Manchmal ist die Wahrheit hart und FALSCH!
Es war ein Montagmorgen. Der Wecker ertönte. Es war 7 Uhr. Markus rekelte sich aus dem Schlaf und streckte sich. Ein lautes Seufzen ging durch den Raum. Er öffnete die Augen, schaltete den Wecker unsanft aus und drehte sich noch einmal auf die linke Seite um, wo er sich an seinen Schatz kuschelte.
Er legte seinen rechten Arm um dessen Oberkörper und drückte ihn an sich. Den Kopf lege er sanft auf dessen Rücken. Mit einem zufriedenen Lächeln drückte er sich noch fester an Henrik, seinem Allerliebsten. Kurze Zeit verharrten sie so.
Nach wenigen Minuten dieses harmonischen Bildes von zwei, nur mit einem Hot Pan bekleideten, Jungs, die eng aneinander gekuschelt und zufrieden dalagen, drehte sich Henrik langsam um und setzte sich auf.
Markus löste seine klammernden Hände von ihm und blickte verschlafen schräg nach oben in Henriks Gesicht. Der strich ihm über den Wuschelkopf und küsste ihn dann sanft auf die Lippen.
Er lächelte und sagte: „Hat nicht eben dein Wecker geklingelt?“
Markus nickte nur stumm. Henrik schaute auf den Wecker: „Nun, Schatz, es ist kurz nach 7 Uhr. Ich glaub die Schule ruft, hm?“
Markus klammerte sich mit beiden Händen um den Bauch des sitzenden Henrik und kuschelte sich fest in ihn. Henrik schüttelte neckisch grinsend den Kopf und schaute auf seinen Schatz.
Er tippte ihm ganz leicht auf die Schulter: „Na komm, du Schlafmütze, hm?! Komm mit mir ins Bad. Oder willst du mich alleine duschen lassen?“
Markus löste seine Umarmung und schaute wieder zu Henrik auf. Energisch schüttelte er seinen Kopf. Er legte die Arme um den Hals seines Liebsten und stieg langsam aber sicher rückwärts aus dem warmen Bett.
Er zog Henrik sanft mit sich. Dieser stellte sich jetzt auch. Markus verfestigte jetzt wieder seine Umarmung und presste ihm einen liebevollen Kuss auf die Lippen. Henrik legte seine Arme jetzt auch fester um Markus.
Mit den Fingern streichelte er sanft über dessen Schultern. Markus löste sich langsam von den Lippen seines Freundes.
Verträumt blickend entwichen ihm die ersten Worte des Morgens, er war eben ein Morgenmuffel: „Weißt du, dass ich dich ganz doll liebe, mein Schatz?“
Henrik lächelte glücklich und nickte zufrieden: „Ja, das weiß ich. Und ich liebe dich auch!“
Auch über Markus‘ Gesicht strahlte jetzt. Er gab Henrik noch einen intensiven Kuss, er konnte sich fast nicht mehr von ihm lösen.
Doch dann zog er ich zurück, ein lautes Schmatzen ertönte. Markus gab seinem Freund einen Klaps auf den Hintern und drückte ihn sanft Richtung Badezimmer: „Dann gehen wir mal duschen, hm?!“ Arm in Arm gingen die beiden nun auf die Badezimmer zu.
Seit 2 Monaten und 2 Tagen waren sie nun zusammen. Vom ersten Tag an war es eine harmonische Liebe. Es gab nur selten Streit, aber das gehört ja sicher zu jeder Beziehung. Es war eigentlich Liebe auf en ersten Blick.
Kennen gelernt haben sich die beiden auf der Eröffnungsgala von der neuen Vorabendshow von Henrik. Henrik Vandyk, ja, er war Showmaster. Nach dem Abitur hatte er sich eigentlich entschieden zu studieren.
Doch wie der Zufall es so wollte, wurde er von einer Agentur in einer Diskothek entdeckt. Henrik war damals etwas verdutzt, als er plötzlich angesprochen und gefragt wurde, ob er denn schon mal dran gedacht hatte, zum Fernsehen zu gehen. Henrik war total baff.
Er hätte sicher mit allem gerechnet, aber damit? Nun, das war vor zwei Jahren. Damals war er 20 Jahre jung. Er ist sicher nicht der schlecht aussehendste Mann, sonst wäre er wohl kaum angesprochen worden. Henrik war etwa 1,85 m groß und schlank.
Er war leicht gebräunt und hatte glatte Haut. Seine Muskeln waren gut proportioniert, nicht zuviel und nicht zuwenig. Er hatte einen verträumten Blick. Was einem zuerst auffällt, sind seine tiefbraunen Augen, die zum Verlieben aussehen. Seine braunen Haare hatte er zum Mittelscheitel gekämmt.
Er war ein Mann, auf den die Blicke einfach fallen, ein wahrer Traummann. Nun war er damals vollkommen unentschlossen gewesen. Sollte er zu dieser Agentur gehen oder doch nicht? Er hatte sich ständig gefragt, ob er das überhaupt bringen konnte.
Die Vorstellung war für ihn einerseits superpositiv gewesen, und sein Selbstbewusstsein war gestärkt worden, andererseits hatte er Angst zu versagen. Eine Freundin, die er mit seinem Gedankenkonflikt mit einbezogen hatte und nach ihrer Meinung fragte, hatte damals nur gemeint, ob er spinnen würde, er solle auf jeden Fall hingehen.
Was hatte er schon zu verlieren gehabt? Eigentlich hatte sie ja recht gehabt. Henrik hatte dann sein Selbstbewusstsein ausgepackt, die Agentur angerufen und einen Termin vereinbart. Dann war eigentlich alles recht schnell gegangen.
Damals hatte er sich zunächst mal in einer Soap profilieren sollen. Die Agentur hatte ihm eine Hauptrolle vermittelt. So ist er wie die Jungfrau zum Kinde zum Fernsehen gekommen und er hatte es eigentlich gar nicht verstehen können.
Lange Zeit hatte er sein Glück gar nicht fassen können: Er war im Fernsehen, ja, er hatte es geschafft, für ihn hatte sich etwas erfüllt, wovon jeder Jugendliche mal träumt.
Knapp anderthalb Jahre war er bei der Soap geblieben, dann hatte er von dem Sender ein Showkonzept vorgeschlagen bekommen. Henrik hatte wieder gezögert, aber dann hatte er gewusst, dass er eigentlich genug Power hatte, um auch dies zu schaffen.
Er hatte sich damals noch ein wenig Bedenkzeit geben lassen, aber dann doch ziemlich schnell zugesagt. Etwa 3 Monate später ist er aus dem Drehbuch raus geschrieben worden, so dass er sich ganz der neuen Show widmen hatte können.
Es war eine Show für Jugendliche: Talk, Reportage, Musikclips, eigentlich alles was die Teenies interessierte und er war mittendrin. Knapp zweieinhalb Monate hatte die Vorbereitung zur Show gedauert.
Kurz vor Start der neuen Show hatte er noch ein Gespräch mit der Chefin des Unterhaltungssektors gehabt. Sie war eine zähe und erfolgsorientierte Frau. Sie war streng, aber gerecht. Sie hatte auch einen Sohn, nämlich Markus.
Nun, bei dem Gespräch sollte es hauptsächlich um die Motivation von Henrik gehen, immerhin würde er einen ganz neuen Sektor beschreiten, und das noch als Laie, der nie Showbusiness gelernt hatte.
Henrik hatte das Büro dieser Frau betreten, von der die Kollegen nie etwas Gutes erzählt hatten. Er hatte sie immer nur aus der Ferne gesehen, irgendwo auf den ewigen Studiogängen, niemals ein wirkliches Wort mit ihr gewechselt.
Die Frau war ihm fremd gewesen und mit ihr würde er sicher nie grün werden. Nun gut, aber sie war seine Vorgesetzte. Mit Eisesmiene hatte sie von ihrem Schreibtisch auf ihren Jung-Showmaster geschaut.
Sie hatte mit der rechten Hand auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch gedeutet, ohne mit dem Blick von ihm zu weichen. Dieser Blick war so starr gewesen, dass Henrik leicht zusammengezuckt war. Er war auf sie zugegangen und hatte sie begrüßt – keine Reaktions- dann hatte er sich gesetzt. Danach hatte sie nach wenigen Sekunden des Schweigens mit dem Gespräch begonnen:
„Nun, Guten Tag, Herr Vandyk!“
„Guten Tag, Frau Liebermann.“
„Sie wissen, warum ich Sie herbestellt habe?“
„Nun, wegen meiner neuen Show?“
„Gewissermaßen. Nun Sie wissen vielleicht, dass ich sicher nicht begeistert bin, dass Sie diese Show übernehmen. Aber mein Kollege vom Showprogramm weicht nicht ab von Ihnen und lobt Sie in den höchsten Tönen.“
„Danke.“
„Tja, allein Ihre Vergangenheit und Lebensweise …“
„Was meinen Sie?“
„Unterbrechen Sie mich nicht! Sie wissen genau, was ich meine!“
Zögernd sagte Henrik: „Nein!“
„Ach? Denken Sie, wir vom TV schlafen. Denken Sie, dass wir uns nicht mit den Lebensweisen unserer Showmaster auseinandersetzen?“
„Aber wie? Warum?“
„Denken Sie doch mal an die Presse! An dieser Show hängt sehr viel. Ihre Vergangenheit und Ihr jetziger Standard sind mir eigentlich ein Dorn im Auge!“
Etwas beängstigt hatte Henrik gesagt: „Was meinen Sie, Frau Liebermann? Welcher Standard“
„Um dieses Gespräch nicht in die Länge zu ziehen: Es stört mich, dass Sie schwul sind und dass Sie vor noch 3 Jahren als Callboy arbeiteten.“
„Na und?“
„Na und? Was meinen Sie, wenn die Presse das rauskriegt?“
„Wie sollte Sie das rauskriegen?“
„Wie naiv sind Sie eigentlich. Hören Sie, ich hab es auch herausgefunden!“
„Und jetzt?“
„Jetzt sage ich Ihnen, was für Sie in Zukunft gilt!“
„Und das wäre?“
„Dass Sie Callboy waren, können wir nicht verschleiern. Damit dürfen wir uns auseinandersetzen, wenn die Presse dahinter kommt. Nun, mir wird was einfallen, mir ist immer was eingefallen! Und für Ihre Homosexualität gilt: Ab sofort werden Sie diese Neigungen keineswegs mehr zeigen!“
„Aber, wie …“
„Nichts aber! Haben Sie einen Freund?“
„Nein!“
„Gut. Hörn Sie, Sie sind ein Mädchenschwarm und wenn das rauskommt fällt die Show und nicht nur das, auch Sie. Für so manches Showkonzept muss man eben mal auf was verzichten!“ „Aber auf die Liebe …“
„Hörn Sie, ich verzichte für diesen Job auf mein Privatleben, das ist mein Opfer. Ich arbeite hier 12-15 Stunden am Tag.“
„Ich weiß nicht!“
„Wie wichtig ist Ihnen Ihre Karriere?“
Henrik war den Tränen nahe gewesen. Er war so froh gewesen mit dem, was ihm hier in den Schoß gefallen war. Konnte er auf Liebe verzichten? Er wollte darüber aber erst mal nicht nachdenken, so nickte er stumm und sagte: „Ja, ja … ich werde auf Sie hören. Ich will diese Show. Ich bin froh hier zu sein.“
Frau Liebermann hatte streng gemeint: „Jetzt fangen Sie bloß nicht an zu heulen, mein Gott!“
Sie hatte sich zurückgelehnt und herrisch auf Henrik geschaut, dann hatte Sie gelächelt: „Tja, Herr Vandyk, that’s Showbusiness! Gehen Sie jetzt wieder an Ihre Arbeit! Ich hoffe wir haben uns verstanden! Auf Wiedersehen!“
Henrik war nach draußen getrottet. Endlich war der Tag der Eröffnungsgala gekommen. Henrik Stimmung hatte sich längst wieder stabilisiert gehabt. Der Ablauf des Abends war etwa so gewesen: erst würde der Programmdirektor das neue Konzept der Presse vorstellen, dann sollte sich Henrik präsentieren und das Publikum etwa 15 Minuten unterhalten. Darauf sollte das Buffet eröffnet werden. Die erste Show würde dann eine Woche später live über den Bildschirm flimmern.
Auf dieser Gala war Henrik erstmals wieder den Weg von Frau Liebermann gekreuzt. An diesem Tag hatte Sie Ihren Sohn Markus an Ihrer Seite gehabt. Scheinbar hatte Sie versucht, Fernsehen und Privatleben etwas zu kombinieren. Markus war Henrik gleich aufgefallen.
Er war ein niedlicher Boy. Er hatte schöne hellblaue Augen und einen wirren Wuschelkopf. Frau Liebermann und er waren auf Henrik zugekommen. An diesem Tag war sie so anders gewesen. Sie hatte gelächelt und war freundlich gewesen, aber das hatte wohl eher an der Anwesenheit der Presse gelegen.
Sie hatte Henrik die Hand gereicht und ihn begrüßt. Henrik hatte etwas verdutzt geschaut. Dann hatten Sie ihm ihren Sohn vorgestellt. Markus hatte Henrik die Hand gereicht und ein breites Lächeln gezeigt. Hier waren die großen weißen Zähne aufgefallen. Henrik hatte zurück gelächelt. Die beiden waren in diesem Begrüßungsakt verharrt.
Frau Liebermann hatte nun kurz einen grimmigen Blick in Richtung Henrik losgelassen und leise mit einem bizarrem Unterton gesagt: „Haben Sie sich jetzt nicht genug die Hand geschüttelt?“ Henrik war zurückgezuckt und hatte wieder ernst geschaut. Im Hintergrund hatte der Programmdirektor die Presse begrüßt und mit seiner Rede begonnen.
Frau Liebermann hatte den Kopf geschüttelt. Sie hatte die beiden stehen lassen und war Richtung Bühne getappt. Markus und Henrik hatten ihr noch kurz nachgeschaut, dann hatten Sie sich wieder einander zugewandt. Henrik hatte ein Gespräch begonnen: „Nun, du bist also der Sohn?“
Markus hatte wieder gelächelt: „Ja, genau, der bin ich!“
Eigentlich war Henrik vollkommen sprachlos gewesen, aber er hatte trotzdem versucht, ein Gespräch zu etablieren: „Aha, und .. äh, was, was machst du hier?“
„Na ja, ich, ich wollte einfach mitkommen. Ich kenne dich aus deiner Soap.“
Henrik hatte wieder gelächelt.
„Ich bin, na ja, hört ich vielleicht kindisch an, … ein Fan von dir.“
„Hm, was soll ich sagen, freut mich.“
„Ich wollte dich halt mal sehen. So live, halt!“
„Das ist dir ja auch gelungen.“
„Ja.“
Das Gespräch war verstummt. Keiner der beiden hatte so recht was zu sagen gewusst. Sie hatten sich nur intensiv angeschaut. Plötzlich war im Hintergrund der Aufruf für Henrik ertönt, er solle auf die Bühne kommen. Applaus.
Henrik hatte sich noch zu folgenden Sätzen gezwungen und hastig gesagt: „Du, ich muss jetzt. Hast du … ich meine, Zeit, dass wir, wir uns mal treffen können?“ Markus hatte erfreut gelächelt und aus seiner Tasche eine Visitenkarte gezaubert: „Hier, meine Nummer.“
„Danke, Dankeschön und bis bald, ja!?“
Markus hatte genickt. Henrik hatte die Bühne betreten. Er hatte sich verliebt. Mittlerweile war es schon 12 Uhr mittags. Markus war schon lange in der Schule, und Henrik war allein in seiner Wohnung. Heute war ein großer Tag für ihn.
Er hatte heute ein großes Gespräch mit dem Programmdirektor. Heute ging es darum, dass seine Show in das Samstagabendprogramm kam. Er um 20:15 Uhr! Er freute sich wie ein Honigkuchenpferd.
Das einzige, was ihn bedrückte, war, dass er die Beziehung zu Marks geheim halten musste, sowohl vor der Öffentlichkeit als auch vor Frau Liebermann. Von diesem Konflikt zwischen ihm und Frau Liebermann hatte er Markus so direkt noch gar nichts erzählt, auch wenn sie sich sonst alles sagten. Das saß ihm im Nacken.
Dass Markus schwul war, wusste dessen Mutter nicht. Für ein Outing war nie Zeit. Sie hockte ja nur im Büro rum und kümmerte sich nicht um ihren Sohn. Markus hatte auch kein wirkliches Interesse, ihr das mitzuteilen.
Er kannte ihre Einstellung dazu. Aber letztendlich war es ja auch nicht wichtig. Markus bekam seine Mutter sowieso nur höchstens 2-3 Stunden pro Woche zu Gesicht und das ist nicht gerade viel. Gespräche kamen so gut wie nie zustande.
Aber er war sehr verwöhnt. Wenn seine Mutter schon nie Zeit für ihn fand, durfte er sich wenigstens kaufen, was er möchte. Das nutzte Markus dann doch aus. So hatte er ja auch ausgenutzt, dass seine Mutter solche Connections hatte, so hatte er ja immerhin Henrik kennen gelernt.
Henrik verließ nun die Wohnung, schloss die Tür ab und fuhr Richtung Sendezentrale. Am Empfang wurde er schon freundlich empfangen und gebeten, sich doch schnellstmöglich bei Frau Liebermann zu melden. Henrik betonte, dass er bald diesen Termin hatte. Die Empfangsdame nickte und bat ihn, doch zu Frau Liebermann zu gehen.
Es schien dringend und es war alles mit dem Programmdirektor abgesprochen. Henrik nickte. Er marschierte mit einem flauen Gefühl im Magen in die Richtung des Büros von Frau Liebermann. In Gedanken überlegend, was er denn nun wieder angestellt haben könnte, klopfte er an die Tür. Ein eisiges „Herein!“ ertönte.
Henrik trat ein und kaum war er drin, plapperte die Unterhaltungs-Chefin schon wütend los: „Was erlauben Sie sich?“
Henrik war vollkommen baff: „Was bitte?“
„Na was wohl, Sie Schanzlutscher?“
„Bitte was?“
„Sie ficken meinen Sohn und fragen was???!“
Henrik schluckte.
„Hören Sie, ich kann Sie fertig machen, davon konnten Sie bisher nur träumen!“
„Sie können mir gar nichts!“
„Ich weiß, der Programmdirektor hat sich in Sie verguckt für den Samstagabendbereich. Aber ich warne Sie!“
„Lassen Sie Ihre Drohungen!“
„Was ist Ihnen wichtiger? Liebe oder Karriere?“
„Beides!“ „Ich fordere Sie hiermit auf meinen Sohn in Ruhe zu lassen.“
„Und wenn nicht?“
„Dann mach ich Ihnen das Leben zur Hölle!“
„Sie können mir gar nichts!“
„Das werden wir sehn.“
Henrik öffnete entrüstet die Tür und verließ das Büro. Die Tür schlug er hinter sich zu. Es vergingen nun einige Tage und es blieb merkwürdig ruhig. Waren die Drohungen doch nur eine Überreaktion?
Aber leider würde Henrik ihr so eine Intrige zutrauen. Was sollte er machen? Markus einweihen? Diese Lösung hörte sich so einfach an, doch was würde passieren. Würde er zu seiner Mutter gehen und protestieren und sie zur Rede stellen.
Doch was ist, wenn er das tut, dann ist das schon das Aus. Denn Frau Liebermann würde sicher nicht so einen Angriff ihres Sohnes auf ihre Person auf sich sitzen lassen und außerdem hängt dann der Familiensegen schief.
Obwohl, tut er das nicht schon jetzt? Es war eine zu schwere Entscheidung. Würde er ihn um Stillschweigen bitten nach der Offenbarung über das wirkliche Gesicht seiner Mutter? Das würde sicher auch nicht lange gut gehen, denn irgendwann würde Markus ausrasten und die Mutter zur Rede stellen.
Und dann ist ja immer noch das Problem, dass sie partout die Trennung herbeiführen würde. Oder eine 3. Lösung? Eine Scheintrennung? Doch wie hat sie damals im ersten Gespräch gesagt: Sie findet alles raus.
Und wenn sie es ganz geheim halten würden und sich nur versteckt treffen würden? Aber was machen die beiden denn im Moment? So sieht die Realität ja schon aus. Küssen und Händchenhalten in der Öffentlichkeit ist nicht! Eine verzwickte Sache. Die Entscheidung scheint so schwer.
Jeder würde sagen: Entscheide dich für die Liebe, Henrik. Aber war der, der das behauptet, jemals wirklich erpressbar. Der Beruf macht Henrik Spaß, was würde er tun ohne Showbiz? Was würde er mit dem schlechten Image, das ihm die Frau Liebermann angedroht hatte herbeizuführen, noch anfangen können, sowohl im Showgeschäft, als auch in der Welt da draußen.
Was ist so schlimm, wenn man geoutet wird in der Presse? Was ist so schlimm, wenn die Vergangenheit rauskommt? Es ist einfach peinlich und mehr als Image schädigend! Irgendwann würde es das Publikum schon wieder vergessen. Klar, aber eine Samstagabendshow rückt dann auch immer weiter in die Ferne. Also gegen die Liebe?
Henrik war verabredet mit seinem Freund Markus. Sie trafen sich in einer Eisdiele. Henrik saß schon wartend da, als Markus mit einer Zeitung unter dem Arm angelaufen kam. Markus setzte sich, er war ganz blass.
Henrik schaute ihn besorgt an und fragte, was denn los sei. Markus schaute ihn stumm an und legte wie in Trance die Zeitung mit dem Titelblatt nach oben auf den Tisch. Henrik schaute verdutzt und geschockt auf das, was da vor ihm lag. Er nahm die Zeitung und schaute sich das an, was sich ihm da offenbarte. Das war die andere Seite des Showgeschäfts?
Henrik Vandyk. Fliegt er bald aus dem Showgeschäft. Die dunklen Geheimnisse des Mädchenschwarms.
Henrik las jedes Wort mit weit geöffneten Augen, sein Mund öffnete sich langsam. Er staunte nicht schlecht. „…bisher sind es nur Gerüchte um den Beau. Aber laut einer Geheiminformation ging der Jüngling in seinem Herkunftsland auf den Strich. … Was dran ist? Wir bleiben dran! …“
Henrik legte die Zeitung verdutzt nieder und schaute Markus an.
„Ich kann es nicht fassen, Markus!“
„Tja, die kriegen alles raus!“
„Aber …!“
„Hey, ich hab das auch verstanden, du warst 16 und wurdest von deinem Vater gezwungen!“
„Die Öffentlichkeit versteht so was nicht.“
„Ja für die zählen Skandale! Kannst du nicht so was wie ne Pressekonferenz machen?“
„Wo denkst du hin? Wenn das offiziell bestätigt wird, bin ich verloren in dem Geschäft!“
„Und jetzt?“
„Noch ist es nicht offiziell. Ich … muss hoffen!“
„Na ja, vielleicht kannst mit meiner Mutter reden. Immerhin, ihr gehört das Blatt da!“
„Was? Das ist Ihre Zeitung?“
„Ja. Aber scheinbar hat sie keinen Einfluss auf das Abgedruckte. Sie wäre ja blöd, oder?“
Leise nuschelt Henrik in sich: „Oder gerissen. Verdammt!“
Markus schaute verdutzt: „Was sagtest du?“
Da klingelte aber schon Henriks Handy. Er schaute auf das Display. Der Programmdirektor. Henrik drückte auf die ‚Annehmens-Taste und sagte vorsichtig und unsicher: „Ja?“
Der Programmdirektor bat ihn ohne weiteren Kommentar, sofort zu ihm zu kommen. Henrik seufzte und sagte zu. Markus schaute immer noch verdutzt. Er kam nicht mehr mit. Henrik steckte das Mobiltelefon wieder in die Tasche und sagte, er müsse dringend in die Studios.
Markus griff nach seiner Hand und sagte noch schnell: „Henrik, du schaffst das. Es wird schon nicht so schlimm. Denk immer daran: Ich liebe dich!“
Henrik nickte wortlos und verschwand. Markus schaute ihm noch lange nach. Eine Träne wich aus seinem linken Auge.
Henrik atmete tief ein und klopfte an die Tür des Programmdirektors. Der bat ihn herein. Henrik trat ein und fand den Big Boss vor und neben ihm stehend Frau Liebermann. Henrik begrüßte die beiden. Er widmete Markus‘ Mutter nur einen kurzen grimmigen Blick. Der Programmdirektor griff in eine Ablage auf seinem Schreibtisch und zog die aktuelle Zeitung hervor und warf sie auf den Tisch. Dann verschränkte er die Arme.
Henrik schluckte und verteidigte sich: „Das sind doch nur Gerüchte!“
„Ja, noch! Aber wenn die Presse da weiterstochert?“
„Was soll sie herausfinden? Es ist nicht wahr!“
„Tja, wissen sie, was die sich aus den Fingern zaubern im Sommerloch?“
Henrik schaute verdutzt auf Frau Liebermann. Scheinbar war der Boss nicht eingeweiht.
Dann senkte er seinen Kopf und flüsterte: „Was soll ich tun?“
Der Chef des Fernsehprogramms stützte sich mit seinen kräftigen Händen auf den Eichholz-Schreibtisch und fuhr mit lauterer Stimme fort: „Tja, mein Lieber, das weiß ich auch nicht. Aber solang das hier durch die Lande geht, gibt es keine Show und wenn sich das als Wahrheit bestätigen sollte, was ich für Sie nicht hoffe, dann gibt es gar keine Show mehr. Dann können Sie von mir aus zu RTL! Die sind Skandale gewöhnt!“
Henrik schaute noch immer auf den Boden.
„Hoffen Sie auf ein Wunder!! Ich lasse sie beiden jetzt alleine. Entwickeln Sie von mir aus eine Strategie oder was weiß ich! Ich geh in eine Konferenz!“
Der Programmdirektor wanderte wütend ab Richtung Tür und öffnete diese. Er drehte sich noch mal um und betonte: „Und verlassen Sie mir dieses Büro nur mit einer positiven Lösung! und … machen Sie die Tür zu beim Rausgehen. Verstanden?“
Frau Liebermann nickte. Ihr Blick schien betroffen, doch Henrik durfte gleich feststellen, dass das Fassade war. Sie setzte sich zufrieden lächelnd auf den großen Chefsessel und steckte sich eine Zigarette an.
Dann sagte sie spöttisch: „Na? Was sagen Sie nun?“
Henrik schritt auf sie zu und fauchte: „Was soll das? Damit ruinieren Sie nicht nur mich, sondern auch sich!“
„Lächerlich! Wenn Sie gehen, schlag ich ein neues Gesicht und ein neues überarbeitetes Konzept vor. Das geht schnell. Sie sind schnell vergessen!“
„Sie ….!“
„Ja?“
„Vergessen Sie es!“
Frau Liebermann streichelte langsam den Hörer des Telefons.
Dann hob sie ab und streckte Henrik den Hörer entgegen: „Ein Telefonat und ein Gespräch und Sie sind wieder drin!“
„Oh nein!“
„Dann kommt morgen Artikel Nummero 2! Hm, ich dachte da an: Vandyk: Schwuler Callboy – 3 Jahre Strich in Holland! Na, was sagen Sie?“
„Sie sind Abschaum!“
„Ein Abschaum, der Sie im Griff hat, mein Lieber!“
Henrik war die innere Wut anzusehen.
„Ich habe Fotos!“
Henrik schaute sie entsetzt an und fragte erstaunt: „Was? Wo …. Woher?“
„Tja, ich bin eine gute Reporterin gewesen, bevor ich mich auf den Chefsessel geschlafen habe.“
Markus schüttelte den Kopf und fing an zu weinen. Er wischte sich die Tränen schnell weg aus dem Gesicht. Frau Liebermann hielt Henrik erneut den Hörer entgegen. Henrik schüttelte wieder den Kopf, ungläubig.
Er wusste nicht, was mit ihm passiert. Er ging langsam, unentschlossen, auf den Schreibtisch zu und nahm den Hörer. Frau Liebermann lächelte zufrieden: „Na also. Sie sind gar nicht so dumm, wie ich dachte!“ Sie wählte die Nummer ihres Sohnes. Schon bald ging Markus auch ran an das Telefon.
Henrik versuchte nicht zu schluchzen und sprach in den Hörer: „Markus, du ich muss … ich muss dir was sagen. Es ist wichtig. Ich kann es nicht länger für mich behalten. Ich muss mit dir reden!“
Markus: „Was ist denn los, Schatz? Du klingst so komisch!“
„Hast du Zeit?“
„Ja.“
„Ich komme jetzt, okay?“
„Ja. Aber sag doch …“, kam es unsicher von der anderen Seite.
Frau Liebermann drückte das Gespräch weg.
Sie riss Henrik den Hörer aus der Hand und drohte: „Und wehe, Sie machen jetzt irgendeinen Scheiß!“
Henrik zitterte bei diesen Worten. Er verließ stumm das Büro und ging in Richtung Tiefgarage. Markus saß auf seinem Sofa in seinem Zimmer. Da hörte er die Klingel. Ganz aufgelöst rannte er die Treppen hinunter und öffnete.
Es war Henrik. Henrik schaute Markus nicht in die Augen und trat einfach ein in die Wohnung.
Markus folgte ihm mit seinen Blicken und fragte verzweifelt: „Was ist los?“
„Ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll!“
„Sag es einfach, Schatz. Du weißt du kannst mir alles sagen!“
Henrik schaute in die Richtung von Markus, vermied es aber in seine Augen zu schauen und sagte: „Ich liebe dich nicht!“
Markus war den Tränen nahe: „Was??“
„Ich liebe dich nicht … nicht mehr! Es ist vorbei!“
„Wieso?“
„Das ist der Grund!“
„Welcher Grund?“
Markus fing an zu weinen. Henrik sah die Tränen seines Liebsten und weinte ebenso los.
Markus schaute ihn ungläubig an und fragte: „Warum … Henrik, Schatz, warum weinst du?“
„Ich weiß es nicht.“
„Es ist nicht wahr, oder?“
Markus setzte sich und wischte sich die Tränen von den Wangen. Es nutze nichts, er musste immer mehr heulen.
Er verstand die Welt nicht mehr: „Warum jetzt?“
Henrik schüttelte den Kopf und ging ohne Markus nur eines Blickes zu würdigen zur Tür. Er wusste, wenn er ihm jetzt in die Augen schauen würde, dann würden das seine Nerven nicht mitmachen.
Er schaute noch einmal zurück und sagte flüchtig: „Mach es gut.“
Henrik verließ unter Tränen die Villa und verschwand flüchtend in Richtung Auto. Auf dem Weg flossen ihm die Tränen immer intensiver aus den traurigen Augen. Umdrehen? Er würde am liebsten für einige Tage einfach von der Bildfläche verschwinden, aber er wusste, er hatte seine Show und es galt Business as usual.
Wo war er da hingeraten, was hatte er getan, im Hinterkopf immer den Satz: „That’s Showbusiness!“ War es das wert?!