Don’t Talk – Just Kiss
Es war endlich wieder Samstag und Henrik hatte gleich wieder seinen Live-Auftritt in seiner neuen Show. Nun so neu war sie aber gar nicht mehr. Es war mittlerweile schon die fünfte Sendung. Die Show hatte sich im Programm etabliert und war beim Publikum beliebt.
Im schnitt schalteten 5.9 Millionen Zuschauer ein. Das war phänomenal für den kleinen Sender. Und Henrik wurde vom Programmdirektor gelobt, trotz des kleinen Skandals damals. Henriks Jahresvertrag sollte aber bald auslaufen. Dem Programmdirektor war natürlich alles recht, dass Henrik Vandyk, der neue Star, den Vertrag verlängert.
Doch Henrik erbat sich Bedenkzeit. Er kannte seinen Marktwert und wusste was er bei der Konkurrenz verdienen konnte. Die Showband begann laut mit der Einleitungsmusik zur Show.
Das Publikum tobte und der Star stand hinter der Bühne, bereit das Publikum zu begeistern. Henrik hatte seine große Liebe Markus jetzt schon über 3 Monate nicht mehr gesehen, aber es war ihm noch anzusehen, dass es ihn mitnahm. Hinter der lächelnden Fassade war ein liebes krankes Frack. Applaus ertönte und Henrik betrat strahlend, wie immer, die Bühne. Das Publikum tobte.
Henrik verließ die Bühne unter lautem Beifall und betrat den Backstage-Bereich Die Mitarbeiter kamen ihm schon, wie immer, mit Sekt entgegen.
„Lass uns feiern, du bist einfach der Beste!“
Doch Henrik konnte nicht länger lächeln, nicht heute. Er blockte wortlos ab und lief zu seiner Garderobe. Er verschloss die Tür und setzte sich auf seinen Hocker vor dem großen Spiegel. Jetzt flossen ihm wieder einmal Tränen die Wange herunter.
Immer wieder musste er an Markus denken. Er kam nicht darüber hinweg, dass sie durch die Mutter von Markus, Frau Liebermann, so getrennt wurden. Aber er konnte auch nicht mit ihm reden.
Dafür hatte Frau Liebermann schon gesorgt. Vor der Villa stand Tag ein Tag aus einem Wachmann. Die Telefonnummer existierte nicht mehr. Scheinbar hatte die gerissene und intrigante Mutter eine Geheimnummer beantragt. Die eingehende Post wurde scheinbar kontrolliert, denn auch das hatte er in seiner Verzweiflung versucht.
Plötzlich klopfte es an der Tür. Henrik schreckte auf und wischte sich mit einem Schminktuch die Tränen aus dem Gesicht.
Dann sagte er: „Wer ist da?“
Hinter der dicken Tür erklang eine leise Stimme: „Ich bin’s, Magda!“
Magda war eine Produktionshelferin, eigentlich ein sehr nettes Mädel, aber scheinbar in Henrik verknallt. Henrik lächelte kurz und bat sie dann herein.
„Verschließ bitte die Tür!“
Magda tat dies. Magda war ein kleines, sehr schlankes Mädel, so um die 20 Jahre. Sie machte einen sehr schüchternen Eindruck. Das sah man auch ihrem Aussehen und Kleidungsstil an. Ihre dunkelblonden Haare waren zu einem Zopf geflochten, ihre Brille war auf der Mitte des Nasenrückens und die Kleidung war grau.
Verschüchtert versuchte sie etwas zu sagen. Doch Henrik unterband dies und bat sie sich zu setzten. Magda tat dem so und setzte sich auf den zweiten Hocker neben Henrik. Sie war etwas nervös, wie immer in seiner Nähe.
Henrik atmete tief durch und fing an zu reden: „Du, ich muss dir was sagen.“
„Ich dir auch, aber ich weiß nicht wie!“
„Nun, ja, mir ist aufgefallen, dass du, … nun sehr gern in meiner Nähe bist!“
Magda lächelte: „Ja, das bin ich!“
„Bist du verknallt“, fragte Henrik sehr direkt.
Magda wurde wieder etwas nervöser, nickte dann aber.
Henrik zuckte mit den Schultern und betonte: „Aber ich bin vom anderen Ufer!“
Magda verstand nicht: „Aber, was meinst du? Du bist aus Amerika?“
„Nein, Magda, nein. Ich steh auf Männer!“
„Du bist schwul“, schrie Magda.
Henrik bat Magda nicht so laut zu reden und bestätigte dann. Magda machte ein geknicktes Gesicht.
„Hey, ich kann doch auch nichts dafür. Ich habe große Sorgen!“
„Hey, passt schon. Ich krieg eh nie einen ab!“
„Das stimmt doch nicht, wäre ich hetero würde ich sicher auf dich abfahren“, flunkerte Henrik.
Magda lächelte.
Dann fragte sie: „Du sagtest was von Sorgen. Kann ich dir da helfen?“
Henrik schüttelte traurig den Kopf und verneinte. Magda bat ihn wenigstens zu sagen, was denn los sei. Henrik seufzte und nickte. Dann erzählte er ihr die ganze Geschichte. Es blieb nicht aus, dass er weinte.
Magda hörte aufmerksam zu. Nach seinen Erzählungen verschränkte Henrik seine Arme vor seinem Gesicht. Magda dagegen erhob sich und wühlte in einer Schublade herum. Sie fischte ein Blatt Papier aus dem Schubkasten und griff nach einem Kugelschreiber auf dem Tisch. Jetzt tippte sie vorsichtig mit dem Zeigefinger auf Henriks Schulter. Henrik schluchzte und drehte sich um.
Magda lächelt und reichte ihm das Papier und den Stift: „Hier, schreib ihm was, schreib ihm was dir auf dem Herzen liegt. Ich muss morgen eh zur Liebermann in die Villa, etwas besprechen wegen einer neuen Show. Da geh ich einfach kurz bei Markus vorbei. Mir fällt schon was ein.“
Henriks Gesicht glänzte von den vielen Tränen. Er zeigte ein Lächeln, aber verzog dann wieder das Gesicht: „Das klappt doch niemals! Er wird abgeschirmt wie ein Star.“
Magda lächelte: „Ja, aber der Star bist du. Wäre doch gelacht, wenn das nicht klappt. Na komm!“
Henrik nickte und antwortete: „Ja, warum nicht. Versuchen kann man es.“
Magda überreichte ihm das Papier und den Stift und schritt Richtung Tür.
Henrik stoppte sie und sagte: „Danke, Magda, danke!“
Magda drehte sich um: „Ich mag dich. Und ich werde dir helfen.“
Sie erschien jetzt etwas selbstbewusster. Immerhin sie konnte jetzt für ihre Schwarm da sein, wenn schon nicht als Partnerin, dann eben als Freundin. Und auch diese Rolle schien ihr zu gefallen.
Magda stoppte ihr kleines Auto vor der großen Villa der Liebermanns und parkte es direkt vor dem Tor. Sie schnappte den Briefumschlag auf dem Beifahrersitz und verließ das Auto. Sie schritt auf das große Tor zu und stellte sich davor.
Eine Kamera verfolgte jede ihrer Bewegungen. Jetzt betätigte sie die Klingel rechts neben dem Tor.
Eine Stimme ertönte: „Ich habe Sie schon erwartet, Fräulein Müller.“
Es war Frau Liebermann. Magda grinste und bat um Einlass. Der Summer ertönte und Magda öffnete das große eiserne Tor. Durch den Garten marschierte sie zur Haustür, wo Frau Liebermann schon wartete.
Sie reichte ihr die Hand und begrüßte sie. Beide betraten das große Haus. Frau Liebermann schloss die Tür und schritt voraus, um Magda den Weg zum Wohnzimmer zu zeigen. Magda schaute sich staunend um.
Das ganze Haus war in schlichtem weiß gehalten, große Wände. Die Möbel waren meist gläsern. Das Haus war nicht überfüllt, aber farblos. Irgendwie fühlte man sich wie im Himmel.
Endlich betraten die beiden das Wohnzimmer und Frau Liebermann bat Magda Platz zu nehmen, auf einer weißen Couch. Auch Frau Liebermann setzte sich. Und zwar Magda gegenüber.
Frau Liebermanns Blick fiel auf den Brief, den ihr Besuch in der Hand hielt. Sie zeigte darauf und fragte: „Was ist das?“
Magda stotterte und antwortete verkrampft: „Ein Brief!“
„Ja, das sehe ich. Ist der für mich, vom Sender?“
„Äh, nein, den muss ich auf die Post bringen!“
Frau Liebermann runzelte die Stirn und fragte: „Ohne Adresse und Absender und ohne Briefmarke?“
Magda wusste nicht so recht was sie jetzt sagen sollte.
„Sind Sie jetzt sprachlos, Fräulein Müller?“
Magda stotterte: „Nein, ich … der Brief ist ja auch nicht der Grund meines Kommens!“
„Fräulein Müller, ich bin nicht die Post, also warum ließen Sie den Brief nicht im Auto?“
Magda schluckte und konterte: „Ich bin mit dem Bus da!“
„Hm, ein kleiner Bus.“
„Was?“
„Vor allem stehen Sie im Halteverbot.“
„Was meinen Sie?“
„Ihr Auto, da draußen, vor dem Tor!“ Mit diesen Worten erhob sich Frau Liebermann.
„Ich bin nicht mit dem Auto da!“
Frau Liebermann schaute durch die dünnen weißen Gardinen auf die Straße und lächelte verschmitzt: „Immer diese Falschparker. Aber der wird wenigstens abgeschleppt. Das wird teuer.“
„Was??“
„Ja, die Polizei ist hier fix. Schaun Sie selbst!“
Magda erhob sich schnell und schritt zum Vorhang. Dann ließ sie einen Schrei fahren: „Mein Auto!“
Mit diesen Worten rannte sie aus der Wohnung.
Frau Liebermann lächelte nur und flüsterte: „Kleines Luder. Jetzt schickt der Hinterlader schon seine Spitzel. Na warte!“
Frau Liebermanns zarte Faust klopfte hart an die Tür des Programmdirektors. Mit eiserner Mine stand sie davor. Erst als sie das Büro betrat setzte sie ihr falsches Lächeln auf. Sie schritt direkt auf den Eichenholz-Schreibtisch zu und setzte sich auf den Stuhl, der davor stand.
„Guten Tag, Herr Programmdirektor!“
„Guten Morgen, Frau Liebermann. Na was gibt es so dringendes?“
„Nun, wir werden unseren Star wohl bald los sein, was?“
„Wie kommen Sie darauf?“
„Ich durfte eben ein Gespräch von RTL entgegennehmen und weiterleiten an Herrn Vandyk!“
Fluchend schimpfte der Programmdirektor: „Verdammt, wieso leiten Sie ein solches Gespräch weiter?“
„Warum nicht? Ich möchte dem jungen Mann keine Steine in den Weg werfen und Köln ist ja nicht aus der Welt!“
„Es ist mir scheißegal wo Köln liegt. Sie kümmern sich darum, dass der Junge bleibt. Sonst …“
„Sonst was“, unterbrach sie ihn.
„Sonst sind auch Sie ihren Job los!“
Entsetzt entgegnete sie: „Bitte?“
Dabei erhob sie sich.
„Oh ja! Sie brauchen gar nicht so zu gaffen! Der Junge ist unser Quotengarant und er verlässt nicht meine Heiligen Hallen!“
„Einen Teufel werde ich tun!“
„Dann gehen Sie doch mit nach Köln. Es ist ja nicht so weit weg!“
Frau Liebermann verließ sauer das Büro. Der Programmdirektor rief ihr nach: „Dann werden Sie spüren wie weit 564 km sein können!“
In seiner Garderobe hörte Henrik aufmerksam dem Angebot des Kölner Privatsenders zu. Dann unterbrach er: „Entschuldigung, aber ich lasse mich nicht so einfach abwerben. Ich möchte darüber nachdenken. Ihr Angebot ist natürlich verlockend! Ich melde mich bei Ihnen.“
Die Dame am anderen Ende war widerwillig einverstanden und beendete das Gespräch. Kaum hatte Henrik aufgelegt sah er Magda im Türrahmen stehen. Sie hatte ein trauriges Gesicht. Henrik schaute sie verdutzt an und erblickte auch den leicht zerknitterten Briefumschlag in ihrer rechten Hand.
Jetzt fragte er: „Was ist los?“
„Die Liebermann scheint Wind bekommen zu haben!“
Seufzend entgegnete Henrik: „Sieht du, ich sagte ja, dass es keinen Sinn hat.“
Er ließ sich auf den Hocker fallen. Magda schloss die Tür und eilte zu ihm. Sie legte den Brief auf die Kommode und begann eifrig zu plappern: „Ich hab eine Idee!“
Henrik schaute auf und fragte was das denn sei. „Henrik, du bist der Star, weißt du noch?“
„Ja, das hast du gestern gesagt!“
„Ja, verstehst du denn nicht?“
„Nein, tut mir leid!“
„Der Sender hängt an dir. Du bist der Quotengarant!“
„Das weiß ich, ja, aber …“
„Aber nichts. Nütz deine Macht aus!“
„Aber wie? Was meinst du?“
„Nutz deine Sendung. Öffne da dein Herz!“
„Ein Coming Out, live?“
„Ja und gleichzeitig deine Liebeserklärung zu Markus!“
„Aber woher weiß ich, dass er die Sendung überhaupt schaut?“
Magda lächelte: „Hey, wer schaut deine Sendung nicht. Und außerdem, wenn er dich wirklich liebt dann schaut er sie!“
„Ja wenn er das noch tut, vielleicht hasst er mich schon!“
„Blödsinn!“
„Ich kann das nicht!“
„Jetzt reiß dich mal zusammen!“
„Ach, Scheiße, ich … Erinnerst du dich an die Sache mit Schreinemakers? Die war auch Quotenqueen SAT 1 hat sie abgeschaltet!“
„Na und? Das heißt doch nicht, dass dieser Sender das auch tut.“
„Wer weiß!“
„Es ist ein Überraschungsangriff! Wisch der Liebermann eins aus. Verdien hat sie es. Verdammt!“
„Ja, das hat sie. Aber ich kann nicht so eiskalt sein.“
Magda erhob sich und sagte leise: „Du sollst auch nicht eiskalt sein, du sollst ihm beweisen, dass du ihn liebst. Dass du ihn wirklich über alles liebst. Das wäre ein so großer Liebesbeweis!“
Henrik lächelte. Plötzlich ging die Tür ruckartig auf. Die Tür knallte an den Kleiderständer. Es war Frau Liebermann. Sie hatte ein zorniges und leicht verzweifeltes Gesicht.
Laut sagte sie: „Sie gehen nicht zu RTL, haben Sie mich verstanden?“ Jetzt schaute sie auf Magda und schrie: „Und sie kommen in mein Büro, sofort!!“
Wieder war es Samstag und bald war es wieder Zeit für eine neue Show. Henrik saß schon bereit und fertig geschminkt in seiner Garderobe. Bei seinem Lieblingslied von Roy Black, California Blue, dachte er über alles nach.
Er dachte an Markus und wie sehr er ihn liebte. Doch sollte er wirklich heute in der Show das tun, was Magda ihm vorschlug? Er hatte schon etwas Schiss vor dem was passieren konnte. Aber der Traum, Markus wieder in di Arme schließen zu können, der stirbt nie.
Nur einmal wollte er ihn wenigstens noch sehn und ihm die ganz Wahrheit sagen. Das hatte er verdient. Dieser Traum stirbt nie, dieser Traum Markus wieder zu sehn. Henrik machte die Augen zu und lauschte der lauten Musik, die doch so viel gemein hatte mit seiner Situation im Moment: „Denn mein Traum bist du …“
Die laute Musik wurde plötzlich unterbrochen als eine laute Stimme durch den Lautsprecher verkündete: „Allesamt zur Vorbereitung in die 23!“ Henrik war aus seinem Traum gerissen und machte den CD-Spieler aus.
Er schaute noch einmal in den Spiegel und rückte seine Kleidung zurecht. Dann verließ er das Zimmer und lief in Richtung Vorbereitungszimmer zum Regisseur. Er betrat das Zimmer und begrüßte die Anwesenden.
Auch Frau Liebermann war da. Sie hatte ihren üblichen bösen Blick. Henrik ignorierte sie nicht wie immer, sondern schaute ihr heute tief und selbstbewusst in die Augen. Frau Liebermann ließ sich nichts anmerken und verzog keine Miene.
Sie verschränkte die Arme. Der Regisseur schaute auf die beiden und unterbrach: „Henrik? Bereit?“ Dieser nickte nur und trat an den Bühnenausgang. Laut ertönte die Erkennungsmelodie, gespielt vom Showorchester.
Der Regisseur schaute auf den Monitor und zählte jetzt von 10 runter. Bei Null betrat Henrik die hell beleuchtete Bühne und begrüßte das Publikum.
Frau Liebermann schaute auf den konzentrierten Regisseur und fragte: „Was haben die nur an dem Kasper?“
Der Regisseur starrte weiter auf den Monitor und erwiderte: „Der Junge ist gut. Die Quoten steigen. 6 Millionen, Frau Liebermann, sechs!“
Frau Liebermann machte kehrt und stolzierte wortlos aus dem Raum
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„Herzlich willkommen, meine Damen und Herren. Willkommen zur sechsten Show. Auch heute habe ich wieder phantastische Gäste. Thomas Gottschalk muss sich heute warm anziehen. Denn heute machen wir ihm zum ersten Mal Konkurrenz.
Und das gab’s auch noch nie. Wir schalten jetzt live rüber zu Thomas Gottschalk und Wetten dass …!“
Henrik drehte stolz seinen Kopf zur großen Leinwand, wo jetzt Thomas Gottschalk in der Erfurter Stadthalle zu sehen war.
„Hallo, Thomas!“
Gottschalk lächelte: „Hallo, Kleiner!“
„Heute sind wir wohl zum ersten Mal Konkurrenz? Ich bin ein großer Fan von dir!“
„Danke. Aber ich denke, ich habe wieder die Nase vorn!“
„Seit Tagen berichtet die Presse über uns und diesen Tag. Du bist ja sehr von euch überzeugt, Thomas. Denk dran, die Öffentlich-Rechtlichen sind out!“
Gottschalks Zuschauer buhten und pfiffen. Vandyk’s Zuschauer grölten und applaudierten. Gottschalk: „Du hörst es. Meine Zuschauer halten zu mir! Wie wäre es mit einer Wette?“
„Ich habe damit kein Problem, Thomas“, erhob Henrik die Stimme und lächelte dabei. „Wer von uns Zwei die beste Quote heute Abend hat, der gewinnt!“
„Kein Problem. Was ist der Wetteinsatz?“
„Der Gewinner moderiert die Sendung des anderen!“
„Dann darf ich schon bald das Publikum von ‚Wetten dass…!‘ begrüßen,“ sagte Henrik selbst bewusst.
„Nicht so schnell!“
„Wir werden ja sehn. Thomas, ich wünsch dir viel Erfolg mit der Show. Du hast ja auch tolle Gäste, aber nichts gegen unsere.“
„Ich wünsch dir auch viel Erfolg und sag deinem Publikum, wir sehn uns nächsten Samstag, selber Sender anderer Moderator!“
Gottschalk lächelte. Auch Henrik lächelte und verabschiedete sich. Der Monitor erlöschte und zeigte jetzt das große Logo der „Henrik-Vandyk-Show“. Henrik wandte sich wieder dem Publikum zu.
„Tja, meine Damen und Herren, Sie sehen es, Top die Wette gilt, sozusagen. Ich begrüße jetzt hier meinen ersten Gast für die Couch. Sie ist eine außergewöhnliche Sängerin und ich liebe ihre Musik.
Zu allererst sah ich sie in der Serie ‚Ein Schloss am Wörthersee‘ und seit dem liebe ich ihre Musik. Erleben Sie hier auf unserer Super-Magic-Bühne mit ‚Blumen – Flowers for the Ladies‘ Nina Hagen. Viel Vergnügen!“
Die Kamera schwenkte zu der verrauchten Bühne und die Musik erklang.
Die Show nahm ihren Lauf. Henrik saß zwischen Nina Hagen und Hella von Sinnen. Das Interview war geführt und er erhob sich von seinem Platz und trat in die Bühnenmitte.
Hinter den Kulissen starrte der Regisseur verdutzt und verwirrt auf den Bildschirm und schrie: „Was macht der Junge da??“
Henrik erhob sein Mikrophon und begann zu reden: „Tja meine Damen und Herren, jetzt möchte ich etwas loswerden. Heute ist eine besondere Sendung und das möchte ich nutzen.“
Der Regisseur rotierte in seinem Zimmer: „Was macht der?“
Da klingelte das Telefon.
Der Regisseur hob den Hörer ab: „Herr Programmdirektor … Ja … Ich … Keine Ahnung …. Soll ich die Sendung abbrechen, soll ich ihn abschalten?“
Der Direktor sagte nur: „Nein, das gäbe einen Skandal. Ich komme rüber. Ich schau mir das an. Lassen Sie die Kamera auf dem Bub!“
Der Regisseur tat dem und schmiss den Hörer auf die Gabel.
„Nun, Sie fragen sich was ich jetzt möchte. Nun, das hier ist nicht geplant. Aber es ist längst überfällig. Ich wende mich kurz von Ihnen ab und möchte mich nur an einen Menschen richten, den Menschen den ich liebe. Ich sehe das hier als die letzte Möglichkeit um zu sagen: Markus, ich liebe dich. Ich liebe dich über alles. Unsere Trennung war eine Lüge, eine Intrige deiner Mutter. Ich liebe dich!“
Über Henriks Träne floss eine Träne. Er trat zurück in Richtung Couch. Das Publikum wusste nicht wie es reagieren sollte. Die beiden Talkgäste dagegen standen auf und applaudierten so laut sie konnten.
Jetzt ließ sich auch das Publikum anstecken. Die beiden Talkgäste riefen lauthals: „Markus, Markus,“ und applaudierten im Rhythmus. Auch das Publikum rief jetzt und klatschte rhythmisch.
Henrik schaute verdutzt und setzte sich stumm auf die blaue Couch. Das Publikum und die Talkgäste ließen nicht locker und forderten Markus. Hinter den Kulissen schüttelte der Regisseur nur den Kopf. Jetzt platzte der Programmchef rein.
Er stellte ich vor den Monitor und fragte: „Was ist hier los?“
„Unser guter Junge ist schwul!“
„Was?“
„Ja und jetzt fordern alle seinen Lover!“
„Die sind ja von Sinnen!“
„Ja, die hat angefangen!“
„Was?“
„Soll ich abschalten!“
„Nein, sind Sie verrückt. Wir müssen … Ich muss …!“
Der Direktor stürmte aus der Tür und schrie lauthals: „Liebermann??????“
Etwas eingeschüchtert dackelte Frau Liebermann herbei und fragte was denn los sei. Der Programmdirektor zeigte nur weltmännisch auf den Bildschirm und sagte: „Beschaffen Sie mir diesen …. Markus. Er muss auf die Bühne! Das Publikum tobt!“
Frau Liebermann blickte auf den Monitor und schüttelte den Kopf: „Niemals!“
„Waaassss????“
„Ich hole keinen Markus!“
„Sie bewegen Ihren verfluchten Arsch in ihr Auto und machen diesen Markus ausfindig!“
„Niemals!“
„Dann tanken Sie schon mal voll, dann können Sie nämlich nach Köln abzischen!“
„Das mach ich glatt!“
„Mit meinem Zeugnis nimmt Sie noch nicht einmal ein Regionalsender in Ostfriesland mehr. Verstanden????“
Mit diesen Worten dampfte der Programmchef zurück in sein Büro. Frau Liebermann fluchte nur und griff nach ihrer Jacke: „Verfluchter Hurensohn, Schwanzlutscher“, schimpfte sie auf Henrik.
Der Regisseur betätigte einen Knopf um mit Henrik zu kommunizieren. In dessen Ohr ertönte: „Moderation, Henrik, Moderation!“
Henrik erhob ich und beruhigte das Publikum: „Nun meine Lieben, ich denke wir machen jetzt erst mal weiter. Die Show muss ja weitergehen. Selbst wenn ich nicht gegen Gottschalk gewinne, ich habe das phantastischste Publikum, das ich mir wünschen kann. Nun es ist wieder Zeit für Musik. Die Bühne ist noch in Vorbereitung. Wir hören jetzt 2 Männer, die aus den Charts nicht mehr wegzudenken wären. Jeder Song ist ein Hit, finde wenigstens ich. In jeder anderen Show hätten sie ihren aktuellen Hit gespielt. Bei mir spielen sie die unverwechselbaren Klänge von ‚Don’t Talk – Just Kiss – Viel Spaß mit Raid Said Fred! Bitteschön!“
Henrik schritt wieder zur Couch und setzte sich zu Hella von Sinnen. Die Musik erklang. Henrik senkte etwas traurig den Blick, ließ sich aber seine Traurigkeit nicht ansehen.
Wieder war der Programmdirektor im Zimmer der Aufnahmeleitung und starrte auf den Bildschirm und lauschte der Musik. Plötzlich klopfte es an die Tür.
Der Direktor starrte auf diese und knurrte: „Herein!“
Langsam ging die Tür auf und ein Junge stand vor der Tür.
Der Programmdirektor musterte ihn und knurrte erneut: „Was willst du? Autogramme gibt’s nicht. Hier ist Aufnahme.“
Der Junge schluckte und sagte eingeschüchtert: „Ich bin Markus!“
Der Programmdirektor traute seinen Ohren nicht: „Was??“
„Markus!“
„Der Markus von dem hier die Rede ist?“
„Ja!“
„Gut, gut. Raus!“
Markus schritt zurück und wollte schon die Tür schießen, da schrie der Direktor: „Nein, nicht da,“ mit dem Zeigefinger deutete er auf den Bühneneingang und betonte: „Da raus!!“
Ängstlich fragte Markus: „Was? Das kann ich nicht.“
„Lieben Sie den Jungen?“
„Ja, noch immer!“
„Dann gehen Sie jetzt da raus. Sofort!“
„Und dann?“
„Was weiß ich, folgen Sie dem Herzen. Umarmung. Tränen. Liebe!“
Der Regisseur mischte sich ein: „Aber da ist grad Musik.“
„Na und die passt doch,“ sagte der Programmdirektor achselzuckend.
„Geben Sie denen übers Ohr durch, sie sollen noch mal das Lied spielen und zwar sofort. Und sie gehen da raus, das ist ein Befehl. Oder wollen Sie mich ruinieren?“
„Natürlich nicht,“ sagte Markus jetzt mit einem Lächeln.
Der Programmchef gab dem Regisseur letzte Anweisungen: „Und die Kamera bleibt ab sofort auf dem Jungen, auf … äh Markus, ja! Verstanden?“
„Klar, Chef!“
Markus stellte sich vor de Tür zum Studio und schluckte kurz. Dann öffnete er die Tür. Ein Kameramann stand schon dahinter und verfolgte ihn. Markus lief langsam in Richtung Couch. Henrik konnte ihn nicht sehen, denn er kam von hinten an die Couch ran.
Das Publikum begann zu applaudieren und lauter als die Musik wieder „Markus, Markus!“ zu schreien. Henrik stand auf und wollte das Publikum wieder beruhigen. Er war aber begeistert wie das Publikum doch hinter ihm stand. Jetzt erst erblickte er Markus. Henrik schaute sprachlos auf seine große Liebe und schüttelte den Kopf:
„Nein, das kann nicht war sein!“
„Doch, Henrik, ich bin da. Ich wollte dir die Show stehlen“, scherzte er. Henrik stürmte auf Markus zu und umarmte ihn. Jetzt schauten die beiden sich tief in die Augen.
Henrik konnte nicht fassen, dass sein Traum in Erfüllung ging und er wirklich wieder Markus in seinen Armen hatte. Im Hintergrund tobte das Publikum und die Band spielte erneut das Lied an „Don’t Talk – Just Kiss!“
Dieses nahm Markus als Zeichen und drückte Henrik einen dicken Kuss auf die Lippen. Beiden flossen die Tränen die Wangen herunter. Beide küssten sich intensiver und vergaßen alles um sich herum.
Der Regisseur saß an seinem Monitor und lächelte. Der Programmdirektor stand am Bühneneingang und blickte stolz drein. Natürlich applaudierte auch er mit. Magda stand hinter der Kamera, die die beiden Liebenden filmten und weinte vor Freude.
Nur Frau Liebermann saß in ihrem stillen Büro und blickte ins Leere. Sie hatte verloren. Markus und Henrik waren durch nichts mehr zu trennen.