Ableitungen und ähnliche Unfälle 2 – Teil 2

Florian

: Jensemann betritt den Raum #uni-chat
:
<FloRef> Nacht Jungs, morgen geht’s rund
:
<Gaius> Nacht Flo, Gruß an Deinen Schatz!
: <FloRef> N8, bis die Tage
:
<Gaius> Gaius zwinkert Jensemann lächelnd zu
:
<Gaius> Gute Nacht, Jensemann.;)
: Gaius hat den Raum #uni-chat verlassen. Query mit Jensemann
: <Jensemann> Flo? Hier Jens.:)
:
<FloRef> Mein Zivi Jens?
:
<Jensemann> *lacht* Deiner? Das ist ja wohl Josh.;) Na, wie geht’s in eurer Geschichte voran?
:
<FloRef> Oh frag nicht. Der erste Schultag steht uns bevor. Der heutige Tag war wohl ereignisreich. Gaius war bis eben im Chat und hat von der Probe der Schulband erzählt. Scheint die suchen nen neuen Sänger, wenn der Andere so weiter macht.
:
<Jensemann> Hoppla, Schulband? Cool, hatten wir auch.:) Und, mit Peter alles klar?
:
<FloRef> Dafür, dass er bei diesem Alex wohnt, scheint es ihm gut zu gehen.

„Flo, kommst du schlafen? Morgen müssen wir doch früh raus. Und bis wir dich gewaschen haben…“, Josh kicherte leise.

„Gleich, Schatz, Jens ist grad im Chat!“

„Grüß ihn von mir!“

: <FloRef> Gruß von Josh, er drängt aufs Bett wegen morgen.
:
<Jensemann> Danke, Gruß zurück. Schon was Neues wegen der Polizei bei Alex?
:
<FloRef> Laut Gaius Erzählung nicht, der Kommissar hat selber Zweifel an der Sache. Aber gut, ich geh mal off, sonst meckert Josh gleich.
:
<Jensemann> Gute Nacht, Flo. Ich meld mich bald mal wieder!
:
<FloRef> Nacht Jens, Gruß an Peer.
: Disconnected (Quit:)

***

Alex

Linda und ich standen eng umschlungen auf dem Flur, bis sich hinter uns plötzlich jemand räusperte. Sofort riss sich Linda von mir los und fiel Josh um den Hals.

„Joshi! Schön das es dir wieder gut geht! Du siehst klasse aus, wie neu.“

Josh lächelte sie verlegen an. „Mir geht es fantastisch, Linda. Und du strahlst auch so.“

Er zwinkerte mir zu.

„Hi Alex. Gibt’s was Neues wegen der Einbruchssache?“

„Oh hör mir auf damit. Was denkt sich der Busseck eigentlich? Ich war gestern noch bei der Polizei und hab ‚mich gestellt’ und die Sache mal aufgeklärt. Es gibt ja auch einige Zeugen, die noch alle befragt werden. Aber ne Untersuchung gibt es auf jeden Fall. Meine Mum ist leicht hysterisch deswegen.“

„Shit. Und was ist mit Peter? Leidet er unter der Anzeige durch seinen Dad?“

„Ne, Josh. Mit Peter ist alles okay bisher. Der schont sich noch ein wenig und muss erstmal nicht alles wissen.“

Plötzlich kam Guido auf mich zugestürmt.

“Alex, wir haben ein Problem. Max ist krank, Kehlkopfentzündung. Wo bekommen bis zum Auftritt jetzt nen Sänger her?“

“Scheiße, das hat noch gefehlt. Ich hab jetzt auch keinen an der Hand.“

Josh räusperte sich kräftig. „Vielleicht kann ich helfen…“

“Wie denn?“

“Ich, na ja, ich tu es nicht besonders gerne, aber ich kann ein wenig singen.“

Guido schaltete sich ein. „Ein wenig reicht nicht.“

“Guido, scheißegal. Wir machen eine Probe. Mal sehen was in ihm steckt. Oder haste ne bessere Idee?“

“Nein.“

“Josh, hast Du gerade mal Zeit? So in 5 Minuten im Proberaum neben dem Musiksaal?“

“Ja, geht klar. Was soll ich denn singen?“

Ich kramte schnell unser Highlight aus der Tasche.

“Les dich mal in den Text rein. ‚Love to be loved by you’ von Marc Terenzi. Haste hoffentlich schon mal gehört.“

“Jo, hab ich. Schöne Ballade.“

“Fantastisch. Nicht wundern, wir haben etwas an den Instrumenten geschraubt und es etwas rockiger gemacht. Vielleicht gefällt es dir.“

“Okay, dann bis gleich.“

Josh rauschte noch eben um die Ecke.

Guido und ich trommelten noch schnell Luka und Hendrik zusammen und eilten zum Probenraum. Kurz darauf betrat auch Joshua unsere Heiligen Hallen, sichtlich nervös.

“Okay Josh, Du singst einfach mal drauf los. Wenn’s harmoniert dann setzen wir nach und nach ein. Bereit?“

Ich sah fragend zu ihm rüber. Am Rande bemerkte ich den neuen Referendar, Florian Dietz, an der Tür, aber gegen einen Zuhörer hatten wir nichts. Josh nickte zaghaft.

“Okay, fang an wenn Du willst.“

Und Josh fing an.

“I can’t believe I’m standing here
Been waiting for so many years and
Today I found the King to reign my heart.”

Er sang einfach geil. Gefühlvoll. Aber hatte er gerade den Text verpatzt? Das hätte doch Queen und nicht King sein müssen. Aber es war erstmal egal. Eine Gänsehaut machte sich bei mir breit. Hendrik begleitete ihn gefühlvoll am Bass und Guido ließ die Sticks sinken, er entschied sich spontan für die Originalversion, um dieser Stimme gerecht zu bleiben. Luka starrte Josh erstmal einfach nur fassungslos an.

”You changed my live so patiently
And turned it into something good and real
I feel just like I felt in all my dreams
There are questions hard to answer
Can’t you see…”

Fast zeitgleich setzten Luka und ich ein, zum Refrain.

”Baby, tell me how can I tell you
That I love you more than life!
Show me how can I show you
That I’m blinded by your light!
When you touch me I can touch you
To find out the dream is true!
I love to be loved by you!”

Doch wo sah Josh eigentlich die ganze Zeit über hin? Es war Dietz, und sie lächelten sich verträumt an. ‚Scheiße wie geil, Josh singt für seinen Lover’, dachte ich.

“Your looking kind of scared right now
Your waiting for the wedding vows
But I don’t know if my tongue’s able to talk
Your beauty is just blinding me
Like sunbeams on a summer stream and
I gotta close my eyes to protect me
Can you take my hand and lead me
From here please yeah…yeah..”

Unsere Band spielte wie niemals zuvor, getragen von dermaßen viel Liebe und der Refrain wurde noch schöner als der Erste.

„I need to be loved
I love to be loved by you!”
“I know they gonna say our love’s not strong enough to last forever
And I know they gonna say that we’ll give up because of any weather
But how can they understand that our love is just heaven sent
We keep on going on and on cause this is where we both belong…”

Der letzte Refrain verklang und wir beendeten die Probe. Josh unterbrach sofort seinen verräterischen Blick zu Dietz, keine Ahnung ob sonst jemand was bemerkt hatte.

“Wie geil war das denn? Max ist raus!“ sprach Luka laut aus, und erntete eifriges Nicken.

Josh wurde einfach nur rot. Ich ging auf ihn zu und zerrte ihn am Arm in die Zimmerecke, wo uns sonst niemand hören konnte.

“Ich hab ja erst gedacht du hast den Text am Anfang verpatzt, aber: Glückwunsch für Dietz und dich. Der hat dich ja mächtig beflügelt.“

Josh sah mich irritiert an und schluckte.

„Hey, keine Angst, ich sag schon nix. Aber so wie ihr euch gerade dabei angesehen habt.“

„Alex, ich bin trotzdem froh, dass du es weißt. Florian meinte auch, dass ich dir vertrauen solle, allein wegen Peter.“

„Oh Peter… wenn der davon Wind bekommt, da will ich jetzt gar nicht dran denken. Ist alles noch so frisch bei ihm. Aber es geht ihm wieder besser. Ich fass es nicht… unser Mädchenschwarm ist auch schwul.“

„Na, was habt ihr denn so Wichtiges zu bereden?“ Guido kam rüber, gefolgt vom Rest der Band.

„Man Josh, warum hast du nie gesagt, dass du so saugeil singen kannst?“ rief Luka dazwischen.

„Ihr habt nie gefragt, und ein Casting gab es auch nicht. Außerdem hab ich mich bisher nie getraut vor Anderen zu singen.“

„Hast Du am Wochenende Zeit? Wir treffen uns bei Guido, der hat nen eigenen Probenkeller, wegen seiner Drums“, wollte Hendrik wissen.

„Ich… okay.“

Ich schrieb ihm Guidos Adresse auf.

„Um 13 Uhr legen wir los. Ach und noch was: wir haben keinen Namen. Fällt Dir was ein?“

Ich hielt ihm den Zettel hin.

Josh überlegte kurz und meinte „Ich denk mal drüber nach.“

Luka übergab ihm noch die Songmappe. „Hier, ich besorg mir nachher ne Neue.“

Guido grinste fies „Mit unserem neuen Sänger werden die Mädels feuchte Höschen bekommen.“

Doch er hatte Linda übersehen, die sich zu uns gesellt hatte.

„Guido aus! Böser Hund.“

Sie stierte ihn an und er wurde wieder ganz kleinlaut, dabei bemerkte er nicht dieses verräterische Zucken um ihre Mundwinkel. Linda prustete los vor Lachen. Dann sah sie mich ganz hinterhältig an.

„Alex-Mausi, er hat aber Recht, ich hab es vom Flur aus gehört. Josh, das hätte ich nicht von dir gedacht. Hammer. Ich hab Herzklopfen gehabt. Hab dabei gar nicht gemerkt das Dietz auch hier war, aber dem hat’s wohl auch gefallen, so Happy wie der aussah.“

Josh wurde wieder nervös, weil es diesmal alle gehört hatten, auch wenn mit der Aussage keiner was anfangen konnte. Fragend sah ich ihn an und deutete mit einer leichten Kopfbewegung auf Linda.

Er nickte unmerklich und zeigte dabei auf sich.

„Schatz, geh doch schon mit Josh vor, Laumer ist bald da. Die Jungs und ich räumen noch eben auf.“

Sie gab mir einen Kuss und die beiden verschwanden.

Linda

Ich wunderte mich, dass Alex mit seiner Boss-Tour nirgendwo aneckte. Seine Freunde nahmen es einfach hin. Mein kleiner Anführer. Ich lächelte in mich hinein. Wenigstens bei mir war er handzahm.

„Jenny ist ziemlich wütend auf dich“, sagte ich zu Josh, auf dem Weg zum Klassenzimmer.

„Sie will deinen Schlussstrich nicht akzeptieren.“

„Hab ich mir gedacht. Aber sie wird es müssen. Deswegen will ich ja noch mit dir reden. Hat Alex grad gut eingefädelt.“

Josh hatte Recht. Von der 30 Minuten-Pause waren noch gut 10 über.

„Über was willst du denn reden?“

„Ich kann nicht zu Jenny zurück. Es gibt eine neue Liebe in meinem Leben.“

„Jetzt sag nicht Chantal!“

Er lachte. „Gott bewahre… nein. Aber lass uns mal nen ruhigen Fleck suchen. Es ist etwas ‚delikat’, wie man so schön sagt.“

Auf dem Raucherhof war es, dank der schneidenden Kälte, leer.

„Ich bin ganz Ohr, Josh.“

„Das Lied gerade… ich habe es für diese Person gesungen. Und dieser Mensch war auch anwesend.“

„Wie jetzt? Außer mir war doch keins der anderen Mädels dort?“

Ich stand total auf der Leitung.

„Ihr seid Euch auf dem Flur begegnet.“

„Kann nicht sein. Da war nur Dietz.“

Josh schwieg.

„Waaaas? Ne, oder? Dann hab ich mich nicht getäuscht, im Krankenhaus? Dietz hat sich in dich verguckt und jetzt…“

„Ja. Und dann hab ich mich irgendwie in ihn verliebt. Linda, ich hab mich in meinem Leben noch nie so toll gefühlt. Er hat mir in ein paar Tagen all das gegeben, was ich in den letzten Jahren bei Jenny und ihren Vorgängerinnen gesucht habe, und niemals hätte finden können.“

Ich war sprachlos, vor Freude. Josh war glücklich und jeder Millimeter seines Gesichts strahlte das aus.

„Bist du jetzt geschockt oder enttäuscht von mir?“ Josh wirkte verunsichert.

Ich nahm ihn ganz fest in den Arm.

„Ich bin überrascht. Mehr nicht. Und ich freu mich riesig für dich. Keine Sorge, es bleibt unter uns. Es wäre schlecht für deinen Schatz, wenn es herauskäme.“

Er seufzte. „Ja, leider. Unsere Liebe ist unter etwas komplizierten Umständen zustande gekommen. Aber Baumann weiß Bescheid. Deswegen ist Flo nicht in unserer Klasse. Unser Direx hat uns zur Vorsicht geraten, aber er wird nichts gegen ihn unternehmen, da uns niemand den Vorwurf machen kann, dass er mich übervorteilt.“

„Der Baumann überrascht mich immer wieder. Aber er kann dich gut leiden, dass wissen wir ja.“

Josh grinste plötzlich über meine Schulter hinweg. „Die Pausenaufsicht kommt.“

Überrascht drehte ich mich um, und Dietz kam auf uns zu. Der Verband um den Kopf war weg, doch den Arm trug er in einer Schlinge. Ich konnte Josh echt verstehen, der Typ war auch zum Anbeißen. Josh sah sich aufmerksam um und ging ein paar Schritte auf ihn zu. Sie küssten sich liebevoll.

„Linda weiß Bescheid und wird es für sich behalten.“

„Hallo Herr Dietz.“

Er hielt mir die linke Hand hin. „Wir sind unter uns, Du kannst ruhig Florian sagen.“

Mit Josh war im Moment nicht mehr viel anzufangen, selig sah er seinen Freund an.

„Bei deinem Lied hätte ich beinahe losgeheult, Schatz. In Zukunft musst du mir öfter mal was vorsingen“, strahlte Florian.

„Ja, du warst der absolute Wahnsinn. Da kann sich selbst der Terenzi noch ne Scheibe von abschneiden.“ ergänzte ich.

Joshua schaute verlegen zu Boden. „Übertreibt es mal nicht. Es war nur gut wegen Flo. Für ihn habe ich gesungen, sonst niemanden.“

Flo griff nach Joshs Hand, als ich plötzlich eine Bewegung an der Ecke des Gebäudes sah.

„Vorsicht, da ist was!“ zischte ich. Sofort ließen sie sich los und fuhren herum. Ich rannte schnell vor und sah um die Ecke, doch da war nichts zu sehen.

„Ich hoffe ich hab mich getäuscht, aber mir war als ob grad jemand zugesehen hat.“

„Das hätte jetzt noch gefehlt“, stöhnte Flo. „Aber dann ließe es sich auch nicht ändern.“

„Ich will nicht, dass du Ärger wegen mir bekommst.“ Josh war mit einem Mal sehr niedergeschlagen.

„Wir sollten jetzt trotzdem rein, die Pause ist um“, bemerkte ich.

Florian verabschiedete sich und eilte zu seiner Klasse. Pünktlich zum Gong saßen ein geknickter Joshua und ich bei Laumer. Alex stürmte in letzter Sekunde zur Tür rein und warf mir noch einen Luftkuss zu.

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