Vertrauen und Verrat
Malte
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das die richtige Entscheidung war. Wegen so einer Kleinigkeit gleich meine Sachen zu packen. Claas wollte ja schon die ganze Zeit, dass ich ausziehe und bei ihm einziehe.
Aber so schnell hatte ich es nicht vorgehabt. Zumindest wollte ich für Kimi einen Nachmieter haben und vor allem mit ihm drüber reden. Im Streit auseinander zu gehen passt nicht zu mir. So etwas mache ich eigentlich nicht, doch da ich nochmal in die Wohnung muss, um meine restlichen Sachen zu holen, hoffe ich einfach mal, dass sich eine Möglichkeit findet nochmal über alles zu reden.
Wenn er Till noch immer liebt, dann muss ich es wohl oder übel akzeptieren. Auch wenn die Beziehung zum Scheitern vorprogrammiert ist. Die Beiden sind einfach viel zu unterschiedlich. Seufzend gehe ich ins Treppenhaus hinein und stelle zum Bedauern fest, dass der Fahrstuhl mal wieder kaputt ist.
Also laufe ich bis in den fünften Stock und komme total außer Atem an Claas seiner Wohnung an. Oder sollte ich besser unserer Wohnung sagen? Das klingt für mich noch viel zu neu. Aber noch habe ich den Mietvertrag ja nicht mit unterschrieben.
Claas wollte sich gleich mit dem Vermieter in Verbindung setzen. Er meinte, der wäre ganz in Ordnung, nicht viel älter als wir und ganz locker drauf. Da lass ich mich mal überraschen, was der dazu sagen wird.
Ich stelle den schweren Karton auf den Boden ab und krame in meiner Jackentasche nach meinem Haustürschlüssel. Die Tür unten ist Tagsüber fast immer angelehnt, was eigentlich auch nicht von Vorteil ist, da so jeder ins Treppenhaus kann.
Aber wenn man die Hände voll hat, kann es durchaus sehr angenehm sein. Endlich findet der Schlüssel seinen Weg ins Schloss und ich schließe auf. Anschließend nehme ich den Karton wieder hoch und trete in die warme Wohnung ein.
„Schatz, ich bin wieder zu Hause“, begrüße ich Claas freudig.
Eine ungewohnte Stille herrscht in der Wohnung. Nur leise Musik dringt aus der Stube. Ich stelle den Karton im Flur ab und schließe die Haustür hinter mir.
„Ich habe erst mal nur ein paar Sachen mitgenommen“, rede ich weiter durch die geschlossene Stubentür, „den Rest hole ich irgendwann später. Dann will ich auch nochmal mit Kimi reden. Wenn du dann auch mit möchtest, können wir gerne zu zweit hingehen.“
Es kommt immer noch keine Antwort von Claas, weshalb ich erst mal meine Jacke ablege und aufhänge.
Dann gehe ich zur Stube rüber und frage durch die Tür hindurch: „Claas? Bist du da? Schläfst du?“
Es dringen komische Geräusche aus dem Zimmer. Sei sind nur leise, aber unverkennbar vertraut. Hastig öffne ich die Tür und es biete mich ein Anblick, der mir lieber erspart geblieben wäre.Claas sitzt auf allen Vieren auf den Fußboden und hinter ihm ein unbekannter Mann in eindeutiger Position.
Ich bin starr vor Schreck und kann mich für einen Moment nicht bewegen.
„Oh Malte, du bist schon zurück“, kommt es von Claas, „darf ich dir Steffen vorstellen, unseren Vermieter.“
„Sehr erfreut“, begrüßt mich Steffen lächelnd und zieht seinen gewaltigen Penis aus Claas heraus, „vielleicht hast du ja Lust mitzumachen?“
Schauer des Ekels laufen über meinen Rücken, während sich gleichzeitig Tränen in meinen Augen bilden. Überstürzt verlasse ich die Wohnung, renne die Treppe runter auf die Straße, wo ich beinahe von einem Auto angefahren werde.
Der Fahrer schimpft mir noch hinterher: „Pass doch auf.“
Doch ich laufe einfach weiter, bis meine Beine nicht mehr können und ich an einer Hausecke halt mache. Mir ist auf einmal so schlecht, dass ich mich mehrfach übergeben muss. An der Hauswand gelehnt bekomme ich noch blöde Sprüche an den Kopf geworfen.
„Na, wohl zu viel gesoffen, was?“, höre ich eine unbekannte Stimme hinter mir.
Doch mir ist alles egal. Sobald ich wieder bei Atem bin und mein Magen sich beruhigt hat, orientiere ich mich erst einmal. Ich befinde mich doch tatsächlich nur eine Straße von Kimis Wohnung entfernt – unserer Wohnung – meiner alten Wohnung.
„Ach, da braucht wohl gleich noch jemand eine Stärkung“, höre ich Tills Stimme neben mir und drehe mich hastig zu ihm um.
„Man oh man, du hast dich ja ganz gut übergeben“, fügt dieser noch hinzu.
Dann hackt er mich ein und zieht mich mit sich in Richtung Wohnung.
„Kimi hat es vorhin auch aus den Latschen gehauen. Deshalb bin ich erst mal los und habe Brötchen geholt“, erklärt Till mir und hält die Tüte vor meiner Nase.
„Wie? Was ist mit Kimi?“, will ich auch gleich wissen.
„Nur mit der Ruhe. Wir sind ja gleich da. Aber keine Angst, deinem Kimi geht es gut“, entgegnet Till grinsend, „ihr müsst euch wirklich sehr lieben.“
„Was? Wie kommst du da drauf?“, frage ich erstaunt.
„Das merkt doch ein Blinder! Die Tatsache wie Eifersüchtig ihr seid, wenn der andere einen Partner hat oder wie du auf mich reagiert hast, nur weil ich nett sein wollte. Dann die Tatsache, dass ich absolut keine Chancen bei Kimi mehr habe. Trotz dass es ihm schlecht ging und ich es irgendwo ausgenutzte, bekam ich einen Korb von ihm.“
Ich klebe förmlich an Tills Lippen und lasse jedes Wort was er zu mir sagt wirken. Als wir bei der Wohnung ankommen, hält Till kurz inne.
„Aber das mit meiner Nase klären wir noch, auch wenn ich dafür vollstes Verständnis habe.“
Aus irgendeinem Grund muss ich über diese Worte grinsen. Doch im nächsten Moment meldet sich wieder meine Magen, vermutlich wegen der Aufregung jetzt auf Kimi zu treffen.
Ich sehe noch, dass Till mit Kimis Schlüssel die Tür öffnet und sie aufstößt bevor er in die Wohnung ruft: „Bin wieder da.“
Ein Brummen kommt aus Kimis Zimmer und ich folge Till einfach der voraus geht.
„Ich habe jemanden mitgebracht“, sagt Till und schiebt mich an sich vorbei.
Kimi sitzt mit gesenkten Kopf auf dem Bett, während um ihn herum jede Menge Taschentücher verstreut liegen. Es kommt jedoch keine Reaktion von ihm, weshalb ich auch näher an ihn herantrete.
„Kimi?“, frage ich zaghaft, während ich mit den Tränen zu kämpfen habe.
Ich gehe noch näher an ihn ran und knie mich nun sogar zu ihm runter. Als immer noch nichts von Kimi kommt, nehme ich seine Hände in die meinen.
Endlich hebt er den Kopf und sieht mich erstaunt an: „Malte?“, kommt es ungläubig, „Malte!“
Dann umschlingen mich seine zarten Arme und halten mich so fest wie schon lange nicht mehr. Ein warmes, angenehmes Gefühl breitet sich in mir aus und ich genieße es in vollen Zügen Kimis Nähe zu spüren.
Nur nebenher höre ich Till noch sagen: „Ich lasse euch dann mal alleine.“
Bevor er die Zimmertür hinter sich schließt und den nachfolgenden Geräuschen zu urteilen, Essen macht. Nach einer ganze Weile, durchbreche ich die unangenehme Stille und erhebe das Wort.
„Es tut mir leid“, versuche ich den Anfang, „Ich…“
Doch Kimis Finger hält mich von weiteren Worten ab und seine hellgrünen Augen scheinen wie kleine Smaragde zu leuchten. Sein Finger verschwindet und seine Lippen hauchen mir einen zaghaften Kuss auf die meinen.
Dann umschlingen seine Arme mich abermals und ich höre seine leise Stimme an meinem Ohr.
„Es tut mir Leid. Unendlich Leid! Aber ich liebe dich. Ich liebe dich schon so lange!“