zu mir, während er mit mir gemeinsam aufstand.

„Du hast hier noch keinen Regen erlebt, oder?“

Ich schüttelte den Kopf.

*-*-*

Mein Gesicht klebte am Fenster. Nun regnete es schon eine halbe Stunde. Aber regnen konnte man das eigentlich nicht mehr nennen. Es schüttete Wassermassen vom Himmel. Da wo wir vorhin gesessen hatten, war jetzt ein kleiner See.

„Ist dass immer so?“, fragte ich.

„Meistens. Es hört zwar nach einer Stunde auf, aber dafür steht alles unter Wasser“, beantwortete Berry meine Frage.

„Wollt ihr warten bis der Regen aufgehört hat, oder soll ich Abby anrufen, damit sie euch holen kann?“, fragte Mollys Grandpa.

Ich drehte mich zu den anderen.

„Wir warten bis es vorbei ist“, entschied Molly einfach.

Ich verließ das Fenster und setzte mich zu den anderen. Als ich neben Mollys Grandpa vorbei lief, hielt er mir das Buch entgegen.

„Dass ist doch deins…“, meinte ich und setzte mich.

„Du hast es gefunden, also gehört es dir.“

Nur widerwillig nahm ich das Buch entgegen.

„Aber…, da sind deine ganzen Erinnerungen drin, möchtest du es nicht wieder haben?“

„Tom, all das, was hier geschrieben steht, habe ich auch in meinem Kopf. Solange ich mich an alles erinnern kann, brauche ich das Buch nicht.“

Ich nickte.

„Danke“, meinte ich.

Eine kleine Pause entstand, wo niemand etwas zu sagen hatte. Ich setzt mich bei Berrys Bein und er legte einen Arm um mich.

„Hast du es Grandma erzählt?“, fragte Molly plötzlich.

Grandpa schaute auf.

„Nein, ihr seid die ersten, mit denen ich darüber spreche.“

„Ich stell mir das schlimm vor. Wenn ich daran denke, welche Schwierigkeiten Tom deswegen mit seinem Vater hatte und zu niemandem gehen konnte, um darüber zu reden, wie war das nur für dich?“

„Molly, es war eben eine andere Zeit, wo andere Regel galten. Es wird schon seinen Grund gehabt haben, dass es so gelaufen ist, wie es gelaufen ist.“

„Aber…, aber um welchen Preis?“, fragte ich, „seine Liebe aufgeben zu müssen… ich finde das furchtbar! Ich könnte mir nicht vorstellen, ohne Berry zu sein.

„Ich auch nicht ohne dich…!“, kam es von Berry.

Ich drehte mein Kopf und lächelte ihn an.

„Man könnte fast neidisch werden, wenn man euch beide so sieht“, kam es von Grandpa.

„Ja, die zwei kleben ständig beieinander“, warf Lesley ein.

„Lesley, du stehst deinem Bruder aber in nichts nach, oder warum bist du laufend bei Molly?“

Lesley funkelte mich an, während die anderen grinsten.

„Schaut der Regen wird weniger“, unterbrach Grandpa die Situation.

Ale Köpfe drehten sich Richtung Fenster, aber ein Klopfen an der Tür änderte dies gleich wieder.

„Ja?“, sagte Grandpa.

Die Tür ging auf und Bob kam zum Vorschein.

„Bob, was für eine Freude.“

„Hallo James“, sprach Bob und lächelte uns an.

„Wenn ich gewusst hätte, dass ihr alle kommt, hätte ich einen Kuchen bestellt.“

„Das ist doch nicht nötig! Ich bin nur vorbei gekommen, weil Abby mich geschickt hat, nach den Kindern zu schauen und da ich jetzt enorm viel Zeit habe, bin ich gleich losgefahren.“

„Ja Abby hat erzählt, dass du etwas kürzer treten sollst.“

Bob schaute sich im Zimmer um.

„Vielleicht könnte ich ja zu dir ziehen, wenn ich zu Hause nicht mehr gebraucht werde.“

„Bob… Dad!“, kam es aus Mollys und meinem Mund gleichzeitig.

Er grinste uns frech an.

„Deine Kinder scheinen von dieser Idee nicht begeistert zu sein“, meinte Grandpa.

„War auch nur Spaß. Aber ich soll die von Abby fragen, ob du am Sonntag Lust hättest bei uns Mittag zu essen.“

„Gerne.“

„Gut, dann hole ich dich ab und ihr helft mir die Räder einladen, dass ich euch trockenen Fußes nach Hause bringen kann.“

Wir verabschiedeten uns alle von Grandpa, wobei ich der Letzte war und wartete, bis alle das Zimmer verlassen hatten.

„Und du bist sicher, dass ich das Buch wieder mitnehmen soll?“, fragte ich.

„Ja, das ist kein Problem für mich.“

„Keine Nachforschungen… ob es Timothy noch gibt?“

„Wie denn? Ich weiß ja nur, dass er Timothy Stefferson heißt, wie sollte ich da etwas herausfinden?“

„Timothy Stefferson?“

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