Als Nico den Grund erfährt, warum das mit Antoine wirklich passiert war, sieht er den Job als Betreuer mit anderen Augen. Doch da ist noch eine weitere Seite dieses Jobs, jene nämlich, die mit ganz anderen Gefühlen zu tun hat. Zwar sucht Nico die Nähe zu den Jungen nicht, aber er wehrt sich auch nicht dagegen.
Ein Neuzugang verhält sich Rick gegenüber sehr verhalten, Nico hält seine erste Nachtwache und prompt schleicht sich sprichwörtlich Besuch ins Camp.
„Antoine ist über dem Berg. Gruß Falk.“
Nico ging langsam zurück zu seinem Bett und setzte sich. Er duldete die Träne, die ihm über seine Wange lief, ja, er stand zu ihr. Eine unheimliche Last fiel von ihm ab und dann legte er den Zettel so vorsichtig auf seinem Nachttisch ab, als bestünde er aus dünnstem Glas.
Wofür und für wen er einen leisen Dank aussprach wusste er nicht genau, aber es war ihm einfach danach. Er hätte in diesem Moment die Welt küssen können und der Tag, wie immer er auch ausgehen sollte, gehörte ihm.
Es war völlig ruhig in dem Gebäude als er sein Zimmer verließ, auch von einem Betreuer keine Spur. Umso besser, dachte Nico, so richtig in Fahrt um sich zu unterhalten war er doch noch nicht.
Es dauerte eine Weile, bis er die richtige Temperatur des Wassers eingestellt hatte, aber dann gab er sich einfach nur dem Gefühl des an im herabrieselnden Wassers hin. Mit geschlossenen Augen versuchte er, an nichts zu denken.
Was dennoch Platz fand, war die Email an Stefan. Die musste heute noch raus, egal wie. Wahrscheinlich war er sowieso der einzige, der seine Emotionen verstand.
Durch das Plätschern des Wassers bekam er nicht mit, dass er dann nicht mehr alleine in dem Duschraum war. Er merkte es erst, als er die Augen kurz öffnete und eine Bewegung neben sich registrierte.
»Guten Morgen«, hörte er eine Stimme.
Halb erschrocken, halb neugierig sah er auf den Platz neben sich. Ungeniert stand Marco Serrolas neben ihm, noch etwas außerhalb der Dusche mischte er mit der einen Hand das warme und kalte Wasser, mit anderen fühlte er die Temperatur.
»Morgen«, antwortete Nico, der in diesem Augenblick nicht sicher war, ob er diese Begegnung gut finden sollte. Schon die wenigen Sekunden, in denen er den nackten Körper sah, reichten, um ihn ganz plötzlich auf völlig andere Gedanken zu bringen. Bewusst drehte er sich um und zeigte dem Jungen seine Rückseite. Zwar lief er nicht Gefahr, einen Steifen zu kriegen, aber das eben nur so lange, wie er sich keine weitere Gelegenheit dazu gab.
»Schon so früh auf?«, fragte er dann, eigentlich mehr aus seiner Verlegenheit heraus.
»Bin Frühaufsteher und dann kann man sich eben auch die besten Plätze aussuchen.«
Dann sprang Marco mit einem Seufzer unter den Wasserstrahl und begann sich einzuseifen. Nico fand es irgendwie zu blöd, dem Jungen seinen Rücken zuzuwenden, zumal Marco dies als eine Art Minderwertigkeitskomplex deuten konnte.
Als Kompromiss drehte sich Nico nur zur Seite, unterließ aber weitere Blicke auf den Jungen, denn die könnten am Ende auch falsch gedeutet werden.
Kaum waren fünf Minuten vergangen, tauchte der nächste Gast auf. Roman Vavlek betrat pfeifend den Duschraum und rief ein laut und deutliches »Morgen« in den Raum.
»Auch Frühaufsteher?«, fragte Nico, während sich Roman ohne lange zu fackeln unter die Dusche links neben ihm stellte. Der Junge brummte und jammerte, scheinbar genoss er das Gefühl eiskalten Wassers.
Nico gönnte sich einen kleinen, intensiven Seitenblick. Etwas hager die Figur, trotzdem breite Schultern. Zwischen den Beinen gab es nichts, was der Junge hätte verbergen müssen und das trotz des offensichtlich kalten Wassers.
»Ja, es ist noch so schön kühl da draußen..«, bekam er als Antwort.
Nico beschloss, seine Anwesenheit hier zu beenden, bevor der Rest der Gruppe auch noch auftauchen würde. Stören, das war der falsche Begriff, denn er konnte nicht sagen, dass er sich unwohl fühlte in dieser Gesellschaft.
Er drehte das Wasser ab und lief zu seinem Handtuch. Es mochte eine Täuschung gewesen sein, aber glaubte, die Blicke der beiden im Rücken zu spüren. Na ja, Stefans großer Stolz war immerhin auch sein Hintern gewesen, wie oft hatte er dessen Hände dort gespürt. „Dein Knackarsch ist sämtliche Sünden dieser Welt wert“, pflegte Stefan öfter zu sagen.
Allerdings ging Nico nicht davon aus, dass er hier damit etwas provozierte. Er frottierte sich die Haare, wobei er den beiden Jungs seinen Körper dann von vorn präsentierte. Einfach natürlich geben, sagte er sich. So tun, als wäre überhaupt nichts.
Aber diese Einstellung wurde enorm in Frage gestellt, denn dass Marcos Schwanz halb steif abstand, das war nun in der Tat nicht zu übersehen. Der Junge hielt sein Gesicht nach oben in den Wasserstrahl, konnte also nicht sehen dass Nico die leichte Erektion bemerkt hatte. Roman dagegen seifte sich mit geschlossenen Augen ein, pfiff weiter vor sich hin und schien seine Umwelt gar nicht richtig wahrzunehmen.
Rasch band sich Nico das Handtuch um und eine Spur Wassertropfen hinter sich herziehend verließ er ziemlich eilig diesen Raum. Alles gut und schön, aber das war dann doch ziemlich gefährlich. Denn kaum hatte er sein Zimmer betreten und die Tür hinter sich geschlossen, war sein Schwanz in Position gegangen.
Nico setzte sich auf sein Bett und ihm wurde in wenigen Augenblicken klar, dass er etwas gegen die Erektion tun musste. Marco war nun mal eines jener Geschöpfe, die ihm ohne weiteren den Kopf verdrehen konnten. Dagegen anzukämpfen war unmöglich und würde es unter solchen Umständen auch weiterhin so bleiben.
Langsam begann er, seinen Schwanz zu massieren und mit dem soeben erlebten würde er keine fünf Minuten brauchen. Augenblicke lang ließ er sich im Geiste sogar von den beiden Jungs verführen und nichts in ihm sagte, dass solche Gedanken nicht gut wären.
Auf den Holzboden brauchte er nicht zu achten und so entlud sich in weniger als den fünf geschätzten Minuten seine Erregung. Er warf einige Papiertaschentücher in die weißen Pfützen und ließ sich nach hinten auf sein Bett fallen. Das mit der Dusche musste künftig verhindert werden, irgendwie. Die beste Zeit würde wahrscheinlich kurz nach dem Frühstück sein.
Nun hörte er Stimmen, scheinbar tat sich etwas vor seinem Fenster. Erst jetzt stellte er mit Schrecken fest, dass man jederzeit in sein Zimmer blicken konnte. Er war mit dem Rücken zum Fenster bei der Sache gewesen. Allerdings halfen ihm Vermutungen, man könnte ihn dabei beobachtet haben, nicht das Geringste. Denn wenn dem so war, konnte er es nicht wieder rückgängig machen. Kopfschüttelnd über seine Schussligkeit zog er sein T-Shirt und die Shorts an, um sich dann auf das Fensterbrett zu setzen.
Da standen die fünf Jungs zwischen dem Gebäude und dem Gemüsefeld im Kreis, alle mit freiem Oberkörper und Sporthosen bekleidet. Nico war heilfroh, gerade für den Abbau seiner Spannung gesorgt zu haben. Denn die Jungen sahen alle irgendwie durchtrainiert aus und das Spiel ihrer Muskeln war einfach eine Augenweide.
Er machte sich nichts daraus, dass sie alle für einen Moment zu ihm herübersahen. Das geschah in dem Moment, als ihm Rainer Bode, ihr Frühsporttrainer, ein »Guten Morgen« zurief.
Nico winkte kurz, dann zog er sich diskret zurück. Es dürfte den Jungs mit Sicherheit blöd vorgekommen sein, dabei so angestiert zu werden.
Eine kurze Kontrolle seines Aussehens in dem Schrankspiegel, etwas Gel in die Haare, dann begab er sich in Richtung Frühstücksraum.
Felix Gröbner hatte schon alles hingerichtet und Nico setzte sich auf seinen Platz. Eine gute Gelegenheit, einen Blick in die Zeitung zu werfen, da noch kein Betreuer anwesend war.
Die größte Schlagzeile war wohl schon seit Wochen die gleiche: „Heißester August seit den Aufzeichnungen.. Wasser knapp.. Ernte in Gefahr.. Klimakatastrophe wird deutlich..“ Tatsächlich fand sich auf der ersten Seite auch eine kleine Rubrik, in der die Sache mit Peter und der Schlagfalle stand. Man warnte die Bevölkerung und suchte nach Zeugen, hieß es da. Wenigstens taten sie etwas, auch wenn die Chancen nicht gerade groß waren. Denn es gab hier kaum Spaziergänger, bei diesem Wetter trieb sich alles an Gewässern herum.
So drehten sich später auch die Gespräche der Betreuer am Frühstückstisch um diese böse Sache.
»Antoine hat es also geschafft..«, murmelte Rainer Bode anschließend und löffelte sein Müsli.
»Ja, die haben gegen Vier heute Morgen angerufen, ich hatte sie ja ausdrücklich darum gebeten. Allerdings, eine halbe Stunde später etwa, dann wäre es vielleicht zum Äußersten gekommen.«
Stein spürte, dass Nico nichts davon wissen wollte, weshalb er dann auch auf das Thema Wetter zu sprechen kam. »Ich werde mich heute morgen den Akten widmen«, sagte er und trank seinen Kaffee leer, »sonst komm ich nie dazu. Aber erst zur Polizei, wegen der Fingerabdrücke.« Das hätte er beinahe vergessen.
»Ja, kein Problem. Aber danach fährst du ins Krankenhaus. Stellvertretend für mich, ich muss langsam an meine Abreise denken.«
Nico verschluckte sich beinahe, aber die Frage, warum ausgerechnet er in die Klinik fahren sollte, ersparte er sich. Steins Anweisung war deutlich und ließ wie in den meisten Fällen keinen Widerspruch zu. »Okay, dann fahr ich aber gleich.«
»Ach, hier..« Stein fummelte in seinen Hosentaschen, schließlich legte er einen 20 Euroschein auf den Tisch. »Kauf ein paar Blumen für die beiden. Und vergiss nicht, sie von uns zu grüßen.«
Nico lächelte, schnappte den Schein und begab sich direkt zu seinem Wagen. Vielleicht war es gar nicht so schlecht, bei dem Wetter durch die Gegend zu gondeln. Wo das Krankenhaus war wusste er, es gab nur dieses eine in der Ecke.
Auf dem Rückweg vom Krankenhaus zum Camp wich Nico auf einen kleinen Waldparkplatz aus. Er stellte den Motor seines Golfs ab und fingerte eine Zigarette aus der Schachtel. Wie sehr ihn der Besuch mitgenommen hatte, bemerkte an der zittrigen Flamme seines Feuerzeugs.
Starr blickte Nico aus der Frontscheibe in den Wald, ohne ihn wirklich zu sehen. Zehn Minuten hatte ihm der Arzt Besuchszeit erlaubt, zehn Minuten, die Nicos Leben zwar nicht veränderten, wohl aber seine Sichtweise.
Viele Dinge, von denen er immer glaubte sie seien wichtig oder gar von existentieller Bedeutung, verloren dieses Gewicht. Hatte er sich kurz zuvor nicht erst über die hartnäckige Farbe an seinen Fingern aufgeregt, nachdem er seine Abdrücke auf dem Polizeirevier hinterließ? Nun war das völlig bedeutungslos.
Antoine lag im Halbschlaf, wohl aber erkannte er Nico sofort. Er hatte die Blumen in eine Vase getan, sich auf die Bettkante gesetzt, die Grüße ausgerichtet und sich nach seinem Befinden erkundigt.
Einige Minuten schwieg der Junge, doch plötzlich griff er Nicos Hand. Eine Geste, die Nico gern erwiderte, ohne jedoch den Grund zu kennen. Dann begann der Junge zu reden. Er starrte immer nur auf die Wand gegenüber, trotzdem redete er mit Nico. Leise, kaum verständlich. Immer wieder die Worte: „Ich will so nicht sterben“.
Nico begriff nicht und fragte deshalb nach. »Was heißt, so willst du nicht sterben?«
»Ich habe das Virus..«, stammelte Antoine und Tränen liefen nun über sein Gesicht.
Es dauerte ein paar Sekunden, bis Nico zu begreifen begann, was der Junge damit sagen wollte. Es gab überhaupt keine Alternative zu diesen Worten, keine Möglichkeit der Wahl. Nico war sprachlos, im Grunde erfuhr er zum ersten Mal was es heißt, wirklich machtlos zu sein. Dass Trost hier nichts mehr ausrichtete, weil es endgültig war. Es nutzte nichts, zu wissen, dass man bereits sehr viel mit Medikamenten ausrichten konnte. Dass es Menschen gab, die schon bald 20 Jahre mit dem Virus lebten. Ausschlaggebend war am Ende doch, wie sie damit lebten. Und wie man teilweise mit ihnen umging, wenn es herauskam.
»Du musst keine Angst haben, dass..« Jedes Wort, jeder Versuch scheiterte im Ansatz, Nico fühlte sich innerhalb kürzester Zeit überfordert. Aber er wusste, dass er das nicht zeigen durfte. »Wer.. weiß es noch?«
Antoine wiegte einen Kopf einmal hin und her. Nico hatte plötzlich Fragen, zu viele Fragen. Die Ärzte hier würden es vielleicht gar nicht herausfinden, wenn sie nicht gezielt danach suchten. Und das war ohne seine Einwilligung kaum möglich. »Ich komme wieder, wenn es dir besser geht, okay?«
Antoine drückte Nicos Hand noch fester und zum ersten Mal sah er ihn an. Nico streichelte über das Gesicht des Jungen und ging, nur ein kurzer Wink an der Tür. »Kopf hoch, das kriegen wir hin.« Er blinzelte, wobei ihm im selben Augenblick eine Träne herunterlief. Rasch verließ Nico das Zimmer, wobei er fast mit einem Ehepaar zusammenstieß. Es gab keinen Zweifel dass das Antoines Eltern waren, aber außer einem flüchtigen »Guten Tag« hatte er in dem Augenblick nichts für die beiden übrig.
Peter dagegen machte einen viel muntereren Eindruck. Natürlich hatte er Schmerzen, aber irgendwie kam es Nico vor, als wäre der Junge nicht gerade böse über seinen Aufenthalt in der Klinik. Nico fasste sich recht kurz, ihm war nicht nach Reden und Spaß. Außerdem konnte er viel Arbeit als Grund vorschieben, nicht viel Zeit zu haben.
„Morgen früh komme ich hier raus. Sie wollen mich in meine Heimatstadt verlegen“, sagte Peter noch. Damit stand fest, dass sie sich wohl kaum wieder sehen würden.
»Dann mach’s gut, Peter. Ich hoffe, du meldest dich mal.« Nico ärgerte sich über sich selbst. So ein lausiger Abschied lag ihm nicht, aber er hatte keine Kraft dazu; zu sehr drehten sich seine Gedanken um Antoine.
Mit einem Taschentuch wischte sich Nico über das Gesicht. Teils war es der Schweiß, der sich in der Gluthitze darauf gesammelt hatte, teils waren es Tränen, denen er jetzt auf dem kleinen Waldparkplatz freien Lauf ließ. Immer mehr wurde ihm bewusst, was Antoine durchmachen musste. Wie lange wusste der Junge schon davon? Wie würde es weitergehen?
Schwerfällig drehte er den Zündschlüssel und fuhr los. Ständig war er im Zweifel, ob er Stein davon berichten sollte. Denn: War der nicht verpflichtet, es Antoines Eltern zu sagen? Musste von dieser Sache überhaupt jemand wissen, außer ihm selbst?
Nico war froh, dass er später auf dem Weg in sein Zimmer niemandem begegnete. Leise schloss er die Tür hinter sich und warf sich aufs Bett. Dennoch, alle Überlegungen ließen ihn nicht an seinen Zukunftsplänen zweifeln. Solche Dinge gab es und würde es immer wieder geben.
Mit einem Ruck stand er auf und fuhr sein Notebook hoch. Der Einzige, der ihn wirklich verstehen und in gewisser Weise trösten konnte, war Stefan. Ohne groß zu überlegen, schrieb er alles in die Mail, was ihm einfiel.
Auch seine Gefühle ließ er dabei nicht aus und Stefan würde es verstehen. Dass er dabei Dinge hineinschrieb, die seine vier Wände eigentlich nicht hätten verlassen dürfen, ignorierte er. Zu groß war der Druck, der sich in ihm aufgebaut hatte.
Anschließend setzte er sich an seinen Schreibtisch und begann, die Akten der Teilnehmer durchzulesen. Seine Tür hatte er wieder aufgemacht, so gab es wenigstens einen leichten Luftdurchzug in dem Raum. Das musste auch Rick geahnt haben, leise schlich er sich ins Zimmer und legte sich auf seine Decke.
Nico fand einen auffälligen, abgehefteten Zettel in dem Ordner. Fein säuberlich waren darauf die Handynummern der Jungs aufgeschrieben und Nico nahm sich die Zeit, die Nummern in sein Handy einzutippen.
Geräusche von draußen störten etwas; hämmern, sägen, bohren und Stimmen. Michael Korn musste während der Arbeitstherapie gegen den Krach Anweisungen geben, weshalb man seine markante Stimme bis hierher gut verstehen konnte.
An handwerklichen Tätigkeiten war Nico kein bisschen interessiert, was ihn jedoch nicht davon befreien würde. Auch dieser Abschnitt der Therapie gehörte zu seinem Praktikum, allerdings würde er seine Teilnahme auf ein Minimum reduzieren.
Immer wieder las er Antoine Herres’ Akte durch. Kein Hinweis auf Drogen, nichts davon dass er homosexuell sei. Nico blieb es ein Rätsel, wo sich der Junge angesteckt haben könnte. Vielleicht bei einer Blutspende? Irgendwann würde er es erfahren. Nur musste er Falk einen Grund geben, warum er den Jungen wieder besuchen wollte.
Rick schlief, aber seine Beine zitterten, ab und zu zog der Husky seine Lefzen hoch und ein leises Wimmern war zu hören. Hunde träumen auch, wusste Nico. Ob er grade einen Hasen jagte? Nico war froh, dass der Hund in seiner Nähe blieb. Es wäre doch ein gutes Stück einsamer ohne ihn und mit Sicherheit würde er den Rest der Zeit mit ihm verbringen.
Dann wurden die Stimmen lauter, während die Geräusche draußen in der Werkstatt verstummten.
Neugierig sah Nico aus dem Fenster. Die Gruppe, die ja nur noch aus vier Jungen bestand, war ins Freie gelaufen und man scharte sich um Patrick. Jener machte ein schmerzverzerrtes Gesicht und hielt sich die Hand.
Nico verließ sein Zimmer, diese Sache bedurfte einer näheren Inspektion. Als er zu den Jungen stieß, legte Korn gerade einen fachmännischen Verband um Patricks linken Zeigefinger. Die Frage, ob er sich verletzt hätte, sparte sich Nico, das war ja eindeutig. »Normalerweise trifft es ja den Daumen«, bemerkte er stattdessen.
»Ja«, wimmerte Patrick, »aber beim sägen können alle mal dran sein.« Wenigstens hatte er seinen Humor nicht verloren.
»Okay, Jungs, Pause«, rief Korn und nahm Nico am Arm beiseite. »Übrigens, wir stocken auf. Hat Falk vorhin entschieden. Mit Vieren ist das nicht so effizient und die anderen beiden fallen wohl endgültig aus.«
»Aha, und wer kommt woher?«
»Simon Tolpe aus Camp zwei. Dann sind wir Sechs zu Fünf und das passt wieder eher. Leo wird ihn im Lauf des Vormittags bringen und wenn du möchtest, kannst du ihm beim einziehen ins Camp helfen. Falk ist mit Rainer zur Pumpstation gefahren. Ach und noch etwas: Falk bittet dich, Antoines und Peters Sachen ins Gebäude zu bringen. Wenn du dafür Hilfe brauchst, sag es ruhig.«
Aber nur ein Wort lenkte Nicos direkte Aufmerksamkeit auf sich: »Pumpstation?«
»Ach so, kannst du ja nicht wissen. Weiter oben gibt es ein Reservoir, in dem Quellwasser gesammelt wird. Die Zisterne gibt es schon ewig, aber wir haben sie technisch ausgebaut. Die Pumpe wird zwar nur dann gebraucht, wenn der Wasserspiegel zu stark abfällt, dann holt sie Wasser aus tieferen Schichten nach oben, aber dann muss sie auch laufen.
Ansonsten sorgt das Gefälle den Berg herunter allein für den nötigen Wasserdruck. Dieser Tage ist eine Wartung fällig, darum sind die hochgefahren. Im Keller hier steht seit der Zeit übrigens auch ein Notstromaggregat.«
»Nanu, rüstet man hier für nen Krieg?« Nico musste lachen.
»Ich find’s praktisch. Die Stromleitungen liegen wie du sicher weißt oberirdisch und man kann hier nie wissen, ob ein Sturm oder Blitzschlag die Versorgung lahm legt.«
Eine kleine Enklave am Rande der Zivilisation.. Nico konnte sich diesen Gedanken nicht verkneifen und musste darüber grinsen. »Okay, ich werd das mit den Sachen der beiden alleine packen.«
Michael klatschte in die Hände. »So Leute, es geht weiter. Patrick, du kannst dir Pinsel und Farbe holen..« Dann wandte er sich nochmals an Nico. »Prima. Also, bis später.«
Nico verzog sich wieder in sein Zimmer, die Akten lasen sich nicht von alleine. Dazu setzte er sich auf die Fensterbank und zündete sich eine Zigarette an. Doch kaum hatte er es sich einigermaßen gemütlich gemacht, hob Rick den Kopf und lauschte zur Tür. Augenblicke später sprang er auf und rannte aus dem Zimmer. Neugierig folgte Nico dem Husky und fand schnell die Ursache für dessen spontane Reaktion – Leo Maier war vorgefahren.
»Hallo Leo. Hab gehört du bringst uns nen Neuzugang«, begrüßte er den Ankömmling.
»Hi Nico. Ja, ich bring euch Simon, wie befohlen.«
»Ich werd ihn zum Camp bringen. Hat er alles dabei?«
Inzwischen war der Junge ausgestiegen und kam auf die beiden zu. Allerdings stockte er dabei, als sein Blick auf Rick traf.
Nico ging auf den Jungen zu. »Hallo, ich bin Nico Hartmann und das ist Rick. Musst keine Angst vor ihm haben, er tut dir nichts so lange du nichts Böses im Schilde führst.« Dabei lachte Nico entwaffnend und reichte Simon die Hand.
Der Junge war etwas kleiner als er, hellblonde, halblange Haare, ein weiches, fast kindlich wirkendes, blasses Gesicht, blaue Augen und im Gesamten eher schmächtig. Gelegentlich fragte sich Nico, wie es Jungs wie dieser hier her schaffen konnten. Auf den ersten Blick würde man meinen, Simon könnte niemals ein Wässerchen trüben.
»S… Si.. Simon Sto.. Stolpe.«
»Komm, ich helfe dir ausladen.« Dass der Junge stotterte registrierte Nico nur nebenbei. Das mochte später von Belang sein, jetzt spielte es keine Rolle, oder besser, hatte es keine solche zu spielen. Er schulterte den Rucksack des Jungen, während der den Schlafsack und einige Stofftaschen an sich nahm.
»Nico, hier sind noch die Unterlagen«, rief Leo und legte sie auf die Bank vor dem Gebäude, »ich muss wieder zurück. Du kommst klar?«
»Sicher. Bis dann mal.« Nico winkte, was von Leo ebenso erwidert wurde, dann brauste der Betreuer auch schon wieder davon.
Der Neuzugang stand etwas bedeppert da, eigentlich traf jener Spruch auf ihn zu, der da heißt: Wie bestellt und nicht abgeholt.
»So, alles okay mit dir?«, fragte Nico und versuchte es mit seiner kumpelhaften Art, Simon aus dieser Starre zu befreien.
»J.. ja.«
»Schön, dann komm, ich bring dich zum Camp.«
Simon trottete brav hinter Nico her, während Rick die Führung übernahm.
»Du musst wirklich Angst haben vor dem Hund, der ist lieb.«
»A.. ab .. aber ich h.. ha.. hab Angst v.. vor.. Hu.. Hunden.«
Nico wartete, bis Simon aufgeschlossen hatte. »Aha. Schlechte Erfahrung gemacht, wie?«
Vielleicht nur eine Mutmaßung, aber es war nicht auszuschließen, dass Simons Sprachfehler daher rührte. »Ist das der Grund.. warum du stotterst?« Nico wollte einfach nur die Möglichkeit ausräumen.
Der Junge wurde knallrot. »J.. ja.«
Nico blieb stehen. »Oh, ähm, na ja, du hast mit ihm im Prinzip eigentlich nichts zu tun. Er ist in meiner Nähe und ich bin kein richtiger Betreuer musst du wissen. Ich mache hier nur mein Praktikum und Rick wird deshalb eher selten um dich sein.«
Das Gerede von wegen der Hund würde ihm doch nichts tun und so weiter hatte überhaupt keinen Sinn, darüber war sich Nico klar. Wenn Simon wie er sagte, eine Paranoia vor Hunden hatte, dann saß das tief und der Wahrscheinlichkeit, dass sich das innerhalb der drei Wochen legen würde, gab Nico erst einmal null Chancen. Es war gut zu wissen dass Simon Angst vor Rick hatte, danach konnte man sich richten.
Simon ein bisschen auszufragen, dazu hätte Nico jetzt Lust gehabt, aber er wollte dem Jungen diese Anstrengung ersparen. Vielleicht gestaltete sich das auch einfacher, wenn Rick nicht in ihrer Nähe war.
Obwohl sie nicht schwer tragen mussten, waren ihre Klamotten bei der Ankunft im Camp klatschnass. Die brütende Hitze begann allmählich, unerträglich zu werden.
Zum Glück stellte sich die Frage nicht, in welches Zelt Simon einziehen sollte – Peter und Antoine teilten sich ja dasselbe. Hoffentlich war das kein böses Omen, dachte Nico.
Er entschied dann auch, dass ihm Simon helfen konnte, die Sachen der beiden zum Hauptgebäude zu bringen. An der Ergotherapie brauchte der Junge ja heute nicht mehr teilzunehmen und ein Blick auf die Uhr mahnte Nico zur Eile, wollten sie bis zum Mittagessen fertig sein.
So räumten sie die Sachen der beiden Jungen aus dem Zelt, dabei wurde Nico plötzlich sehr unwohl. Jedes von Antoines Kleidungsstücken, überhaupt was er von ihm anfasste, erinnerte ihn an das Gespräch im Krankenhaus.
Sorgfältig legte er die Sachen vor dem Zelt zusammen und half Simon anschließend beim auspacken. Dass Rick drüben am Baumstamm lag und ihnen zusah, dürfte dann auch der Grund gewesen sein, dass Simon kein Wort verlauten ließ.
Nico versuchte trotzdem, ihn zum reden zu bringen. »Es macht dir hoffentlich nichts aus, alleine in einem Zelt zu sein?«
Simon schüttelte nur den Kopf und jeder zweite Blick ging hinüber zu Rick. Es musste etwas Schlimmes passiert sein, irgendwann.
»Okay, komm, wir bringen die Sachen weg«, entschied Nico dann auch rasch, er wollte den Jungen so schnell wie möglich aus Ricks Umfeld bringen. Und er musste in dieser Sache dringend mit Falk reden, denn unter diesen Umständen war mit Simon wahrscheinlich überhaupt nichts anzufangen. Am Ende musste eben noch einmal getauscht werden, noch war es dazu ja nicht zu spät.
Wenig später legten sie die Sachen im Vorraum des Hauptgebäudes ab. »Ich dank dir. Du kannst erst mal duschen gehen, bis zum Mittagessen ist noch Zeit«, sagte er zu Simon, der wiederum nur nickte.
Nico zeigte ihm den Weg in den Duschraum. Da sie Simons Handtuch und Waschutensilien dummerweise im Camp vergessen hatten, schloss Nico seine Box auf. »Hier, ein Handtuch und Duschgel. Wenn du fertig bist, wirf das Handtuch einfach in die Wäschebox.«
Damit ließ er den Jungen alleine zurück und trat vor das Gebäude, vor das in dem Moment Steins Auto vorfuhr.
»Na, alles klar mit der Pumpe?«, fragte Nico die beiden Betreuer.
»Ja, alles Bestens, und wie ist es hier?«
Nico schluckte. Er musste mit Falk über Antoine reden, es brodelte zu sehr in ihm. Und Rainer konnte es auch wissen, warum zum Teufel nicht? Und sicher würden sie es niemandem weitererzählen, am Ende ging es tatsächlich sonst niemanden etwas an.
Nico musste seine Seele befreien sozusagen, die Last würde sonst zu groß. »Habt ihr einen Moment Zeit?«, fragte er die beiden und als die bejahten, schlug Nico Steins Büro als geeigneten Ort vor.
Nachdem die beiden Betreuer neugierig Platz genommen hatten, schloss Nico die Tür und begann zu erzählen. Wort für Wort, nichts ließ er aus. Er konnte die Betroffenheit der beiden nicht nur sehen, sie war zu spüren.
Stein und Bode sahen sich an, eine ganze Weile. Schließlich räusperte sich Stein. »Tja, in der Tat eine ganz schreckliche Sache. Aber okay, der Junge hat dir das im Vertrauen gesagt. Mit anderen Worten..«, sein Blick fiel auf Bode, »haben wir nichts gehört und nichts gesehen. Was seine Eltern angeht, damit haben wir nichts zu tun.«
»Falk, ich habe lange überlegt ob.. ob ich es sagen soll, aber es rumort in mir.«
Falk Stein hob beide Hände. »Das geht völlig in Ordnung. Wir kennen das Gefühl der Ohnmacht, wenn wir von den Jungs gelegentlich ins Vertrauen gezogen werden und versprechen müssen, es nicht weiterzugeben.
Wir haben niemals dieses Versprechen gebrochen, in keinem Fall. Aber man muss lernen, diese Päckchen zu tragen. Du bekommst jetzt sehr gut mit, was es heißt hier zu arbeiten. Nach außen hin ein geiler Job, immer in der Natur, von jungen Leuten umgeben.. ja, sicher, da ist was dran. Aber wenn es in die Tiefe geht, dann hört der Spaß auf. Glaub mir, jeder von uns hat sich schon so manche Nacht um die Ohren geschlagen weil wir das erst verarbeiten mussten. Übrigens.. nicht selten outet sich hier ein Junge und hat eine Scheißangst, dass es rauskommen könnte. Also.. wir haben da einiges von dir gelernt.«
Nicos Augen wurden groß. »Von mir?«
»Ja. Wie du damit umgehst, damit lebst und was uns am Ende doch nur verdeutlicht, dass es mit Leistung, Willen, Durchsetzungsvermögen nicht anders aussieht als bei Heteros.«
Zum ersten Mal hörte Nico dieses Wort aus Falks Mund. Irgendwie hatte er scheinbar schon mehr hier angerichtet als er sich das hatte träumen lassen. Er nickte, sagen wollte er dazu nichts. Er wechselte stattdessen geschickt das Thema. »Der Neue, Simon Tolpe, hat so eine panische Angst vor Rick, dass er stottert. Weiß jemand was dazu geführt hat? Ich habe seine Akte noch nicht gelesen.«
Die beiden sahen sich an. »Mir ist nichts dergleichen aufgefallen. Hat er das gesagt, ich meine, dass er Angst vor Hunden hat?«
»So deutlich, dass ich es glauben muss.«
»Hm, hat uns grade noch gefehlt. Der sperrt dann vielleicht.«
»Falk, das fürchte ich auch. Der hat so ne Panik, der wird nur nach Rick sehen und sonst nach gar nichts.«
»Dann sollten wir vielleicht noch mal tauschen«, warf Rainer Bode jetzt in das Gespräch.
»Das ist schlecht.« Stein stand auf und stellte sich ans Fenster. Er lehnte sich an das Sims und sah die beiden an. »Ich hab alles gebraucht, um ihn hier rüberzukriegen. Wenn ich jetzt schon wieder komme.. Mal sehen. Vielleicht sollte ich mal mit dem Jungen reden. Kommt, es wird Zeit zum Mittagessen.«
Am Nachmittag stand die erste Gruppenstunde an, an der Nico noch nicht teilzunehmen brauchte. Dazu war es nämlich wichtig, die Akten zu kennen. Aus diesem Grund zog er sich zunächst auf sein Zimmer zurück, allerdings nicht lange. Michael Korn unterbrach ihn kurz darauf, es ging um die kurze Einweisung für die Nachtwache.
»Also, wie gesagt, kein Hexenwerk. Du musst allerdings, sollte einer der Jungs anrufen, immer rüber zum Camp. Auch wenn es noch so banal erscheint, es ist auf die Entfernung meist ziemlich schwierig abzuschätzen, ob eine Sache wichtig ist oder nicht. Ansonsten – hier«, er reichte Nico einen Zettel, »die wichtigsten Telefonnummern für den Notfall. Der Erste Hilfe Kasten ist im Bereitschaftszimmer und ansonsten.. also richtig dramatisch war bislang noch nichts. Wirst die eine Nacht schon rumkriegen.«
Kaum hatte Korn Nicos Zimmer verlassen, hörte er Stimmen von draußen. Und darunter ganz ohne Zweifel eine Frauenstimme. Nico verließ neugierig sein Zimmer um nachzusehen, immerhin war das hier sehr ungewöhnlich. Er blieb im Flur stehen und konnte, ob er nun wollte oder nicht, das Gespräch zwischen Michael und der Frau mit anhören.
»Guten Tag Frau Berger. Schön Sie zu sehen. Aber bitte, kommen Sie doch mit ins Büro. Ich werde Herrn Stein informieren.«
Gute Güte, wie förmlich. Aber Nico wusste immerhin wer diese Frau war und der konnte man schlecht in der üblichen Manier begegnen. Wenn er sich nicht täuschte, dann hatte die Berger einiges zu sagen in den Camps. Eigentlich war ihr auftauchen vorprogrammiert, innerhalb von drei Tagen war allerhand passiert und nun würde man eben wissen wollen, was genau hier vonstatten ging. Nico zog es zunächst vor, dieser Frau nicht unter die Augen zu treten. Falk wusste sicher, wie man diese Dinge regelt und brauchte mit Sicherheit keine Unterstützung.
»Nico?« Stein stand plötzlich vor ihm. »Kommst du bitte mal?«
Nico rückte seine Klamotten zurecht und ging, zugegebenermaßen ziemlich aufgeregt, mit in Steins Büro.
»Darf ich dir vorstellen, Frau Berger. Sie möchte sich über die Vorgänge hier informieren.«
Die Frau mag um die Vierzig gewesen sein, groß, schlank, rotes, schulterlanges Haar, eine schmale, dunkel umrandete Brille, hinter der ein paar sehr wache Augen blitzten. Der Sonne schien sie aus dem Weg zu gehen, die Tönung ihrer Gesichtshaut entstammte einem zarten Rouge. Sie wirkte auf den ersten Blick etwas zart, zerbrechlich fast, aber ihr Händedruck war fest und bestimmt.
»Hallo Frau Berger, ich grüße Sie.«
Sie musterte Nico, ziemlich genau wie er bemerkte. Er nahm an, dass diese Frau nur einen Glauben hatte: Nämlich an dem, was sie wirklich sah und mit Sicherheit konnte man ihr kein X für ein U vormachen.
»Sie sind also Nico Hartmann, dessen Name mir schon unzählige Male begegnet ist?«
Nico spürte, dass er rot wurde. »Ich hoffe, nichts Schlechtes.«
Sie fixierte auf eine ganz bestimmte Art seine Augen. »Nein, nein, das kann man so nicht sagen.«
Keine hektische Stimme, kein Gefuchtel mit den Armen, kein Räuspern. Entweder sie war eben so oder aber es zählte zu ihrem Job, dass sie ihre Mimik und Gestik im Zaum hielt. Unnahbar, kam Nico in den Sinn.
Und sie scannt dich. Wahrscheinlich würde sie eine Lüge bereits dann erkennen, bevor man sie ausgesprochen hatte. Eine Frau, der man eben nichts vormachen konnte, die wusste was sie wollte. Nico wünschte sich, sie würde ihm keine Fragen stellen und sie würde außerdem rasch wieder gehen. Mit anderen Worten, sie war ihm aus nicht näher zu beschreibenden Gründen unsympathisch. Es beunruhigte ihn zudem, dass ihn der erste Eindruck selten täuschte.
»Nico, würdest du bitte in den Gruppenraum gehen? Die Jungs sind ohne Aufsicht.«
Dankbar nickte er. Das ging schneller und besser als er dachte und ohne Zögern begab er sich zwei Türen weiter. Wenigstens konnte er der Frau aus dem Weg, ihre Nähe machte ihn einfach nervös.
»Guten Morgen«, sagte er knapp und schloss die Tür zum Gruppenraum hinter sich.
Da saßen sie, die fünf Jungs, in einem Stuhlkreis. Jeder hatte einen Schreibblock vor sich auf dem Schoß und nun starrten sie ihn an. Rasch versuchte er, ihre Blicke in etwa zu deuten, aber für eine größere Analyse hatte er nicht die Zeit. Nachdem er begrüßt worden war, setzte er sich auf den freien Stuhl im Kreis.
»Alles okay mit euch?«, fragte er und stellte mit Freude fest, dass er wesentlich ruhiger war als er es sich vorgestellt hatte. Die Jungen nickten und ließen ihn dabei nicht aus den Augen. »Was.. habt ihr bis jetzt hier gemacht?«, fragte er schließlich.
»Unseren Lebenslauf vortragen«, antwortete Marco Serrolas. Nico schien sich nicht getäuscht zu haben, Marco gehörte offenbar zu jenen Jungen, die sich ihm, wie Stein es vorhergesehen hatte, am ehesten anschließen wollten. Seine Antwort hatte nichts provokantes, auch war keine Abfälligkeit im Ton herauszuhören.
»Schön. Und wer war dran?«
Patrick Held hob seinen verbundenen Zeigefinger. »Ich.«
An dieser Stelle wusste Nico nicht, ob er einfach da weitermachen sollte, wo Stein aufgehört hatte. Nach wenigen Sekunden entschied er, dass es keinen Sinn haben würde. Falk hatte ihn mehr oder weniger zur Aufsicht hierher beordert, nicht, um die Gruppenstunde fortzuführen. »Was macht dein Finger?«, fragte er statt dessen.
Patrick hielt ihn nochmals hoch und drehte ihn ein paar Mal. »Halb so schlimm.«
»Gut. Also ich bin nur Ersatzweise hier, Herr Stein hat eine wichtige Besprechung. Macht sicher keinen Sinn an seiner Stelle weiterzumachen. Aber da ich schon mal hier bin.. gibt es etwas, was euch auf dem Herzen liegt? Beschwerden, Lob, Kritik? einfach raus damit.«
Durch diese Anregung zog sich Nico auf die sichere Seite, bevor so etwas wie Verlegenheit sichtbar würde.
»Ja, also da gibt’s schon einiges. Zum Beispiel.. kann man hier irgendwie ins Internet?«
Rokos Frage war nicht unberechtigt. Immerhin saß hier die PC- und Internetgeneration, die mit diesen Medien bereits aufgewachsen war. Wieder eine Frage, die Nico nicht ohne Falk beantworten konnte. »Und was beispielsweise würdest du damit machen wollen? Ich meine, euch ist ja schon klar dass nur herumsurfen nicht drin ist.«
»Emails abrufen«, warf Patrick ein. »Wir haben ja auch Freunde draußen die schon gerne wüssten wie es uns geht.«
Konnte man ihnen dergleichen Kommunikation eigentlich untersagen? »Also, das kann ich nicht beantworten, da müsst ihr Herr Stein oder Herr Bode fragen. Wobei ich davon ausgehe, dass jeder ein Handy hat.«
»Schon, aber kaum einer hat die Kohle und dann, ne seitenlange SMS ist ja auch nicht das Wahre.«
Kopfnicken in der Runde. Auch das konnte man nicht von der Hand weisen. Ob Marcos Blicke daran schuld waren, dass es Nico ein wenig mulmig wurde wusste er nicht zu sagen. Eindringliche Blicke waren es, nicht nur das, was man als ansehen bezeichnen konnte. Nico versuchte, sich selbst auf dem Stuhl da vorne zu sehen. Eben so, wie sie ihn sahen. „Man muss ich öfter in ihre Situation versetzen“. Diesen Satz hatte er öfter gehört.
Nico atmete auf, als Stein den Raum betrat. »Pause«, rief er einfach nur, »fünfzehn Minuten.«
Das ließ sich keiner zweimal sagen und Sekunden später waren Nico und Stein allein in dem Raum.
»Und, was hat sie gesagt?«
»Na ja, sie wollte halt Einzelheiten zu den Vorfällen wissen. Aber da uns kein Fehler anzukreiden ist, hat sie sich sogar bedankt. Immerhin waren wir immer genau zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle.«
»Und nun?«
»Tja, unter anderem hat sie mich für Morgen nach Köln beordert. Es gibt noch einiges abzuklären, was nur vor Ort möglich ist.«
»Hast du mit ihr.. über Simon gesprochen?«
»Ja, auch das. Sie ist der Meinung, diese Angst könnte auch später Probleme bei ihm aufwerfen, wenn er wieder hier weg ist. Von daher bat sie mich, also uns, herauszufinden, woher diese Panik kommt.«
»Das kann ja heiter werden.«
»Ah Nico, bis jetzt haben wir fast alles hingekriegt, ich denke das packen wir auch noch. Von Antoine habe ich ihr natürlich nichts erzählt. Das sind Dinge, die auch sie nichts angehen. In dieser Sache stellen wir uns dumm, ganz einfach.«
»Finde ich auch.« Nico zog sein Tagebuch aus der Tasche. »Heute Mittag ist eine Filmvorführung. Findet das statt?«
»Ja. Ein Film über Alkohol und dessen Wirkung, beziehungsweise die Folgen. Jeder hat von denen seine Erfahrung damit schon gemacht, in der Hauptsache geht es aber um Gewaltbereitschaft und Hemmschwellenabbau. Ist übrigens ein sehr guter Film.«
»Hm, vielleicht komme ich dann aber endlich mal zu meinen Akten. Nachher sind die drei Wochen um und ich weiß nicht mehr als jetzt.«
Falk wuschelte durch Nicos Haare. »Klar, tu das. Ich hab noch Büroarbeit, Rainer und Michael kümmern sich mal um die Autos.«
»Was kaputt?«
»Nein, wir machen die kleinen Inspektionen selbst. Ist billiger.«
»Du, die haben mich gefragt, ob sie ins Internet könnten, wegen ihrer Emails.«
»Nein, keine Chance. Sie sollen auch einen gewissen Abstand zu der Szene kriegen, in denen die meisten doch verkehren. Zu leicht werden da ziemlich zweifelhafte Tipps gegeben, wenn du verstehst was ich meine.« Dabei zwinkerte Stein und Nico verstand sehr wohl.
Nach und nach kamen die Jungen von der Pause in den Raum zurück und Nico verzog sich diskret in sein Zimmer.
»Du hast es gut«, sagte er zu Rick, der auf seiner Decke auf dem Rücken lag und alle Viere von sich streckte. Nicos Bemerkung quittierte der Hund mit einem kurzen Schwanzwedeln, dann gab er sich weiter seiner Siesta hin.
Der Nachmittag verging über den Akten wie im Flug und Nico schaffte es, bis zum Abendessen alle Unterlagen durchzulesen. Nun hatte er in etwa einen Überblick über das Leben der Jungs, zumindest was die kriminelle Vergangenheit betraf. Teilweise war er erschüttert, unter welchen Umständen der eine oder andere aufgewachsen und auf die schiefe Bahn geraten war. Manchmal nahm es echt kein Wunder.
Da ihm noch Zeit bis zum Abendessen blieb, huschte er schnell unter die Dusche, die er diesmal völlig für sich allein beanspruchen konnte.
Danach ein Blick in den Plan: Am nächsten Morgen der Marsch zum Bahnhof hoch. Zuvor benennen eines Gruppenführers, austeilen von Kompass und Karte. Seinerzeit waren sie alleine losmarschiert und laut Plan war das diesmal nicht anders. Aber vielleicht konnte er trotzdem mitlaufen, auch wenn er sich völlig heraushalten würde. Fest stand nur, dass man nichts gegen schlechtes Wetter mitnehmen musste, die Affenhitze blieb ihnen erhalten.
Nach dem Abendessen, das ruhig und ohne wichtige Themen ablief, gab es eine lockere Diskussion über den Inhalt des Films, den sie gesehen hatten. Nico wollte und durfte an dieser Runde, die auf dem Sammelplatz stattfand, teilnehmen. Interessante Aspekte taten sich auf, zeitweise wurde die Unterredung richtig kontrovers und auch auf diese Art und Weise kamen sich die Jungen untereinander näher. Somit ging Nico davon aus, dass spätestens zum Wochenende jeder einiges über den anderen wusste.
Die anderen Betreuer verabschiedeten sich danach recht zügig und schneller als gedacht, war Nico alleine. Er setzte sich auf die Bank vor dem Gebäude und genoss die Abendsonne, der einzige Zeitpunkt, an dem man das ohne sprudelnde Schweißausbrüche tun konnte. Was war das für ein Gefühl, völlig alleine zu sein, nur mit Rick neben sich? Die Jungen waren im Camp, man wollte offenbar Karten spielen oder dergleichen. Das Diensthandy lag in Greifweite, mehr Sicherheit brauchte Nico vorläufig nicht.
Ein Brummen in der Luft lenkte ihn von seinen Gedanken ab und er suchte den dunkelblauen Himmel nach der Ursache ab: Ein Motorsegler zog da oben seine einsame Bahn. Was musste das für ein Gefühl sein, ganz alleine da oben, mit Blick auf die garantiert grandiose Landschaft? Seit er sich mit dem Wetter beschäftigte, war mit der Zeit auch ein gewisser Hang zur Fliegerei aufgekommen; irgendwann würde er zumindest den Segelflugschein machen wollen.
Das Brummen verhallte mit dem verschwinden des Fluggeräts über dem Wald und die gewohnte Stille kehrte zurück.
Es war natürlich nicht völlig still. Das bettelnde Piepsen junger Meisen, das Schnarren der unzählbaren Heuschrecken. Vom Waldrand ertönte vereinzelt das monotone Locken einiger Grillenmännchen, aus dem Wald schallte das ratternde Klopfgeräusch eines Schwarzspechts und irgendwo in den hohen Bäumen gurrte eine Wildtaube. Nico würde es nie gegen die Geräuschkulisse einer Großstadt tauschen wollen, selbst seine Studentenbude lag etwas abseits in einem Vorort, weit genug weg vor Lärm und Schmutz.
Nico schloss die Augen und genoss die Stimmen der Natur. Selten genug würde es vorkommen, aber wenn, dann wollte er jede Sekunde nutzen.
Als die Sonne hinter dem Wald allmählich unterging, verzog er sich in sein Zimmer. Noch einmal die Akten lesen, das wollte er nicht, also klinkte er sich ins Internet ein und informierte sich durch die gängigen Seiten über die Neuigkeiten dieser Welt. Einer Welt, die draußen irgendwo stattfand, nicht hier. Kriege, Umweltkatastrophen, Mord und Totschlag, alles war irgendwie weit weg, sehr weit. Nico meinte zu spüren, dass er einen großen Abstand zu all dem gewonnen hatte. Wobei das sicherlich schon früher begann, lange bevor er hierher gefahren war. Es würde weitergehen da draußen in der Welt, auch ohne ihn und es war irrelevant, was dort geschah. Zumindest hier und jetzt.
Er fuhr sein Notebook hoch und sein Postfach enthielt zehn Mails, alle ohne Belang. Eigentlich hatte er sich eine Mail von Stefan erhofft, aber da war nichts. Keine Antwort auf seine zwei Seiten lange Mail. War es die letzte Zeile darin, die Stefan abgeschreckt haben könnte? „Ich liebe dich noch immer“.
Ja, das musste er dazuschreiben und es war auch nicht das erste Mal, dass er das im Chat oder einer Mail getan hatte. Vielleicht würde er es unterlassen, wenn Stefan nicht immer „ich dich auch“ darunter geschrieben hätte.
Mittlerweile war es fast dunkel geworden und in Rick schien sich zum ersten Mal seit dem Nachmittag so etwas wie Leben zu regen.
»Du bist schrecklich faul«, sagte Nico zu ihm, »weißt du das?« Dann fuhr er sein Notebook herunter. »Gassi gehen kann ich für dich nicht, das musst du schon selbst tun.«
Rick gähnte und streckte sich, schließlich setzte er sich auf. Sein Blick heftete sich auf Nicos Augen.
»Wir laufen noch ein bisschen rum, okay?«
Rick schwänzelte, stellte sich hin und schüttelte sich kräftig durch. »Schlafmäuse verjagen wie? Also gut, komm, Hunger wirst du ja auch haben.«
Felix hatte ihm beim Abendessen mitgeteilt, wo Ricks Futter zu finden war. Ein kleiner, separater Schrank in der Küche, wo Fliegen und anderes Ungeziefer keinen Zugriff hatten.
Zunächst aber schnappte sich Nico das Diensthandy, ging vor das Gebäude und sog die frische Waldluft ein.
Noch immer zeigte das Thermometer 24 Grad an, wirklich sehr ungewöhnlich für die Höhe hier. Aber um wie viel angenehmer würde es sein, im Gegensatz zu den Großstädten, wo die Temperatur mit Sicherheit noch an der 30-Grad-Grenze lag.
»Ich denke, wir sollten man nach unseren Schützlingen sehen, was meinst du?«
Rick schien wirklich jedes Wort zu verstehen, schon machte er sich auf den Weg zum Sammelplatz.
Dadurch, dass die Stimmen des Tagwaldes nun verstummt waren, hörte sich das Konzert der Grillen fast schon laut an. Sonst war es nun wirklich still.
Um so mehr erschrak Nico, als das Handy klingelte. »Hartmann?«
Eine sehr aufgeregte Stimme drang in sein Ohr. »Hier ist Roko. Wir.. wir haben eine Schlange hier.«
Nico drückte das Telefon näher an sein Ohr, obwohl er gut verstanden hatte. »Eine was?«
»Ja, eine Schlange. Mindestens einen Meter lang.«
Eine Schlange, einen Meter lang. Das war etwas, was sein konnte, aber auch nicht. »Wo ist sie jetzt?«
»Sie hat sich im Zelt von Patrick und Marco verkrochen.«
»Okay, ich bin in ein paar Minuten da.«
Eilig hatte es Nico dann nicht. Auf dem Pfad zum Camp dachte er angestrengt über die Fauna dieser Gegend nach, wobei er sich nicht ins Klare darüber kam, um welche Spezies Schlange es sich da handeln könnte.
Auf etwa halbem Wege kam ihm jemand entgegen, offenbar hatte er es ziemlich eilig, wild tanzte der Lichtkegel seiner Taschenlampe auf dem Waldboden. Erst kurz bevor er mit Nico zusammenprallte, blieb er stehen. Nico leuchtete ihm einen Moment ins Gesicht, einzig um festzustellen, wer es war.
»Marco. Man könnte ja meinen der Leibhaftige ist hinter dir her.«
Schwer schnaufend leuchtete Marco im Gegenzug in Nicos Gesicht. »Ja, das ist er auch. Da hinten kriecht ne Schlange rum und glaub ja nicht, dass ich da noch mal hingehe.«
»Jetzt komm erst mal wieder runter«, versuchte Nico den Jungen zu beruhigen. »Das seh ich mir jetzt an und dann schauen wir mal, okay?« Dass ihn Marco duzte, war ihm an dieser Stelle völlig egal.
Marco nickte. »Von mir aus. Ich schlaf da nicht mehr, egal was das für n Vieh ist.«
»Wo sind die anderen?«
»Die? Wo schon, die sind lebensmüde. Bleiben einfach dort.«
»Okay, komm, ich seh nach, es kann ja nicht so schlimm sein. Oder bist du etwa ängstlich?« Nico versuchte den Jungen an einer empfindlichen Stelle zu packen.
Marco sah etwas verlegen zu Boden und knipste seine Lampe aus. »Ich bin nicht ängstlich, aber das? Nee, ich mag Schlangen nicht. Schlangen und Spinnen, da bin ich nicht für zu haben.«
Noch ein Fall von Phobie. »Wenn das so weitergeht können wir ein Sanatorium aufmachen«, dachte Nico laut. Er äußerte lieber nicht seine Befürchtung, dass Spinnen im Zelt an der Tagesordnung sein würden.
»Bitte?«
»Einer hat Angst vor Hunden, du vor Krabbelzeugs, mal sehen was da noch so alles ans Tageslicht kommt während ihr hier seid.«
»Mir egal. Ich geh nicht wieder dahin zurück«, und mit dem Wink der Taschenlampe über seine Schulter nach hinten unterstrich der Junge sein Vorhaben.
Es half nichts, Nico musste zumindest überprüfen, was die Jungs wirklich gesehen hatten. »Dann musst du hier warten bis ich zurückkomme. Aber ich kann dir nicht garantieren, dass von dem Zeugs hier nicht noch mehr im Unterholz herumkraucht.« Diese versteckte Drohung war der einzige Weg, der Nico einfiel.
Marco schien mit sich zu kämpfen und zu allem sah das bei ihm wirklich süß aus. Das weiche, indirekte Licht durch Nicos Taschenlampe zauberte ihm etwas Anmutiges und gleichermaßen Geheimnisvolles ins Gesicht. Dann dieser Wimpernaufschlag.. »Gut, aber nur bis zum Waldrand. Weiter geh ich nicht.«
Nico wollte jetzt nicht von ihm wissen, wo er die Nacht zu verbringen gedachte, sollte er auf seinem Standpunkt verharren.
Langsam näherte sich Nico dem Camp. Schon vom Pfad aus sah er die hektischen Lichtkegel der Taschenlampen. Die Jungen standen um den Baumstamm herum und ließen das Zelt mit dem offensichtlich ungebetenen Gast nicht aus den Augen. Ihre Taschenlampen tauchten die Szene in ein schon fast gespenstisches Licht.
»Ich warte hier«, sagte Marco und blieb beim Anblick der Szene augenblicklich stehen.
»Okay, aber achte auf deine Umgebung.« Dass sich Schlangen gelegentlich von oben, durch das Geäst der Bäume, nähern konnten, das behielt Nico lieber für sich. Am Ende würde Marco in Panik sonst wohin flüchten.
»Da, da ist sie rein«, deutete Roko mit dem Arm auf das Zelt, nachdem Nico zu der Gruppe gestoßen war.
»Okay, ich geh mal nachsehen.« Er kniete sich vor das Zelt und leuchtete hinein. Auf den ersten Blick sah er nichts, aber das hatte er auch nicht erwartet. Schlussendlich war ja auch nicht sicher, ob er einem Streich aufgesessen war. Die einzige Möglichkeit, der Wahrheit relativ schnell auf die Spur zu kommen, war der Einsatz des Huskys. Nico rief ihn zu sich. »Rick.«
Kaum hatte er ihn gerufen, schnüffelte der Rüde vorsichtig ins Zelt und sein Verhalten war eindeutig. Er fixierte den linken Schlafsack und knurrte, gerade so laut dass es Nico hören konnte. Nico wandte sich an die Jungen, die alles aus sicherem Abstand beobachteten. »Habt ihr sie genauer gesehen, also Details der Färbung oder so?«
Die Jungen sahen sich an. Patrick versuchte sich schließlich mit einer Antwort: »Nee, die ist plötzlich aus dem Gebüsch gekommen, an uns hier vorbei und wie der Blitz ins Zelt. Bloß dass sie lang war, also ein Meter bestimmt. Und sie hat gezischt.«
Nico rieb sich am Kinn. Die einzige Schlangenart, die Probleme wegen ihrer Giftigkeit machen konnte, wäre eine Kreuzotter gewesen. Aber ob die einen Meter lang werden konnte, das wusste er nicht. Das dumme war eben nur, man musste sie sehen und sie würde sich bestimmt nicht freiwillig zur Schau stellen. »Okay, Jungs, so wird das nichts. Wir müssen sie da rauslocken.«
Roko lachte. »Und wie sollen wir das anstellen?« Dann grinste er, fast schon frech. »Vielleicht hat sie ja nen Namen und kommt, wenn man sie ruft.«