Boston, here I come – Boston – Ende

Es war kurz vor Mitternacht, als wir wieder zurück in unser Zimmer kamen.

„Endlich Feierabend …“

Ich schmiss mich aufs Bett. „… und keine nervenden Gäste mehr!“

„Mister Lensing, nun machen sie mal halblang!“

Jost, der seine Jacke erst noch an die Garderobe gehängt hatte, musterte mich amüsiert.

„Wir waren nur mit meinen Eltern Essen.“

„Auch die sind Gäste und außerdem …“

Ich blickte ihn an.

„… die Laufenbergs und die beiden Damen aus dem Ruhrgebiet waren ja auch noch mit von der Partie.“

Er grinste.

„Nachdem du erklärt hast, Bobby Byrne’s Pub wäre einer der besten Burger-Läden hier.“

„Engelchen, wenn du dich erinnern willst: Ich hatte zuerst den Mexikaner vorgeschlagen, denn morgen wird das Essen ja wieder amerikanisch genug. Konnte ich ahnen, dass deine Eltern gleich auf den Zug aufspringen würden?“

Bei Sven, seinem jüngeren Bruder, hätte ich es ja noch verstanden, aber bei meinen künftigen Schwiegereltern?

„Ich sage doch: Gäste sind nervig!“

„Ich geh dir also auf den Keks?“

Ein wildes Funkeln lag in seinen Augen. Männer! Ich konnte nur mit dem Kopf schütteln.

„Erstens bist du kein nervender Gast wie die Herren aus Frankfurt mit ihrer Nantucket-Poesie, und zweitens …“

Ich streckte ihm meine Hand entgegen, er sollte mir aufhelfen.

„… bist du mein Augenstern, … der Mann, den ich liebe!“

„Ich dich auch, aber …“, er zog mich hoch, „…wir hätten schon vor über zwei Stunden wieder hier sein können, wenn du nicht mit diesem ‚Dark‘n Stormy‘ angefangen wärst!“

Unsere Lippen trafen sich.

„Ich habe nur die Frage beantwortet, ob es in der Bar einen besonderen Drink geben würde und selbst gemachte Ingwerlimonade mit einem der besten Rums der Bahamas ist doch nicht alltäglich, oder? Konnte ich ahnen, dass Opa Friedrich gleich eine ganze Runde bestellt und dein Vater sich sofort revanchiert?“

Er verdrehte die Augen.

„Ok, das konnte niemand vorhersagen, diesmal bist du unschuldig. Aber … wir hätten auch die letzte Runde von den Tanten aus dem Pott ablehnen können.“

„Das wäre unhöflich gewesen, mein Engel!“

Unsere Lippen trafen sich erneut, ich schmeckte noch die Mischung aus Ingwer und Rum in seinem Mund.

„Du kannst nicht zwei Drinks annehmen und dann die Einladung des dritten Gastes einfach so ablehnen.“

„Stimmt auch wieder.“

Er leckte mir über die Lippen.

„Aber verrate mir mal: Kommt es eigentlich öfters vor, dass deine Feierabende in Trinkgelage ausarten?“

Während ich mir die Jacke auszog und sie über den Stuhl hing, schüttelte ich den Kopf.

„Nein, wenn ich unterwegs bin, trinke ich eher wenig, aber das hat andere Gründe.“

„Welche denn?“

Jost hatte sich in der Zwischenzeit seines Hemdes entledigt.

„Naja, erstens musst du am nächsten Tag wieder früh raus und Alkohol in Anwesenheit von Gästen ist immer ein zweischneidiges Schwert, denn …“

Ich streichelte mir über meine mittlerweile nackte Brust.

„…trinkst du nichts, bist du eine Spaßbremse, trinkst du jeden Abend ein Glas Wein zum Abendessen bist du ein Genießer, trinkst du Bier, gehörst du eher zur arbeitenden Klasse. Sind es aber mehr als zwei Gläser, bist du schnell als Alkoholiker verschrien.“

„Also, egal was du auch machst“, mein Traumprinz war mittlerweile mit seiner Jeans beschäftigt, „…du machst es verkehrt.“

Ich streifte mir die Schuhe ab.

„Einige Leute führen aber auch genau Buch darüber, mit wem du wann gegessen und was du getrunken hast.“

„Du nimmst mich jetzt auf den Arm!“

Er sah in seiner grünen Retro einfach zum Anbeißen aus.

„Alles schon vorgekommen!“, ich öffnete meinen Gürtel, „von daher ist es immer ein Tanz auf dem Vulkan, wenn du mit den Gästen was unternimmst.“

„Aha, gehst du denn dann lieber mit den Fahrern einen trinken?“

Er wurde neugierig.

„Ab und an, aber … die dürfen ja noch weniger trinken als wir Reiseleiter. Und außerdem…“, ich zog mir die Hose aus, „…hängt es immer vom N&S-Faktor ab, ob man was zusammen unternimmt.“

„Was haben denn Wasserspiele damit zu tun?“

Er wirkte mehr als verwundert. Ich lachte.

„Schatz, nicht NS wie Natursekt, sondern N und S für Nase und Sympathie.“

Er stand mittlerweile nackt vor mir.

„Ich versteh im Moment nur Bahnhof.“

„Na, du hast die unterschiedlichsten Typen als Fahrer: Eigenbrödler, die dir jede Schraube im Bus erklären können, aber den Mund nicht auseinanderkriegen, wenn sie den Gästen ‚Guten Morgen‘ sagen sollen. Dann hast du diejenigen, die meinen, du wärst überflüssig und die am liebsten die Erklärungen selber übernehmen würden.“

Nun stand ich auch im Adamskostüm vor ihm.

„Außerdem heißt gute Teamarbeit nicht gleich, dass man auch privat miteinander auskommt.“

„Stimmt auch wieder“, er grinste mich an“,wir sollten uns langsam bettfertig machen.“

„Gute Idee.“

Ich folgte ihm ins Bad und, während er sich mit Zahnbürste und dazugehöriger Paste beschäftigte, setzte ich mich erst einmal auf das Klo.

„Wir haben Fahrer, mir denen du dich im Bus hervorragend ergänzt, ein tolles Team bildest. Aber, sobald der Bus abgeschlossen ist, gehen sie ihren Weg lieber alleine, so nach dem Motto: Ich habe jetzt frei und in meiner Freizeit kann ich machen, was ich will. Dann hast du aber auch die Anhänglichen, die dich nicht loslassen wollen.“

Jost schaute in meine Richtung.

„Gibsch eischentlisch …“

„Ohne Bürste im Mund spricht es sich besser!“, ich grinste ihn an, „solltest du echt mal versuchen.“

„Danke!“

Auch er musste lachen.

„Gibt es eigentlich Paare unter dem fahrenden Personal?“

Ich schüttelte den Kopf.

„Nein, denn Paps steht auf dem Standpunkt, sein Personal soll sich nur um die Gäste kümmern und nicht um sich selbst. Wenn die beiden vorne sich über private Dinge streiten sollten, ist die Stimmung im Bus schnell im Eimer.“

Eine der wichtigsten Regeln meines alten Herren. „Von daher gibt es auch keine festen Teams.“

Verwunderung lag in seinem Blick.

„Die sind doch dann aber eingespielt, oder?“

„Das mag zwar sein, aber wir sind hier in den Staaten, dem Land der Prüderie! Du machst dich als Arbeitgeber in einigen Staaten sogar strafbar, wenn du Pärchen bildest: Förderung des Ehebruchs. Dazu brauchst du Angestellte unterschiedlichen Geschlechts noch nicht einmal in einem Zimmer nächtigen lassen.“

Ich gluckste.

„Selbst das ist in einigen Landesteilen verboten!“

„Escht?“

Er hatte wieder die Bürste im Mund.

Ich nickte.

„Wenn Männlein und Weiblein unterwegs sind, gibt es Einzelzimmer.“

Er zuckte mit den Schultern.

„Aber zwei Männer dürfen in einem Zimmer schlafen?“

„Yepp, denn als Arbeitgeber darfst du nur nach dem Familienstand fragen, nicht nach der sexuellen Orientierung.“

Ich wechselte auf seinen Platz vor dem Spiegel.

„Ein Mann ist ja sittlich gefestigt.“

„Aha, dann könnte ich hier einen Busschein machen und, wenn ich Semesterferien habe, gemeinsam mit dir auf Tour gehen?“

Er stellte sich hinter mich und begann, meine Brustwarzen zu streicheln. „Ich stelle mir das sehr geil vor: Nur du und ich … zusammen …“

„Geil wäre das zwar, aber das wird leider nicht klappen.“

Ich begann, meine Zähne zu putzen.

„Wieso?“, er legte seinen Kopf auf meine Schulter, „warum klappt das nicht?“

„Moment.“

Ich versuchte, mich auf das Bürsten meiner Kauleiste zu konzentrieren, was mir aber nur schwer gelang, da Klein-Jost es sich an meinen Becken gemütlich gemacht hatte. Auch der große Jost setzte bei seinen Streicheleinheiten nicht mehr nur seine Hände ein: Mir wurde mehr als wuschig, als ich seine Zunge an meinem Hals spürte.

Mit Müh und Not und nur halbem Erfolg beendete ich die Reinigungsprozedur, Klein-Gordon drückte mittlerweile enorm gegen den Waschtisch. Ich drehte meinen Kopf zu ihm und hauchte ihm ein Kuss auf die Lippen.

„Mit deinem Studentenvisum ist eine CDL ausgeschlossen.“

„CDL?“, er blickte mich fragend im Spiegel an, „was ist das denn?“

„Die Commercial Driver‘s License.“

Ich trocknete mir den Mund ab.

„Du brauchst eine CDL Klasse B mit dem Vermerk P für Personenbeförderung, um hier als Busfahrer zu arbeiten, aber das geht mit deinem Visum nicht. Arbeiten geht damit fast gar nicht.“

„Aber hieran darf ich arbeiten?“

Seine Zunge fuhr langsam meine gesamte Wirbelsäule entlang nach unten, er muss wohl auf die Knie gegangen sein.

Ich konnte nur noch stöhnen.

„Gerne!“

„Na, dann mache ich das doch mal!“

Er spreizte meine Backen und seine Zunge spürte ich jetzt an meinem verlängertem Rückgrat. Ein Schauer durchzuckte mich, als er über die feuchte Spur seines Waschlappens blies. Seine Hände walkten und kneteten nicht nur den Musculus Gluteus Maximus, mein ganzer Hintern wurde in die Massage einbezogen.

Ich spürte, wie Jost durch die Nase, die mittlerweile in meinem Tal eingeklemmt war, ausatmete, mir wurde fast Schwarz vor Augen, ich musste mich am Waschbecken abstützen, um nicht umzufallen.

Plötzlich wurde es feucht in meinem Tal, allerdings überschwemmte keine Flutwelle die Rinne, langsam rann der Speichelfaden, angezogen durch die Schwerkraft, an meinem Loch vorbei, ich hätte mich wegschreien können vor Geilheit und purer Lust.

Jost setzte blitzartig seine Zunge als natürliche Wehrmauer ein, sammelte so das Wasser, um es daraufhin gleichmäßig im fruchtbarsten Teil des Tales zu verteilen. Ich zitterte am ganzen Körper.

Mein Engel ließ seine Zunge in konzentrischen Kreisen auf und um meine Öffnung kreisen, um dann wohl in der Mitte zu verharren. Außer seinem heißen Atem konnte ich nichts spüren. Seine Finger lagen ruhig auf meinen Hüften, die Daumen drückten das Muskelfleisch wieder auseinander.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, tausende Elektronen fuhren auf meinen Nervenbahnen mittlerweile Amok, begann er eine neue Runde: Seine Zunge fing erneut an zu tanzen. Mir versagten fast die Knie, meine Hände krampften sich um den Rand des Waschbeckens, die Adern auf dem Handrücken traten hervor.

Immer schneller und tiefer wurden seine Bohrversuche. Der Verkehr auf meinen Nervenbahnen hatte sich indessen einigermaßen wieder normalisiert, ich konnte jetzt agieren. Ich wollte ihn tiefer in mir haben, ihn und seine Wärme spüren.

Ich schob mein Becken leicht nach hinten, um seine teuren Probebohrungen zu unterstützen.

Seine Finger nahmen ihre Massagetätigkeiten wieder auf und rissen das Tal jetzt von oben her auf, sie wollten dem Bohrgerät wohl mehr Platz im Talgrund verschaffen.

Ich hatte richtig geraten, mein Baumeister nutzte sie als Stützmauern. Zwar versank der eine oder andere Pfahl im mittlerweile weichen Morast, wurde aber schnell wieder an die Oberfläche zurückgeholt.

Ich hatte mich einigermaßen wieder unter Kontrolle. Meine Rechte griff nach meinem Kulturbeutel, der auf der gefliesten Spiegelablage stand, darin müsste doch noch eine bestimmte Tube sein.

Ich hätte eine Freudenmesse lesen lassen können, als ich das schwarze Teil in meiner Hand hatte, und eine Zweite, als ich es geschafft hatte, selbige auch zu öffnen. Langsam führte ich meine Hand, das wertvolle Utensil sollte ja nicht in Mitleidenschaft gezogen werden, nach hinten.

Sollte ich etwas sagen? So ich denn meinen Mund aufgemacht hätte, Jost hätte unweigerlich zu einer Antwort angesetzt und somit seine Bohrversuche, die ich nicht nur körperlich mehr als genoss, unterbrochen.

Ich entschied mich daher für die nonverbale Art der Kommunikation und tastete, meinen kleinen Finger als Vorhut nutzend, meine rechte Hüfte entlang zu seiner Hand. Endlich fand ich das Objekt meiner Begierde.

Zwar unterbrach er seine Massage, aber damit konnte ich leben. Seine Finger suchten nach Meinen, spielten mit ihnen, jedoch stoppten sie abrupt, als sie den Gegenstand in meiner Handfläche entdeckten.

Etwas Druck auf das Plastik reichte aus, um den farblosen Glibber ins Freie zu befördern. Ich wölbte meine Hand etwas, seine Finger, neugierig, wie sie waren, grapschten direkt in die gelartige Substanz auf meinem Beckenknochen.

Er hatte wohl verstanden, was ich wollte; anders als bei mancher Entführung, klappte die Übergabe. Innerlich hatte ich mich schon mit einem jähen Ende der Bohrversuche abgefunden, aber schlimm war das eigentlich nicht, wusste ich doch, dass das Bohrgerät gleich durch ein größeres Kaliber ersetzt werden würde.

Allerdings machte der Baumeister keine Anstalten, sein Großprojekt zu unterbrechen. Ich wollte meinen Schatz endlich in mir spüren, sollte mir diese Freude wieder verwehrt werden?

Hören konnte ich zwar durch mein eigenes Gestöhne relativ wenig, aber plötzlich spürte ich, wie das Plastikteil meinen rechten großen Zeh traf und vor meinem Fuß landete.

Ich musste vor Wollust grinsen, mein Schatz hatte sich für die für mich günstigere Alternative entschieden. Anstelle meines Bohrlochs, wie es jeder hätte machen können, schmierte er seinen Hammer ein und ließ seinen kleinen Bohrer unbeirrt sein Werk fortsetzen. Die dritte Messe war fällig.

Plötzlich kam Bewegung in die Sache, er musste wohl seine Stellung gewechselt haben. Langsam glitt seine Zunge meine Wirbelsäule wieder aufwärts. Erst als sie meinen Hals erreicht hatte, ging er ins Hohlkreuz und führte seinen wohl präparierten Bohrhammer zu dem Ort, wo der gleich in die Tiefen abtauchen sollte. Der kleine Bohrer hatte gute, ja sogar sehr gute, Vorarbeit geleistet, er verschwand sofort bis zum Anschlag im Bohrloch. Wir stöhnten beide.

Langsam zog er sich zurück, um dann mit voller Kraft wieder zuzustoßen.

„Endlich … bist … bist du … in mir!“

Ein erneutes Heben und Senken des Bohrgeräts machte mich noch rattiger, als ich eh schon war.

„Jost … ich … ich …“

„Ja, mein Engel?“

Seine Zunge drang in mein Ohr ein.

„Mach weiter!“

Ich konnte nur noch stöhnen.

„Bitte nicht aufhören!“

Er fand langsam seinen Rhythmus.

„Werde ich auch nicht!“

Ich beugte mich vor, versuchte noch mehr von ihm in mir aufzunehmen, als ich bis jetzt schon intus hatte. Zwar waren es nur drei oder vier Millimeter mehr, die wir so gewannen, aber die waren jede Anstrengung wert.

Es war einfach nur göttlich geil, mein Schatz war endlich in mir. Ich schwebte auf Wolke Sieben, war der Erfüllung meiner Träume noch nie so nah gewesen. Seine Hände umklammerten jetzt meine Hüften und er zog mich ein Stück nach hinten, sein Hammer hämmerte in gleichmäßigem Takt weiter.

Nach wir den ersten Schritt geschafft hatten, umklammerte seine Rechte meinen Zauberstab und seine Finger tasteten meine Kuppe ab, verrieben den Vorsaft, den ich schon reichlich abgesondert hatte.

Allerdings würde der natürliche Schmierstoff nicht ausreichen, es sollte ja kein Quickie werden, ich wollte den Ritt ja genießen und ich kannte mich. Ich griff mit meiner linken Hand nach der Bodylotion, die auch auf der Ablage stand.

Irgendwie schaffte ich es, sie einhändig aufzudrehen. Meine Rechte griff seine Rechte und mit der linken Hand drückte ich auf die blaue Tube. Ich weiß nicht, wie viel von dem weißen Zeug auf dem Boden landete, aber das war mit im Moment mehr als egal!

Als seine Finger ihr Werk fortsetzen, war das Gefühl vorn fast so schön wie die hintere Stimulation, die er mir verschaffte.

„Ja! So ist es besser!“

Er leckte meinen Nacken.

„Sorry Schatz, ich muss wohl noch üben, wie man mit einem beschnittenen Schwanz umgeht.“

„Pssst! Nicht reden! Weitermachen!“

Ich fing wieder an, lustvoll zu stöhnen. Jost nahm nun wieder Fahrt auf und ich genoss einfach nur seine Behandlung. Mein Schatz hatte jetzt anscheinend die höchste Drehzahlstufe eingeschaltet und es war mehr als geil, ich war schon weit hinter dem Point of no Return.

Allerdings, so nach zehn Minuten, wurde die Geilheit vorne von leichtem Schmerz getrübt, ich wollte schon wieder nach der blauen Flasche greifen, als mein Schatz plötzlich nur noch wie wild zuckte.

„Ich … ich …“, er biss mir fast in den Nacken, „ich komme!“

Ich spürte deutlich, wie er mich flutete und dann auf meinem Rücken zusammenbrach. Er stieß zwar noch ein paar Mal nach, aber seine Hände suchten jetzt Halt auf meinen Schultern. Ich griff mir Klein-Gordon und nach zwei, drei Streichen feuerte auch ich meine Sahne in Richtung Waschbecken. Wir fielen uns glücklich, aber erschöpft, in die Arme.

„Jost, das war wunderschön!“

„Du sagt es.“

Der Mann mit den smaragdgrünen Augen blickte mich sanft lächelnd an.

„Wir sollten kurz unter die Dusche …“

„Keine schlechte Idee.“

Ich lachte ihn an.

„Dann stell du mal das Wasser auf die richtige Temperatur ein und ich vernichte hier die gröbsten Spuren.“

Ich deutete auf den Boden, auf dem nicht nur der Rest der Lotion zu sehen war.

Grinsend bestieg er die Tasse.

„Lass mich nicht zu lange warten!“

Etwas Klopapier und Kraft reichte, das Übrige würden die Putzfrauen morgen erledigen, wenn wir schon längst wieder auf Tour waren. Außer unendlich vielen Küssen, gegenseitigem Einseifen und sanftem Streicheln passierte in der weißen Emaille nicht viel, dazu waren wir beide zu erschöpft.

Als wir nebeneinander im Bett kuschelten, grinste Jost mich an.

„Ich muss wohl noch etwas üben, wie ich einen Typen ohne Kuppe wichse.“

„Naja, für das erste Mal war es gar nicht mal so schlecht“, auch ich musste lachen, „und ich stelle mich gerne als dein Versuchskaninchen zu Verfügung. … Aber das ist auch ein Grund, warum du kein Busfahrer werden kannst.“

Erstaunt blickte er mich an.

„Wie meinst du das denn jetzt?“

„Ich bin nicht der einzige schwule Reiseleiter bei Lensing und ich will meinen Gatten ja nicht unnötig in Versuchung führen.“

Ich küsste ihn auf die Stirn.

„Ok, dann werde ich halt Reiseleiter.“

Er zwickte mich kräftig in die Seite.

„Auch das kannst du dir abschminken!“

Sollte ich zum Gegenangriff übergehen und ihn durchkitzeln?

„Erstens geht das mit dem Visum nicht und zweitens …“

„Ja, Herr Lensing, ich höre!“

Seine Hand kraulte meine Brust. Ich griff sie.

„Es gibt mindestens einen bisexuellen Busfahrer bei Lensing, von daher …“

Er gluckste.

„Kann es sein, dass da jemand eifersüchtig ist?“

„Auf Juan?“

Ich blickte ihn fragend an.

„Der ist rein aktiv und küsst nicht, der typische Macho!“

Er strich mir über die Wange.

„Also hast du auch schon mit ihm …“

Mist, ich hatte mich verraten!

„Ja, wir sind öfters im Bett gelandet, aber in letzter Zeit … verhielt er sich ziemlich merkwürdig. Ian meinte, Juan wäre in Wirklichkeit schwul und würde seine Bisexualität nur als Ausrede benutzen, um der Wahrheit nicht ins Gesicht sehen zu müssen.“

„Wer ist Ian denn schon wieder?“

Hörte ich da eine leichte Gereiztheit in seiner Stimme?

„Einer aus der Buchhaltung.“

Ich entschied mich für absolute Offenheit.

„Und ehe du fragst, auf einer Dienstreise nach Milwaukee sind wir auch in der Horizontalen gelandet.“

„Du scheinst ja einen enormen Männerverschleiß zu haben, mein Süßer!“

Er kniff mir in die Brust.

„Hast du noch mehr Leichen im Keller?“

Ich blickte ihm tief in die Augen.

„Nein, meine letzten Bettgenossen leben alle noch.“

„Wie viele waren es denn…?“, er blickte mich leicht strafend an, „…in den letzten vier Wochen?“

Ich kratzte mich am Kinn.

„Mit dir? Lass mich mal überlegen: Vor dir war Matt, die Bilder hast du ja gesehen, davor war der Beinahe-Dreier mit Sidney und Daniel als Zuschauer. Sid habe ich übrigens auf dem Rückflug von Milwaukee kennengelernt.“

Ein Schmunzeln lag auf seinen Lippen.

„Tststs, baggerst im Flieger also einfach Leute an und Ian, das Betthaschen von letzter Nacht, sitzt daneben; Schäm dich! … Und vor dem Buchhalter?“

Sollte ich meine Mitgliedschaft im Mile-High-Club offenbaren? Aber das wäre ja keine Antwort auf seine Frage gewesen.

„Vorher haben nur Michael und Juan bei mir übernachtet.“

„Michael?“

Seine Finger trommelten leicht auf meiner Brust.

„Auch ein Reiseleiter, der eine Tour für mich übernommen hat und sich dafür die Unterlagen abholen wollte. Der Sex war aber eher ungeplant.“

Ok, dass wir im Bett landen würden, war fast klar, als er sein Kommen avisierte, aber Hauptgrund seines Erscheinens waren ja die Tourdaten gewesen.

„Also mit dir insgesamt sechs Mann, die im letzten Monat das Bett mit mir geteilt haben, denn vor Michael war ich mit Juan auf Tour.“

„Der aber komisch war.“

Aus dem Trommeln wurde ein Streicheln.

„Wie kommt Ian darauf?“

Ich atmete tief aus.

„Gute Frage, normalerweise sind Juan und ich immer nur auf Tour auf Touren gekommen, wir haben es nie innerhalb der Stadtgrenzen gemacht.“

Ich erzählte meinem Schatz von den ersten intimen Begegnungen mit Juan vor zwei Jahren und legte dann das Hauptaugenmerk meines Berichts auf die letzte Woche vor meiner Abreise nach Boston:

Das unmoralische Angebot des Ficks im Bus, das nächtliche Auffinden vor meiner Haustür, seine Reaktion auf Michaels Besuch, alles fand Einzug in meine Situationsbeschreibung. Von Carmen, mittlerweile seine Ex, hatte ich ja von Trennung und Auszug erfahren, seine letzte Info an mich war die geplante Überraschung.

„Tja, das letzte Mal hab ihn dann am vorletzten Freitag gesehen, aber nur kurz: Ich war auf dem Weg in die Mittagspause und er kam zum Dienst. Groß Reden konnten wir da nicht, ich musste wieder zu meinen Zahlen zurück. Wir hatten uns dann für Sonntagabend verabredet, aber …“

Ich wuselte ihm durch die Haare.

„… das klappte dann aber doch nicht: Ich musste ja nach Boston.“

„Etwas komisch ist sein Verhalten schon, aber selbst wenn Ian recht hat und Juan ab jetzt nur noch schwul leben will oder…“, der Mann mit den smaragdgrünen Augen grübelte, „zumindest seine Bi-Skala zeitweise auf eher verzaubert stellen möchte, würde ich mir an deiner Stelle nicht so viel Gedanken machen, das bringt nur graue Haare.“

Erstaunt zog ich meine Augenbrauen hoch.

„Aber … was ist mit seiner Überraschung?“

„Das weiß ich auch nicht genau, ich kenne ihn ja nicht persönlich, aber … ich bin mir relativ sicher, es kann nichts Lebenswichtiges gewesen sein.“

Die Selbstsicherheit in seiner Stimme erstaunte mich. „Du bist auf einer Busrundreise durch Neu-England und auf keiner Raftingtour durch den oberen Teil des Amazonas!“

Ich verstand nur Bahnhof.

„Ähh …?“

„Was auch immer er dir sagen wollte, er hätte es ohne große Probleme machen können. Ihr arbeitet schließlich zusammen, er hat deine Privatnummer“, Jost grinste mich keck an, „…da wird er deine dienstliche Erreichbarkeit ja bestimmt haben, oder?“

Ich nickte langsam.

„Davon kann man ausgehen.“

„Also! Wenn diese Mitteilung für ihn wirklich wichtig gewesen wäre, dann frage ich mich, warum er dich bis jetzt immer noch nicht darüber informiert hat!“

Ein Grinsen umspielte seine Lippen.

„Warum ruft er dich nicht an oder hinterlässt eine Nachricht auf deiner Mailbox? Er könnte auch eine E-Mail schreiben.“

„Da ist was dran!“

Ich küsste ihn auf die Stirn.

„Selbst wenn er sein Mobilknochen an jenem Abend vergessen hätte und meine Nummer nicht im auswendig wüsste, spätestens am nächsten Morgen …“

„Gaynau!“

Er lachte.

„Aber was ist, wenn…“, ich stockte, „…es etwas ganz Privates wäre, ein Liebesgeständnis vielleicht?“

Mein Engel zog erst die Stirn kraus, um dann in ein breites Grinsen zu verfallen.

„Das glaube ich nicht, denn, wenn du frisch verliebt bist oder endlich zu deiner Liebe stehen willst; was macht der normale Mann, der eine Stunde vor der Wohnung seines Liebsten vergebens auf ihn wartet? Er setzt Himmel und Hölle in Bewegung! Ein Anruf genügt und die Sache ist geklärt.“

„Stimmt auch wieder, aber…“, unsrer Lippen berührten sich, „…er käme mit seinem Geständnis eh zu spät! Mein Herz gehört jemand anderem und der liegt jetzt neben mir!“

„Will ich dir auch geraten haben!“, er knuffte mich in die Seite, „aber …was würdest du machen, wenn er tatsächlich zu dir sagt: ‚Ich liebe dich!‘?“

Ich atmete tief durch.

„Schwer zu sagen, … ich wäre geschmeichelt. Schlecht sieht er ja nicht aus, ist redegewandt, höflich, spricht drei Sprachen, trinkt nicht, ist zuvorkommend, jedenfalls zu Gästen, … Der, der ihn einmal kriegen wird, kann sich glücklich schätzen, aber …“

„Aber was?“

Der angehende Student streichelte mir wieder über die Brust.

„Ich werde es nicht sein, ich mag ihn zwar, sehr gern sogar, aber zu einer Liebe gehören immer Zwei und daran scheitert es: Diese Liebe wäre einseitig.“

Ich fuhr meinem Engel durch die Haare.

„Es gab einmal die Zeit, da hätte ich Ja zu Juan gesagt, aber … nur … nur um jemanden an meiner Seite zu haben, es hätte auch jeder andere sein können. Ich hatte das Alleinsein einfach satt.“

Seine Hand ruhte auf meinem Herzen.

„Ich wollte endlich einen Freund, einem Partner, einen Gefährten. Ich wäre für ihn auch in die rein passive Rolle geschlüpft, aber … eine Partnerschaft zeichnet sich durch andere Dinge aus und diese Erkenntnis verdanke ich dir.“

 

„Ich werde ja gleich rot.“

 

Unsere Lippen vereinigten sich erneut.

 

„Aber es stimmt: Man darf sich nicht verbiegen, wenn man lieben will.“

 

„Genau!“

 

Ich fuhr mit dem Finger seinen Arm entlang.

 

„Und dann ist da noch …“

 

„Was?“

 

Neugierig blickte er mich an.

 

„Die Zeit! Hätte Greg den Bockmist mit dieser Patsy nicht gebaut, wäre ich immer noch als Reiseleiter unterwegs. Wenn man dann nicht gerade zusammen fährt, wäre es ein Lotteriespiel, wann man sich sieht. Was bringt mir eine Beziehung, wenn man keine Zeit für den anderen hat?“

 

Ich atmete tief durch.

 

„Ich bin zwar jetzt Assistent meines Vaters und von daher immer in New York, aber viel besser ist das auch nicht: Als Busfahrer ist er maximal zwei Tage in der Woche in der Stadt.“

 

„Das ist nicht viel Zeit.“

 

Ein Grinsen umspielte seine Lippen.

 

„Aber die Kennenlernphase hättet ihr ja schon hinter euch.“

 

„Willst du mich etwa loswerden?“

 

Ich blickte ihn mit großen Augen an. Jost lachte schallend.

 

„Du siehst echt süß aus, wenn du dich aufregst! Aber keine Angst, ich habe nicht vor, dich in die Wüste zu schicken; jedenfalls nicht in den nächsten 55 Jahren. Eigentlich müsste ich deinem Bruder auf Knien danken, dass er mit Patsy …“

 

Ich schaute verdutzt aus der Wäsche, er hatte es wieder geschafft, mich aufzuziehen. Irgendwann würde ich mich rächen.

 

„Wieso?“

 

„Hätte er nicht mit dieser Tante gepimpert, wäre er nicht verbannt worden und wir hätten uns nie kennengelernt.“

 

Er grinste.

 

„Tu mir bitte einen Gefallen und sag ihm das nie!“

 

Ich küsste ihn auf seine Brustwarze.

 

„Er würde sich, bis in alle Ewigkeiten, als Ehestifter feiern lassen wollen!“

 

„Meine Lippen sind versiegelt!“

 

Er warf mir einen Luftkuss zu.

 

„Aber Schatz, wir sollten so langsam das Licht ausmachen und schlafen, in fünf Stunden müssen wir schon wieder aufstehen.“

 

Ich blickte auf den Radiowecker, das Display zeigte 02:04 Uhr.

 

„Wo ist die Zeit geblieben?“

 

„Ich weiß es nicht, aber ich habe jede Minute genossen.“

 

Er löschte das Licht und robbte dann wieder zu mir.

 

„Schlaf gut, mein Großer!“

 

„Du auch, mein Engel.“

 

Ich küsste ihn zärtlich.

 

„Good night, sleep tight, don’t let the bedbugs bite. And if they do then take your shoe and knock them till they are black and blue!“

 

Eng aneinander gekuschelt drifteten wir in Morpheus Reich.

 

*-*-*

 

Ich hätte den dämlichen Wecker erschlagen können, als der sich um Sieben anschickte, seinen Bestimmungszweck zu erfüllen. Mir fehlten mindestens anderthalb Stunden Schlaf. Eigentlich bin ich nicht der Typ, der seine Aggressionen an toten Gegenständen auslässt, aber der Schlag auf das röhrende Etwas musste sein.

Ich sprang aus dem Bett, denn, wäre ich liegen geblieben, ich wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wieder eingeschlafen. Jost schlummerte immer noch friedlich in den Laken. Wie konnte er das Teil nur überhören? Es würde lustig werden, wenn er ab Montag vor mir aufstehen muss. Anders als in Europa ist das Studium hier in den Staaten eher verschult, zumindest in den ersten Semestern und verschlafen kommt nicht gut bei den Professoren und Mentoren, das wusste ich aus eigener leidvoller Erfahrung.

Als ich aus dem Bad wiederkam, die Blase verlangte nach Entleerung, lag er immer noch regungslos im Bett. Sollte ich ihn wecken? Hart oder sanft? Ich grübelte kurz, griff mir im nächsten Moment die Bettdecke und zog sie mit einem Ruck an die Seite. Sein blanker Hintern reckte sich mir entgegen, nur zu gern hätte ich jetzt etwas mehr Zeit gehabt; was hätte man nicht alles in dieser morgendlichen Stunde anstellen können?

Nach zwei Schritten hatte ich ihn und seine göttlichen Halbkugeln erreicht. Ich beugte mich zu ihnen herunter und leckte einmal kurz durch seine Spalte. Ein wohliges Stöhnen drang an mein Ohr, mein Schatz weilte also noch unter den Lebenden.

Er schlängelte sich wie eine Schlange unter der intimen Berührung. Meine Zunge wanderte nach links, allerdings nicht, um ihr Werk fortzusetzen, sondern ich setzte meine Zähne ein und biss leicht ich das warme Fleisch.

 

„Aua!“, er sprang aus dem Bett, wach war er nun.

 

„Hättest du das nicht zärtlicher machen können?“

 

Ich grinste ihn an.

 

„Doch, aber dann wärst du nie aus dem Bett aufgestanden, mein Süßer.“

 

„Wieso kuscheln wir nicht noch eine Runde?“

 

Dieser Augenaufschlag!

 

„Lust hätte ich …“

 

„Weil es nicht bei der Mund-zu-Mund-Beatmung ohne medizinischen Anlass bleiben würde, mein Engel.“

 

Ich warf ihm wenigstens einen Luftkuss zu.

 

„Und … wir müssen gleich noch packen.“

 

„Ja, Papa!“

 

Grummelnd machte er sich in Richtung Bad auf den Weg.

 

„Kommst du mit?“

 

„Aber immer doch, Mama!“

 

Lachend folgte ich ihm in den gekachelten Raum, diesmal standen wir gemeinsam am Waschbecken.

 

„Ab Samstag werde ich nicht mehr zu beißen, um dich aus dem Bett zu kriegen.“

 

„Schondern?“

 

Er hatte schon wieder die Zahnbürste im Mund.

 

„Dich ins Badezimmer ficken und dann noch einmal in der Dusche nageln!“

 

Ich grinste ihn an. Er hatte das Plastikteil aus der Hand gelegt.

 

„Das wird kaum gehen, mein Großer!“

 

„Wieso?“

 

Ich blickte in grinsende Augen.

 

„Dazu müsste ich dich erst losbinden! Ab Samstag schläfst du nämlich angekettet am Fußende!“

 

Er kniff mich in den Po.

 

„Und jetzt mach, dass du fertig wirst. Ich kriege langsam Hunger!“

 

„Mausi, erinnerst du mich gleich noch daran, die Bestellung zu ändern!“

 

Ich zwickte ihn ebenfalls in seinen Allerwertesten.

 

„Ich hab die Sicherheitsschleusen vergessen, durch die du jeden Tag musst.“

 

„Äh … was meinst du?“

 

Diesmal hatte er die Fragezeichen in den Augen.

 

„Ich hab aus Versehen einen Keuschheitsgürtel aus Metall für dich bestellt, du …“

 

Ich küsste ihn auf die Wange.

 

„…du brauchst aber einen aus Plastik … wegen der Metalldetektoren.“

 

Er kriegte einen Hustenanfall, der Spiegel sah entsprechend aus.

 

„Du bist so fürsorglich zu mir; womit habe ich das nur verdient? Ich verspreche dir, ich werde die Bullenpeitsche auch nur ganz vorsichtig einsetzen!“

 

„Wenn du das machst, dann kauf ich dir auch noch ein schönes Kettenhalsband.“

 

Ich konnte mir mein Lachen kaum verkneifen.

 

„Du sollst ja gut aussehen, wenn ich dich sonntags im Central Park an der Hundeleine Gassi führe.“

 

Seine Zunge fuhr durch mein Gesicht.

 

„Wuff! Wuff!“

 

„Aus … Pompom … aus!“, ich hob drohend den Zeigefinger, „sonst gibt’s gleich kein Fressi-Fressi!“

 

„Pompom?“

 

Jost blickte mich irritiert an.

 

„Wie kommst du denn auf den Namen?“

 

„Naja, eine andere Übersetzung für deinen Spitznamen ist mir nicht eingefallen“, ich küsste ihn leidenschaftlich und schmeckte nur Zahnpasta, „mein kleiner süßer Puschel!“

 

„Alter Kraut!“

 

Er kniff mich unsanft in meine linke Brustwarze.

 

„Darüber reden wir noch!“

 

*-*-*

 

Das Frühstück konnten wir heute fast in Ruhe einnehmen. Allerdings verlief die Unterhaltung bei Tisch auf etwas höherer Konversationsebene ab als die im Badezimmer, Göttingen und Hannover leisteten uns Gesellschaft.

Wir sprachen über den bevorstehenden Besuch der Plimoth Plantation, eines Freilichtmuseums über die Pilgerväter. Hannover, der Benjamin unter den Redakteuren, blickte mich fragend an.

 

„Ich habe bei der Vorbereitung etwas recherchiert: Das Museum soll nicht so der Bringer sein.“

 

„Naja, ich könnte mir auch etwas anderes vorstellen, aber wenn man keinen Gabelflug haben will, gibt es leider auf dem Weg von Hyannis zum Flughafen nach Boston keine große Alternative.“

 

Ich butterte mein drittes Croissant an dem Morgen.

 

„Mit dem Bus dauert die direkte Route anderthalb Stunden. Wenn man bis zehn Uhr das Zimmer geräumt haben muss, haben sie noch über fünf Stunden, die sie überbrücken müssen.“

 

„Das leuchtet ein.“

 

Die Begleitung von Göttingen konnte also auch denken.

 

„Aber man könnte doch die Leute an ihrem letzten Tag auf die Walbeobachtung schicken und die Tour dann in Boston enden lassen.“

 

Ich grinste sie an.

 

„Das könnte man durchaus, aber das ist eine Frage des Preises! Sie müssten dann aber von Hyannis ein eigenes Boot chartern und das Wetter müsste auch mitspielen. Wo sollen die Leute sich umziehen, wenn sie auf dem Schiff nass geworden sind?“

 

„Da haben sie recht.“

 

Die Dame des Göttinger Tageblatts hatte gesprochen.

 

„Was wäre, wenn man den halben Tag noch in Boston verbringt? Man könnte zum Beispiel diesen Friedenstrail ablaufen.“

 

„Haben wir auch schon probiert, aber wenn sie keine geschlossene Gruppe wie einen Kirchenchor haben, kriegen sie große Probleme.“

 

Ich wischte mir die Krümel vom Mund.

 

„Von zehn Versuchen herrschte achtmal das große Chaos. Sie können die Leute leider nicht anleinen, wer lieber Einkaufen gehen will, der vergisst auch gerne mal die Zeit und kommt dann zu spät. Von daher … bringen wir die Gruppen lieber geschlossen zum Flughafen.“

 

Hannover lachte.

 

„Gordon, sie scheinen das Einkaufsverhalten meiner Frau zu kennen.“

 

„Georg, was willst du mir jetzt sagen?“

 

Die Brünette wirkte leicht ungehalten.

 

„Nichts, mein Engel!“, er zog die Augenbrauen zusammen, „ich erinnere dich nur an deinen letzten Blusenkauf. Du wolltest dir nur eine weiße Bluse kaufen und warst vier Stunden unterwegs.“

 

„Ich … ich brauchte auch noch die passenden Schuhe!“

 

Sie setzte ihre Tasse lautstark ab.

 

„Und eine neue Handtasche!“, er drückte ihr einen Kuss auf die Wange, „für die Beerdigung deiner Großtante, die du eh nicht leiden konntest!“

 

„Machen sie sich nichts draus: Männer verstehen uns Frauen sowieso nicht!“

 

Göttingen sprang Hannover zur Seite.

 

„Meinem Mann reicht sein alter schwarzer Anzug, er wechselt nur, je nach Anlass, die Krawatte … und die suche ich ihm meistens noch heraus!“

 

„Meine Damen, sie wissen doch, dass die vollkommene Ehefrau eine Frau ist, die weiß, dass kein Mann vollkommen ist“, ich versuchte, ein Lächeln auf meine Lippen zu legen, „und der ideale Ehemann versteht jedes Wort, was seine Frau nicht sagt.“

 

Göttingen lachte.

 

„Herr Gordon, sie sollten in die Politik gehen, als Friedensbotschafter in den Nahen Osten vielleicht, als Reiseleiter vergeuden sie nur ihr Talent!“

 

„Danke für die Blumen, aber …“, ich winkte ab, „…leider beherrsche ich die Kunst nicht, mit dem Fuß aufzustampfen, ohne jemanden auf die Zehen zu treten. Für den Senat bin ich mindestens zwanzig Jahre zu jung und für das Repräsentantenhaus? Da müsste ich nach Washington ziehen … und … was soll ich in einer Stadt, in der die letzte U-Bahn um zehn fährt?“

 

„Wie?“

 

Jost blickte mich erstaunt an.

 

„Ich dachte, D.C. als Hauptstadt der letzten Supermacht …“

 

„Sorry, aber …“, ich bin wohl doch kein reiner Amerikaner, „…ich kenn von Deutschland nicht viel, aber… selbst das Nachtleben in Münster ist besser als das in der Hauptstadt meines Landes.“

 

„Wie meinen sie das?“

 

Die Frage kam aus Göttingen.

 

„Naja, Washington ist eine typische Beamtenstadt, entworfen auf dem Reisbrett. Fast ein Drittel der Bevölkerung wechselt, wenn ein neuer Präsident ins Weiße Haus einzieht.“

 

Ich zuckte mit den Schultern.

 

„Sie dürfen zwar mittlerweile den Bewohner der Pennsylvania Avenue 1600 mitwählen, aber im Kongress sind sie nicht vertreten, nur durch einen Beobachter.“

 

„Das ist mir neu!“

 

Hannover wunderte sich etwas.

 

„Es gibt viel, was hier anders ist als im Rest der Welt.“

 

Ich trank grinsend einen Schluck Kaffee.

 

„Zum Beispiel ist Thanksgiving für die Familie wichtiger als Weihnachten und das haben wir mehr oder minder den Pilgervätern zu verdanken. Das ganze Land ist unterwegs und erst am Tag danach, dem Black Friday, beginnt traditionell der Weihnachtseinkaufsmarathon.“

 

„Bei uns fangen die Supermärkte teilweise schon Ende September schon an, Spekulatius und Printen zu verkaufen“, Frau Hannover schien etwas konservativ zu sein, „bis Dezember hat man sich dann satt daran gegessen.“

 

„Naja, hier gilt Werbung für Weihnachtsartikel vor Thanksgiving immer noch als unangebracht und selbst die großen Ketten wie Walmart oder Macy’s halten sich daran.“

 

Ich blickte in die Runde.

 

„Auch Frank Roosevelt hat es nicht geschafft, das Datum zu ändern.“

 

„Wie? Ich dachte, es ist ein gesetzlicher Feiertag in den Staaten.“

 

Die Frau aus Göttingen blickte mich fragend an.

 

„Steht auf jeden Fall im Reiseführer.“

 

„Aber erst seit 1942, vorher hat der Präsident jedes Jahr den Tag einzeln festgelegt, seit Abe Lincoln war es traditionell der letzte Donnerstag im November. 1939 gab es jedoch fünf Donnerstage und der Präsident brach mit der Tradition: Er legte den Feiertag auf den vierten Donnerstag, um so die Weihnachtssaison zu verlängern und den Handel anzukurbeln.“

 

Ich wischte mir den Mund ab.

 

„1940, der November hatte wieder nur vier Donnerstage, legte Roosevelt den Tag auf den 21.11.; das Ergebnis war: Die Republikaner feierten am 28.11. Thanksgiving, die Demokraten eine Woche vorher Franksgiving. Das Spiel wiederholte sich auch 1941. In dem Jahr wurde auch erst das entsprechende Bundesgesetz dazu erlassen und seitdem fällt Thanksgiving immer auf den vierten Donnerstag.“

 

„Den Ausdruck ‚Franksgiving‘ kannte ich auch noch nicht.“

 

Hannover grinste.

 

„Aber sie müssen uns jetzt entschuldigen, wir müssen noch packen. Kommst du, mein Engel?“

 

*-*-*

 

Wir waren die Ersten am Bus, von Jenny weit und breit keine Spur.

 

„Gordon Lensing! Wieso musste ich mich mit gerade mit den Koffern überschlagen und jetzt ist niemand da?“

 

„Ach, mein Engel, erstens wollte ich noch eine Zigarette und zweitens, was viel wichtiger ist, ich muss mal telefonieren.“

 

Ich steckte mir eine an und reichte ihm die Packung.

 

„Hab ich gestern vergessen!“

 

„Ich kann doch jetzt nicht rauchen! Mama kann jeden Moment um die Ecke kommen.“

 

Er blickte sich verschüchtert um.

 

„Die fängt doch wieder mit der Gesundheit und dem Scheiß an.“

 

„Warten sie mal, junger Mann.“

 

Ich öffnete den Bus und entriegelte die Kofferklappen.

 

„So, und nun sei ein netter Sklave und stell unsere Koffer in die hinterste Ladeluke auf der Fahrerseite.“

 

„Ja, Massa!“, er trabte los, „und wo …?“

 

„Da drüben.“

 

Ich deutete in die Richtung des kleinen Wäldchens hinter dem Bus.

 

„Bis gleich dann, mein Großer!“

 

Er warf mir einen Kuss zu.

 

„Ich lieb dich übrigens!“

 

„Ich dich auch!“

 

Ich zog mein Mobilknochen hervor und wählte die Nummer der Lensingschen Familienresidenz. Mit etwas Glück müsste mein alter Herr schon ins Büro gefahren sein, aber ich wollte sowieso lieber mit meiner Mutter reden.

 

„Lensing!“

 

Mein Herz frohlockte, Mama war tatsächlich am Apparat.

 

„Hier auch.“

 

Ich grinste.

 

„Gordon Henry Lensing! Ich habe mir Sorgen um dich gemacht!“

 

Sie atmete tief durch.

 

„Du wolltest dich doch gestern Abend melden; oder hat dein Vater da wieder mal was falsch verstanden?“

 

„Nein, hat er nicht.“

 

Was sollte ich sagen? Ich hatte an den Anruf tatsächlich nicht mehr gedacht.

 

„Ich wollte ja auch anrufen, aber … der Akku war leer, von daher …“

 

Kleine Notlügen sind ja erlaubt.

 

„Hauptsache, du meldest dich jetzt.“

 

Sie schien versöhnt zu sein.

 

„Wie geht es meinem Augenstern?“

 

„Mum, mir geht es gut, sehr gut sogar.“

 

Ich nahm einen tiefen Zug.

 

„Alles im grünen Bereich, nur …“

 

„Gordon, was ist los? Bist du krank?“

 

Mütter können nervig sein.

 

„Muss ich mir Sorgen machen?“

 

„Nichts, es besteht kein Grund, sich Sorgen zu machen.“

 

Ich holte tief Luft.

 

„Im Gegenteil!“

 

„Junge, nun rück‘ schon mit der Sprache raus!“, sie wurde fordernder, „etwas ist doch mit dir! Wenn was mit dem Bus oder der Gruppe wäre, hättest du deinen Vater im Büro angerufen. Aber da du zu Hause anrufst: Was ist los?“

 

„Mum!“

 

Ich holte tief Luft.

 

„Ich wollte dir nur sagen, dein Jüngster … ist verliebt.“

 

„Ich wusste es doch! Ich hab Sonntag schon so etwas geahnt.“

 

Ihre Stimme überschlug sich fast.

 

„Wer ist es? Wo hast du ihn kennengelernt? Wie sieht er aus? Wann kriege ich ihn zu Gesicht? Wie bringen wir das deinem Vater bei?“

 

„Mama, Pause!“

 

Ich inhalierte den Rauch.

 

„Er heißt Jost, sieht super aus und du wirst dich in seine smaragdgrünen Augen vergucken, so wie ich es getan habe.“

 

„Woher kommt er? Nun lass‘ dir doch nicht alles aus der Nase ziehen, mein Junge.“

 

Sie war aufgeregter als ich.

 

„Hast du ihn in Springfield kennengelernt?“

 

„Nein, er ist mir schon in Boston über den Weg gelaufen.“

 

Ich trat die Zigarette aus.

 

„Er gehört zu der Reisegruppe, mit der ich unterwegs bin.“

 

„Moment … aber das sind doch … alles nur wesentlich ältere Leute! Junge! Wie alt ist dieser Jost denn? Nichts gegen Erfahrung, aber …“, sie atmete hörbar ein, „…einen Vater hast du schon und drei größere Brüder auch!“

 

Ich schüttelte nur mit dem Kopf.

 

„Mum, keine Angst, er ist zwanzig, also mach‘ dir mal keine Sorgen, einen Vaterersatz bauche ich nicht. Jost und sein Bruder Sven begleiten ihre Eltern auf der Reise, sein Vater arbeitet für das Hamburger Abendblatt.“

 

„Er ist Deutscher? Aber das ist ziemlich weit weg, mein Junge. Willst du etwa eine Fernbeziehung führen oder…“, sie wurde nachdenklich, „…du willst doch nicht etwa … in die Heimat … deines Vaters auswandern? Junge, bitte nicht. Das würde ich nicht aushalten.“

 

„Keine Angst, ich wandere nicht aus, ich werde euch erhalten bleiben.“

 

Jetzt musste es raus.

 

„Jost wird bei mir einziehen und wir werden hier leben. Er will Journalist werden und einen Studienplatz an der Columbia haben wir auch schon.“

 

„Wie geht das denn so schnell?“

 

Neugier lag in ihrer Stimme.

 

„Und der Semesterbeginn? … Junge, das musst du mir genauer erklären!“

 

„Mum, das werde ich auch, aber nicht jetzt am Telefon. Ich stelle ihn euch Donnerstag beim Abendessen vor. Aber…“, wie sollte ich jetzt die Kurve kriegen, „…deswegen rufe ich nicht an; ich bräuchte deine und Marias Hilfe.“

 

Sie schien zu grinsen.

 

„Wie können wir Frauen dir denn bei deinem Liebesleben helfen?“

 

„Indem ihr meine Wohnung Schwiegerelterntauglich macht.“

 

Wo sind meine Zigaretten?

 

„Sylvia und Günni, also seine Eltern, wollen wahrscheinlich wissen, wo und wir ihr Sohn in den nächsten Jahren leben wird. Von daher …“

 

„Junge, keine Angst! Wir machen das schon.“

 

Sie lachte.

 

„Im Aufbau von Potemkinschen Dörfern sind wir besser als die Russen!“

 

„Mama, aber tu mir bitte einen Gefallen und übertreibe es nicht“, ich wollte meine eigene Wohnung schließlich auch noch wiedererkennen, „…eine normale Grundreinigung reicht eigentlich vollkommen! Ich will keine Überraschungen erlebe, wenn ich meine Wohnung aufschließe.“

 

„Junge! Ich werde dir auch den Kühlschrank auffüllen. Warte mal kurz.“

 

Sie legte ihre Hand über die Muschel, aber man konnte sie immer noch hören.

 

„Mutter! Hohl dir deinen Mantel, wir fahren gleich einkaufen, dein jüngster Enkel will endlich seine IKEA-Möbel loswerden!“, ein erneutes Rascheln, „so, da bin ich wieder. Wo waren wir?“

 

„Du wolltest mir versprechen, es nicht zu übertreiben.“

 

Ich stieß ein Stoßgebet gen Himmel.

 

„Du kennst mich doch!“

 

Sie schmierte Honig auf ihrer Stimme.

 

„Deshalb ja gerade!“

 

Wehe Gott, du hilfst mir nicht!

 

„… und wenn du auch noch Oma mitnimmst.“

 

„Gordon, wir wollten eh Möbel kaufen. Eric kommt schon am Samstag und sie will ihr Gästezimmer für ihn neu einrichten.“

 

Sie machte eine Pause.

 

„Wir hoffen, dass er bei uns bleibt.“

 

„Gut, aber erdrückt ihn nicht gleich.“

 

Sollte ich Angst um ihn haben? Die Fürsorge der weiblichen Mitglieder der Familie Lensing kann manchmal erdrückend sein.

 

„Keine Angst, wir werden uns zurückhalten. Aber der Anwalt meinte, er hätte ziemlich gute Chancen, bald sein Erbe antreten zu können. Wir haben unsere Hausaufgaben also gemacht.“

Sie wechselte wohl das Ohr.

 

„Aber wieso wollt ihr erst am Donnerstag zum Essen kommen? Du bist doch schon am Mittwoch wieder in der Stadt, oder?“

 

„Sind wir auch, aber…“, ich kannte die brennende Neugier meiner Mutter, „…aber wir haben Mittwochabend einen Termin mit einem der stellvertretenden Dekane der School of Journalism. Es geht um seinen Studienplatz, von daher wirst du noch einen Tag Geduld haben müssen.“

 

„Das geht dann natürlich vor.“

 

Sie atmete tief durch.

 

„Übrigens, dein Bruder Greg liegt jetzt wieder auf einem normalen Zimmer und rate mal, wer ihn jeden Tag besucht?“

 

„Melissa?“

 

Wer sollte es auch sonst sein?

 

„Ja, da scheint sich was anzubahnen … zwischen den beiden.“

 

Sie strahlte durchs Telefon.

 

„Wenn jetzt auch noch mein Jüngster sesshaft wird, … der Tag kann nur gut werden.“

 

„Mama, ob das mit Greg und Melissa was wird, müssen die beiden selbst entscheiden. Auch wenn es dir schwerfällt, du wirst abwarten müssen. Die Zwei mögen sich zwar, aber es war Melissas Ex, der deinem Sohn den Kiefer brach. Schuldgefühle sind keine gute Basis für eine Beziehung.“

 

Ich sah Jenny aus dem Hotel kommen.

 

„Mum, ich muss jetzt Schluss machen. Wir fahren gleich ab.“

 

„Immer schiebst du die Arbeit vor, nie reden wir vernünftig.“

 

Mütter sind nervig!

 

„Mama, was machen wir seit zehn Minuten?“

 

Ich winkte Jost zu, ich brauchte Nikotinnachschub.

 

„Aber wenn du Paps siehst, sagt ihm, er soll mir noch mitteilen, ob das Mittwoch mit der Fähre klappt. Er weiß dann schon Bescheid.“

 

„Ich werde gleich mit deinem Vater telefonieren, Richard muss mir ja auch noch verraten, wo er die Kreditkarten versteckt hat.“

 

Sie gluckste.

 

„Gib deinem Jost einen Kuss von mir!“

 

„Werde ich machen!“

 

Ich grinste.

 

„Und von mir gleich zwei!“

 

Hatte Granny etwa die ganze Zeit mitgehört?

 

*-*-*

 

Die Plimoth Plantation kann man durchaus als lebendes Geschichtsmuseum bezeichnen. Die vielen Angestellten, die man in ihren Kostümen wohl eher als Bewohner bezeichnen könnte, versuchen den Besuchern von heute nahezubringen, wie das Leben damals tatsächlich war.

Sie kleiden sich wie vor 400 Jahren, sie reden wie vor 400 Jahren, so kochen wie vor 400 Jahren, sie musizieren wie vor 400 Jahren, sie haben die Probleme wie vor 400 Jahren. Aber sie zeigen auch, wie Siedler und Indianer gut zusammenlebten.

Die Tour in die Geschichte begann im Kino. Gut, der fünfzehn Minuten lange Informationsfilm ist zwar nicht Oscar verdächtig, aber dennoch gut gemacht, wenn man mich fragt.

Nach dieser Einstimmung auf die Umstände, die damals herrschten, ging es ins Freigelände, dass, in zwei Abteilungen – Siedler und Indianer – getrennt, die Lebensumstände der damaligen Zeit plastisch darstellte.

Man kann alle Gebäude, die der Siedler und der Einheimischen, betreten und genau inspizieren, ein Museum zum Anfassen, wenn man so sagen will. Um mit Jean-Luc Picard zu sprechen, alle dort ausgestellten Artefakte wurden auf das Sorgfältigste reproduziert: Selbst die Tiere, die frei herumlaufen, wurden zurückgezüchtet.

Im Gegensatz zu mancher Schullektüre, American History ist leider immer noch ein Hauptfach in den USA, wird das Hauptaugenmerk im Freilichtmuseum auf das Miteinander der beiden Gruppen gelegt und die Unterschiede nicht in den Vordergrund gedrängt: es gab keine Herrenrasse!

 

*-*-*

 

Um kurz nach Zwölf ging es zum gemeinsamen Essen, es wurde zum Plymouth Bay Lunch geladen. Als Auftakt gab es eine der unzähligen Varianten der New England Clam Chowder, der Muschelsuppe, die man mittlerweile auch in Dosenform bekommen kann.

Als Salat wurde eine Mischung aus grünen Blättern, Käse, selbst gemachten Croûtons und gelben Tomaten gereicht, alles vermengt mit einer Soße, die nach Cranberrys schmeckte. Als Hauptgang gab es neben Hackbraten mit Kartoffelpüree und gemischtem Gemüse, alles überdeckt von einer nach Minze schmeckenden Flüssigkeit, Soße konnte man dazu wirklich nicht sagen.

Der Nachtisch war deutlich genießbarer: Eine Biskuitrolle, gefüllt mit Sahne und frischen Beeren, überzogen mit einer Schokoladensoße: einfach himmlisch!

 

Das Paar aus Hannover saß mir gegenüber, die Jacobsens tafelte am anderen Ende des Lokals.

 

„Ich muss sie um Entschuldigung bitten!“

 

„Wieso?“

 

Ich blickte erstaunt auf.

 

„Naja, wie soll ich es sagen? …das Museum war doch sehr lehrreich, zwar eher was für Kinder, aber … interessant.“

 

Er fühlte sich augenscheinlich etwas unbehaglich.

 

„Es ist doch ein Unterschied, ob man etwas im Internet von einem Dritten liest oder es selbst erlebt.“

 

„Es ist nun einmal amerikanische Geschichte. Aber ich gebe ihnen recht, das Museum richtet sich eher an den amerikanischen Schüler als an den europäischen Besucher. Für sie ist es normal, mit 2.000 Jahren Geschichte umzugehen, aber für den normalen Amerikaner?“

 

Ich zwinkerte ihm zu.

 

„Alles, was älter ist als zweihundert Jahre ist, wird hier bestaunt.“

 

„Woher kommt diese Einstellung?“

 

Seine Gattin blickte mich fragend an. Ich atmete tief durch.

 

„Ich würde sagen, weil die USA keine eigenen Wurzeln haben! Das Gebiet wurde von den unterschiedlichsten Nationen besiedelt: Spanier, Engländer, Schweden, Deutsche, Niederländer, Franzosen, Russen. Die Beweggründe, sich hier niederzulassen, waren auch ziemlich bunt gemischt: politisch Abtrünnige, religiöse Abweichler, landlose Bauern, eifrige Händler, …“

 

Ich nippte an meinem Wasser.

 

„Amerikanische Geschichte spielte sich damals vorwiegend in Europa ab. Erst verleibten sich die Holländer Neu-Schweden ein, um dann ihre ganzen Besitzungen hier an die Briten abzutreten, die damit den gesamten Osten unter ihrer Kontrolle hatten. Die Spanier dehnten sich im Süden und Westen aus und die Franzosen, von Nordosten kommend, bevölkerten die Mitte bis zum Golf von Mexiko. Achja, die Russen blieben oben in Alaska.“

 

„Und wie wurde dann doch eine Nation daraus?“

 

Neugierig war die Frau ja schon.

 

„Es dauerte fast 200 Jahre, aber dann hatte man genug von den Briten, es ging mal wieder ums liebe Geld.“

 

Ich nahm den letzten Bissen des Desserts.

 

„Die Briten hatten zwar den Siebenjährigen Krieg hier und in Europa gewonnen und ziemlich viel Land eingestrichen, waren aber fast pleite. Was macht man? Man erhöht die Steuern, um so mehr Einnahmen aus den Kolonien zu erhalten. Die Kolonisten würden ja die Vorteile des Friedens genießen und sollten dafür auch zahlen.“

 

„Wir zahlen ja auch heute noch immer den Soli für den Aufbau Ost.“

 

Hannover schien diese Abgabe wohl nicht ganz so zu erfreuen.

 

„Ja, aber sie haben das Parlament gewählt, dass diese Steuer beschlossen hat…“, ich grinste ihn an, „…sie können es auch wieder abwählen. Die Einwohner der Kolonien waren aber nicht vertreten. Bei all den ganzen Steuergesetzen seit 1760 gab es keine Mitbestimmung. Gut, teilweise wurden sie nach heftigen Protesten auch wieder aufgehoben, aber ich bin mir sicher, …“, ich legte die Servierte zur Seite, „…hätte Georg III gegenüber seinen Untertanen hier die Magna Carta und die Bill of Rights angewandt, es wäre nie zu Krisen gekommen, die schließlich zum Unabhängigkeitskrieg führten.“

 

„Sind sie sich sicher?“

 

Die fragenden Augen der Frau aus Hannover werde ich nie vergessen.

 

„Zu 80%, denn die meisten Siedler betrachteten sich die selbst als loyale Untertanen der britischen Krone, mit denselben Rechten und Pflichten wie die Einwohner Britanniens.“

 

Ich griff zu meinen Zigaretten, die Beiden nickten und wir erhoben uns, um das Restaurant zu verlassen.

 

„Außerdem hatte England an den Kolonien ja schon genug verdient.“.

 

Als wir draußen standen, die Verdauungszigarette brauchte ich jetzt, schaute Hannover mich fragend an.

 

„Aber der Aufbau eines Landes kostet Unsummen, wie kann man da Geld verdienen?“

 

„Die Gründungsurkunden der Kolonien beschränkten so ziemlich die Wirtschaft und Industrie war durch königliches Dekret verboten.“

 

Ich aschte ab.

 

„Glas zum Beispiel durfte hier nicht produziert werden, es musste aus England importiert werden, die Preise waren ziemlich hoch und dann kam noch eine Steuer obendrauf.“

 

„Dass das die Leute in Rage bringt, ist nachzuvollziehen.“

 

Hannover hatte ein Einsehen.

 

„Deshalb kam es wohl auch zu den Handelsboykotten gegen britische Waren?“

 

Ich nickte.

 

„Stimmt, aber ohne die Frauen hätte das nie funktioniert, denn die kümmerten sich um den Haushalt. Nehmen wir mal die Kleidung, die auch aus England kam. Die Damen hier entdeckten das Spinnen und das Weben wieder und produzierten ihre Garderobe selber.“

 

Frau Hannover grinste.

 

„Also ist Gandhis Idee des zivilen Ungehorsams gegenüber der Kolonialmacht hier geboren worden.“

 

„Und erfolgreich in die Tat umgesetzt worden!“

 

Ein Grinsen umspielte den Mund ihres Mannes. „Ich hab es ja schon immer gesagt: Die Britten lernen nie aus ihren Fehlern!“

 

*-*-*

 

Als wir um kurz nach Zwei den Bus in Providence, der Hauptstadt von Rhode Island, zwecks eines kurzen Fotostopps verließen, klingelte mein Mobilknochen. Die Nummer begann mit 717 und sagte mir überhaupt nichts.

 

 

Wer mochte das sein? Und vor allem: Wo mochte der Anrufer stecken?

 

„Lensing!“

 

„Endlich erreiche ich dich!“

 

Es war Juan.

 

„Wo steckst du?“

 

„In Providence, Rhode Island!“

 

Ich sackte fast zusammen: Was wollte er von mir?

 

„Was machste denn in der ewigen Baustelle?“

 

Die Stadt wird seit 1975 zwar offiziell verschönert, wie es in den Werbeprospekten heißt, sieht aber immer noch nicht besser aus als damals; kein Wunder, dass die Bevölkerungszahlen seit 1950 fast immer rückläufig sind.

 

„Ich musste für meinen Bruder die Sondertour mit den Zeitungsleuten aus Deutschland übernehmen und wollte gerade mit dem Kapitol anfangen.“

 

Ich hatte eigentlich keine große Lust, mich jetzt zu erklären; meine Gäste warteten ja schon.

 

„Und wo steckst du?“

 

„Auf dem östlichen Teil von Atlantik – Pazifik. Wir machen gerade Pause in Harrisburg, sind auf dem Weg nach Washington.“

 

Die Tour bringt auf dem ersten Teil nicht gerade viel Trinkgeld, die Kollegen aus Kalifornien, die die Gäste in Los Angeles übernehmen, machen den großen Reibach.

 

„Michael, eine Minute noch! … Der Kerl nervt einfach nur!“

 

„Michael? Mit wem bist du denn unterwegs?“

 

Drei Reiseleiter der New Yorker Division waren Träger dieses Vornamens.

 

„Mit der irischen Obertucke!“

 

Begeisterung klang anders.

 

„Ich musste diesem Rotschopf erst einen blasen, damit ich deine Nummer kriege. Aber untenrum ist er ja blank, wenigstens etwas!“

 

„Naja, so schlimm wird es wohl nicht gewesen sein.“

 

Ich musste grinsen.

 

„Aber wieso hast du meine Nummer nicht mehr gehabt?“

 

„Mein Handy ist weg! Muss mir wohl geklaut worden sein, als ich … egal. Außerdem lief es auf Carmen und die hat den Vertrag gekündigt, als wir uns getrennt haben.“

 

Er klang hilflos.

 

„Und mein Organizer liegt auch noch bei ihr in der Wohnung! Die dumme Pute hat mir ja alle Schlüssel abgenommen, als sie mich auf die Straße setzte. Auf Anrufe reagiert sie nicht, und …“

 

„Aha!“

 

Daran lag also die Funkstille.

 

„Ja, aber das mit der Kündigung hab ich erst bemerkt, als ich vorletzten Sonntag zwei Stunden vor deiner Haustür auf dich gewartet hatte und nicht mehr telefonieren konnte.“

 

Er holte tief Luft.

 

„Und danach muss dann wohl so eine kleine Ratte lange Finger im Fort Tryon Park gemacht haben, als …“

 

In welchem Park war er? Fort Tryon? Moment, in dem Park liegt auch ‚The Cloisters‘, der Cruisingtreff am Nordende von Manhattan?

 

„Was machste denn da oben?“

 

„Äh, Mama wohnt in Marble Hill.“

 

Das sind immerhin noch mehr als drei Meilen Fußweg über den Harlem River.

 

„In der Firma konnte mir am Montagmorgen keiner sagen, wo du steckst. Erst als ich von der kleinen Oststaatentour wieder kam, wurde mir berichtet, dass du wieder mal als Reiseleiter unterwegs bist.“

 

„Stimmt, Greg sollte die Tour ja eigentlich leiten, der hatte sie ja auch geplant. Aber mein Bruder liegt jetzt mit einem Kieferbruch in Boston im Krankenhaus. Ein eifersüchtiger Mann hat ihn ausgeknockt.“

 

Mittlerweile waren alle meine Schäfchen aus dem Bus.

 

„Du, Juan, ich muss jetzt los.“

 

„Wann bist du wieder in der Stadt? Ich muss mit dir reden!“

 

Seine Stimme hatte etwas Flehentliches an sich. „Gordon, es ist dringend!“

 

„Meine Tour endet Freitagnachmittag.“

 

Sollte ich ihm von Jost erzählen? Hier und jetzt am Telefon?

 

„Ja, Michael, ich komm ja schon!“

 

Er wirkte abgehetzt.

 

„Donnerstag sind wir mit unserem Part in D.C. durch, danach geht es ohne Gäste wieder nach Hause. Wir sehen uns dann am Freitagabend.“

 

„Juan, das … geht nicht!“

 

Aber er hatte schon aufgelegt ich höre nur noch das typische Tuten in der Leitung. Einige Gäste scharrten schon mit den Hufen.

 

„Sorry, aber das war gerade dienstlich. Folgen sie mir bitte zum Kapitol.“

 

*-*-*

 

Das Einzige in Providence, was man Touristen guten Gewissens empfehlen kann, ist die Teilnahme an der sogenannten Geistertour. Wer an paranormale Phänomene glaubt, der wird in den historischen Häusern und den perfekten Illuminationen in denselben seine wahre Freude haben.

Aber leider hat dieser vorzügliche Stadtrundgang den enormen Nachteil: Er startet erst nach Einbruch der Dunkelheit und die Sonne stand noch hoch am Firmament. Daher war der einzige Fotostopp das Rhode Island State House, die Kuppel im Inneren des Kapitols ist sehenswert, naja, nicht wirklich, aber besser als gar nichts.

Aber was macht man, wenn eine Stadt nicht viel zu bieten hat? Mein geht in den Zoo, Tiere sind immer gut für das Geschäft. Groß ist die Tierbetrachtungsanstalt mit ihren 130 Arten zwar nicht, aber diese Menagerie ist die Drittälteste ihrer Art in den Vereinigten Staaten.

Allerdings ist das auch kein Wunder, denn Providence wurde bereits 1636 gegründet, ist also ein Oldie unter den US-Städten. Den Grundstein der Ansiedlung legte Roger Williams, ein separatistischer Priester, der 1630 von Essex nach Boston auswanderte.

Er bestritt das Recht des Staates, einer bestimmten Kirche besondere Privilegien einzuräumen, denn er, der Seelenhirte, war der Ansicht, dass keine Kirche für sich beanspruchen könnte, die wahre Kirche Christi zu sein.

Er war, obwohl ordinierter Pfarrer, ein Gegner der anglikanischen Staatskirche, auch in Form des in Massachusetts herrschenden Puritanismus. Die Folge war: Er wurde aus der Kolonie verbannt, per Haftbefehl gesucht und entzog sich dem Gefängnis nur durch Flucht an die Narragansett Bay.

In Erinnerung an Gottes gnädige Vorsehung nannte er sein Dorf Providence. Allerdings war das Gründungsmitglied der Baptisten ein ziemlicher Fuchs: Um die Unabhängigkeit seiner Ansiedlung und die Religionsfreiheit darin zu sichern, ließ er sich im Nachhinein in England seinen Landerwerb mittels Patents bestätigen.

In der von ihm geschriebenen Verfassung wurde zum ersten Mal die völlige Trennung von Staat und Kirche verankert. Williams, 1654 auch zum ersten Präsidenten des neuen Staates gewählt, nahm allzu gerne die wegen ihrer pazifistischen Gesinnung verfolgten Quäker in seinem Land auf.

Dass er auch Namensgeber des zoologischen Gartens, den wir aufsuchen wollten, war, ist nur eine Randnotiz und bedarf keiner großen Erwähnung.

 

 

„Mit wem hast du gerade eigentlich telefoniert?“

 

Jost holte mich bei den Zebras ein.

 

„Juan hat angerufen.“

 

Mir war immer noch nicht ganz wohl bei dem Gedanken an das Gespräch.

 

„Was wollte er denn?“

 

Neugierig war er überhaupt nicht.

 

„Seine Überraschung loswerden?“

 

„Das weiß ich auch nicht so genau.“

 

Ich zuckte mit den Schultern.

 

„Er ist jetzt auf Tour mit Michael.“

 

Er stoppte mich.

 

„Mit dem Rothaarigen, mit dem du …“

 

Ich nickte.

 

„Gaynau mit dem! Lass uns da gleich nach links gehen, da kommt eine Baustelle und dann die Aufzuchtsstation. Da sind wir ungestört.“

 

„Gerne, mein Großer!“

 

Gemächlichen Schrittes machten wir uns auf den Weg und ich berichtete ihm von dem Telefonat, obwohl ja schon fast alles gesagt worden war.

 

„Tja, ob er meinen letzten Satz verstanden hat, kann ich dir auch nicht sagen.“

 

Ich suchte nach meinen Zigaretten und wir setzten uns auf die Bank und betrachteten das leere Gehege.

 

Er blickte mich fragend an.

 

„Und du hast mich mit keinem Wort erwähnt?“

 

„Nein, das ging schlecht, die Leute stiegen ja gerade aus und hätten alles hören können.“

 

Ich gab ihm eine der entzündeten Zigaretten.

 

„Ich konnte ihm ja schlecht sagen: ‚Du Juan, ich hab auf der Reise meinen Traumann gefunden und mich mit ihm verlobt. Wir können nicht mehr miteinander ficken!“, oder wie siehst du die Sache?“

 

Er fing plötzlich an, schelmisch zu grinsen.

 

„Wieso eigentlich nicht?“

 

„Wie meinst du das denn jetzt, Herr Jacobsen?“

 

Ich war mehr als verdutzt.

 

„Ich hatte noch nie einen Dreier!“

 

Er lachte.

 

„Aber Spaß beiseite: Wann will er denn zu dir kommen?“

 

„Zu uns!“

 

Ich suchte seine Hand.

 

„Denn meine Wohnung ist ab jetzt auch deine Wohnung.“

 

„Gut, also wann will er uns besuchen?“

 

Er vergrub seine Finger unter den Meinigen.

 

Ich genoss sein Fingerspiel.

 

„Ich weiß es nicht genau. Es sagte was von Freitagabend.“

 

„Ich hatte mich ja auf das erste ruhige Wochenende mit dir gefreut, aber …“

 

Er blies den Rauch aus. „… das müssen wir dann wohl auf Samstag verschieben.“

 

„Da gibt es noch was!“

 

Herr, im Himmel hilf!

 

„Das hab ich noch gar nicht erwähnt.“

 

„Was denn?“

 

Hörte ich da einen ärgerlichen Unterton in seiner Stimme?

 

„Ich habe heute noch vor der Abfahrt mit meiner Mutter telefoniert.“

 

Ich trat die Zigarette aus.

 

„Sie und Oma brennen darauf, den Mann meines Herzens kennenzulernen. Ich soll dir mindestens drei Küsse von meinen Damen geben.“

 

„Und warum hast du das noch nicht gemacht?“

 

Er grinste mich frech an und beugte seinen Kopf zu mir.

 

„Worauf wartest du denn noch?“

 

„Hier im Zoo?“

 

Ich war verunsichert, zwar war kein anderer Besucher zu sehen, aber so öffentlich?

 

„Hier und jetzt, Herr Lensing!“

 

Ich gab mich geschlagen und unsere Lippen vereinigten sich.

 

„Geht doch!“

 

Er lachte mich an.

 

„War das jetzt so schlimm?“

 

„Nein, nur ungewohnt.“

 

Ich blickte ihn an.

 

„Ich … es ist mir doch … etwas …“

 

„Zu öffentlich?“

 

Er nahm mir die Worte aus dem Mund.

 

„Ja, ich muss mich erst noch daran gewöhnen.“

 

Hilfe suchend blickte ich ihn an.

 

„Ich hoffe, es stört dich nicht, wenn ich … wenn ich in dieser Hinsicht etwas gehemmt bin.“

 

„Nein, aber ich habe ja einen Vorteil!“

 

Er grinste schon wieder so hämisch.

 

„Welchen?“

 

Nun war die Neugierde auf meiner Seite.

 

„Na, mich kennt hier keiner!“

 

Er drückte meine Hand.

 

„Und die Wahrscheinlichkeit, dass ich diesen Zoo wieder einmal betreten sollte, liegt bei Null.“

 

„Aha, werde ich mir merken, wenn ich dich von der Uni abhole, mein Engel!“

 

Diesmal grinste ich.

 

„Äh, so war das jetzt aber nicht gemeint.“

 

Ruderte er etwa zurück?

 

„Aber was ist denn mit Samstag?“

 

„Eric kommt schon einen Tag früher.“

 

Diesmal küsste ich ihn freiwillig.

 

„Hat Mama gesagt.“

 

„Und?“, er blickte mich fragend an, „was hat das mit uns zu tun?“

 

„Eigentlich nichts, aber …“

 

Wie sollte ich ihn von meinem Plan überzeugen?

 

„Gordon Lensing, was hast du vor?“

 

Seine smaragdgrünen Augen warfen mir einen ernsten Blick zu. „Wenn du mich so anschaust, hast du bestimmt einen Plan!“

 

„Plan würde ich das noch nicht nennen, das wäre zu viel gesagt, eher…“, warum stotterte ich? „… so eine Idee, die noch nicht ganz ausgereift ist.“

 

„Und wie sieht dieser Gedanke aus?“

 

Kuss Nummero Drei erfolgte.

 

Ich druckste etwas herum.

 

„Mama und Oma, … sie möchten, dass Eric … nach New York zieht.“

 

„Um hier sein Erbe anzutreten?“

 

Da war er wieder, der faktenorientierte Journalist.

 

„Das auch, aber Oma hätte gerne ihren Enkel wieder. Und da dachte ich, man könnte…“, unsere Lippen trafen sich erneut, „…auch noch andere Bindungen aufbauen, außer den familiären Banden.“

 

„Wir sollen mit ihm ins Bett?“

 

Er grinste mich frech an.

 

„Oder willst du ihn verkuppeln?“

 

„Du scheinst ja einen Faible für Gruppensex zu haben, mein Engel!“

 

Ich versuchte, einen strafenden Ausdruck auf mein Gesicht zu legen, aber es gelang mir nicht richtig.

 

„Ich dachte eher an Letzteres.“

 

Er zog die Augenbrauen hoch.

 

„Und an wen hast du gedacht?“

 

„An Ian!“

 

Ich senkte meine Stimme.

 

„Der würde zu ihm passen.“

 

„Du willst also deinen Cousin mit deinem abgelegten Betthasen verkuppeln?“

 

Er starrte mich an.

 

„Gut, ich war zwar mit Ian im Bett, aber…“, wie sollte ich ihm die Sache erklären, „…aber ein Paar wäre aus uns sowieso nicht geworden.“

 

„Weil ihr zusammenarbeitet?“

 

Ich mag keine Journalisten, sie sind so rational.

 

„Ist es das?“

 

„Ja! Hätte ich dich nicht getroffen? … Ian ist anders als Juan, also … nicht so auf eine Rolle fixiert.“

 

Himmel, warum lassen sich Gefühle nur so schwer beschreiben?

 

„Aber ich bin ab Montag wieder der Assistent meines Vaters und er wird wohl Nachfolger von Sean Dissleton, unserem Chefbuchhalter, werden, wenn ich Paps Andeutungen richtig verstanden habe. Er hat ihn ja schließlich mit dieser wichtigen Buchprüfung bei Rhumpsley beauftragt.“

 

„Die Reisebüros, die ihr übernehmen wollt?“

 

War das eine rhetorische Frage? Ich nickte.

 

„Genau; hätte Paps nichts mit ihm vor, hätte er ihm wohl kaum die Aufgabe übertragen.“

 

„Stimmt auch wieder. Aber … wo ist jetzt das Problem? Er hat, wie du auch, eine Uni von innen gesehen! Also Standesdünkel können es nicht sein.“

 

Sein Blick durchbohrte mich.

 

„Woran liegt es dann?“

 

„Ian ist nett, sehr nett sogar, aber du wirst ihn ja noch kennenlernen. Aber …“

 

Warum fallen mir die richtigen Worte nicht ein?

 

„… falls es zwischen uns gescheitert wäre, hätte entweder er oder ich die Firma verlassen müssen. Aber Paps würde nie einen seiner Söhne …“

 

„Aha, und du willst ihm die Chance nicht verbauen? Lobenswerte Einstellung, aber…“, er strich sich über das Kinn, „…würdest du das Problem nicht nur auf eine andere Ebene verlagern?“

 

Ich stand wie der Ochs vor dem Berge.

 

„Wie meinst du das denn jetzt?“

 

„Naja, wenn ich die Sache richtig verstanden habe, gehört doch Eric ein Teil der Firma, oder?“

 

Er küsste mich erneut.

 

„Wo ist denn der Unterschied, ob Ian nun mit dem Sohn des Chefs ins Bett geht oder mit einem der Aktionäre der Firma?“

 

Daran hatte ich noch gar nicht gedacht, ich kam ins Grübeln.

 

„Eric wird nicht in der Firma arbeiten.“

 

„Und wer sagt dir das?“

 

Journalisten können nervige Fragen stellen.

 

„Schatz, Eric jobbt jetzt Kellner in einem Szeneladen, er hat sein Chemiestudium abgebrochen.“

 

Ich sollte nicht so viel rauchen!

 

„Er wird wohl kaum anfangen wollen, in einem Reiseunternehmen zu arbeiten. Und wenn, dann …“

 

„Dann was?“

 

Was sollte die Schärfe in seiner Stimme?

 

„Dann wäre ich wenigstens nicht schuld daran, dass ein begnadeter Buchhalter die Firma verlässt!“

 

Ich blickte ihn an, er hatte die Hände vor dem Gesicht verschränkt. „Schatz, auch wenn sich das Ganze jetzt etwas komisch anhört, aber … Ian steht im Moment an einem Wendepunkt seines Lebens genau wie Eric. Von daher … könnte der Plan aufgehen.“

 

„Welcher Wendepunkt?“

 

Seine Hand kraulte jetzt mein Knie.

 

Ich erzählte ihm die Geschichte des Beinahe-Profis, von seinem bevorstehenden Coming-out, den Problemen mit seiner Alibifreundin, von all den Sachen, die mir Ian bei unserer Reise anvertraut hatte.

 

„Ich weiß ja auch nicht, ob es zwischen den beiden wirklich funkt, aber …“

 

„… man sollte es herausfinden.“

 

Er blickte mir tief in die Augen.

 

„Gordon Lensing … du bist unheimlich harmoniebedürftig, weißt du das?“

 

Ich schüttelte den Kopf.

 

„Ist das schlimm?“

 

„Nein, im Gegenteil! Es ist einer der Gründe, warum ich dich liebe, denn…“, er grinste mich an, „…du denkst erst an deine Mitmenschen und dann erst an dich. Als du Ian anfänglich beschrieben hast, dachte ich, ich wäre die zweite Wahl, aber …“

 

Er schüttelte den Kopf.

 

„Du bist eher … eher wie Peter Krolljohann, nur in Großformat!“

 

Der Chefredakteur der Schülerzeitung? Was hatte ich mit ihm gemein?

 

„Wie meinst du das?“

 

„Peter wollte Harmonie zwischen ihm und mir, was der Rest der Welt dazu sagt? Das war ihm egal.“

 

Er seufzte.

 

„Du bist aber jemand, der auch Harmonie in seinem gesamten Umfeld braucht, um wirklich glücklich zu sein. Das ist der Unterschied und diese Ungleichheit macht dich aus.“

 

„Danke!“

 

Diesmal näherten sich meine Lippen seinem Mund.

 

„Da nicht für.“

 

Er erhob sich.

 

„Aber wir sollten so langsam, ansonsten fährt Jenny noch ohne uns ab.“

 

Er zog mich zu sich hoch.

 

„Und mit Juan denke ich mir auch noch was aus, falls er Freitagabend bei uns wirklich auf der Matte stehen sollte.“

 

Ich war dankbar für seine Hand.

 

„Du bist ein Engel!“

 

„Ich weiß! … Mama würde jetzt das große B davor betonen“, er lachte verschmitzt, „aber leih mir mal deinen Mobilknochen, ich müsste gleich mal telefonieren.“

 

„Wen willst du denn anrufen?“

 

Meine Neugier war geweckt.

 

„Eric, denn ich muss ja wissen, was ich Samstag kochen soll, oder willst du dich in die Küche stellen?“

 

Er grinste, wir hatten schon über meine nicht vorhandenen Kochkünste gesprochen.

 

„Hier, aber mach es nicht so allzu teuer.“

 

Ich reichte ihm das Teil in Schwarz.

 

„Aber … ist eh eine Firmenkarte. Also quatscht euch aus.“

 

„Danke … und auch für dein Vertrauen.“

 

Er küsste mich ein letztes Mal im Schatten der Bäume und wir machten uns auf in Richtung Ausgang.

 

*-*-*

 

Der nächste Stopp auf der Rundreise war Newport, genauer gesagt der berühmte 10-Mile-Drive, an dem US-amerikanischen Industriemagnaten des ausgehenden 19. Jahrhunderts in Prunk und Glanz die gehaust haben. Zwar besichtigten wir, aufgrund der Zeit, nur zwei der unzähligen Villen, aber man kann hier mehr als einen Tag verbringen, wenn man die Zeit dazu hat.

Wir begannen mit ‚The Breakers‘, einem Sommersitz der Vanderbilts. Gebaut wurde es, wenn ich mich recht erinnere, für Cornelius Vanderbilt II, aber ich kann mich bei der Familie auch vertun, sie ist ja etwas größer. Inmitten eines etwa 4,5 Hektar großen Parks am Ochre Point wurde das dreistöckige Anwesen im Stil einer Renaissance-Villa nach dem Vorbild genuesischer Paläste erbaut.

Es besitzt 70 Räume, von denen 33 als Wirtschaftsräume und Zimmer der Bediensteten gedient haben. Es war ein Neubau, das ursprüngliche Haus wurde ein Opfer der Flammen, von daher sollte der neue Bau so feuerfest wie möglich sein.

Als Baumaterial verwendete der Architekt daher Kalkstein, die Fußböden sind aus Marmor, Ziegeln, Terrazzo und Mosaik. The Breakers war eines der ersten Privathäuser, das mit elektrischem Strom und einem Aufzug ausgestattet wurde, und das 1893.

Der zweite Halt war Rosecliff, das ehemalige Herrenhaus der Silberminen-Erbin Theresa Fair Oelrichs im Beaux-Arts-Stil. Das vom Grand Trianon, dem Lustschloss im Park von Versailles, inspirierte Gebäude verfügt über ein herzförmiges Treppenhaus und den größten Ballsaal Newports.

1974 diente es als glanzvolle Filmkulisse für die Romanverfilmung von ‚Der große Gatsby‘ mit Redfords Robert in der Hauptrolle.

 

*-*-*

 

Meine Leute sammelten sich schon wieder am Bus, als mein Mobilteil ein Lebenszeichen von sich gab. Ein Blick aufs Display ließ mich leicht zusammenzucken, mein Vater war am anderen Ende der Leitung.

 

„Hallo Dad!“

 

Mein Produzent räusperte sich.

 

„Hallo Junior, wie ist die Lage?“

 

„Kann nicht klagen, wir haben bis jetzt drei normale und fünf bis sieben Anfragen für eine Rundreise für Leute unter 40.“

 

Das waren zusammengefasst die Ergebnisse bis dahin.

 

„Unter 40? Wie denkst du dir das?“

 

Da war er wieder, der Geschäftsmann.

 

Warum zitterte ich?

 

„Erkläre ich dir, wenn ich wieder im Büro bin.“

 

„Kein Problem, aber… du bist ja ab jetzt der neue Tourdirektor.“

 

Warum stockte er plötzlich?

 

„Ach ja, der eigentliche Grund meines Anrufs: deine Mutter… hat mich… angerufen… und mir… gesagt, dass du… äh… das…“

 

„Wahrscheinlich wegen der Fähre?“

 

Meinem Produzenten schien das Zusammensein mit meinem Liebsten, was seine Frau für Donnerstagabend angeordnet hat, wohl doch nicht so toll zu finden.

 

„Genau!“

 

Paps schien ein Stein vom Herz zu fallen, dass er das Thema umgehen konnte.

 

„Äh, also das mit der Fähre klappt. Schafft ihr das bis elf oder soll ich gleich noch auf 12:00 Uhr umbuchen?“

 

„Nein, wir fahren um 9am los und über die Küstenstraße sind es knappe 55 Meilen.“

 

Ich kratzte mich am Kinn.

 

„Nötigenfalls verkürze ich die Pause an den Salzseen bei Quonny. Wir sind spätestens um 10:45 Uhr am Ableger.“

 

Es gibt in den USA nicht nur den Lake Mono in Kalifornien oder den Großen Salzsee in Utah, Namensgeber der Stadt, die – Bestechung sei Dank – 2002 Gastgeber der Olympischen Winterspiele war.

Die beiden Salzseen, eigentlich müsste man dazu eher Lagunen sagen, um die es bei besagtem Zwischenstopp ging, liegen bei Quonochontaug, so der eigentliche Name der Stadt, sind die größten von insgesamt neun solchen Tümpeln im südlichen Rhode Island.

 

„Dann macht das so.“

 

Er atmete schwer durch.

 

„Wir sehen uns ja bald wieder, Junior.“

 

„Stimmt, am Donnerstag kommen wir…“, ich hatte mich wieder gefasst, „…zum Essen.“

 

„Das … das hat … das hat deine Mutter mir auch gesagt.“

 

Es fiel ihm mehr als schwer.

 

„Bist du dir wirklich sicher, dass du … äh … ihr … äh …“

 

„Paps, du hast mir im Golfklub was versprochen und seine Versprechen muss man halten, habe ich von dir gelernt!“

 

Ich konnte mir das aschfahle Gesicht meines Vaters richtiggehend vorstellen.

 

„Aber keine Angst, ich weiß, Jost ist der Richtige für mich. Virginia mag ihn und er hat gewisse Ähnlichkeiten mit Oma Rita, jedenfalls sind seine Gedankensprünge manchmal auch nur schwer nachvollziehbar.“

 

„Das kann ja heiter werden!“

 

Warum flüsterte er?

 

„Dann bis Donnerstag und … Junior … bestell …“

 

„Dad, ich werde Jost herzlich von dir grüßen.“

 

Ich musste grinsen.

 

„Es reicht ja, wenn unsere Frauen ihn so herzen, dass ich eifersüchtig werde. Gib Oma und Mama einen Kuss von mir.“

 

„Werde ich.“

 

Ich konnte seinen Atem hören.

 

„Wir sehen uns.“

 

Das Gespräch war beendet und ich blickte noch minutenlang gedankenversunken auf das Display. Die erste Hürde mit Dad war genommen und alles andere würde auch gut werden. Dad würde Jost mögen, da war ich mir sicher, wenn er ihn nur erst einmal kennengelernt haben würde.

Außerdem: Wie pflegt Oma Ursula, also seine Mutter, immer zu sagen? ‚Gott gebe dir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die du nicht ändern kannst, den Mut, Dinge zu ändern, die du ändern kannst und die Weisheit, das eine vom andern zu unterscheiden.‘ In dem Sinne hat sie ihn auch erzogen und er uns.

Meine sexuelle Präferenz konnte er nicht ändern, und Jost musste man einfach lieb haben. Denn am Ende siegt doch immer die Liebe! Aber da ich gerade das Kommunikationsgerät in der Hand hielt, rief ich noch bei Chester an, denn ich wollte wissen, ob es bei morgen Abend beim Essen bleiben würde.

Außerdem hatten wir noch keine genaue Uhrzeit ausgemacht, wann wir denn bei ihm genau aufschlagen sollten. Jonathan Billings, einer der stellvertretenden Dekane der School of Journalism, wollte ja seinen neuen Studenten kennenlernen, der war ja der offizielle Anlass des Diners.

Der Vorsitzende der LIGA bestätigte die Einladung und was meinte der alte Schlawiner auf meine Frage nach der Anzugsordnung? Am liebsten wäre ihm zwar ein römisches Gelage, alle Beteiligte nackt, aber da seine heimliche Flamme Jonathan anwesend wäre, sollten Jost und ich doch wenigstens eine Jeans über unsere Beine streifen und unsere Oberkörper ebenfalls verhüllen. Er würde uns zu halb acht seinen Wagen schicken.

 

*-*-*

 

Das Hotel, wir waren im Bestwestern an der Admiral Kalbfus Road untergebracht, kannte ich nicht, denn Newport ist normalerweise kein Übernachtungsort auf unseren Reisen. Von daher konnte ich nur die Auskünfte geben, die auch im Prospekt standen; eine der üblichen Broschüren, die bei uns normalerweise sofort in die Rundablage wanderten. Ich griff mir das Mikro.

 

„So, meine Damen und Herren, bevor ich sie gleich in ihren wohlverdienten Feierabend entlasse, noch ein paar kleine Infos: Im Hotel befindet sich ein Pool, wer also heute noch einmal Schwimmen möchte, der kann das hier gerne tun. Allerdings rate ich zu Jogginganzug oder Bademantel über dem Badezeug, es ist ein Außenbecken.“

 

Vereinzeltes Gelächter war zu hören, die spätnachmittäglichen Temperaturen lagen, laut Bordanzeige, draußen bei knapp fünfzehn Grad Celsius.

 

„Im Hotel befindet sich auch ein Restaurant, in dem wir morgen das Frühstück einnehmen werden. Wer also nach dem Baden oder der Fitness nicht mehr raus möchte, der kann dort gerne essen.“

 

Die meisten Leute schüttelten den Kopf.

 

„Ich würde ihnen jedoch den Vorschlag machen, machen sie einen Spaziergang in die Stadt: Newport und seine Kneipen lohnen sich. Und wer sein Glück einmal versuchen möchte, im Newport Grand Slots können sie ihre Reisekasse aufbessern, der Jackpot an den Slot-Maschienen liegt bei über 500.000 US $. Nach dem Spiel können sie dort aber auch gut essen, oder sie essen nur und beobachten die anderen beim Spielen. In diesem Sinne: schönen Abend.“

 

Tosender Applaus brandete zwar nicht auf, aber ich hatte heute ja schon genug geredet.

 

Jenny blickte mich an.

 

„Was würdest du denn mit einem solchen Gewinn machen?“

 

„Gute Frage!“

 

Ich seufzte.

 

„Mein Appartment ist bezahlt, eigenes Auto habe ich, was Reisen betrifft, kann ich nicht klagen, … meinen Traumprinzen habe ich auch gefunden. Eigentlich bin ich wunschlos glücklich.“

 

Sie grinste.

 

„Und uneigentlich?“

 

„Uneigentlich? Naja, ich liebäugle seit Jahren schon von einem eigenen Haus auf Fire Island.“

 

Immer nur auf Einladungen angewiesen zu sein, ist auch nicht so das Wahre.

 

„Aber eine halbe Million würde da nur für eine Blockhütte reichen.“

 

„Ist eine Menge Holz!“

 

Sie pfiff leicht.

 

„Dafür würdest du in Boston schon ein ganzes Haus kriegen.“

 

„Aber wohl nicht am Beacon Hill.“

 

Luke verglich seine Wohnlage gerne mit der 5th Avenue.

 

„Nein, aber es gibt auch noch andere schöne Ecken.“

 

Ein Lächeln umspielte ihre Lippen.

 

„Und kannst du dir da eine alleinerziehende Busfahrerin als Nachbarin vorstellen? So neben dem Gouverneur?“

 

„Wohl eher nicht“, ich grinste, „aber selbst der setzt sich zum sch…, wie meine Oma sagen würde!“

 

„Deine Oma ist eine weise Frau, aber …“, sie grinste, „…für die Summe würdest du da nur eine kleine Zweizimmerwohnung kriegen. … Dann lieber ein ganzes Haus in West Lynn, da habe ich mehr davon und kann meinen Töchtern noch was abgeben.“

 

„Stimmt auch wieder! Ich würde für Jost erst mal das Geld für das Collage beiseitelegen, er wird ja an der Columbia studieren, und dann“, ich überlegte, „…würde ich gerne mal mit dem Schiff über den Atlantik, so à la Titanic.“

 

„Mit Jost als Kate Winslet? Und bei der Szene am Heck singst du dann ;My Heart will Go On‘, oder wie soll ich das verstehen?“

 

Sie hätte vor Lachen fast ein Stopp-Schild überfahren.

 

„Jenny, das geht doch nicht!“

 

Ich musste selbst ein Lachen unterdrücken.

 

„Dann müsste ich ja dritte Klasse fahren, aber … dazu bräuchte ich nicht den Jackpot zu gewinnen.“

 

„Stimmt auch wieder.“

 

Sie grinste immer noch.

 

„Aber nach welchem System wird da denn gespielt?“

 

„Warte, da muss ich mal in den Flyer schauen.“

 

Ich nahm mir den Werbezettel der Glücksspielanstalt und las.

 

„Hier, da haben wir es: Gespielt wird nach dem Cashola-System. Sagt mir nichts.“

 

„Mir aber, dann kannst du das eh vergessen.“

 

Sie schlug aufs Lenkrad.

 

„Mein Ted, Gott habe ihn selig, hat damit mal knapp 30.000 gewonnen. Was macht der Idiot? Geht zum nächsten Autohändler und kauft sich sofort einen neuen Geländewagen. Er hätte besser das Kleingedruckte lesen sollen!“

 

„Was steht denn da drinnen?“

 

Ich blickte sie verwundert an.

 

„Ted? Dein Verstorbener?“

 

Ihre Hände verkrampften sich bei Erwähnung ihres Ehemannes.

 

„Genau dieses Arsch! Du kriegst das Ganze entweder in 30 Jahresraten oder, wenn du es sofort cash haben willst, nur knapp 60% der Summe. Nach vier Monaten setzte Ted den Wagen im besoffenen Kopf vor dem Baum: Totalschaden und ich saß auf 25.000 US$ Schulden für ein Auto, das nur noch Schrittwert hatte.“

 

„Dann lassen wir das ganz.“

 

Ich versuchte, zu grinsen.

 

„Eine Dampferfahrt um Manhattan kann ich mir gerade noch so leisten!“

 

*-*-*

 

Dass Jost und ich uns auch hier ein Doppelzimmer teilten, stand für Sven schon zu Beginn des Tages fest. Ok, für mich auch. Grinsend griff er mir meine Zimmerkarte ab.

 

„Danke, Schwager! Wir sehen uns dann gleich in der Lobby, wenn wir zum Essen gehen!“

 

„Dein Bruder wird auch immer frecher!“

 

Ich blickte ihm grollend hinterher.

 

„Nun lass den Kleinen, ich hätte nicht gedacht, dass er so locker mit mir … mit uns umgeht.“

 

Spielte er den Bruderretter?

 

„Ich dachte erst, der wüsste von nichts!“

 

„Weil du nie ein kleiner Bruder warst, mein Engel!“

 

Ich grinste den angehenden Studenten frech an.

 

„Uns entgeht relativ wenig, gerade was das Liebes- und Sexleben unserer größeren Brüder angeht.“

 

„Hast du deine Brüder etwa beobachtet?“

 

Er hatte Fragezeichen in den Augen.

 

„So beim Sex?“

 

„Die Zwillinge nicht, denn als die ihre ersten Sexabenteuer hatten, war ich gerade zwei oder drei Jahre alt.“

 

Ich schmunzelte.

 

„Aber als Greg … naja, ab und an hab ich gelinst. Wir mussten uns ja immerhin ein Bad teilen.“

 

„Kleiner Spanner!“

 

Er knuffte mich in die Seite. Mittlerweile hatten wir unser Zimmer erreicht.

 

„Nach ihnen, gnädige Frau!“

 

„Sehr zuvorkommen, der Herr.“

 

Als die Tür ins Schloss fiel, fielen wir uns in die Arme und machten da weiter, wo wir im Zoo aufgehört haben. Er unterbrach die Zungenakrobatik.

 

„Sollen wir jetzt duschen oder machen wir das später?“

 

„Lass uns das später machen, denn…“, unsere Lippen trafen sich erneut, „…wenn wir jetzt… ins Bad, dann… hätten wir… in zehn Minuten… deine Eltern vor der Tür stehen.“

 

„Ich sehe schon, wir kommen erst dann zur Ruhe, wenn meine Familie wieder in Deutschland ist und wir die Sache mit Juan und Eric geregelt haben.“

 

Ein letzter Kuss erfolgte.

 

„Uns bleibt ja wenigstens der Sonntag, ehe am Montag die Uni anfängt.“

 

„Stimmt, den Nachmittag haben wir für uns.“

 

Ich nickte.

 

„Nach guter deutscher Sitte versammelt sich die Familie am heiligen Sonntag zum Essen um einen Tisch, alte Sitte bei den Lensings.“

 

„Und ich gehöre jetzt wohl dazu?“

 

Er stöhnte.

 

„Yepp, mein Engel, du gehörst dazu. Mein Vater lässt dich übrigens auch grüßen, er ist noch etwas steif, aber das wird sich geben.“

 

Ich blickte ihn verliebt an.

 

„Aber mal ne andere Frage: Auf was hast du Hunger?“

 

Er lächelte verschmitzt.

 

„Was hast du denn zur Auswahl?“

 

Wir packten ein paar Sachen in den Schrank, er war mittlerweile auch ein Freund des Lensing’schen Auspacksystems. Ich überlegte.

 

„Nun, laut meinem Stadtplan haben wir in fußläufiger Entfernung einen Edelitaliener, eine normale Pizzeria und einen Pizza Hut, einen Chinesen, einen Japaner, ein paar Burgerläden am Broadway und das Casino.“

 

Ich grinste ihn frech an.

 

„Und dann das Restaurant hier im Hotel, aber hier nehmen wir ja schon das Nachtmahl ein!“

 

„Sex zum Nachtisch Ist eine sehr gute Idee; könnte glatt von mir sein! Aber was das andere betrifft?“

 

Er zuckte mit den Schultern.

 

„Mir egal, Hauptsache, ich hab dich an meiner Seite. Mal schauen, was die anderen gleich sagen. Ich glaube, es wird eine größere Gruppe.“

 

„Wenn wir nicht alleine Essen gehen, wird das mit dem Händchenhalten wohl nichts.“

 

Ich grinste ihn frech an.

 

„Was für eine Unterhose hast du eigentlich an?“

 

„Ne schwarze Retro. Wieso fragst du?“

 

Wie zum Beweis öffnete er seine Jeans und zog sie herunter.

 

„Tauschen wir?“

 

Ich leckte mir über die Lippen.

 

„Und welchen Sinn sollte das haben?“

 

Er schaute mich fragend an.

 

„Falls wir nicht zusammensitzen sollten, dann…“, ich blickte ihn lustvoll an, „…dann habe ich wenigstens ein Teil von dir während des Essens ganz nah an meinem Körper. Besser als nichts, oder?“

 

„Stimmt auch wieder, dann lass uns mal.“

 

Er lachte und entledigte sich der Stoffhüllen, ich tat es ihm gleich. Als wir uns halb nackt gegenüberstanden, kam er auf mich zu, kniete sich vor mir hin, nahm Klein-Gordon in die Hand und gab ihm mehr als einen Kuss auf den Kopf.

 

„Schatz, wir…“, ich merkte, wie der Kleine größer wurde, „…wir haben nicht mehr soviel Zeit.“

 

„Aber wenn ich ihn so sehe, dann komme ich mir vor wie zu Nikolaus.“

 

Lachend erhob er sich. Er und seine Gedankensprünge.

 

„Wie meinst du das denn jetzt?“

 

„Na, dicker Beutel und fette Rute.“

 

Jost lachte.

 

„Aber auch wenn man was mit der Rute kriegt, man bekommt auch immer was aus dem Beutel.“

 

Ich musste lachen.

 

„Aber da fällt mir was ganz anderes ein: Wie machen wir das mit Weihnachten?“

 

„Ich dachte, wir feiern Erntedank hier mit deinen Leuten und sind über die Feiertage in Deutschland bei meinen Eltern.“

 

Er setzte seinen Dackelblick auf.

 

„Du hast uns doch erzählt, Thanksgiving hat hier einen höheren Stellenwert als …?“

 

„Stimmt, das habe ich gesagt, aber… wir Lensings… sind ja zu einem großen Teil deutsch, …“, ich strich über seine Wange, „…wir feiern Weihnachten fast so wie ihr. Aber…“

 

Ich legte Schmalz in meine Stimme.

 

„…aber zum Glück sind wir ja auch Amerikaner! In einem Jahr kommt die Familie zu Thanksgiving zusammen, im nächsten dann zu Weihnachten. Diesmal treffen wir uns im November.“

 

„Du Arsch!“

 

Grollte er etwa?

 

„Angenehm, Gordon Henry Lensing.“

 

Ich grinste ihn schelmisch an.

 

„Wir können also ohne Probleme mit deinen Eltern feiern und über Sylvester geht es dann in den Alpen.“

 

„Wie meinst du das denn?“

 

In seinen smaragdgrünen Augen konnte ich Fragezeichen erkennen.

 

„Als wir im Skylon Tower zum Essen waren, da…“, ich konnte meinen Blick nicht von seinen nackten Beinen wenden, „…da hab ich doch von einer Einladung zu Sylvester erzählt. Und ich denke mal, Daniel wird sicher nichts dagegen haben, wenn ich dich mitbringe.“

 

„Stimmt, hast du“, er zog die Stirn hoch, „wie sollen wir das denn dann machen?“

 

Ich nahm ihn in die Arme und strich über seinen Kopf.

 

„Wir fliegen zuerst nach Hamburg und feiern mit deinen Eltern Weihnachten, dann geht es zum Jahreswechsel zu Daniel nach Bad Tölz und dann wieder zurück nach New York. Das Semester fängt am ersten Montag im Jahr wieder an.“

 

Wir küssten uns erneut, als es lautstark an die Tür klopfte. Gott hatte anscheinend kein Herz für Liebende.

 

 

„Leute, stellt das Fummeln ein! Die anderen warten unten schon auf euch.“

 

Der Störenfried war kein anderer als mein künftiger Schwager Sven.

 

„Du hattest recht: Der Kleine nervt unheimlich!“

 

Jost grinste mich an.

 

„Aber wir sollten uns beeilen.“

 

„Was erwartest du von einem vierzehn jährigen?“

 

Ich lachte, als ich seine Retro anzog.

 

„Warst du anders?“

 

Jost zuckte mit den Schultern.

 

„Jedenfalls hab ich da nicht das Liebesleben meines Bruders gestört.“

 

„Ob er damals schon ein Liebesleben hatte, wage ich zu bezweifeln.“

 

Ich zog mir die Hose hoch.

 

„Stimmt, da war er acht! Das wäre ziemlich frühreif, obwohl…“, er hantierte mittlerweile an seinem Reißverschluss, „… die Jugend von heute immer früher reifer wird. Bist du fertig?“

 

„Bin ich!“

 

Es klopfte erneut, wir küssten uns daher nur kurz.

 

„Dann sage ich mal: auf in den Kampf!“

 

Jost wirkte leicht genervt, als er die Tür öffnete.

 

„Sven, wir kommen ja schon!“

 

Der Kleine grinste uns frech an.

 

„Kommen braucht ihr nicht, erscheinen reicht vollkommen.“

 

Mein Engel verdrehte die Augen.

 

„Schatz, du hast ja drei größere Brüder? Was macht man dagegen?“

 

„Da bin ich leider der falsche Ansprechpartner: Ich war ja immer nur der kleine Bruder!“

 

Ich grinste.

 

„Da müsstest du Luke oder Christopher anrufen, Greg kann im Moment ja nicht reden.“

 

Er knuffte mich in die Seite.

 

„Du bist mir vielleicht eine Hilfe!“

 

„Du Jost!“

 

Sven stand bereits am Aufzug.

 

„Wenn du jetzt bei Gordon wohnen wirst, da…“

 

„Was ist dann?“

 

Der angehende Student blickte seinen Bruder an, als wir den Lift bestiegen.

 

„Kann ich dann dein Zimmer haben. Deins ist ja größer als meins.“

 

Er blickte verschämt zu Boden.

 

Jost grübelte.

 

„Unter einer Bedingung!“

 

„Welche?“

 

Sven Augen fingen an zu leuchten.

 

„Ich gehe auf alles ein!“

 

„Mein Bett behalte ich!“

 

Er lachte ihn an.

 

„Oder sollen Gordon und ich in deinem Kinderbett pennen, wenn wir zu Weihnachten kommen? Wir brauchen etwas mehr Platz … nicht nur in der Nacht.“

 

„Ihr wollt… doch… nicht etwa… zu Hause?“

 

Er konnte den Mund kaum zu kriegen.

 

„Was wir im Bett machen, mein lieber Schwager, geht dich überhaupt nichts an. Wir wollen ja auch nicht wissen, was du und deine Susu so machen.“

 

Ich legte meine Hand auf seine Schulter.

 

„Aber wir wollen dich ja nicht unnötig in Versuchung führen, uns doch eventuell heimlich … zu beobachten. Deshalb werden wir die Tür abschließen … und ein Handtuch kommt vor das Schlüsselloch.“

 

Jost grinste über beide Backen.

 

„Wie gut, dass du der kleine Bruder warst.“

 

Als wir aus dem Aufzug traten, traute ich fast meinen Augen nicht: Es war fast der gesamte Bus, der da in der Hotelhalle stand und auf uns wartete. Ich schaute meinen Schatz an.

 

„Das war es dann wohl mit einem gemütlichen Abend im kleinen Kreis!“

 

„Du sagst es, aber …“, er wirkte selbst erstaunt, „…ich werde dir einen Platz freihalten!“

 

„Wenigstens etwas!“

 

Dankbar lachte ich ihn an und ging zu Jenny, die ich in der Menge entdeckt hatte.

 

„Na, wie ist hier unten die Stimmung, liebe Kollegin.“

 

„Siehst du ja!“, sie deutete auf die Menschen, „dein Bruder hat sich zwar ein tolles Programm für die Leute ausgedacht, aber dabei leider die Gruppendynamik vergessen. Es ist der letzte Abend in einer Kleinstadt. Die Gäste wollen noch einmal etwas zusammen unternehmen, ehe sie ab Morgen wieder getrennte Wege gehen; im Big Apple hast du wieder nur Individuen, aber heute?“

 

„Stimmt, werde ich mir für Wiederholungen solcher Touren merken.“

 

Ich überlegte kurz, zwar kannte ich die Kapazitäten in den Lokalitäten vor Ort nicht, aber jedes normale Restaurant dürfte mit einer Gruppe dieser Größenordnung ohne Voranmeldung überfordert sein.

 

„Ich glaube, dass Beste ist, wir gehen in dieses Casino, denn in der Stärke in ein normales Lokal?“

 

Sie schüttelte zustimmend den Kopf.

 

„Da hast du Recht. Ich geh schon mal mit den Leuten auf die Straße und warte. Rufst du in diesem Casino an?“

 

„Werde ich machen … und Jenny: Danke!“

 

Mir mit der Gruppe zu helfen, war mehr als kollegial, und ein kleines Danke kann niemals schaden. Ich ging zur Rezeption und bat, man möge doch im Grand Slots anrufen und eine Truppe von fast vierzig Personen ankündigen.

Die beiden Frauen an der Rezeption nickten freundlich und, während die eine zum Telefon eilte, reichte mir die andere, etwas dicklichere Dame, einen Stapel der typisch amerikanischen ‚Coupons‘, mit der Bitte, sie zu verteilen.

Ich warf einen Blick auf einen der Zettel und schmunzelte: Es war ein Gutscheine über Fünf Dollar zum Spielen. Für den Busfahrer und den Reiseleiter reichte die Dame mir gesonderte Schreiben, welche wir vorlegen sollte: Freies Essen und ein Spielguthaben von zwanzig Dollar.

Auf der Straße angekommen stellte ich mich auf die Treppe und bat lautstark um Ruhe.

 

„Meine Damen! Meine Herren! Sie haben mich zwar etwas überrascht, aber das Casino hat uns mehr oder minder eingeladen. Ich werde gleich ein paar Spielgutscheine verteilen, also für das Vergnügen nach dem Essen ist gesorgt.“

 

Ich verteilte vor dem Abmarsch die Gutscheine und reichte Jenny, die mit einem der Frankfurter in ein Gespräch vertieft war, ihren Freifahrtschein.

 

*-*-*

 

Der Mann im grünen Livree, der an der Tür der Spielhalle stand, wirkte zwar erstaunt, aber nach einem kurzen Gespräch lief alles in seinen geordneten Bahnen. Wir wurden in einen separaten Raum geführt, vier Kellner waren noch mit dem Eindecken beschäftigt.

Anscheinend wurde der Saal nur für Gruppen oder am Wochenende genutzt, aber das sollte mir egal sein. Jost hatte für mich einen Platz am Tisch seiner Eltern, die wieder einmal mit den Laufenbergs zusammensaßen, frei gehalten.

 

„Schatz, kommst du?“

 

„Augenblick, ich bin sofort bei euch.“

 

Ich musste erst noch zur Saalchefin, die am Eingang stand und das Treiben ihrer Angestellten beobachtete. Ich stellte mich der Dame in Kurzhaarfrisur kurz vor und orderte als Aperitif eine Runde Screwdriver für alle.

Sie blickte mich über den Rand ihrer Brille an und machte mich auch die alkoholfreie Variante, also O-Saft ohne Wodka, aufmerksam. Ich konnte nur Nicken und bat sie, mir später eine separate Rechnung hierüber auszustellen, es wäre ja für die Firma und Dad würde mir die Eigenmächtigkeit sicherlich verzeihen.

Keine fünf Minuten Später rückten die Kellner mit den entsprechenden Getränken bewaffnet an die Gästefront. Als jeder ein Getränk vor sich stehen hatte, erhob ich mich und trat, mit Glas in der Hand, in die Mitte des Raumes.

 

„Bevor die Kellner sie gleich nach ihren Wünschen fragen, darf ich noch einmal um ihre geschätzte Aufmerksamkeit bitten.“

 

Ich blickte in die Runde, die Gespräche wurden eingestellt.

 

„Anders als in Europa haben Reisende hier in den Staaten für ihr Essen meist selber zu sorgen. Da wir von Lensing aber die Wünsche unserer Kunden kennen, werden wir bei den Leserreisen, die wir gerne für sie durchführen würden, zumindest Halbpension anbieten.

Einmal kann das das Mittagessen sein, an einem anderen Tag das Dinner. Wenn die Gruppe aber noch etwas gemeinsam unternehmen will, dann …“

 

Ich hielt das Glas hoch.

 

„… stehen wir auch dafür gerne zu Verfügung. Auch wenn ich gleich ihre Rechnung nicht übernehmen kann, mein Dad würde mich sonst enterben, …“

 

Ich grinste und einige Gäste lachten.

 

„…aber für einen kleinen Appetitanreger… haben wir immer die Gelegenheit. In diesem Sinne darf ich sie bitten, zusammen mit mir das Glas zu erheben und auf das bisher Erlebte und die kommenden Tage in New York anzustoßen. In diesem Sinne … Cheerio!“

 

Ich prostete in die Runde und trank einen Schluck. Applaus und zustimmendes Gemurmel erfüllte den Raum. Nachdem ich mich wieder gesetzt hatte, stieß mit dem Rest in meinem Glas mit meinen Tischnachbarn an.

Sven konnte es kaum abwarten, die neue Zimmerverteilung im Haus Jacobsen seinen Eltern mitzuteilen. Der Kleine freute sich wie ein Schneekönig über sein vergrößertes Reich. Sylvia blickte zwar erst skeptisch, schien sich dann aber doch mit der Regelung anfreunden zu können, schließlich würde sie ihren Puschel zu Weihnachten wieder in ihre Arme schließen können.

 

„Wann wollt ihr denn dann kommen?“

 

„Die Prüfungen enden in der Regel eine Woche vor Weihnachten.“

 

Ich strich mir durchs Haar.

 

„Ich muss dann zwar noch etwas arbeiten, aber spätestens Heiligabend sind wir bei euch, es müsste uns dann nur einer vom Airport abholen.“

 

„Das ist ja wohl das geringste Problem!“

 

Der Mann vom Abendblatt lachte.

 

„Nötigenfalls hinterlegen wir die Schlüssel für Josts Knutschkugel einfach am Flughafen. Soviel Gepäck werdet ihr ja auch nicht haben, oder? Wann fängt eigentlich das Semester wieder an?“

 

„Am ersten Montag im neuen Jahr, aber…“, ich blickte Guntram an, „…ehe ich es vergesse, ich bräuchte morgen das Flugticket von Jost.“

 

 

„Zwecks Umbuchung?“

 

Ein Grinsen lag in seinem Gesicht.

 

Ich nickte.

 

„Ja, allerdings auf unbestimmte Zeit. Warum soll man das Ticket verfallen lassen?“

 

„Stimmt auch wieder.“

 

Er kratzte sich am Kinn.

 

„Aber sag mal, was ist eigentlich billiger? Wenn wir für Jost bei uns in Deutschland buchen oder er von hier den Staaten?“

 

Sylvia blickte ihren Mann leicht wütend an.

 

„Du kannst auch nur an Geld denken!“

 

„Schatz, immer mit der Ruhe.“

 

Guntram winkte ab.

 

„Wenn unser Sohn schon in den USA studieren wird, müssen wir doch nicht die Fluggesellschaften reicher machen als unbedingt notwendig, oder?“

 

„Die Flüge von hier nach Deutschland sind erheblich billiger als umgekehrt. Die Differenz liegt schon in der Touristenklasse bei über 150 Dollar.“

 

Ich grinste ihn an.

 

„Und wenn ich über Lensing buche, wird es noch einmal günstiger; das geht aber nur bei Gruppen oder für Leute, die hier wohnen.“

 

„Alter Sparfuchs!“

 

Er reichte mir die Hand.

 

„Dann machen wir das so!“

 

*-*-*

 

Es wurde noch ein gemütlicher Abend. Zwar war Mutter Jacobsen nicht gerade erbaut darüber, dass wir noch im alten Jahr die Segel in Hamburg streichen und Silvester in den Alpen verbringen wollten, aber sie knickte ziemlich schnell ein: Guntram versprach ihr ein verlängertes Einkaufswochenende in der Stadt, die niemals schläft, und ich sollte dafür die entsprechende Unterkunft besorgen.

Nach dem Essen verlagerte man sich zu Gesprächen an die Bar oder ging zu den Spielgeräten. Dass die meisten Gäste mehr als ihre Gutscheine verspielten, lasse ich einmal unerwähnt. Guntram und Opa Friedrich standen, nebst Gemahlinnen, an den Pennygräbern und verspielten die Gutscheine, meinen hatte ich ihnen auch gegeben, ich drücke lieber andere Hebel als die an Spielgeräten.

Ich hatte gerade mit München eine mögliche Tour besprochen, als Jost zu mir geschlendert kam.

 

„Na, Großer, das ging ja gerade wie geschmiert. Mama hat dir ja wie ein kleines Kätzchen aus der Hand gefressen.“

 

„Stimmt, ich hätte mit mehr Opposition von deiner Mutter gerechnet. Das Ganze lief mir … etwas zu glatt.“

 

Irgendetwas musste da noch sein, dass wir beide noch nicht auf der Rechnung hatten. Von Sylvia kam fast kein Widerspruch, die Inspektion der künftigen Wohnsituation ihres Sohnes auf den späten Donnerstagnachmittag zu legen.

Jost und ich würden den die Stunden nach dem ersten Teil der Stadtrundfahrt mit Visaformalitäten auf dem Amt verbringen, der Rest wollte auf Einkaufstour gehen, ehe am Abend ein Musicalbesuch auf dem Programm stand.

 

„Was du immer hast? Freu dich doch, dass alles so reibungslos verläuft, du Pessimist. Du siehst alles viel zu Schwarz.“

 

Er lachte.

 

„Noch ein Bier?“

 

„Gerne.“

 

Ich wollte schon dem Barkeeper heranwinken, als er mir seine Flasche in die Hand drückte.

 

„Hier.“

 

Er zwinkerte mir zu.

 

„Nimm erst einmal die!“

 

Es schmeckte mehr als komisch, irgendwie nicht nach Bier. Er sollte doch nicht etwa in die Flasche …? Moment, hatte er nicht mal eine Geschichte von einem Referat erzählt? Ich musste grinsen.

 

„Kann es sein, dass du mich geil machen willst?“

 

„Wie kommst du denn darauf?“

 

Er tat wie die Unschuld vom Lande.

 

„Wenn du so weitermachst, dann garantiere ich für nichts.“

 

Ich leckte mir über die Lippen.

 

„Aber lass uns mal für Nachschub sorgen, denn wenn wir gleich wieder alleine sind, dann …“

 

„Dann was?“

 

Seine smaragdgrünen Augen funkelten.

 

Diesmal schmunzelte ich.

 

„Nur so!“

 

*-*-*

 

Aus dem Saal neben uns drang plötzlich lauter Jubel. Neugierig betraten wir den Spielsaal und die Jacobsens und die Laufenbergs lagen sich in den Armen. Sven kam ganz aufgeregt zu uns gestürmt.

 

„Ihr werdet nicht glauben, was gerade passiert ist!“

 

„Was denn?“

 

Der Lichtkranz um die Jackpotanzeige hatte sich nicht verändert, er leuchtete normal, kein Feuerwerk, keine Jubelfanfaren, also konnte er nicht geknackt worden sein.

 

„Papa und Opa Laufenberg haben 1.200 Dollar gewonnen.“

 

Auch er wirkte euphorisch.

Wir steuerten auf die vier Personen zu und wurden von ihrem Jubel mehr oder minder angesteckt. Magda Laufenberg liefen die Tränen über die Wangen.

 

„So viel Glück hatte ich noch nie in meinem Leben, na ja, vielleicht außer dem Kennen lernen mit meinen Fritz kennen. Aber eigentlich gehört ein Teil des Geldes ja ihnen.“

 

Erstaunt blickte ich sie an.

 

„Wie meinen sie denn das denn?“

 

„Na ja, sie haben schließlich die Karten besorgt, die Fritz und Günni durchgezogen haben.“

 

Sie wirkte immer noch leicht aufgekratzt.

 

„Wir wollen morgen das Geld auf den Kopf hauen. Wie hieß noch einmal der Italiener, den sie uns auf der letzten Reise empfohlen haben?“

 

Ich überlegte.

 

„Das Casa Pietro. Ich soll also einen Tisch reservieren?“

 

Sie nickte.

 

„Ja, für sieben Personen. Jost und sie sind natürlich auch eingeladen.“

 

„Wenn sie das morgen Abend machen wollen, müssen sie auf uns leider verzichten.“

 

Ich hielt ihrem fragenden Blick stand.

 

„Jost wird ja mitten im Semester sein Studium hier anfangen und umgeht auch die Aufnahmeprüfungen, von daher … wir haben morgen Abend einen Termin mit einem der Dekane der journalistischen Fakultät.“

 

„Das geht natürlich vor!“

 

Sie grinste plötzlich.

 

„Dann hat sich ja der kleine Disput von gestern wohl in Wohlgefallen aufgelöst.“

 

„Hat er.“

 

Ich konnte nur nicken.

 

„Das hat er!“

 

„Und? Wie war es?“

 

Sie gluckste wie ein Schulmädchen. Ich stutze; was meinte sie?

 

„Was war wie?“

 

„Na, die Versöhnung und besonders das Danach!“

 

Sie schüttelte belustigt den Kopf.

 

„Dass die Jugend von heute immer so begriffsstutzig ist, wundert mich doch.“

 

„Ach, das meinen sie: Der Genießer schweigt!“

 

Wurde ich rot? Sollte ich ablenken?

 

„ Aber mal ganz was anderes: Wo liegt eigentliche ihre Hütte?“

 

„Hütte?“

 

Sie blickte verwundert.

 

„Fritz und ich besitzen kein Ferienhaus.“

 

„Daniel hat mich ja über den Jahreswechsel eingeladen.“

 

Ich kratzte mich am Kinn.

 

„In seinem Brief sprach er allerdings nur von einer Hütte, in der er und ein paar Freunde feiern wollen. Von daher wollte ich wissen, ob auch Platz für Jost ist und wohin wir von Hamburg fliegen müssen, München, Salzburg oder Innsbruck.“

 

Sie grinste.

 

„Wenn er die Jagdhütte meines Schwiegersohnes meint, dann dürfte das kein Problem werden, denn die hat mindestens sechs Schlafzimmer.“

 

„Eine Lodge mit sechs Schlafzimmern?“

 

Ich stutzte.

 

„Etwas groß, oder?“

 

„Irgendein bayerischer Prinz hat sie gebaut, weit vor dem Ersten Weltkrieg.“

 

Sie lachte.

 

„Aber fragen sie Daniel am besten selber, bei ihm weiß man nie so genau, woran man ist. Im Mai wollte er einen kleinen Angelausflug machen, die Postkarte kam hinterher aus Schweden!“

 

Ich zuckte mit den Schultern.

 

„Na dann werde ich ihn wohl anrufen müssen.“

 

*-*-*

 

Eng aneinander gekuschelt lagen wir im Bett. Es tat gut, seinen Körper zu spüren, seine Wärme zu fühlen, seine Nähe zu atmen, seinem Herzschlag zu lauschen. Von den vier oder fünf Siegerbieren, die die Sieger ihren Groupies im Überschwang des unerwarteten Geldsegens spendiert hatten, war mindestens eins zu viel gewesen; in meinem Kopf drehte es sich leicht, da war Jost mir als Anker mehr als willkommen. Ich würde morgen sicherlich eine Aspirin brauchen, um einigermaßen in den Tag starten zu können.

Plötzlich drehte er sich um, stützte sich auf seinem rechten Ellenbogen ab und fuhr mir sanft über meine Brust.

 

„Das wird unsere letzte Nacht werden…“, hatte ich mich verhört?

 

„… die wie in einem Hotel verbringen werden.“

 

Das Herz, gerade eben noch in den Knien, war wieder an seinem richtigen Platz, ich atmete tief durch.

 

„Na ja, du könntest ja noch zwei Tage länger die Vorzüge eines Hotels genießen.“

 

„Wieso sollte ich?“

 

Er küsste mich.

 

„Es ist doch bequemer, sich an einen gedeckten Tisch zu setzen, als selbst den Kaffee zu machen, oder?“

 

Hoffentlich hatte ich überhaupt noch genügend von dem braunen Pulver im Schrank. Mama wollte mir zwar den Kühlschrank auffüllen, aber ob sie auch für den Rest sorgen würde, wusste ich nicht. Er grinste mich frech an.

 

„Stimmt, aber kann man im Hotel auch nackt frühstücken?“

 

„Wohl eher nicht, das W in der Lexington ist ja kein FKK-Resort.“

 

Ich warf ihm ein Lächeln entgegen.

 

„Aber, um ehrlich zu sein, ich bin nicht so der Küchenmensch.“

 

Gut, Wasser brennt bei mir zwar nicht mehr an, aber während des Studiums reichte mir ein Bagel und ein Coffee2Go, mittags ging es in die Mensa und ein Sandwich konnte ich mir am Abend gerade noch selber produzieren, wenn anderswo keine Kleinigkeit aufzutreiben war.

 

„Das kann man lernen, aber…“, ich spitzte die Ohren, „…ich mach dir einen Vorschlag: Ich werde kochen und du machst den Abwasch. Wir müssen eh noch einen Putzplan aufstellen.“

 

Der Mann denkt auch wohl an alles.

 

„Wenn du meinst, die Spülmaschine räume ich gerne ein.“

 

„Wenn das so ist, dann übernimmst du auch den Einkauf!“

 

Unsere Lippen trafen sich.

 

„Ok, aber du schreibst den Einkaufszettel.“

 

Meine Hand wanderte tiefer.

 

„Denn ohne Hilfe …“

 

„Hauptsache, ich muss dir keine Anleitung schreiben, wie du …“

 

Sein linkes Knie lag plötzlich auf meinem rechten Oberschenkel. „… mich geil machst.“

 

„Keine Angst! Das ist wie Fahrradfahren, das verlernt man nie!“

 

Meine Hand glitt von seinem Ohr über die Wange bis zum Hals. Ich küsste ihn auf die Nasenspitze, ehe meine Hand auf Wanderschaft ging. Mein Gesicht ruhte auf seinem Hals, ich genoss einfach nur seinen Duft.

 

„Ich will dich!“

 

*-*-*

 

Seine Brustwarze, gerade eben noch von meinen Fingern gezwirbelt, wurde nun von meinen Lippen bedeckt. Wie ein Säugling nuckelte ich an der Knospe, sein Herz schlug schneller. Der Weg wollte aber zu Ende gegangen werden. Langsam, fast wie in Zeitlupe, richtete ich mich halb auf und ließ dabei meinen Mund der Spur meiner Hand folgen, die jedes Stück seiner Haut liebkost hatte.

Meine Zunge wanderte über seine Rippen, er lag mittlerweile auf dem Rücken, so konnte ich den schönsten Bauchnabel der Welt in einen kleinen See verwandeln. Erst mit Fingern und dann mit der Zunge verteilte ich die Flüssigkeit sofort wieder, erst nach Rechts, dann nach Links, mal in Richtung seines Brustbeins, mal in die Richtung seines Freudenspenders. Überall in seinem Schambereich hinterließ ich meine Spuren.

Er wand sich vor Lust, seine Hände versuchten, mich in eine bestimmte Richtung zu dirigieren. Er robbte ein Stück nach unten, um mir Platz für sein Vorhaben zu schaffen. Seine Hand streichelte nun sanft über meinen Beutel, während mein Waschlappen sich um seinen Zauberstab kümmerte. Ich zog seine Vorhaut ganz zurück, ließ meine Zunge über die blass rote Kuppe tanzen, ehe ich mich um die Brunnenöffnung kümmerte. Der Geruch, der mir entgegen strömte, machte mich nur noch wilder.

Jost versuchte, mein Knie zu heben, um seinen Kopf zwischen meine Schenkel zu kriegen. Ich gewährte ihm, als ich seine Kuppel zwischen meinen Lippen verschloss, nur zu gern seine Bitte. Meine rechte Hand wanderte unter seinem Schenkel hindurch zu seinem Ballbehälter. Nicht nur die zusammengezogene Haut, auch seine Murmeln wurden von mir massiert.

Meine Zähne spielten mit seiner langen Vorhaut, ich knabberte an ihr und er stöhnte fast im Takt der Kontraktionen. Ich fühlte mich wie ein Kind an Weihnachten, dem sein größter Wunsch in Erfüllung gegangen ist, man hatte ihm ein neues Spielzeug geschenkt. Seine Hände lagen plötzlich an meinen Hüften und drückten sie in die Höhe. Ich schwebte fast über ihm und er dirigierte mich und mein Anhängsel gekonnt in Richtung seines Mundes, Klein-Gordon sollte in die Wärme seines Schlundes abtauchen.

Während meine Lippen mit seiner Kuppe beschäftigt waren, meine Rechte seinen Beutel und meine Linke seinen Schaft massierten, schaltete auch mein Engel seinen Staubsauger ein. Zwar war seine Bewegungsfreiheit durch die Rückenlage leicht eingeschränkt, aber es hielt ihn nicht davon ab, an Klein-Gordon wie an einem Kälbchen zu saugen. Plötzlich spürte ich seine Hände an meinen Hüften, er wollte mir wohl bedeuten, etwas höher zu gehen. Ich tat ihm den Gefallen.

Als Jost dann auch noch anfing, meine Backen zu kneten, wurde mir ganz schwummerig. Ich fühlte, wie sich die Haut um meine Murmeln zusammenzog. Was macht dieser Schlingel? Lässt seine Finger auch noch über meine Spalte gleiten, der Schuft. Als er dann auch noch in mich eindrang, gab es kein Halten mehr. Ich wollte gerade eine Warnung ausstoßen, aber gerade, als ich etwas sagen wollte, wurden meine Mandeln eingekleistert. Was blieb mir übrig? Ich pumpte unten und lutschte oben und Jost tat das Gleiche, nur umgekehrt, oder wie auch immer. Ermattet fielen wir aufeinander.

 

Nach einer gefühlten Ewigkeit, mein Herzschlag hatte sich mittlerweile wieder beruhigt, krabbelte ich zu ihm nach oben und schaute in das schönste Gesicht des Universums.

 

„Na, brauche ich eine Gebrauchsanweisung?“

 

Er grinste, als er mich küsste.

 

„Nein, aber du hättest das Handbuch ruhig zu Ende lesen können.“

 

Ich stutzte.

 

„Wie meinst denn das?“

 

„Na ja, du hättest dir meine Beine über die Schultern legen können und …“

 

Er griente mich an.

 

„Tja, mein Engel, das Kapitel heben wir uns dann für Morgen auf.“

 

Ich lachte ihn an.

 

„Man soll es mit dem Übungsprogramm ja auch nicht übertreiben.“

 

„Stimmt auch wieder.“

 

Er küsste mich.

 

„Morgen ist auch noch ein Tag und nun lass uns schlafen.“

 

Eng aneinandergekuschelt glitten wir in Morpheus Reich, ob es jetzt an der Müdigkeit, dem Alkohol oder dem Blaskonzert lag, lasse ich mal dahingestellt.

 

*-*-*

 

Ich stand mit Opa Friedrich rauchend am Bus, als mein Telefon klingelte. Ein Blick auf das Display ließ mich leicht zusammenzucken, Paps rief aus dem Büro an.

 

„Hallo Dad!“

 

„Junior, wie liegt ihr in der Zeit?“

 

Er war mal wieder auf das Geschäft konzentriert.

 

„Paps, hervorragend. Wir machen jetzt gerade Pause an den Salzseen und in fünf Minuten geht‘s weiter.“

 

Ich trat meine Zigarette aus.

 

„Wenn der Verkehr so bleibt, können wir sogar noch einen Fotostopp am Bürgerkriegsdenkmal in New London einlegen, bevor wir um elf auf die Fähre gehen.“

 

„Dann ist ja gut.“

 

Er atmete tief durch.

 

„Weshalb ich anrufe: Das Starwood in der Lexington hat sich gerade bei mir gemeldet, die haben Bockmist gebaut!“

 

Hilfe! Brauchten wir für die Gruppe etwa ein neues Hotel?“ „Was ist passiert?“

 

„Unsere Leute sollten heute Abend da ja essen, …“

 

Er seufzte.

 

„…aber das Hotel hat gleichzeitig noch eine andere Veranstaltung, irgendeine Präsentation. Als Greg gebucht hat, ging der Manager von 128 Bankettgästen aus und sagte zu. Der Bankettchef aber hatte einen Zahlendreher in seinen Listen, es sind 182 Leute zum Essen. Die bedauern zutiefst, aber die brauchen den Saal.“

 

„Das ist Mist!“

 

Ich atmete tief durch.

 

„Was schlägst du vor?“

 

„Ich hab gerade telefoniert, … warte!“

 

Ich hörte, wie Papier raschelte.

 

„Ihr macht Mittagspause im Hellenic in East Mansion, es gibt griechisches Buffet.“

 

Ich überlegte kurz, welche Auswirkungen das auf das geplante Programm haben würde.

 

„Gut, dann stornier bitte das Hempstead House, dass schaffen wir heute Nachmittag nicht mehr, wir machen dann halt nur den Sommersitz von Teddy Roosevelt und sind dann etwas früher am Hotel. Was gibt es als Kompensation?“

 

„Vom Hotel?“

 

Dad schien zu grinsen.

 

„Die geben uns 50 Dollar Nachlass pro Nase.“

 

„Gut, ich dachte schon, es gäbe nur ein Lunchpaket für Freitag. Aber die wollen im nächsten Jahr ja auch noch Gäste haben.“

 

Ich zwinkerte in die Sonne.

 

„Aber da fällt mir noch was anderes ein: Mein Wagen steht ja noch in der Firma. Könntest du ihn mal …“

 

„Waschen, Volltanken und kurzer Check; wird erledigt. Dann sehen wir uns morgen Abend. Viel Spaß noch!“

 

Er hatte aufgelegt. Da ich gerade das Telefon in der Hand hatte, bestellte ich gleich noch einen Tisch im Casa Pietro. Eigentlich ist der Laden immer ausgebucht, wenn man nicht den richtigen Ansprechpartner kennt.

 

*-*-*

 

Meine Leute nahmen die Änderung gelassen hin, denn große, alte Herrenhäuser hatten sie in den letzten Tagen schon genug gesehen und mit der Aussicht auf ein verlängertes Shopping rannte ich besonders bei den Damen offene Türen ein.

Obwohl Wind aufkam, verlief die Überfahrt ziemlich ruhig und das griechische Essen war zwar nicht sterneverdächtig, aber bei all dem amerikanischen Essen bis dato eine willkommene Abwechslung für meine Leute.

Long Island im Herbst ist – bis auf den gleichnamigen Ice Tea – eigentlich ziemlich öde, die meisten Attraktionen, Geschäfte und Restaurants schließen kurz nach dem Labor Day, also nach dem ersten Montag im September, ihre Pforten.

Aber wenn man von Long Island spricht, meint man in der Regel sowieso nur die beiden Bezirke Nassau und Suffolk mit ihrer überwiegend katholischen Bevölkerung. Queens und Brooklyn, ebenfalls auf der Insel, gehören zu New York City und streben nicht wie die beiden Erstgenannten die Unabhängigkeit als 51ster Staat der USA an.

Das Sommerhaus von Teddy Roosevelt Sagamore Hill, das erste „Summer White House“, an der berühmten Oyster Bay gelegen, war eher eine Wochenend- als eine Sommerresidenz, denn es liegt nur 40 Kilometer von Manhattan entfernt. Der spätere Präsident kaufte es im Alter von nur 22 Jahren für damals US $ 30.000, ich würde mich also beeilen müssen, aber große politische Ambitionen hatte ich eigentlich nicht. Wie sollte man bei meiner Präsidentschaft den Mann meiner Träume nennen? First Gentleman, First Spouse oder First Lover?

Nach einer Stunde auf dem Anwesen des Namensgebers des Teddybären und ersten amerikanischen Friedensnobelpreisträger ging es Richtung Lexington Avenue. Das Hotel der Starwood-Kette, kurz auch W genannt, liegt ziemlich zentral: in der Nähe der Vereinten Nationen, der Grand Central Station und des berühmten Waldorf=Astoria. Das Gleichheitszeichen zwischen den beiden Namen ist gewollt, es soll an den Verbindungsweg, die so genannte Peacock Avenue, zwischen den ehemals getrennten Hotels Waldorf und Astoria erinnern.

 

*-*-*

 

Um kurz vor Sechs erreichten wir das Firmengelände, die Busfahrt war nun auch für uns beendet. Viel für uns zu tun gab es nicht, der Bus stand auf der Reinigungsliste. Im Büro des Bereitschaftsfahrers wurde Jenny mitgeteilt, sie würde die nächsten zwei Nächte im firmeneigenen Appartement für auswärtige Fahrer in der York Street nächtigen. Ron Hubbard, der heute Dienst hatte, grinste und meinte, er würde ihr gerne alles zeigen, die Powerlifterin verdrehte nur die Augen.

Auf meinen Wagen angesprochen, den ich schon auf dem Parkplatz gesehen hatte, meinte Ron, die Schlüssel würden bei Elisabeth Willsey, der Chefsekretärin, liegen. Ich müsste sie mir holen, Elli wäre noch in der Firma.

Ich blickte auf meinen Schatz.

 

„Na, willst du mal sehen, wo ich arbeite?“

 

„Gerne, aber wer passt dann derweil auf das Gepäck auf?“

 

Immer diese vorsichtigen Deutschen.

 

„Ron, aber hier ist noch nichts weggekommen.“

 

Ich öffnete die Tür.

 

„Kommst du?“

 

Er nickte nur und gemeinsam gingen wir den Korridor entlang zum eigentlichen Bürogebäude. Auf dem Weg zu den Räumlichkeiten der Geschäftsführung erklärte ich ihm, wo was war: Werkstatt, Lager, Rechenzentrum, Buchhaltung, Werbeabteilung, Callcenter. Etliche Arbeitsplätze in den Büros waren schon verwaist und, als wir das Allerheiligste in der dritten Etage aufsuchten, musste ich feststellen, dass Dad die Firma auch schon verlassen hatte.

Aber unsere gemeinsame Vorzimmerdame saß noch an ihrem Platz und schrieb fleißig Briefe, anscheinend vom Band, denn sie trug einen Kopfhörer. Wir begrüßten uns überschwänglich, fragend blickte sie zu Jost.

 

„Who’s that?“

 

Ich lachte sie etwas verlegen an.

 

„My one and only!“

 

„Ah!“

 

Sie kam aus dem Staunen nicht heraus, grinste über beide Backen; ich konnte ahnen, dass die Gerüchteküche in der Firma morgen wieder brodeln würde. Bei der folgenden Umarmung hätte mich ihr Busen fast erdrückt.

Jost grinste erst, wurde aber dann ebenfalls geherzt und geknuddelt. Elisabeth ist halt die gute Seele des Betriebs, auch wenn sie eine lockere Zunge hat. Als sie mir meinen Wagenschlüssel gab, zwinkerte sie mir zu.

 

„He looks cute as a button“

 

Auf dem Weg zum Parkplatz lief uns Ian über den Weg, Ich wunderte mich, sein Büro war gerade leer gewesen. Er wirkte leicht verunsichert, mich in Begleitung zu sehen, daher wich er auch wohl kurz zurück, als ich ihm einen Schmatzer auf die Wange drücken wollte.

Ich liebe die europäische Art der Begrüßung. Jost sagte erst gar nichts, aber nachdem ich beide bekannt gemacht hatte, dauerte mir ihr Händedruck dann doch eine Spur zu lange. Wurde ich etwa eifersüchtig?

Groß Reden konnten wir nicht, er wollte sich mit Debbie treffen und wir hatten ja auch noch einen Termin vor der Brust. Er hätte ein paar Neuigkeiten für mich, sowohl beruflicher als auch privater Natur, aber die wollte er mir dann aber am Samstagabend mitteilen, er hatte Josts Einladung zum Essen angenommen.

Dass es aber ein Date mit Hintergedanken war, hatten wir ihm vorsichtshalber vorenthalten. Man muss den Leuten ja nicht gleich alles auf die Nase binden.

 

*-*-*

 

Um 6:40pm parkten wir endlich an der Ecke Old Fulton und Furman Street, das heißt, wir stellten den Wagen ab, denn ‚Parken‘ kann man ja auch anders. Mit reichlich Gepäck machten wir uns auf, meine Behausung zu erstürmen.

Jost schaute zwar erst skeptisch, aber ich ließ es mir dann doch nicht nehmen, ihn im achten Stock über meine Wohnungsschwelle zu tragen. Eine kurze Besichtigung folgte im Anschluss, wobei wir mindestens fünf Minuten davon knutschend im Wohnzimmer standen und er nicht genug vom Ausblick auf die Brooklyn Bridge kriegen konnte.

Die Couch war neu. Im Schlafzimmer angekommen warf er sich erst einmal aufs Bett und grinste mich lasziv an. Seit wann hatte ich eine Tagesdecke? Ein Blick auf die Uhr ließ mich aber wieder ernster werden.

 

„Schatz, ich würde ja gerne, aber … wir müssen uns jetzt fertigmachen.“

 

„Was soll ich eigentlich anziehen?“ Er krabbelte von der Schlafstatt herunter.

 

„Hemd und Krawatte, und wenn du hast ein Sakko. Du triffst ja gleich einen der Dekane, da solltest du schon einen guten Eindruck machen.“

 

Chesters Idee vom altrömischen Nacktgelage ließ ich besser unerwähnt.

 

„Ablegen kann man später immer noch.“

 

„Auch wieder wahr.“

 

Er lachte mich an, als er mit freiem Oberkörper vor mir stand.

 

„Ich würde ja jetzt gerne unter die Dusche, aber das schaffen wir wohl nicht mehr, oder?“

 

Ich schüttelte den Kopf.

 

„Aber frisch machen geht gerade noch! Also ab ins Bad mit dir, ich komme gleich mit den Handtüchern nach.“

 

Während er durch die Tür entschwand, öffnete ich den Schrank. Wo waren meine Frotteeteile? Ich grübelte noch, als es mir aus dem Flur entgegenschallte.

 

„Schatz, hier im Regal sind doch welche!“

 

Seit wann bewahrte ich meine Handtücher im Badezimmer auf?

 

Ich betrat meine Wasserspiele und staunte nicht schlecht: Waschmaschine und Trockner waren jetzt von einem Regalsystem umrahmt, daher auch wohl der freie Platz in meinem Wandschrank. Auch eine neue Badezimmergarnitur lag auf dem Boden, ich würde mich morgen bei Mutter bedanken müssen.

 

„Dann lass uns mal den Schweiß abwaschen.“

 

Wir hatten gerade die Krawatten gebunden, als es klingelte. Der Fahrer war abfahrbereit, wir waren es auch.

 

*-*-*

 

Der Fahrer nahm die Brooklyn Bridge, um nach Manhattan zu kommen. Wir würden also über die Uferstraße, wenn man den East River Drive so nennen mag, bis zu den Vereinten Nationen fahren, um dort, nach einem Schlenker um den Gebäudekomplex, der internationales Territorium ist, rechts in die 50.ste Straße Ost einzubiegen. Zehn Minuten vor der vereinbarten Zeit klingelte ich am Sondereingang der Beekman Plaza 17.

Der Hausherr selbst machte die Tür auf, denn Simmons, sein Fahrer, Butler und Kammerdiener, musste ja erst noch den Wagen in die Garage um die Ecke bringen. Die Begrüßung mit Chester verlief ziemlich kurz, aber dennoch gewohnt herzlich. Ich war anscheinend überflüssig, er wollte unbedingt Jost in Augenschein nehmen.

Nach dem Ablegen führte der Vorsitzende uns in die Bibliothek, in der schon Jonathan Billings, ebenfalls Mitglied der Liga und stellvertretender Dekan, an der Bar wartete. Die Vorstellung hier verlief etwas förmlicher.

Nach kurzem Small Talk betrat der fahrende Butler den getäfelten Raum und räusperte sich dezent leise.

 

„The dinner can be served.“

 

Wir folgten dem Mittvierziger ins Esszimmer. Es war nur am Kopfende gedeckt, der Tisch, an dem man gut und gerne zwölf Personen bequem unterringen konnte, wirkte etwas überdimensioniert für ein intimes Dinner.

Nachdem Simmons die Suppe, eine klare Tomatenbrühe mit kleinen Fleischbällchen, serviert hatte, verzog er sich in die Küche. Das Gespräch bei Tisch stockte erst einmal, ehe Jonathan Jost anblickte und ihn nach seiner Meinung zu Präsident Obama fragte. Ich werde, der Einfachheit halber, die Gespräche auf  Deutsch wiedergeben, denn die Geschichte soll ja auch ohne Wörterbuch verständlich sein.

Mein Schatz stutze, mit einem Interview während des Essens hatte er wohl nicht gerechnet.

 

„Der Mann ist gut, aber er wird Schwierigkeiten kriegen, all die Hoffnungen, die in ihn gesetzt wurden, auch zu erfüllen. Er hat ein ziemlich schweres Erbe angetreten und man darf nicht vergessen, wir leben noch in einer Wirtschaftskrise. Seine Maßnahmen zur Bekämpfung sind zwar richtig, aber die Bevölkerung sieht nicht viel davon. Ich glaube nicht, dass er bei den nächsten Kongresswahlen seine Mehrheit behalten wird.“

 

„Wie kommst du darauf?“

 

Chester war Demokrat durch und durch.

 

„Die Leute wollen handfeste Ergebnisse sehen. Und das am liebsten gestern! Wenn man nun 800 Milliarden Dollar in die Hand nimmt, um das nationale und internationale Finanzsystem zu retten, dann hat man zwar ein paar Banken saniert und die Weltwirtschaft gerettet, aber was hat die Masse davon?“

 

Jost grinste leicht.

 

„Nichts, denn erstens verstehen nur versierte Insider das Finanzsystem und zweitens, wenn die Bank ABC gerettet wurde, ich aber kein Konto da habe, was bringt mir das persönlich? Sehe ich etwas von der Rettung? Die Antwort ist einfach: Ich sehe nichts Konkretes!“

 

Er trank einen Schluck.

 

„Der Präsident wählte meiner Ansicht nach den falschen Weg: Er unterstützte direkt die Banken, die für das Problem ursächlich waren. Der indirekte Weg, zum Beispiel über eine Stiftung wäre meiner Ansicht nach besser gewesen, denn wenn aber die Leute am eigenen Leibe spüren, was mit ihrem Geld geschieht, sieht die Sache vollkommen anders aus. Man gründet ein Institut zur Modernisierung des Straßensystems. Die zweckgebundenen Mittel werden von erst einmal von einer Bank verwaltet, die dadurch gerettet wird, und die Leute sehen, dass die Straßen repariert werden, denn sie stehen im Stau.“

 

„Du meinst also, eine Baustelle mit dem Schild ‚Sanierung aufgrund des Rettungsprogramms für die Wirtschaft‘ ist besser als die Aufklärung der Bevölkerung über die Ursachen der Finanzkrise?“

 

Der stellvertretende Dekan bohrte nach.

 

„Ist das die Aufgabe eines Journalisten?“

 

Jost schüttelte den Kopf.

 

„Nein, dass ist es nicht, aber Chester fragte mich ja nur, wie ich zu meiner Schlussfolgerung gekommen bin, und nicht, wie ich es als angehender Journalist sehe.“

 

„Jonathan, …“, der Vorsitzende grinste, „…der Punkt geht an Deutschland.“

 

Der Angesprochene grummelte.

 

„Ja, aber Jost, wie siehst du das als Journalist?“

 

Mein Schatz atmete tief durch, anscheinend hatte er nicht mit der Frage gerechnet.

 

„Der Journalist muss aufklären, über die Hintergründe und die möglichen Folgen eines Projekts berichten. Aber seien wir doch einmal ehrlich: Der durchschnittliche Mensch, egal ob nun Europäer oder Amerikaner, will doch eigentlich gar nicht genau wissen, was die Welt im Innersten zusammenhält, er will nur das Ergebnis sehen, nämlich das sie zusammengehalten wird.“

 

Er griff in die Brotschale.

 

„Ein guter Journalist muss es aber schaffen, seinen Leser für das, was unter der Oberfläche ist, zu interessieren. Nehmen wir mal das Essen hier: Würde ich für ein Kochmagazin arbeiten, würde ich das Rezept der Suppe abdrucken, denn das ist das, was der Leser dieses Magazins wissen will. Würde ich aber für eine Tageszeitung schreiben, wäre das komplette Rezept zu viel des Guten, der Leser würde sofort zum nächsten Artikel springen. Also kann ich schreiben, es gab Tomatensuppe und jeder kann sich darunter etwas vorstellen. Sage ich aber, es gab eine klare Tomatenbrühe, kriege ich vielleicht einige kochinteressierte Leser dazu, sich ein solches Rezept zu besorgen.“

 

Jonathan grübelte.

 

„Du meinst also, es reicht für einen Bericht aus, wenn man Anhaltspunkte oder Verweise gibt und den Rest dem Leser überlässt?“

 

„Ja, denn der Leser ist ein mündiges Wesen, also … er sollte es zumindest sein. Wenn ich für ein Fachblatt schreibe, dann kann ich von einem gewissen Horizont meiner Leser ausgehen, jeder Architekt weiß, wann der Barock aufhörte und der Klassizismus begann. Schreibe ich aber für eine Zeitung, muss ich ab und an bei Adam und Eva anfangen, damit der Leser mir folgen kann.“

 

Er warf mir einen verträumten Blick zu.

 

„Nehmen wir mal die letzten zehn Tage meines Lebens, ich habe Gordon kennen gelernt, mich in ihn verliebt und er hat, auch durch die Möglichkeit, hier zu studieren, mein Leben vollkommen durcheinandergebracht. Aber das Ganze hat sich auf einer Rundreise durch den Indian Summer abgespielt.“

 

„Stoff für einen Liebesroman.“

 

Chester hatte seine Sprache anscheinend doch noch nicht verloren.

 

„Genau, den ersten richtigen Kuss gab es auf dem Weg zum Portland Head Light.“

 

Er warf mir einen Luftkuss zu.

 

„Jeder Mensch hat in seinem Leben schon mal einen Leuchtturm gesehen, aber wenn der eine oder andere Leser in die Geschichte abtauchen möchte, dann sollte er auch die Möglichkeit dazu haben.“

 

„Gut, bei einem Roman ist das klar, aber bei einem Zeitungsartikel?“

 

Jonathan strich sich übers Kinn. Jost grinste ihn frech an.

 

„Erzählt nicht jeder Artikel eine kleine Geschichte?“

 

Chester lachte laut auf.

 

„Zwei zu Null für Deutschland.“

 

Der Rest des Essens verlief ziemlich harmonisch. Jost erzählte beim Zwischengang, Lachspastete auf Blattsalat, einiges aus seinem Leben, seiner Tätigkeit als Schülerzeitungsredakteur, der familiären Vorbelastung. Beim Hauptgang – Chateaubriand mit gebratenen Speckböhnchen, Champignons und Kroketten – übernahm Jonathan wieder das Ruder und lenkte das Gespräch taktisch geschickt auf alle möglichen Bereiche des Lebens wie Politik, Gesundheit, Kultur und internationale Beziehungen. Das bevorstehende Studium bildete beim Nachtisch, ein Dreierlei von der Pflaume, Kompott, Eis und als Muffin, den Schwerpunkt der Unterhaltung.

Chester schlug vor, den Kaffee in der Bibliothek zu nehmen und wir wechselten wieder die Räumlichkeiten. Während Jonathan und Jost an der Bar weiter fachsimpelten, sie schienen sich gut zu verstehen, deutete ich auf die Terrassentür.

 

„Ich glaube, es wird Zeit für ein Rauchopfer.“

 

Der Vorsitzende lächelte mich an.

 

„Dann geh schon mal vor, ich komme mit den Getränken nach.“

 

Die Terrasse bot einen guten Blick auf den East River und das benachbarte Roosevelt Island. Ich erschrak, als Chester mir auf die Schulter klopfte und mir einen Cognacschwenker reichte.

 

„Danke.“

 

„Gern geschehen.“

 

Er lächelte verschmitzt.

 

„Dein Kleiner gefällt mir, er ist nicht nur intelligent und sieht gut aus, er hat auch noch Charme, Esprit, Witz, Kultur und vor allem Verstand, aber er ist ja auch Europäer und kein sonnengebräunter Sunnyboy vom Pazifik. Womit hast du ihn nur verdient?“

 

„Ich weiß es auch nicht, aber…“, ich grinste den Vorsitzenden an, „… ich hoffe, du kannst mich verstehen, dass ich in den Knaben verschossen bin.“

 

„Wenn ich vierzig Jahre jünger wäre, mein lieber Gordon, würde ich ihn dir abspenstig machen.“

 

Er lachte leicht hämisch.

 

„Aber ich gönne ihn dir von Herzen… und jetzt, wo ich ihn kennengelernt habe, bin ich froh, die Investition getätigt zu haben.“

 

Ich stutzte.

 

„Welche Investition?“

 

„Mein Großvater hatte nach der großen Depression eine Stiftung für begabte Studenten eingerichtet, aber der letzte Stipendiat verließ die Columbia 1978.“

 

Er trank einen Schluck.

 

„Ehe das Geld an den Staat wegen Nichtverfolgung des Stiftungszwecks fällt, dachte ich mir, …“

 

„Du hast doch nicht etwa …“

 

Mir versagten die Knie, ich musste mich am Geländer festhalten.

 

„Doch, seine Studiengebühren für die nächsten vier Jahre sind bezahlt und ein Taschengeld ist auch noch drinnen.“

 

Chester klopfte mir jovial auf die Schulter.

 

„Ehe sich mein Bruder und seine Sippschaft über mein Vermögen hermachen, spende ich es lieber. Warum soll ich einen alten und einen neuen Freund nicht glücklich machen?“

 

„Chester Henry Miles: Du bist verrückt!“

 

Was sollte ich sagen?

 

„Aber liebenswert verrückt!“

 

„Gut, dass du noch liebenswert gesagt hast.“

 

Er prostete mir erneut zu.

 

„Aber Gordon, Spaß beiseite: Ich könnte mit meinen 67 ja fast dein Opa sein, und … du … bist so etwas wie ein Enkel für mich. Was kann einen Großvater glücklicher machen, als ein zufriedener Enkel?“

 

Das Chester mich mochte, wusste ich, aber das er solche Gefühle für mich hegte, war mir neu.

 

„Aber Opa werde ich jetzt nicht zu dir sagen.“

 

„Untersteh dich!“

 

Er boxte mich in die Seite.

 

„Oder ich muss dich mal übers Knie legen.“

 

„Wahrscheinlich mit blankem Hintern?“

 

Ich lachte ihn an.

 

„Aber wie steht es um dich und Jonathan?“

 

„Wir …“

 

Er druckste herum.

 

„Wieso fragst du?“

 

„Nur so!“

 

Ich lächelte leise.

 

„Was kann für einen Enkel wichtiger sein, als ein zufriedener Opa?“

 

„Gordon Henry Lensing, ich hasse es, wenn du mich mit meinen eigenen Waffen schlägst!“

 

War er etwa böse auf mich?

 

„Aber du bist ja zu Dreiviertel Europäer … und … ich mag die alte Welt!“

 

Lachend gesellten wir uns zu Student und Professor und es wurde noch ein lustiger Abend. Chester rang uns noch das Versprechen ab, das Essen in der nächsten Woche zu wiederholen, ehe er Simmons aufforderte, den Wagen zu holen.

Er und Jonathan blieben im Eingang stehen, als wir uns in Richtung der Limousine in das Dunkel der Nacht aufmachten und den beiden noch einmal zuwinkten. Jost grinste.

 

„Was die beiden gleich wohl noch machen werden?“

 

„Wahrscheinlich das Gleiche wie wir, zusammen einschlafen.“

 

Ich küsste ihn, als Simmons den Motor startete. „Ich glaube nämlich nicht, dass die beiden jetzt noch um die Häuser ziehen werden.“

 

*-*-*

 

„Und? Wie war euer Abend?“

 

Guntram Jacobsen zog mich beiseite, als wir den ersten Fotostopp an der MET machten.

 

„Gut, Jost und der Dekan nennen sich schon beim Vornamen.“

 

Ich grinste, denn das formelle Sie gibt es im Englischen ja nicht.

 

„Aber ich musste deinen Sohn gestern noch ausbremsen, er wollte nach Mitternacht noch eine Maschine Wäsche anstellen.“

 

Günni schmunzelte.

 

„Vermutlich wollte er nur für den heutigen Nachmittag vorbauen, von wegen der mütterlichen Inspektion. Aber macht euch mal keine große Sorgen, wenn Sylvia ihre Blaubeermuffins kriegt, ist sie zahm wie ein Stubentiger.“

 

„Danke für den Tipp!“

 

Eine Bäckerei setzte ich auch noch auf die Sondertour mit Jost. Die obligatorische Stadtrundfahrt war für die Sondertour in zwei Teile geteilt worden, heute stand der nördliche Teil Manhattans an, morgen, am Abreisetag, sollte die Südspitze besichtigt werden.

Bevor es durch Manhattans grüne Lunge, dem Central Park, ging, wurde eine der größten Baustellen der Welt besichtigt, die Kathedrale Johannes des Täufers in der UpperWest Side.

Am 27. Dezember 1892, dem Tag des Heiligen Johannes, wurde der Grundstein für die mit 11.240 m² Grundfläche größte anglikanische Kirche der Welt gelegt und mit dem Bau begonnen, aber fehlende Mittel in den Kirchenkassen führten von 1941 bis 1979 zu einem Baustopp und seit 1999 ruhen erneut die Arbeiten an der drittgrößten christliche Kirche der Welt, nur der Petersdom in Rom und der Basilika Notre-Dame de la Paix in der Elfenbeinküste sind größer.

Ende der Tour war die Aussichtsplattform im 102ten Stock des Empire State Buildings, wo die Digitalkameras wieder einmal mehr als gequält wurden. Man hat hier einfach den besten Ausblick über die Stadt und – man möge mir verzeihen – auch die Besucherterrasse des ehemaligen World Trade Centers konnte dieser Aussichtsplattform in 373 Metern Höhe nie das Wasser reichen.

Jenny, die die Truppe am Hotel, dort gab es einen kleinen Lunch, aussteigen ließ, bat ich, mit meinem Wagen, der auf dem Firmengelände stand, wieder zu kommen. Sie tat mir den Gefallen und fungierte später teilweise als privater Chauffeur. Zwar ist mein Wagen keine Limousine, aber ich war froh, mir um freie Parkplätze, die rarer gesät sind als Kakerlaken, keine Sorgen machen zu müssen.

Der erste Weg nach dem Essen führte uns zu einem Fotografen, wir brauchten einige Bilder von Jost Konterfei. Es war nur gut, dass er unter seinem blauen Pullover ein weißes Hemd trug, ich konnte ihm also ohne Weiteres meine dienstliche Krawatte leihen.

Mit den Bildern ging es als Erstes zum Jacob K. Javits Building am Federal Plaza; neben der Homeland Security und dem New Yorker Büro des Federal Bureau of Investigation befindet sich im dritten Stock auch die Einwanderungsbehörde. Die Visaformalitäten waren, wider Erwarten, schnell erledigt.

Nächste Station auf dem Behördenmarathon war, da Jost seinen Führerschein lediglich umschreiben lassen wollte, die Führerscheinstelle am Herold Square. Wir mussten also wir wieder nach Uptown.

Jenny sollte Lottospielen, wir fanden direkt einen Parkplatz vor dem Gebäude, na ja, zwar nicht unmittelbar davor, aber immerhin in der 33.sten Straße, also kurz vor der Einmündung in den Broadway.

Während wir uns mit den Beamten rumprügeln durften, war unsere Fahrerin schon einmal so nett und kaufte das Gebäck für die schwiegermütterliche Inspektionstour durch meine Gemächer ein.

Wir würden später also noch einmal wiederkommen müssen, denn welcher Mensch führt denn schon einen aktuellen Auszug aus dem Flensburger Verkehrszentralregister mit sich? Da Jenny noch in der Stadt bleiben wollte, machten wir uns allein auf den Weg. Jost schaute etwas fragend, als ich den Weg über die Manhattan Bridge nahm.

 

„Ich dachte wir fahren zu uns?“

 

„Machen wir auch, aber erst nach einem Besuch bei der Bank.“

 

Ich setzte den Blinker.

 

„Du brauchst dringend ein Konto und eine Kreditkarte kann auch nicht schaden. Hier zahlt man mit Plastik und nicht mit Scheinen, meistens jedenfalls. Hast du den Scheck von den Seehunden dabei?“

 

Er klopfte sich auf die Brust.

 

„Habe ich!“

 

Die Formalitäten im Tempel des schnöden Mammons waren schnell erledigt und, während Jost noch auf die Unterlagen für das elektronische Banking wartete, eilte ich zwei Geschäfte weiter.

Der Mann hinter dem Tresen wollte zwar erst eine Sicherungskarte haben, aber nach einem Anruf bei meiner Hausverwaltung fing er dann doch an, die Schlüssel zu meiner Wohnung nachzumachen. Mit einem passenden Etui verließ ich den Schlüsseldienst.

 

*-*-*

 

Um 4:20pm schloss Jost, jetzt mit eigenen Schlüsseln bewaffnet, die Türen zu unserem Reich auf. Uns blieb also genügend Zeit, uns auf die Inspektion vorzubereiten. Allerdings gab es außer Tischdecken, Kaffeekochen und Vorbereiten der Kuchenplatte nicht viel zu tun und auch die Vollmacht für Josts Eltern, dass sie in seinem Namen amtliche Unterlagen und ähnliches anfordern durften, war schnell geschrieben.

Allerdings muss der Wahrheit genüge getan werden, je näher der kleine Zeiger der Wanduhr auf Fünf rückte, desto nervöser wurden wir beide. Jost wuselte die ganze Zeit noch mit einem Staublappen, so etwas besitze ich auch, über die Regale und Schränke.

Als ich auf der Suche nach einem Taschentuch einen Blick in mein Schlafzimmer tat, musste ich schlucken, so ordentlich sah es nicht einmal aus, wenn Dolores, meine Putzfrau aus Puerto Rico, durch die Räume fegte. Maria, die Hausperle meiner Eltern, hatte sich damals zwar auch angeboten, die Reinigungsarbeiten in meiner Behausung zu übernehmen, aber ich entschied mich dann doch für ihre Nichte Dolores; nichts gegen Maria, aber jedwede Unordnung wäre sofort gemeldet worden und Eltern müssen ja nicht alles wissen.

Die eigentliche Inspektion verlief relativ unspektakulär, zwar räumte Sylvia meine Küche komplett um, aber ansonsten passierte nicht viel. Wie sie meinte, wäre es ein typischer Männerhaushalt, vollkommen unpraktisch eingerichtet. Wieso es effektiver sein soll, dass die Kaffeebecher nicht mehr im Hängeschrank direkt über der Kaffeemaschine stehen, sondern am anderen Ende der Küche beim normalen Geschirr, vermag wohl nur eine Frau verstehen. Aber ansonsten wirkten die Muffins echt Wunder.

Günni, der beim Anblick der Brooklyn Bridge im Sonnenuntergang ins Schwärmen geriet, meinte lediglich, hier wäre genau der richtige Platz für Josts Schaukelstuhl. Ich hatte extra nichts vor das Panoramafenster gestellt, um den Ausblick auch von der Couch genießen zu können, aber die Idee hatte etwas.

Mir fiel Magda Laufenberg und ihr Rat, den sie mir gegeben hatte, ein: Jeden Abend mit seinem Liebsten vor dem Schlafengehen reden. Jost ihm Schaukelstuhl und ich im Ohrensessel, beide eine Zigarette in der Einen und einen Drink in der anderen Hand?

Ich sollte nicht soviel Boston Legal schauen. Schade eigentlich, dass diese Serie eingestellt wurde, ich liebte die Balkonszenen! Ich wunderte mich etwas, dass Sven die Wand, an der die Couch stand, ausmaß.

Er schüttelte den Kopf, ging ins Esszimmer und schritt die Raumbegrenzung erneut ab. Auf meine Frage nach dem Sinn dieses Unterfangens meinte er in der Küche lapidar zu mir, er würde dafür sorgen, dass das Piano, das bisher in Josts Zimmer stand, mit in den Umzugscontainer kommen würde.

Dass mein Schatz Klavier spielte, wusste ich nicht; aber wir hatten über Hausmusik bisher auch nicht geredet.

 

Als wir den Rest der Familie Jacobsen um halb sieben verabschiedet hatten, lachte Jost mich an.

 

„Ich weiß gar nicht, warum wir uns solche Gedanken gemacht haben: Es lief doch alles wie …“

 

„… geschmiert?“

 

Ich blickte ihn an, er nickte bestätigend.

 

„Aber da ist noch irgendetwas, was wir noch nicht auf dem Schirm haben! Das Ganze läuft mir einfach zu glatt!“

 

„Was du immer hast!“

 

Er küsste mich auf die Nasenspitze.

 

„Erst war ich skeptisch, dass es überhaupt klappen könnte, und jetzt, wo alle Ampeln auf Grün stehen, hegst du Zweifel, dass es läuft.“

 

„Jost, ich weiß es ja auch nicht, was ich davon halten soll, aber…“, ich atmete tief durch, „… wir haben ja noch knapp 24 Stunden Zeit, um das Geheimnis zu lüften.“

 

Er grinste mich frech an.

 

„Dann wünsche ich fröhliches Kombinieren, lieber Mister Monk.“

 

Ich ging ins Schlafzimmer und als ich den Inhalt des Wäschekorbes in zwei Transportkisten verstaute, blickte Jost mich irritiert an.

 

„Was machst du da?“

 

„Die Wäsche!“

 

Ich lachte und blickte in fragende Augen.

 

„Das Einzige, was in meine Waschmaschine wandert, sind Bettwäsche und Handtücher. Alles andere, besonders das, was gebügelt werden muss, macht Maria, die Hausperle meiner Eltern.“

 

Er stutzte.

 

„Aber ich kann doch eine wildfremde Frau nicht meine Unterhosen waschen lassen!“

 

„Ok, dann werden wir die ab jetzt selber in die Waschmaschine werfen, denn bügeln braucht man sie ja nicht.“

 

Ich begann, die Retros auszusortieren.

 

„Besser?“

 

„Ich weiß nicht?“

 

Er stand verschüchtert in der Tür.

 

„Bisher hat Mama meistens …“

 

Ich blickte ihn an.

 

„Und wo ist jetzt der Unterschied, ob deine Sachen nun von deiner Mutter oder im Haus deiner Schwiegermutter gewaschen werden?“

 

„Trotzdem … ich kann doch nicht …“

 

Er zuckte mit den Schultern.

 

„Gehört es denn nicht dazu, dass man diese Sachen selbst macht? … Ich meine, wenn man seine Unabhängigkeit erklärt, dann …“

 

„… kann man mit dem Mutterland immer noch Handel treiben.“

 

Ich grinste ihn frech an.

„Wenn du in München studieren würdest, wärst du auf dich allein gestellt, aber hier?“

„Hier habe ich dich und …“

Er kam auf mich zu und küsste mich zärtlich.

„… und deine Familie.“

„Die schon auf uns warten wird.“

Ich blicke ihn an.

„Wir sollten uns langsam beeilen.“

*-*-*

Ich parkte meinen Saturn Astra am Astoria Boulevard und steckte uns erst einmal zwei Zigaretten an, gleich durften wir ja nicht mehr. Ich wollte Jost noch einige Instruktionen geben, als ich hinter uns ein Räuspern hörte, ich drehte mich um.

„Granny!“

„Ja, mein Enkel.“

Sie lachte, kam auf mich zu und drückte mir einen Kuss auf die Wange.

„Oben geht es zu wie in einem aufgekratztem Hühnerstall. Gladys ist aufgeregt wie ein Schulmädchen, Richard wirkt geistesabwesend und Maria wuselt in der Küche, als gelte es, den Gouverneur zu beköstigen.“

Sie schaute auf Jost und blickte dann wieder zu mir.

„Das ist er also? Dein Auserwählter?“

„Ja!“

Ich strahlte sie an.

„Das ist mein Jost.“

„Dann …“

Sie ging auf ihn zu und umrundete ihn.

„Guten Geschmack hast du ja, mein Kleiner, dass muss man dir lassen. Aber kann der auch sprechen? Den Mund hat er ja schon offen, aber es kommt nichts raus! Ich höre nichts!“

„Keine Angst, das kann er!“

Ich versuchte, ein Lächeln auf meine Lippen zu legen.

„Äh …“

Jost fühlte sich augenscheinlich unbehaglich.

„Guten Abend, Misses Lensing.“

„Junger Mann, ich heiße Lippmann.“

Oma Rita ließ ihr Kinn sinken.

Er wirkte irgendwie schüchtern.

„Äh, Gordon sprach nur von seiner Großmutter … von daher …“

Granny hob drohend den Zeigefinger in meine Richtung und wandte sich dann wieder meinem Schatz zu.

„Jost, ich bin die Mutter der Mutter dieses … Monsters, das wohl seine gute Manieren vergessen hat, ich bin eine geborene Hamburg. Aber wollen wir nicht reingehen?“

„Gerne!“

Er reichte ihr seinen Arm und sie hakte sich unter. Während die beiden Richtung Eingang abzogen und Granny dabei kurz die Familiengeschichte umriss, durfte ich mich alleine mit den Wäschekisten abmühen.

„Wartet ihr bitte?“

„Gordon, du hast deinen eigenen Schlüssel!“

Granny, wie sie leibt und lebt.

„Jost, also …“

*-*-*

Auch auf den Aufzug musste ich warten, die beiden waren ohne mich gefahren. Grummelnd schloss ich die Lensingsche Pforte auf und stellte die Transportbehälter erst einmal im Hauswirtschaftsraum ab.

Im Wohnzimmer umringte das Küchenkabinett meinen Liebsten, während mein Vater einsam an der Bar stand.

„Hallo Dad.“

„Junior, ich dachte schon, du kommst gar nicht.“

Er grinste mich an.

„Auch einen?“

Ich nickte und er goss mir einen Whiskey ein.

„Danke, aber Granny hat uns unten abgefangen und lässt Jost wohl nicht mehr aus ihren Fängen.“

„Hauptsache, er wechselt nicht in die Küchenfraktion.“

Mein Produzent grinste mich an.

„Wir beide sind eh in der Minderheit, von daher …“

„Ich werde ihn schon noch einnorden und…“, ich lachte, „…und außerdem kommt Eric am Samstag, wir übernehmen dann sowieso wieder die Mehrheit. Aber apropos Eric.“

Ich schaute meinen Vater ernst an.

„Jost und ich haben ihn für Samstagabend zu uns zum Essen eingeladen. Auch wenn es unseren Damen schwerfallen dürfte, sie sollten ihn nicht gleich ganz in Beschlag nehmen.“

„Also nicht zu viel Familie auf einmal!“

Der Herr der Busse zog die Augenbrauen hoch.

„Aber wie bringen wir das unseren Frauen bei?“

„Ich werde gleich mal mit Jost reden.“

Ich deutete auf meinen Schatz.

„So wie unsere Damen ihm an den Lippen hängen, dürfte das kein Problem werden.“

„Du bist ein Schlingel!“

Er klopfte mir jovial auf die Schulter.

„Aber ich wollte dich sowieso bitten, die Verhandlungen mit Eric zu übernehmen … wegen der Übernahme … und seines Erbes.“

Erstaunt blickte ich meinen Vater an.

„Wie komm ich denn zu dieser Ehre?“

„Du hast mit ihm ja schon in Springfield gesprochen und… ihr… seid beide verzaubert“, er räusperte sich verlegen, „…von daher wäre besser, wenn du… die Sache übernimmst. Wenn Oma oder ich…, könnte er meinen, wir würden ihn nur gebrauchen, um Ethan…“

„…. loszuwerden!“

Ich konnte mir ein Schmunzeln nicht verkneifen.

„Ich glaube, wir rennen bei ihm nur offene Türen ein, aber wir sollten ihn in seinem Tatendrang etwas bremsen, denn … Rache ist ein Gericht, dass am besten kalt serviert wird.“

„Apropos Essen: Wir sollten so langsam an den Tisch.“

Dad deutete auf die Tafel, Maria hatte ihre berühmte Kürbiscremesuppe geköchelt, und ich folgte ihm.

*-*-*

Das Essen verlief ohne Zwischenfälle, wenn man das so sagen kann. Zwar trug ich weniger zur Unterhaltung bei, aber Jost gefiel sich anscheinend in der Rolle des Hahns im Frauenkorb. Einzig auffällig war nur die permanent steigende Nervosität meines Vaters, je länger der Besuch dauerte: Er schaute laufend auf die Uhr.

Nach dem Hauptgang, es gab Texasschnitzel mit Reis, kam die nächste Überraschung: Oma hatte gebacken! Zwar kann man beim Missouri Mud Pie nicht viel falsch machen, aber für Eilige ist diese Tarte nichts, denn wenn man die letzte Schicht Schokoladensahne vor dem kompletten Auskühlen auf den Kuchen streicht, hat man wirklich Schlamm auf dem Teller.

Mum wollte gerade mit Granny und Jost zur Wohnungsbesichtigung aufbrechen, als es klingelte. Erstaunt blickte ich sie an.

„Erwartet ihr noch Besuch?“

Sie schüttelte den Kopf.

„Nein, Ethan wird hier sicherlich nicht auftauchen, Eric kommt erst am Samstag … eigentlich sind alle Verwandten, die im Umkreis von 50 Meilen wohnen, hier im Raum.“

Mein Vater, mittlerweile stand er an der Tür zum Flur, drehte sich in unsere Richtung.

„Gladys, nicht ganz! Wir haben auch einen europäischen Zweig …“

Ich schaute meine Mutter verdutzt an.

„Ist Onkel Helmut in der Stadt?“

„Richard hätte mir gesagt, wenn sein Bruder oder Anita hier wären und vor allem …“

Mutter zuckte mit den Schultern.

„… die Gästezimmer sind leer, die Kinder sind auch nicht hier.“

„Warten wir doch einfach ab, wer gleich zur Tür reinkommt. Jetzt ist es eh zu spät, noch aktiv Ahnenforschung zu betreiben oder…“, Granny lachte, „… die Mormonen anzurufen.“

Fünf Augenpaare richteten sich auf die Tür. Mama, Granny und Maria schauten mehr als sparsam, Jost fielen fast die Augen raus und auch ich war sprachlos. In der Tür standen mein Vater und der Rest der Familie Jacobsen. Mein Schatz fand als Erster seine Stimme wieder.

„Was macht ihr denn hier?“

„Gladys, du erinnerst dich an Anitas Bruder?“

Mein Vater legte jovial die Hand auf Günnis Schulter.

Meine Mutter schaute ihren Gatten irritiert an.

„Meinst du den dünnen Hering, der sich auf der Hochzeit deines Bruders damals beim Tanzen eine Bänderdehnung geholt hat?“

„Na ja, seitdem hat er einiges zugelegt …“

Sylvia lachte und ging auf Mum zu. „… und Tanzen kann er bis heute noch nicht, mein Günni. Ich bin die Sylvia, die Frau dieses Tollpatsches.“

„Aber du warst 1979 nicht auf der Hochzeit, oder?“

Die beiden Damen umarmten sich.

„Ich kann mich jedenfalls nicht an eine weibliche Begleitung erinnern.“

Mutter Jacobsen schüttelte den Kopf.

„Nein, ich hab meinen Tanzbären erst später kennengelernt.“

„Na, hoffentlich konnte er auf seiner eigenen Hochzeit Walzer tanzen.“

Meine Mutter grinste. Sylvia lachte.

„Wir haben und für einen Blues als Eröffnungstanz entschieden. Das ging gerade so!“

„Blues können ja Susus und ich schon!“

Sven gluckste.

„Können wir auch über was anderes als Tanzen reden?“

Guntram wirkte sichtlich verlegen.

Man verlagerte sich ins Wohnzimmer, Dad fragte nach Getränken, Maria deckte den Tisch ab, Mutter holte die Kaffeetassen und Granny spielte die Dame des Hauses. Ich stand an der Bar und starrte in ein Glas Scotch. Tante Anita war, wenn ich mich recht erinnerte, eine geborene Kleeberg. Wieso hieß ihr Bruder dann Jacobsen? Und wenn Guntram ihr Bruder war, dann hat er mir die ganze Zeit etwas vorgespielt. Andrerseits wurde mir aufgrund der Situation auch die Reaktion der Jacobsens auf unser Zusammenziehen um einiges klarer, ich war kein Unbekannter, jedenfalls nicht vom Namen.

Jost stupste mich in die Seite.

„Was bist du so still?“

Gedankenverloren blickte ich ihn an.

„Wusstest du davon?“

„Das mein Vater eine Schwester mit Namen Anita hat? … Ja, aber das wir irgendwie miteinander verwandt sind?“

Er schüttelte den Kopf.

„Nein, mein Engel, das war auch mir neu.“

„Aber dir muss doch der Name aufgefallen sein, oder?“

Ich blickte ihn fragend an.

„Tante Anita …“

„… heißt mit Nachnamen Schmölder-Kleeberg und lebt auf dem Hof Wennemann.“

Er zuckte mit den Schultern.

„Sorry, aber der Name Lensing taucht da nicht auf.“

Ich war ratlos.

„Merkwürdig! Und wieso heißt dein Vater Jacobsen und seine Schwester Kleeberg?“

„Die beiden sind nur Halbgeschwister.“

Jost streichelte meine Hand.

„Omas erster Mann starb 1960 bei einem Unfall, Anita war da gerade ein Jahr alt, sie behielt den Namen ihres leiblichen Vaters.“

Ich rieb mir das Kinn.

„Der erste Namenswirrwarr ist also geklärt. Aber wo bleibt Lensing?“

„Da fragen wir am besten Mal deinen Vater.“

Jost deutete in Richtung Wohnzimmer, wo die Familien mittlerweile einträchtig versammelt waren.

„Mich würde auch interessieren, ob Mama vor ihrer Kuppelaktion was von den familiären Banden wusste.“

„Dann mal auf!“

Wir gingen zu den anderen und setzten uns auf eine der Couchen.

„Dad, wieso heißt Tante Anita Schmölder-Kleeberg und nicht Lensing-Kleeberg? Sie hat ja deinen Bruder geheiratet und wir heißen Lensing.“

„Ich glaube, wir sollten doch besser die Mormonen anrufen.“

Granny grinste.

„Oder Richard, willst du das Familiengeheimnis lüften?“

Was war denn das schon wieder? Mum grinste.

„Gordon, Lensing ist … der Name, den dein Vater bei der Einbürgerung damals angenommen hat. Er meint zwar immer noch, der Einwanderungsbeamte hätte einen Fehler gemacht, aber ich glaube eher, er hat das Formular falsch gelesen. Englisch war damals nicht gerade seine Stärke.“

„Gladys, wie oft soll ich es denn noch sagen, der Typ hat das Formular ausgefüllt, nicht ich!“

Er blickte mich fast Hilfe suchend an.

„Junior! Meine Eltern, also deine Großeltern, kommen beide vom Land und Bauern haben manchmal ziemlich komische Namen. Wenn man dann noch auswandert, dann ist das Ganze nicht so einfach.“

Dad atmete tief durch.

„Geboren wurde ich als Richard Edwin Schmölder genannt Lensing. Lensing ist allerdings nur ein alter Beiname, der Name des Hofes der Familie meines Vaters; der eigentliche Familienname ist aber Schmölder. Da der Typ von der Einwanderung mit dem Begriff ‚genannt‘ nichts anfangen konnte, wurde Schmölder zu meinem Mittelnamen und Lensing als Nachname eingetragen.“

„Also heißen wir eigentlich Schmölder?“

Ich verstand nur noch Bahnhof.

„Nein Schatz!“

Granny grinste.

„Wenn man nach seiner Geburt erst die US-Staatsbürgerschaft erhält, kann man seinen Namen angleichen. Als ich meinen Walter 1944 kennengelernt habe, hieß er noch Lippmann am Bach, seine Eltern waren auch Farmer. Der Bach wurde dann später gestrichen.“

Ich würde mich doch mal näher mit meiner Familiengeschichte beschäftigen müssen.

„Gut, dann ist das ja geklärt, aber … ein paar Fragen hätten wir da noch.“

„Mama, seid wann wusstest du, dass Gordon der Neffe von Tante Anita ist?“

Jost hielt meine Hand.

„Dein Vater hat es mir erst kurz vor dem Essen am ersten Abend in Hyannis gesagt.“

Sie stellte ihre Tasse vorsichtig ab.

„Und vorher? Ich hatte nicht die geringste Ahnung! Ich wusste nur, dass Helmuts Bruder Richard heißt, eine Frau namens Gladys hat, in den Staaten lebt und hier ein Busunternehmen hat. Ich dachte, er würde auch Schmölders heißen.“

„Und woher wusstest du von mir als schwulem Neffen?“

Ich blickte sie fragend an.

„Als Jost nach der Sache mit Peter so deprimiert war und ich den Verdacht hatte, dass er vielleicht … anders ist, da habe ich Anita angerufen, sie hat ja mal Pädagogik studiert. Ich wollte wissen, was man in einem solchem Fall machen könnte.“

Sie rutschte auf ihrem Sessel nervös umher.

„Sie erzählte mir dann von ihrem schwulen Neffen und der räumlichen Trennung von Vater und Sohn, da der Erzeuger wohl Probleme mit der sexuellen Orientierung seines Sohnes hatte. Hätte ich gewusst, dass du dieser Neffe ist, hätte ich ja nicht erst heimlich mit dir konspiriert.“

Mein Gehirn lief auf Hochtouren: Wenn Sylvia bis zu dem Polynesier keine Ahnung hatte, musste ihr Gatte zwangsläufig über die notwendigen Insiderinformationen verfügt haben. Aber von wem hatte er sie? Moment, für Jost und Sven war nachgebucht worden, also musste Günni telefoniert haben; hatte er nicht so etwas auch gesagt? Da die Reise aber in keinem Katalog stand, müsste er direkt mit dem Ansprechpartner über sein Anliegen gesprochen haben. Organisator war mein Bruder, aber der würde sicherlich keine Details über mein Privatleben ausposaunen, da war ich mir sicher.

Ich blickte meinen Vater an.

„Dad, wie hättest du mich denn verkuppeln wollen?“

Erschrocken blickte mich Granny an.

„Wie kommst du darauf, dass Richard Amor spielen wollte?“

„Oma, die beiden müssen miteinander telefoniert haben, als es um die Nachbuchung für Jost und Sven ging.“

Ich warf einen strengen Blick auf die zwei Herren, die da einträglich nebeneinandersaßen.

„Ich denke, sie haben sich dabei wiedererkannt und festgestellt, dass sie beide Väter verzauberter Söhne sind. Also, wie sollte ich nach eurem Plan denn Jost kennenlernen? Die Reise war doch Gregs Idee! Es war doch nur Zufall, dass ich sie übernommen habe.“

Guntram schlug meinem Vater aufs Knie.

„Richard, ich glaube, unser Plan ist aufgedeckt worden.“

„Stimmt, aber funktioniert hat er trotzdem!“

Mein Vater räusperte sich leicht verlegen.

„Also, um es kurz zu machen: Ich hatte deinen Dienstplan so gestrickt, dass du den Guide für die Leute spielen solltest, die den Ausflug zu den Fällen gebucht hatten, Jost sollte mitfliegen und dich kennenlernen. Danach solltest du deinem Bruder helfen, denn der ist alles, aber kein Reiseleiter.“

„Und wie hätte es eurer Ansicht nach weitergehen sollen?“

Ich trank einen Schluck.

„Es war zwar nicht geplant, dass ihr euch direkt ineinander verliebt, aber …“

Der Redakteur schaute schuldbewusst zu Boden.

„…ihr solltet euch eigentlich nur kennenlernen und Jost sollte sich uns dadurch öffnen. Aber so, wie es jetzt ist, ist es auch nicht schlecht!“

„Und ich hatte schon ein schlechtes Gewissen, dass ich dir von meinem kleinen Deal mit Gordon nichts erzählt habe! Aber das du mir kein Sterbenswort gesagt hast, dass …“

Sylvia deutete auf ihren Mann.

„Ob ich dir das verzeihen kann? … Vielleicht mit einem Einkaufswochenende … um Nikolaus! Aber nur vielleicht!“

„Gästezimmer sind genug da, liebe Sylvia!“

War das weibliche Solidarität?

„Und ich gehe auch gerne einkaufen! Nicht wahr, mein lieber Richard?“

„Ihr braucht doch eine Stilberaterin?“

Granny lachte.

„Ich stelle mich gerne zur Verfügung.“

„Kann ich dann zum Eishockey?“

Sven wollte wohl auf den Zug aufspringen.

„Ich will zu den Rangers.“

„Was haben wir da nur gemacht?“

Vater Jacobsen stöhnte.

„Das wird teuer!“

Ich lachte die beiden Männer an.

„Wie kann man nur Kuppelversuche in der eigenen Familie machen, ohne sich vorher den Segen seiner holden Ehefrau zu holen?“

Guntram blickte meinen Vater an.

„Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich dich fragen, ob dein Gordon tatsächlich … verzaubert ist.“

„Glaub mir, er ist es!“

Dad stöhnte laut.

„Er ist der Frauenversteher der Familie!“

*-*-*

Der Rest des Abends verlief relativ lustig, na ja, die Ehemänner hatten weniger zu lachen als ihre Frauen. Die Pläne der Damenriege, zu Nikolaus eine Einkaufstour zu veranstalten, nahm dann noch konkrete Formen an: Jost wurde dazu dienstverpflichtet, noch am gleichen Abend die passenden Flüge herauszusuchen.

Die komische Familienzusammenführung endete kurz vor Mitternacht. Wenn es nach den Ehemännern gegangen wäre, hätte das Treffen nicht so lange gedauert, aber die Damen hatten sich einfach verquatscht, wenn man das so sagen darf.

Zwar wurde es ziemlich eng in meinem kleinen Saturn Astra, aber besser schlecht gefahren als gut gelaufen, wie Sylvia meinte. Als wir die Jacobsens vor dem Hotel absetzten, dankte sie mir für die Taxifahrt, sie würde jetzt erst für Sven packen und dann zusehen, dass ihre eigenen Koffer reisefertig würden; sie könne ja im Flugzeug schlafen.

*-*-*

Jost und ich hatten zwar keinen Packstress, aber viel Schlaf bekamen wir auch nicht; auf körperliche Aktivitäten, die über Streicheln und Küssen hinausgingen, verzichteten wir freiwillig. Als guter Sohn erledigte mein Engel sofort die Internetrecherche für unsere Damen, während ich schon einmal die Kaffeemaschine vorbereitete und den Tisch deckte.

Der Wecker klingelte nach etwas mehr als fünf Stunden Schlaf um kurz 6:45am. Viel zu kurz, wie wir am Frühstückstisch bemerkten, denn wir hatten nur etwas über eine Stunde zum Waschen, Anziehen und für die Nahrungsaufnahme. Jenny wollte spätestens um 8:45am am Hotel sein und wir mussten ja erst noch in die Firma, um den Bus zu besteiigen.

Vom Hotel in der Lexington ging es durch den Holland Tunnel nach New Jersesy, um dann, Dank einer Sondergenehmigung, durch den Liberty State Park nach Ellis Island zu kommen. Normalerweise kann man als Tourist die Einwanderungsinsel nur von der Seeseite erreichen, aber das ist nicht die einzige Besonderheit der durch einen Damm mit dem Festland verbundenen Insel. In fast allen Reiseführern ist zu lesen, dass die Insel, wie auch Liberty Island, zu New York City gehört; das entspricht leider nur zu 18% der Wahrheit. Nach einem Entscheid des Obersten Gerichtshofs aus dem Jahr 1998 gehört nur die ursprüngliche Insel, wo sich heute das Museum befindet, zum Big Apple, der Rest der gehört dem Gartenstaat, also New Jersey, da sie durch Landaufschüttung künstlich vergrößert wurde. Dass die meisten Gebäude dort nicht renoviert sind, lasse ich einmal unerwähnt.

Im Schweinsgalopp ging es dann durch das Museum, in dem über 12 Millionen Einwanderer bis 1954 in die USA einreisten. Eine Stunde ist für diese historische Stätte wirklich zu wenig, aber mehr Zeit hatten wir nicht, denn um 11:00 Uhr legte unser Boot zur Freiheitsstatue auf Liberty Island ab.

Auf Bedloe’s Island, wie die Insel bis 1954 hieß, wurde nicht nur der letzte Pirat in den USA gehängt, sondern auch die Lady Liberty erbaut, ein Geschenk der Franzosen an die USA. Allerdings war sie nie als Begrüßung für Immigranten gedacht, sie sollte vielmehr an die französische Schützenhilfe gegen die Briten erinnern oder, um es politisch korrekter zu formulieren, ein Symbol für die sehr gute Zusammenarbeit der beiden Länder sein. Der Aufstieg über die 354 Stufen in die Krone klappte schon aus zeitlichen Gründen nicht, es sind nur 30 Besucher pro Stunde dort oben erlaubt. Aber die Kameras wurden auch am Boden wieder einmal mehr als gequält.

Die letzte Bootsfahrt dieser Tour endete am Landungssteg in der Nähe von Castle Clinton im Battery Park. Die ehemalige Artilleriestellung diente unter anderem als Auswanderersammelstelle, bevor Ellis Island diese Funktion übernahm. Uns wurde vor dem heutigen Museum das dem Hotel abgerungene Lunch serviert. Zwar gab es nur Hot Dogs, Sandwiches und leichtes Fingerfood, aber was wollte man unter freiem Himmel auch sonst reichen?

Meine Gedanken waren noch bei den beiden Herren aus Frankfurt, mit denen ich deren Tour besprochen hatte, als Jost mir auf die Schulter tippte.

„Wie machen wir das gleich eigentlich?“

Ich blickte ihn fragend an.

„Was meinst du?“

„Das Programm und…“, seine Stimme stockte leicht, „…den Abschied von meinen Eltern und Sven.“

Das stand ja gleich auch noch an.

„Nun, erst einmal den Lunch zu Ende bringen, dann mit dem Bus zum Ground Zero und nach einem Fotostopp an der Wall Street geht es zum Flughafen.“

„Aha.“

Er schaute auf die Uhr.

„Dann haben wir ja noch über drei Stunden, bis der Flieger geht.“

„Falsch.“

Ich putzte mir die Mundwinkel.

„Die Leute müssen spätestens um 2:30pm am Flughafen sein und sobald der letzte Gast den Bus verlassen hat, fahren wir zur Firma und dann ist Feierabend.“

„Ich dachte, wir könnten gemeinsam…“, er blickte zu Boden, „…am Gate auf Wiedersehen sagen.“

Ich legte meinen Arm um ihn.

„Schatz, das geht etwas schlecht. Jenny muss ja heute noch zurück nach Boston und mein Wagen steht in der Firma, …aber ich werde gleich mal mit ihr reden, was wir machen können.“

„Mach das.“

Etwas Trauer lag in seiner Stimme.

*-*-*

Jenny hatte die Route über die Williamsburg Bridge gewählt. Als wir auf den Brooklyn Queens Expressway abbogen, reichte ich ihr eine CD.

„Auf mein Zeichen bitte Lied drei.“

Sie nahm den Silberling entgegen.

„Alles klar, Boss.“

Kurze Zeit später griff mir das Mikrofon.

„Tja, meine Damen und Herren, das war sie nun, ihre Rundreise durch den Indian Summer mit einer kleinen Stippvisite im Big Apple. Wir hoffen, ihnen einen kleinen Eindruck von der Schönheit der Natur, den Errungenschaften der Städte, von Land und Leuten vermittelt zu haben.“

Ich blickte in die Runde und konnte zustimmendes Nicken sehen.

„Vor uns liegt nur noch das ultimativ letzte Ziel der Reise, der Airport. Zwar gehört JFK zwar nicht mehr zu den Top Ten der Flughäfen, aber er ist immer noch der größte Flughafen von New York mit fast 48 Millionen Fluggästen im Jahr. Erbaut wurde er 1942, der Flugbetrieb auf dem Idlewild Airport, so hieß er zunächst, wurde 1948 aufgenommen. Zu seinem heutigen Namen kam er Weihnachten 63. Auf Beschluss des Bürgermeisters und des Stadtrats der Stadt New York und der Flughafengesellschaft wurde er zum Gedenken an den ermordeten Präsidenten in John F. Kennedy International Airport umbenannt.“

Ich blickte Jenny an und flüsterte ihr zu.

„Jetzt!“

Die ehemalige Powerlifterin wechselte die Musik, aus den Lautsprechern ertönte nun „My Way“ in der englischen Version von Frank Sinatra, das Original kommt ja aus Frankreich. Zwar ein kitschiger Song, aber das Ende war Nahe und Tränen gehören nun einmal zu einem Abschied.

„Meine Damen und Herren, sie hören es an der Musik, es wird Zeit ‚Auf Wiedersehen‘ zu sagen. Wir, Jenny und ich, hoffen, dass ihnen die letzten Tage mit uns gefallen und sie einen kleinen Eindruck vom unserem Heimatland bekommen haben, den sie an ihrer Leser weitergeben können. Ich hoffe mal, sie haben erkannt, dass die USA nicht nur aus den pulsierenden Metropolen besteht, sondern aus vielen, unterschiedlichen Landschaften, die auf ihre Art liebenswert und einzigartig sind.“

Ich räusperte mich leicht.

„Im Namen von Lensing Travel bedanken wir uns für das entgegengebrachte Vertrauen und freuen uns, mit ihnen vertrauensvoll und gut zusammen zu arbeiten und das nicht nur im nächsten Jahr. Uns bleibt nur noch übrig, ihnen einen angenehmen Flug und eine weiche Landung in Frankfurt zu wünschen. Vielleicht sieht man sich irgendwann ja einmal wieder, denn sie wissen, die Welt ist ein so globales Dorf. In diesem Sinne: Bon Voyage, Happy Landing und Goodbye.“

Ich verneigte mich vor dem applaudieren Publikum und setzte mich wieder. Jenny lachte mich an.

„Nette Rede; kurz und schmerzlos!“

Es kam mir wie ein Déjà-vu vor, als Opa Friedrich zwei Minuten später zu mir nach vorne kam und das Mikro verlangte, ich reichte es ihm.

„Ich hoffe, man versteht mich?“

Zustimmung war zu vernehmen.

„Liebe Jenny, lieber Gordon! Ich darf mal wieder als Alterspräsident fungieren. Entschuldigung, das war ein sogenannter Insider.“

Er klopfte mir auf die Schulter, ich musste schlucken.

„Ich bin zwar kein Zeitungsredakteur, dazu bin ich viel zu alt, aber als ehemaliger Lehrer für Deutsch kann ich zu den anwesenden Schreiberlingen sagen: Ich habe einige ihrer Kollegen vor ihrer Tätigkeit ausgebildet und mein Bestes versucht, ihnen gutes Deutsch und eine noch bessere Ausdrucksweise beizubringen, ob es mir gelungen ist?“

Er fuhr sich durch die Haare.

„Ich bin kein Kritiker! … Diese Reise war für mich und meine Frau ein besonderes Erlebnis, wir haben nicht nur den Indian Summer erlebt und viel gesehen, es waren vielmehr die Gespräche, die Situationen, die Umstände, die diese Reise für uns unvergesslich machen.

Meine Magda und ich haben zwar keine Zeitung im Rücken, aber wenn sie für unseren Heimatverein eine Reise zusammenstellen, lieber Gordon, wir kommen ins Geschäft.“

Lachen war zu hören.

„Wir alle hier im Bus wissen, es war eine Werbeveranstaltung, an der wir teilgenommen haben. Allerdings hat man uns keine überteuerten Rheumadecken oder Mitropa-Kaffeemaschinen verkauft, sondern eine Vision von Eindrücken. Dafür darf ich mich im Namen aller auf das Herzlichste bei ihnen bedanken.“

Der Applaus war atemberaubend.

„Da man aber von guten Worten und möglichen Geschäfte in der Zukunft heute kein Fleisch in den Suppentopf kriegt, haben wir etwas gesammelt. Zwar war es ihr Job, aber wenn man eine Aufgabe sehr gut erledigt, und das haben sie getan, soll man einen Bonus kriegen. Zwar wurde der nicht wie bei den Managern einer Bank in ihren Vertrag geschrieben, aber er kommt von Herzen.“

Er übergab mir einen Umschlag.

„In diesem Sinne: Auf ein baldiges Wiedersehen!“

Als das Klatschen aufhörte, schaltete Jenny ihre Sprechmuschel scharf.

„Meine Damen und Herren! Ich greife mal meinem Tourguide vor, aber viel passieren kann mir ja nicht, er ist ja nur der Sohn meines obersten Bosses.“

Einige Leute lachten.

„Ich habe ja schon etliche Gruppen gefahren, das können sie mir glauben. Aber als ich erfahren habe, dass der Juniorchef aus New York persönlich die Reiseleitung übernimmt, wurde mir Etwas anders; als er mir dann sagte, welche Truppe da hinter mir sitzt, dachte ich nur: Oh Gott, womit habe ich das nur verdient! Aber … es war auch eine besondere Reise für mich: Ich habe in meinen über zwanzig Jahren hinter dem Steuer noch keine Gruppe erlebt, die sich so für den Bus und für meine Lage als Fahrer interessierte als die ihrige. In diesem Sinne danke ich auch ihnen für die Erfahrungen, die ich machen durfte.“

Als die Beifallsbekundungen abgeebbt waren, ergriff ich noch einmal das Wort.

„Meine Damen und Herren. Die Lorbeeren für diese Promo-Tour kann ich leider nicht für mich allein beanspruchen, denn es war mein Bruder, der diese Reise konzipiert hatte. Aber, soviel kann ich ihnen versprechen, wenn diese Art der Werbung Früchte trägt, wir können Ähnliches gerne wiederholen, denn die USA bieten viel. Wenn sie in zwei Jahren noch in Amt und Würden sind, würde ich gerne mit ihnen von New York nach Miami fahren.“

*-*-*

Das Ausladen klappte reibungslos. Hände wurden geschüttelt, Adressen ausgetauscht, das Übliche halt. Als die Kofferklappen leer waren, blickte mich Jenny an.

„Gordon, was du mir an der Börse gesagt hast …“

„Ja?“

Ich schaute in ihr lächelndes Gesicht.

„Lass uns jetzt kurz das Organisatorische machen und dann…“

Sie grinste mich an.

„… kümmere dich um deinen Süßen. Auch wenn er nach außen hin den ‚starken Mann‘ markiert, er braucht deine Hilfe jetzt mehr als ich. Ich muss auf dem Weg nach Boston eh eine Pause machen und da kann ich auch dann durch den Bus gehen.“

„Danke dir!“

Ich umarmte sie.

„Aber eine Bedingung habe ich!“

Sie stupste mich in die Seite.

„Ich wusste doch, es gibt einen Haken!“

Ich grinste sie an.

„Welche ist das?“

„Die nächste Promotour machen wir wieder zusammen!“

Sie wuselte mir durch meine Haare.

„Darauf lasse ich mich liebend gerne ein!“

Ich küsste sie auf die Wange.

„Dann lass uns mal die Papiere fertigmachen, dass ich zu meinen Schwiegereltern kann.“

Jost staunte nicht schlecht, als ich ihn zehn Minuten später von hinten an die Schultern packte und ihn an mich drückte.

„Hallo Engel!“

„Du bist schon wieder hier?“

Er rieb sich eine Träne aus dem Augenwinkel.

„Ich dachte, dass du erst noch mit Jenny zum Depot müsstest.“

„Jenny hat ein Herz für Liebende!“

Ich küsste ihn inmitten der Menschenmassen um uns herum.

„Sie hat mich mehr oder minder zu dir geschickt. Wir können ihr ja heute Abend eine Dankmail schicken!“

„Nur eine?“

Er lachte wieder.

„Aber wie kommen wir gleich zurück?“

„Es gibt hier Taxis oder wir können die Metro nehmen!“

Männer sind manchmal unpraktisch.

„Aber die Kosten?“

Er verdrehte die Augen.

„Schatz, ich habe gerade 850 Dollar Trinkgeld bekommen, da…“, ich lacht, „…ist eine Fahrt mit der Metro allemal drinnen. Ich kann aber auch den Bereitschaftsfahrer rufen, wenn dir das lieber ist.“

„Dann machen wir das so!“

Er hatte gesprochen, es ging einen Meter vorwärts.

In der Schlange, in der wir standen, entdeckte ich die Laufenbergs.

„Schatz, ich hab eine Idee!“

„Welche?“

Neugier lag in seinem Blick.

„Wir sollten Daniel einen Brief schreiben.“

Ich deutete auf das Ehepaar zwei Reihen vor uns.

„Er war ja Anlass des ersten Streits zwischen uns. Außerdem sollten wir ihn informieren, dass wir zusammen anreisen werden.“

Jost grübelte.

„Gut. Dann fang schon mal an, ich komme gleich nach.“

„Alles klar.“

Ich verließ die Reihe und schlenderte zu einer der Sitzgruppen. Aus meinem Koffer holte ich ein Blatt Papier und schrieb eine kurze Notiz, zu mehr war ich nicht fähig. Mein Engel kam kurze Zeit später zu mir und, nachdem er mein Pamphlet gelesen hatte, nickte er nur.

Er schrieb einige Zeilen darunter und reichte mir das gefaltete Blatt zurück. Ich steckte ein Bild von uns beiden in den Umschlag, denn bei Josts Besuch beim Fotografen hatten wir auch ein paar Bilder von uns beiden machen lassen.

Ich tippte Magda Laufenberg auf die Schulter.

„Könnten sie diesen Brief bitte Daniel geben.“

„Selbstverständlich machen wir das!“

Sie kicherte wie ein Schulmädchen.

„Sie und Daniel hätten zwar gut zusammengepasst, aber … die Entfernung. Mit Jost haben sie eine sehr gute Wahl getroffen. Es ist nicht immer leicht, den Richtigen zu finden, aber ich glaube, sie haben ihn gefunden.“

Meine Stimme stockte.

„Danke, er … ist das, wonach ich gesucht habe.“

„Gordon! Kopf hoch, Brust raus und tief atmen!“

Opa Fritz war von altem Schrot und Korn.

„Auch wenn ich nicht richtig nachvollziehen kann, weshalb ein Mann einen Mann liebt, aber ich sage: Sed omnia vincit amor! Wenn ihre Liebe echt und aufrichtig ist, wen stört es dann, wen sie lieben?“

Was sollte ich sagen?

„Ich liebe Jost vom Grunde meines Herzens.“

„Dann ist ja gut, denn…“, er blickte mich süffisant an, „…mit dem Herrn zu rechnen ist besser, als sich auf die Hilfe der Menschen zu verlassen. Aber ich habe gestern mit meiner Magda gesprochen, jede Mutter lässt ihr Kind ungern ziehen.“

„Und?“

Neugierig blickte ich den alten Lehrer an.

„Sie und Jost wollen den Jahreswechsel zusammen mit meinem Enkel verbringen. Gut!“

Er blickte mir direkt in die Augen.

„Aber da sie danach wieder in die Staaten müssen … Also, um es kurz zu machen, wenn die Jacobsen es wollen, sie können den Jahreswechsel gerne mit uns verbringen, dann haben sie noch einen weiteren Tag zusammen, ehe sie Deutschland wieder verlassen. Und was Sven betrifft, Daniels kleine Schwester ist in seinem Alter.“

„Danke!“

Ich küsste erst Magdalene und dann umarmte ich ihren Mann.

*-*-*

Nach der Kofferaufgabe schlenderten wir noch zusammen durch das Terminal. Guntram war zwar auch nahe am Wasser gebaut, aber er riss sich zusammen.

„Jungs, wir könnten, bis wir durch das Gate müssen, zwar noch einen Kaffee trinken, ein Sandwich essen, aber … es ändert nichts an der Tatsache, dass wir uns trennen müssen. Wieso sollten wir hier Geld ausgeben für das, was wir in der Lounge umsonst kriegen?“

„Günni, wie kannst du?“

Sylvia wurde sich ihrer Mutterrolle wohl wieder bewusst.

„Schatz, wenn du dich besser fühlst, gib den beiden unseren letzten Dollars, dass sie ein Taxi nehmen können.“

Er legte seine Hand um die Hüfte seiner Frau.

„Wir sehen uns ja Anfang Dezember wieder, also … lass die beiden ihren Weg gehen und wir gehen den unsrigen! Aufhalten können wir es eh nicht, also … warum sollten wir mehr leiden, als unbedingt notwendig?“

„Du hast ja Recht, aber…“, sie seufzte, „…es ist mein Puschel, den ich hier zurücklasse!“

„Aber dein kleiner Puschel ist zwanzig Jahre alt, hat einen Partner gefunden, der ihn abgöttisch liebt und den er in gleicher Weise verehrt!“

Der Redakteur atmete tief durch.

„Sylvia, irgendwann wäre eh der Tag gekommen, wo wir ihn hätten ziehen lassen müssen. Wir wissen beide, er hat seinen eigenen Weg gewählt, also lass ihn ziehen!“

Die Verabschiedung verlief schwer, aber wir standen sie durch. Guntram nahm mich kurz zur Seite und reichte mir einen Scheck über 15.000 Euro, den ich auf Jost Konto einreichen sollte. Alles Weitere würde die Zukunft bringen. Jost und ich winkten der Dreiergruppe noch nach, als sie durch die Kontrolle ging.

„Schatz, lass uns fahren!“

Meine Hand lag auf seiner Hüfte.

„Was sollen wir noch hier?“

Jost atmete tief ein.

„Du lass uns ein Taxi nehmen, denn ehe der Bereitschaftsfahrer hier ist …“

„Der ist schon hier und wartet auf uns.“

Ich küsste ihn auf die Stirn und wir verließen das Gebäude.

*-*-*

Mit dem Zwischenstopp an der Firma dauerte es fast eine Stunde, ehe wir wieder in heimischen Gefilden waren. Langsam zogen wir uns aus und legten uns hin, denn wir hatten Schlaf nötig. Jost blickte mich fragend an.

„Wo sind wir gelandet?“

„Wir sind in der Realität angekommen, mein Schatz.“

Ich küsste ihn.

„Und alles andere lass uns nach dem Aufstehen besprechen, denn ich möchte jetzt in deinen Armen einschlafen!“

*-*-*

Tja, lieber Leser, das war die Geschichte, wie ich den Mann meines Lebens kennengelernt habe. Es mögen zwar einige Fragen offengeblieben sein, aber die eigentliche Geschichte endet hier an diesem Punkt.

Bei entsprechendem Feedback werde ich diese Fragen auch gerne beantworten, aber es liegt an euch! Wollt ihr sie überhaupt lesen? Ist es wirklich so interessant? Als Reiseleiter lebe ich ja vom Trinkgeld, aber ein solches habe ich ja noch nicht von euch erhalten! Es liegt also an euch, nicht an mir!

In diesem Sinne

Greez aus New York

Euer

Gordon Henry Lensing

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3 Kommentare

  1. hallo
    ich habe dir Geschichte schon mal gelesen, war aber trotzdem wieder total gegeistert und konnte kaum abwarten weiter zu lesen.
    Danke für die Super Story
    Jetzt habe ich hier nur Fire-Island gefunden aber ich glaube das da noch etwas fehlt und bin auch der Meinung diese schon mal gelesen zu haben!
    Jetzt meine Frage……wie komme ich an die Fortsetzungen?
    Gibt es alle folgen auch in Buchform…..am Besten als E-Book.
    Würde mich freuen einen Nachricht zu bekommen.
    Lg Ralph

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  2. Ich habe in der vergangen Tagen deine Geschite gelesen. Sie hat mir viel Freude bereutet.
    Allerdings ist eies eine Geschichte die ich nicht jedem weiterreichen würde so gut sie mir gefällt das sie doch ein wenig sexlastig ist. Nicht jeder kann damit umgehen 😉
    Ich fände es sehr schön wenn die Gesichte von Juan weiter erzählt wird.
    Alles Gute und iebe Grüße
    Hannes

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    • Markus auf 7. Februar 2017 bei 00:24
    • Antworten

    Klasse geschrieben. Ich fand die Geschichte der zwei spitze nah am Leben und die Details zusammen mit der Ausarbeitung. Ich weiß nicht wie ich es beschreiben soll einfach klasse. Weiter so.

    Rating: 5.00/5. From 2 votes.
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