Murmeltier – Tag 7 – Finish

Ich wurde durch ein Geräusch wach, öffnete meine Augen und sah etwas blitzen. Das Kann ja wohl nicht wahr sein, durchzuckte mich der erste Gedanke an diesem neuen Morgen. Aber etwas war anders.

Etwas war ganz anders! Mein Arm fühlte sich taub an und ich saß nicht! Ich lag im Bett und neben mir und auf meinem Arm lag etwas, mit blonden Haaren.  Wieder war dieses Geräusch zu hören, das sich als Klopfen an der Tür herausstellte.

Die Sonne blinzelte ins Zimmer und blendete mich. Mist, durchfuhr es mich, wir hatten verschlafen! Gut ich nicht, aber Karl. Daran bestand kein Zweifel! Ich rüttelte etwas an seiner Schulter und er schlug die Augen auf. Als er die Sonne sah war er mit einem Ruck aus dem Bett.

„Mist, wir haben verschlafen“, entfuhr es ihm und stand orientierungslos im Zimmer und suchte anscheinend seine Sachen.

Ich schaute ihn an, wie er nackt vor dem Bett stand und Löcher in die Luft starrte. Ich musste laut lachen. Das entlockte ihm ein Lächeln. Aber mein Lachen hörte nicht auf. Ich wurde mir endlich bewusst, dass ich dieser Zeitschleife entkommen war.

Und diese Freude musste ich laut rauslachen. Und mein Schatz stand nackt vor mir und schaute, zwar lächelnd, aber immer noch ohne Peilung! Ich stand auf, nahm ihn in den Arm und drückte ihn zärtlich.

„He, ist doch nicht so schlimm, Katrin ist doch auch noch da“, und er wurde ruhiger.

Wir gaben uns einen Kuss und suchten anschließend unsere Sachen zusammen.

„Ich muss nach unten, wir sehen uns also nachher zum Frühstück“, sagte er und verschwand aus dem Zimmer.

Ich hatte zwar alle Sachen beieinander, hatte aber immer noch nichts an. Zuerst einmal duschen, ging es mir durch den Kopf. Also, ab ins Bad und Wassertemperatur eingestellt. Dann stellte ich mich unter das belebende Wasser und genoss es einfach.

Ich fühlte mich so gut an diesem Morgen, wie schon lange nicht mehr. Ich kniff die Augen zusammen, da ich etwas Duschgel ins Auge bekommen hatte. Ich spülte es grade raus, als mich zwei Hände von hinten zärtlich packten. Mir rutschte das Herz in die Hose, die ich nicht anhatte, meine Knie wurden weich und ich drohte hinzufallen.

Die Hände griffen fester zu, als ich im Absacken war und eine vertraute Stimme flüsterte an meinem Ohr: „Ich halte dich mein Liebling.“

Karl!!

Er hatte sich einfach reingeschlichen! Ich drehte mich mit einem Ruck um und sah, dass er ebenfalls nackt war.

„Ich hab heut frei, naja, fast“, sagte er mir lächelnd und zog mich in eine Umarmung.

Ich musste zuerst den Schreck überwinden, dann erst zog ich ihn zu mir und das Wasser über uns gab uns wohlige Wärme. Wir duschten lange und ausgiebig, das gegenseitige Einseifen machte uns schon wieder scharf, als wir ein dunkles brummen über uns hörten.

„Das ist der Hubschrauber“, sagte Karl aufgeregt und ich merkte ihn an, wie unruhig er wurde.

Schnell beendeten wir die Dusche und schlüpften in unsere Sachen. Wir hasteten nach unten, wo schon wieder Stille herrschte. Nur gut, das ich mir noch schnell meine dicke Jacke gegriffen hatte, so konnte ich gleich vor die Tür treten, Karl musste erst noch einen Umweg machen, um auch seine Jacke zu holen.

Vor der Tür fand ich Jo, der emsig beschäftigt war, Bilder von diesem Ereignis zu machen.

„Guten Morgen Jo“, und ich trat an ihn heran.

Erschreckt fuhr er herum, aber sein Gesicht hellte sich sofort auf, als er mich erblickte.

„Na, spät geworden gestern?“, und grinste mich breit an.

„Ja, deshalb haben wir auch verschlafen“, grinste ich ebenso breit zurück.

Wir schauten zum Hubschrauber, aus denen der Pilot, Copilot und ein Herr im mittleren Alter ausstiegen. Dieser wirkte dynamisch und durchtrainiert, es konnte nur der Vater von Karl sein, dachte ich mir.

Frau Aller und Katrin kamen, im Schlepptau Karl, nun ebenfalls vor die Tür. Frau Aller ging auf ihren Mann zu und umarmte ihn. Dann sahen wir sie einige Sätze sprechen und ihr Kopf wandte sich immer wieder flüchtig zu mir.

Auch Herr Aller, drehte den Kopf zu mir und durchbohrte mich fast mit seinem Blick. Karl erfasste die Situation und trat neben mir.

„Kommst du mithelfen, ausladen?“, fragte er.

„Ja“, entgegnete ich nur knapp und sah immer noch Karls Vater an, der mich auch nicht aus den Augen ließ.

Wir gingen zum Hubschrauber und Karl umarmte seinen Vater. Nachdem sie sich gelöst hatten wollte Karl zu reden ansetzen, aber sein Vater brachte ihm mit einer Bewegung zum Schweigen. Er betrachtete mich und streckte seine Hand nach mir aus.

Ich ergriff sie und wir schüttelten uns die Hände. Kein Wort wurde gesprochen. Mir war die Situation unheimlich. Was dachte er? Hatte er etwa Vorurteile, konnte er mich nicht leiden? Ich wusste es nicht.

Kaum hatten wir die Hände losgelassen, als Karl mir auch schon eine Kiste in die Hand drückte.

„Einfach in die Küche bringen“, sagte er und wandte sich wieder dem Hubschrauber zu.

Ich war froh, das Feld verlassen zu können. Meine Gedanken überschlugen sich. Was war das eben. Er hatte kein einziges Wort gesagt, noch nicht mal in seinem Gesicht konnte ich eine Reaktion sehen. Ich trottete in die Küche, wo Paul mir die Kiste abnahm.

Er lächelte mich an.

„Der Josef ist immer ein bisschen misstrauisch, mach dir mal nichts draus.“

Die Bemerkung von Paul machte mir Sorgen. Was, wenn er die Beziehung zwischen mir und Karl nicht akzeptierte? Wenn er sie ablehnte? Hätte ich dann überhaupt eine Chance mit Karl?

Ich lief langsam wieder zurück und Jo kam mir ebenfalls mit einer Kiste beladen entgegen. Er bemerkte meinen Blick und hielt kurz inne.

„Es wird schon, wirst sehen“, sagte er aufmunternd zu mir.

Ich nickte nur und setzte meinen Weg fort. Vor der Tür sah ich, wie Karl mit seinem Vater sprach. Er hatte einen hochroten Kopf, aber auch ein Lächeln auf den Lippen. Dann sah ich, wie sich die beiden umarmten.

Also schien alles gut zu sein? Ich wusste es nicht und auf den letzten Metern wurden mir die Knie weich. Grade, als ich sie erreicht hatte lösten sie sich aus der Umarmung und ich machte einige schnelle Schritte auf den Hubschrauber zu, aus denen mir noch eine Kiste gereicht wurde.

Ich ergriff sie schnell und machte mich gleich wieder auf den Weg zur Küche, ohne nach rechts oder links zu schauen. Erst als ich wieder durch die Tür war, atmete ich erleichtert auf. Ich übergab Paul die Kiste und drehte mich wieder um. Karl stand hinter mir, ebenfalls mit allen möglichem Zeug beladen.

„Das ist mein Vater“, sagte er nicht ohne Stolz, „er weiß von uns beiden, Mutter hat es ihm schon gesagt.“

„Und?“, fragte ich.

Er grinste mich an und blieb mir die Antwort schuldig, als er  wortlos seinen Weg zur Küche fortsetzte.  Was war denn das? Meine Gedanken machten in meinem Hirn Sprünge, aber nicht einen bekam ich klar zu fassen. Automatisch lief ich zur Tür, die grade von Karls Vater aufgestoßen wurde und Jo kam hinter ihm her.

Sie sahen mich nur flüchtig an und steuerten mit den schweren Kisten auf die Küche zu. Ich lief wieder auf den Hubschrauber zu, wo mir noch etwas gereicht wurde. Bevor ich zupacken konnte spürte ich zwei Hände in meinen Hüften und vor Schreck drehte ich mich rum.

Karls blaue Augen leuchteten mich an. Am liebsten wäre ich ihn um den Hals gefallen, aber da wurden wir vom inneren des Hubschraubers aufgefordert, weiter zu entladen. Also griff ich wieder zu und wartete, bis Karl auch seine Ladung hatte.

„Das ist alles“, erscholl es aus dem inneren.

Wir machten uns auf den Weg und Karls Vater und Jo kamen uns entgegen, in einem Gespräch vertieft.

„Wir haben alles“, sagte Karl im Vorbeigehen zu seinem Vater, der ihm einen lächelnden Blick schenkte.

Mich streifte er nur, sah aber nicht mehr so ausdruckslos aus. Wir übergaben die Sachen an Paul und Jo holte hinter der Theke etwas zu trinken für uns.

„Oh, schau nur, da können wir gleich noch frühstücken“, sagte Karl und zeigte auf das Buffet, das immer noch reichlich gedeckt war.

Wir schnappten uns Teller und befüllten sie reichlich. Auch mit Kaffee versorgte uns Karl. Kurz darauf hörten wir, dass der Hubschrauber gestartet wurde und wieder abhob. Es dauerte auch nicht lang, da  betraten Karls Vater und Jo den Gastraum wieder.

Jo setzte sich zu uns und Karls Vater ging in die Küche. Wir redeten kaum, mir war vor dem ersten Gespräch mit seinem Vater etwas mulmig zumute. Kaum einen Bissen bekam ich runter, mahlte das Brötchen regelrecht im Mund, so dass ich das Gefühl hatte, es würde immer mehr werden.

Karl wusste wie mir zumute war und warf mir immer aufmunternde Blicke zu. Dann, plötzlich, öffnete sich die Küchentür und Karls Eltern kamen zu uns an den Tisch und setzten sich. Jo entschuldigte sich, stürzte seinen Kaffee hinunter und verließ uns.

Nun waren wir allein, und mir rutschte das Herz in die Hose. Karl schaute aber auch nicht grade optimistisch drein.

„Also, du bist Ben“, begann Karls Vater das Gespräch.

Ich schluckte einen großen, zerkauten Bissen hinunter und nickte nur.

„Also ich bin der Josef“, grinste und zum ersten Mal sah ich eine deutliche Regung in seinem Gesicht.

„Du hast also meinem Jungen den Kopf verdreht?“, fragte er lachend und die Stimmung am Tisch schlug mit einem Mal um.

Alle lachten und ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Schade das ich keinen Spiegel hatte, mein Gesicht musste rot glühen, jedenfalls fühlte es sich so an.

„Dann will ich dich mal herzlich in unserer Familie begrüßen“, meinte er und hielt mir die Hand nochmals hin.

Zögerlich ergriff ich sie, er packte hart zu, zog mich hoch und war mit einem Schritt um den Tisch bei mir. Ich war verblüfft, wie schnell das ging und schon fand ich mich in einer Umarmung wieder!

Aus dem Augenwinkel konnte ich Karl beobachten, der mich glücklich ansah! Auch Rosi lächelte mich glücklich an. Mein Knoten im Magen löste sich und ich strahlte nun ebenfalls vor Freude.

Er ließ mich wieder los und schaute mich schelmisch an.

„Brauchst keine Angst zu haben, lass uns erst mal frühstücken und ein bisschen reden, dass ich dich auch kennenlerne“, und ging zum Buffet.

Ich setzte mich wieder auf meinen Platz und sah in vier strahlende Augen. Mein Karl lächelte so liebevoll, am liebsten hätte ich ihn schon wieder umarmt und geküsst. Josef setzte sich wieder, Kaffee wurde verteilt und das Essen wurde wieder aufgenommen.

Es war eine gemütliche Runde, Ich erzählte aus meinem Leben, von meinen Eltern, von meinem abgebrochenen Studium und meiner Arbeit. Beim Thema Eltern sahen alle traurig drein, ich befürchtete schon die Stimmung kippt, bekam aber noch die Kurve und erzählte von meiner Aufgabe, die mich in diesen Ort führte.

Jo betrat genau in diesem Moment die Gaststube und wurde von Josef an den Tisch gewunken. Auch er konnte einiges zum Thema beitragen. Wir lachten herzhaft und ich erfuhr auch einige lustige Episoden aus der Kindheit von Karl.

Schließlich löste sich die Runde auf und mir war nach einem Spaziergang, ich wollte einfach an die frische Luft und mein Glück genießen. Nichts trieb mich, ich fühlte mich so frei, wie schon lange nicht mehr.

Mein Vorschlag wurde von Karl mit Begeisterung aufgenommen und wir zogen uns die Jacken an und standen kurz darauf vor der Tür. Unsicher sah ich ihn an. Aber er hakte sich bei mir ein und wir liefen schweigend die Straße entlang.

„Karl, darf ich dir etwas fragen, aber du darfst nicht böse sein!“

Er sah mich an und sein Blick verriet mir, dass er wusste was kommt.

„Du darfst mich alles fragen, aber ich glaub ich weiß, was du wissen willst“, dabei schaute er mir tief in die Augen.

„Was war damals geschehen?“

Er stöhnte hörbar auf.

„Ich wusste, dass das kommt“, und sein Blick wurde starr.

Hatte ich ihn verletzt? Ich war mir nicht sicher und schwieg. Aber ich merkte, wie er sich straffte.

„Das war vor fast zwei Jahren“, begann er zögerlich, „wir hatten nur wenig Gäste, die Saison hatte noch nicht begonnen. Da war ein älterer Herr, der mich schon vom ersten Augenblick an angestarrt hat.“

Er machte eine Pause, musste sich sammeln und ich ließ ihm die Zeit.

„Meine Eltern wollten ins Kino und Katrin war bei einer Freundin“, erzählte er stockend weiter, „der Typ wusste, dass ich allein in der Pension war. Paul hatte schon lange Feierabend. Er war auch der einzige, den ich noch bedienen musste. Er hat sich allerhand hinter die Binde geschüttet, was mir schon zu denken gab. Und dann noch diese ständigen Anmachsprüche von ihm.“

Karl musste immer wieder schlucken.

„Irgendwann musste ich aufs Klo und ging durch die Küche. Aber der Typ ist mir hinterher und dann“, dann versagte ihm die Stimme und ich nahm ihn in den Arm.

Er schüttelte sich, von Weinattacken ergriffen. Ich drückte ihn fest, wollte ihm zeigen, dass er sich nicht fürchten brauchte. Und Karl spürte es, er beruhigte sich in meinen Armen und sah mich plötzlich, mit verwässerten blauen Augen an.

„Dann hat Paul meine Hilferufe gehört, er hatte etwas vergessen und ist deshalb noch mal zurückgekommen. Er riss die Tür zur Toilette auf und sah mich mit heruntergelassener Hose stehen und dieser Typ wollte mich gerade ver…“, weiter kam er nicht, wieder drückte er sich an mich, suchte meine Nähe.

Ich hatte noch kein Wort gesprochen, ließ ihn seine Erinnerungen einfach noch mal durchleben, aber ich wusste, dass es ihm gut tat.

„Paul hat ihn von mir gerissen und aus der Pension geprügelt. Ich saß nur da und hab geheult. Dann war alles anders. Ich konnte zu keinem mehr Vertrauen haben, zog mich selbst zurück und ans studieren war nicht mehr zu denken.“

Er hatte sich gefasst und sah mir wieder in die Augen. Ein Lächeln huschte durch sein Gesicht.

„Und dann hab ich dich gesehen. Und vom ersten Augenblick wusste ich, dass ich dich wollte, dass ich dir vertrauen kann. Ich weiß nicht weshalb, aber mir kam es so vor, als ob ich dich schon ewig kennen würde.“

Nun strahlte er und ich dachte, wie Recht er hatte.

„Danke, dass du es mir erzählt hast“, zog seinen Kopf zu mir und wir küssten uns mitten auf der Straße, wo wir schon eine Zeitlang standen.

„He, macht dass ihr von der Straße kommt, oder soll euch auch noch einer überfahren?“, hörten wir die Stimme von Katrin.

Wir schauten sie verwundert an.

„Schaut nicht so belämmert, ich bin grad von Kai gekommen, Krankenbesuch, ihr wisst ja“, sagte sie lächelnd.

Nun erst sah sie Karls verweinten Augen und ihr Blick war auf mich gerichtet und wurde hart.

„Katrin, es ist alles in Ordnung“, sprach Karl mit fester Stimme, der es mitbekommen hatte, „ ich hab ihm nur erzählt, was damals geschah. Es hat mir gutgetan. Ich glaub, dass musste schon lange mal sein.“

Sie schaute uns beide an und ihr Gesicht wurde milder.

„Okay, wollt ihr mitkommen oder noch weitergehen?“

„Wir kommen mit zurück“, sagte Karl für uns beide, Katrin hängte sich in seinen Arm ein und als Troika strebten wir der Pension entgegen.

„Kommst du noch mit auf mein Zimmer?“, fragte ich Karl.

„Gern“, hauchte er mir zu. Also Trennten wir uns in der Lobby von Kathrin und gingen hoch.

Die Tür war noch nicht ganz verschlossen, schon hatten wir uns in einem innigen Kuss gefangen.

„Karl, lass uns nie wieder loslassen“, flüsterte ich sanft in sein Ohr.

Er schaute mich mit seinen wunderschönen blauen Augen an und gab mir als Antwort einen langen Kuss.

ENDE

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