Leichte Kost

Ich stellte meine Koffer aufs Bett ab. Traurig sah ich durch das Fenster nach draußen, es regnete. Gut, ich war selbst schuld. Ohne meine Verbohrtheit wäre ich nie hier gelandet. Es klopfte und die Tür ging auf.

»Hallo Lukas!«

»Hallo.«

Das war Laura, sie war für mich zuständig, sollte auf mich acht geben. Als ob ich einen Babysitter bräuchte, bin schließlich schon siebzehn.

»Jetzt guckt doch nicht so traurig. Weißt du was, wir versuchen einfach das Beste daraus zu machen, okay?«

Ich nickte ihr zu. Magersucht, stark gefährdet hatte die Diagnose im Krankenhaus geheißen, nach dem ich beim Sport in der Schule zusammengebrochen war. Nun war ich hier, in einem Internat für Magersüchtige.

Laura trat neben mich und legte ihren Arm um mich.

»Sie es Mal so Lukas, ich weiß der Anfang hier ist schwer. Wir versuchen einfach das Beste daraus zu machen.«

Sie wiederholte sich und wieder nickte ich nur.

»Jetzt packst du erst einmal in Ruhe aus und nachher zeige ich dir ein bisschen das Haus und die Umgebung. Alexander, dein Zimmergenosse wird bestimmt auch gleich erscheinen.«

Sie schaute mich noch einmal kurz an, wuschelte durch mein Haar, bevor sie das Zimmer wieder verließ.

Im Gedanken fast mechanisch packte ich meine zwei Koffer aus, verstaute alle in meinem Schrank. Als ich die Koffer leer hatte, schob ich sie einfach unter das Bett. Ich wollte mich gerade auf mein Bett werfen, als die Tür aufflog und zwei Jungs ins Zimmer stürmten.

»Alexander, du Drecksack, gib mir meinen Brief wieder!«

Ihn schien das nicht sonderlich zu interessieren, denn er machte keinerlei Anstalten, den Brief zurückzugeben.

»Ich will doch nur lesen was dir deine Tussi schreibt.«

»Das geht dich überhaupt nichts an!«

Der andere Junge versuchte weiterhin Alexander den Brief zu entreisen, doch plötzlich hielten beide inne. Sie hatten bemerkt, dass sie im Zimmer nicht mehr alleine waren. Beide starrten mich an.

»Du bist wohl der Neue?«

Alexander kam zu mir ans Bett, ich setzte mich auf.

»Ich bin Alexander und dieses Brett neben mir ist Thomas.«

Thomas war zwar dünn, aber als Brett würde ich ihn nicht bezeichnen. Deutlich zeichnete sich die Muskulatur unter seinem Tshirt ab.

»Mein Name ist Lukas!«

»Herzlich willkommen in der Fressanstalt!«

Alexander hatte seine Hand gehoben. Zaghaft griff ich nach ihr und er schüttelte wie verrückt.

»Wie viel?«

Verwundert schaute ich Alexander an.

»Wie viel was?«

»Wie viel du drauf hast?«

»Ich weiß jetzt nicht, was du meinst.«

»Wie viel du wiegst?«

Ich musste schlucken, denn darüber redete ich eigentlich nicht gerne.

»Neunundvierzig Kilo.«

Ich hatte das sehr leise gesagt, meinen Kopf zu Boden gesenkt.

»Wow, da bist du ja absoluter Spitzenreiter, so einen leichten Jungen hatten wir hier noch nie!«

Alexander und Thomas fingen beide an zu lachen. In mir stieg die Wut auf, was war das hier. Wurden Wetten abgeschlossen, wer hier der Leichteste der Woche ist? Säuerlich sprang ich auf.

»Das kann dir doch scheiß egal sein, lass mich einfach in Ruhe, verstehst du?«

Ich lief zur Tür und wollte nach draußen laufen, aber etwas hielt mich fest. Alexander.

»He Lukas, ganz ruhig, so hatten wir das nicht gemeint! Komm, bleib hier bei uns, jeder war mal in der gleichen Lage wie du, jeder von uns!«

Traurig schaute ich ihn an und konnte nicht anders, ich fing an zu weinen.

»Ich geh dann lieber mal, wir sehen uns dann später zum Essen.«

Ohne Schwierigkeiten zog Thomas seinen Brief aus Alexanders Hand und ließ uns allein. Alexander hielt immer noch meinen Arm fest. Und nun zog er auch noch daran und nahm mich in den Arm.

»He komm her, wein dich einfach aus, dass tut dir gut!«

Die Worte, die er leise in mein Ohr gehaucht hatte, ließen wahre Sturzbäche folgen. Ich bekam nicht mit, wie wieder die Tür geöffnet wurde. Auch nicht, dass Alexander; Laura wieder wegschickte, nach dem sie von Thomas gehört hatte, was eben passiert war.

»Willst du dich nicht hinlegen, ich bleibe auch bei dir!«

Ich war nicht fähig zu reden, nickte nur leicht mit meinem Kopf. Alexander zog mir meine Lederjacke aus, die ich immer noch anhatte. Dann drückte er mich sanft auf das Bett, wo ich mich einrollte, wie ein kleines Kind.

»Ich wollte ja essen, aber ich habe es einfach nicht geschafft, spätestens fünf Minuten später war alles wieder draußen.«

»Finger im Mund?«

Ich brauchte mir nichts vorzumachen, jeder hier hatte das gleiche Problem wie ich. Benommen öffnete ich die Augen und sah Alexander verschwommen vor mir.

»Warum?«

»Was meinst du?«

Alexander sah mich fragend an.

»Warum hast du abgenommen?«

»Ich? Gute Frage! Ich könnte dir vielleicht ein Bild von mir zeigen, wie ich noch vor einem Jahr ausgesehen habe.«

Er stand auf und öffnete sein Schrank. Aus dem Privatfach, was jeder in seinem Schrank hatte, zog er etwas heraus und setzte sich wie zu mir. Er hielt mir eine Fotografie vor die Nase.

»Das war ich mit hundertfünfzehn Kilo, das Gespött der ganzen Schule.«

Ich sah vor mir einen fetten Jungen, der mit Alexander hier keine Ähnlichkeit hatte. Ein Fettring lugte hing unter dem Tshirt hervor und die Hose schien auch nicht recht zu passen.

»Das warst du?«

Ich nahm die Fotografie in die Hand und betrachtete es weiter.

»Ja! Der Grund warum ich mit dem Abnehmen begann. Am Anfang lief alles glatt. Die Kilos fielen gerade so, bis ich bei achtzig Kilo war. Dann war fenito.«

»Und dann?«

Ich hatte ihm das Bild zurückgegeben.

»Ich hörte einfach auf richtig zu essen, ich fraß wie immer und spuckte danach alles wieder hinaus. Das Resultat siehst du hier. Mit meinen 1,83 habe ich jetzt nur noch vierundfünfzig Kilo. Na gut, mittlerweile habe ich ja wieder vier Kilo zugenommen, war aber echt hart.«

Ich schaute Alexander näher an. Seine kurzen, blonden Haare waren nach vorne gegellt. Seine Stupsnase lenkte nicht von den blauen Augen ab, die mich jetzt frech anschauten.

»Was ist deine Geschichte? Was hat dich bewegt, so abzunehmen?«

Ich wurde verlegen und schaute weg.

»So schlimm?«

»Ich weiß nicht, ob ich dir das sagen kann, entweder du wirst lachen oder überhaupt nicht mehr mit mir reden wollen!«

Meine Stimme war fest, was mich verwunderte.

»Was kann so schlimm sein, dass ich nicht mehr mit dir reden wollte.«

»Ich habe das für jemanden gemacht, ich wollte gut aussehen!«

Verschämt schaute ich weiter zur Wand.

»Das ist doch kein Grund, dass man sich schämen muss. Weißt du wie viele hier sind, die den gleichen Grund haben wie du.«

»Würdest du das für einen Jungen tun?«

»Bitte?«

Klar, Alexander konnte mir nicht folgen, wie sollte er auch wissen, dass ich schwul war. Aber das war nun auch egal. Ich drehte mich von der Wand weg und schaute Alexander fest in die Augen.

»Ich bin schwul, ich wollte abnehmen, dass ich einem Kerl gefalle, der keine Notiz von mir genommen hatte.«

»Erfolgreich?«

Es schien ihm absolut nichts auszumachen, dass ich schwul war. Erstaunt sah ich ihn an.

»Warst du erfolgreich?«

»Nein!«

Wieder wurde die Tür aufgeworfen und knallte gegen meinen Schrank, der neben der Tür stand. Ein weiterer Junge war ins Zimmer getürmt.

»Erwischt!«

Alexander fuhr erschrocken herum.

»Jochen du Arsch, wie oft soll ich dir noch sagen, klopf an, bevor du in mein Zimmer kommst.«

Jochen schien das nicht zu beeindrucken, fies grinste er vor sich hin.

»Ich wollte nur wissen ob es stimmt, dass du einen neuen auf dem Zimmer hast und du gleich über ihn hergefallen bist.«

Unweigerlich musste ich grinsen. Ich lag auf dem Bett, Alexander leicht über mich gebeugt, das konnte man schon so auslegen, als hätten wir etwas gemacht. Moment, Alexander über mich herfallen, war er auch schwul?

»Klar Jochen, du weißt ja ich spring alles an, was Haare am Sack hat und bei drei nicht auf dem Baum sitzt.«

Das hatte jetzt doch etwas säuerlich geklungen.

»Ein guter Rat, schließ einfach die Tür, aber von draußen!«

Jochen schien gemerkt zu haben, dass er unerwünscht war. Schnell war er wieder verschwunden.

»So nun hast du Jochen kennen gelernt, etwas überdreht, aber doch recht lieb.«

»Bist du auch schwul? Ich meine…«

»Weil Jochen eben meinte, ich würde über dich herfallen?«

Alexander fing laut zu lachen an ließ sein Kopf nach hinten fallen. Nun wusste ich überhaupt nicht, woran ich war.

»Sagen wir mal so, ich bin so … ich bin Multiculti, von jedem etwas. Ich möchte mich da nicht festlegen.«

Zärtlich strich er mir über die Wange.

»Jedenfalls hast du dich jetzt etwas beruhigt. Hast du Lust, die hier etwas umzusehen?«

»Laura wollte mir alles zeigen.«

»Klar, dafür ist sie ja auch da. Aber ich denke, sie freut sich, wenn ich ihr den Job abnehme.«

»Mir ist schlecht!«

»Hast du etwas gegessen?«

Ich schüttelte den Kopf.

»Dann ist es sicher die Aufregung. Komm ich zeige dir eine schöne Stelle, draußen am Meer, dann geht es dir sicherlich gleich wieder besser.«

Ohne eine Antwort abzuwarten, zog er mich aus dem Bett und schon waren wir auf den Flur. Vor einer Tür am Ende des Flurs machte er halt und klopfte an. Er hatte immer noch meine Hand in seiner.

Die Tür öffnete sich und Laura schaute heraus.

»Ich geh mit Lukas etwas nach draußen, ist dir doch recht?«

Laura musterte mich kurz, wobei ich bemerkte, dass ihr Blick etwas länger auf unsere Hände haften blieb.

»Klar doch, aber nicht zu lange, in einer Stunde gibt es essen.«

»Keine Sorge, wir sind pünktlich zurück.«

Lächelnd verabschiedete sich Laura und verschwand wieder hinter der Tür.

»So, jetzt sind wir abgemeldet. Merke dir bitte, wenn du das Haus verlässt, dich immer bei Laura abmelden, sonst könnte es Ärger geben.«

Bevor ich nicken konnte zog mich Alexander schon die Treppe hinunter. Es begegneten uns einige Jungs auf der Treppe, aber außer einem Hallo schienen sie uns keine weitere Beachtung zu schenken.

Nur ich sah mir jeden genau an und bemerkte, dass sie alle so dünn waren. Nach einem weiteren Flur und noch einer Treppe kamen wir an eine Ausgangstür. Auch hier zog mich Alexander nach draußen, ohne mich auch nur einmal loszulassen.

Frischer Wind blies mir ins Gesicht und ich atmete erst einmal tief durch.

»Siehst du, ich wusste doch, die frische Luft tut dir gut!«

»Danke!«

»Für was?«

»Dass du für mich da warst, du kennst mich doch gar nicht!«

»Lukas, hör einmal zu. Wir sind alle hier aus demselben Grund. Keiner von uns hat etwas zu verbergen. Jeder weiß über den Anderen Bescheid. Du bist neu, total unsicher, warum sollte ich dir dann nicht helfen?«

»Ich bin das nicht gewohnt, dass sich einer für mich einsetzt.«

»Dann gewöhn dich mal ganz schnell daran, hier läuft dass immer so ab.«

Ich musste lächeln und blinzelte in die Sonne, der Regen und die Wolken hatten sich verzogen.

»So gefällst du mir schon besser!«

Alexander grinste mich an und lief mit mir einen Weg hinunter, ohne meine Hand loszulassen.

»Wohin gehst du mit mir?«

»An meinen Lieblingsplatz, der wird dir sicher auch gefallen.«

Er zog mich durch einen kleinen Waldpfad, der an dem Gründstück begann, worauf sich das Internat befand. Da die Bäume recht dicht standen, konnte ich nicht genau sehen wohin wir liefen.

Alexander blieb stehen und stellte sich vor mich.

»So und nun schließe deine Augen. Ich führe dich, vertrau mir!«

Ich erfüllte ihm seinen Wunsch und schloss meine Augen. Nun nahm er auch meine andere Hand und schien vor mir herzulaufen.

»Vorsicht. Hier kommen Steine, steig einfach auf sie drauf!«

Es war gut, dass Alexander mich gewarnt hatte, sonst wäre ich bestimmt auf die Fresse geknallt. Ich überlegte noch, ob ich nicht doch etwas blinzeln sollte, nur um zu schauen, wie der Weg jetzt war.

Doch Alexander kam mir zuvor.

»So und nun bleib stehen!«

Er lief hinter mich, lehnte sich von hinten an meine Schulter.

»Und nun öffne deine Augen.«

Langsam öffnete ich sie, blinzelte der hellen Sonne entgegen. Vor mir hatte ich ein atemberaubendes Panorama. Alexander hatte mich auf eine Klippe geführt und vor mir lag das Meer.

Wild peitschten die Wellen gegen die Felsen, ich spürte das Wasser, als feinen Sprühregen, der mein Gesicht benetzte.

»Und, was sagst du?«

Ich sah über meine Schulter in Alexanders Augen.

»Einfach nur geil!«

*-*-*

Eigentlich wollte ich mich von diesem herrlichen Anblick nicht trennen. Ich liebte das Meer, war mit meinen Eltern immer gerne dorthin gefahren. Alexander war mit mir wieder zurückgelaufen.

Es war Essenszeit und wichtig, dass alle pünktlich da waren. Ich dachte erst, wir sitzen alle in einem großen Saal auf Bänken und die Aufpasser irgendwo erhöht auf einen Potest. Aber hier wurde ich angenehm überrascht.

Alexander führte mich an eine Theke, in der das Abendessen aufgebaut war. Wir er nahm ich mir einen Teller und Besteck. Es gab schon eine größere Auswahl und ich hatte richtig Hunger.

Als ich anfangen wollte, meinen Teller voll zu schaufeln, bremste mich Alexander ab.

»Nimm nur das mit, was du wirklich essen kannst, lad nicht unnötig deinen Teller voll, denn nachher rennst du ja eh wieder auf die Toilette!«

Wenn ich eben noch im Glücksgefühl schwebte, so war ich jetzt wieder auf dem Boden. Alexander nahm sich zwei Scheiben Brot, etwas Wurst und ein Getränk, dann sah er mich an. Ich schaute mich noch mal kurz um und entschloss mich heute Abend nur einen Joghurt zu essen.

Alexander lächelte mich an und nahm einen Apfel, der er noch zu mir aufs Tablett legte. Danach gingen wir zu einem Türbogen der uns in den Speisesaal brachte. Wie schon gesagt, ein richtiger Speisesaal war es nicht.

Dieser riesige Raum war in mehrere Ebenen eingeteilt, verbunden mit kleinen Treppen.

»Hier kannst du auch deine Hausaufgaben machen, wenn du nicht alleine auf unserem Zimmer sitzen willst!«

Alexander wies auf einen Tisch und ich folgte ihm dort hin. Was mir auch sehr gefiel, waren die vielen Grünpflanzen, die alles unterteilten. Ich konnte sogar Bücherregale und mehrere Computer entdecken.

»Na wie gefällt dir unser Speisesaal?«

Thomas war zu uns gekommen und setzte sich neben Alexander. Ich wurde durch Gekicher abgelenkt. Auf einer höheren Empore saß eine Gruppe Mädchen, die auf uns herunter schaute. Was ich eben nicht wusste, dass ein Teil des Hauses auch von Mädchen bewohnt wurde.

Na ja, Haus konnte man auch nicht sagen, es war eher so etwas wie eine alte Festung, die nur modernisiert wurde. Unschlüssig sah ich auf meinen Joghurt. Thomas lächelte mich aufmunternd an

So nahm ich meinen Löffel und begann zu essen. Alexander und Thomas erklärten mir den Ablauf eines Tages. So erfuhr ich auch, dass Montag bis Samstagmorgen Schule war. Der Mittag war für Hausaufgaben, Sport oder Hobbys gedacht, wobei an einem Tag in der Woche für Therapiesitzungen vorgesehen war.

Auch erfuhr ich die Geschichte von Thomas, der wegen der vielen Streitereien seiner Eltern in einen Art Hungerstreik getreten war. Als er fertig war mit seiner Erzählung, merkte ich erst, dass ich meinen Joghurt und den Apfel bereits gegessen hatte.

Alexander war ebenso fertig.

»Und wie fühlst du dich jetzt?«

Ich hörte in mich hinein.

»Ich weiß nicht so Recht, aber schlecht ist mir nicht!«

»Das ist doch schon einmal ein Anfang!«

Wir räumten unser Tabletts zur Geschirrrückgabe und verließen den Aufenthaltsraum wieder.

»Ist es eigentlich normal, dass keiner von den Lehrern oder dem anderen Personal aufpasst, was wir essen?«

Ich hatte mich nämlich schon die ganze Zeit gewundert, dass man niemanden sah. Ich folgte Alexander in unser Zimmer.

»Nein, du sollst ja nicht wegen ihnen Essen. Hier läuft alles auf Vertrauensbasis ab, das einzigste, was sie prüfen ist jeden zweiten Tag dein Gewicht. Ansonsten siehst du sie nur zum Unterricht, oder während der Therapiestunden.«

»Und Laura?«

»Laura ist so etwas wie unsere Heimmutter, zu ihr können wir gehen, wenn wir ein Problem haben oder einfach jemanden zum Reden brauchen, da gibt es noch Karl, der sich mit Laura abwechselt, aber den wirst du noch kennen lernen.«

»Und das hilft? Ich meine, man kann die Magersucht wegbekommen?«

»Klar, schau mich an, ich bin jetzt fast zwei Monate hier und habe schon vier Kilo zugenommen!«

»Und woher weiß ich, wie viel ich zu nehmen muss?«

»Das erfährst du alles in deinen Therapiestunden!«

»Und wie ist es mit dem Unterricht?«

»Das ist ein offener Unterricht, wie es ihn nur selten in Deutschland gibt.«

»Offener Unterricht?«

»Du darfst dir das nicht so vorstellen, dass wir in einem Klassenzimmer hinter unseren Bänken sitzen und vorne zu unserem Lehrer an die Tafel schauen.«

»Wie soll dass sonst funktionieren?«

»Wir machen sehr viel in Teamarbeit, aber dass wirst du morgen ja sehen!«

Ich war etwas unruhig geworden. Im Vorfeld hatte ich das alles schon einmal vom Rektor gehört, aber da war ich noch so mit mir selbst beschäftigt, dass ich nicht richtig aufgepasst hatte.

Bücher und Stundenplan hatte ich bereits bei der Ankunft bekommen. Alles lag gestapelt auf meinem Schreibtisch. Alexander ließ sich auf sein Bett fallen. Er grinste mich dabei an.

»Was ist?«

Er begann noch mehr zu grinsen.

»Weißt du eigentlich, dass du verdammt gut aussiehst?«

Ich betrachtete mich an dem großen Spiegel der an der Zimmertür befestigt war.

»Und eitel bist du noch dazu«

Ich merkte dass mich Alexander auf den Arm genommen hatte. Ich stürzte mich kurzerhand auf ihn und kitzelte ihn durch. Aber ich hatte nicht mit seiner kraft gerechnet. Schnell lag ich unter ihm und war nun das Opfer.

Plötzlich hielt Alexander inne. Ich atmete schwer und versuchte mich von seiner Attacke zu erholen. Ich starrte auf seine blauen Augen und irgendwie versank ich darin. Langsam näherte sich Alexanders Kopf und plötzlich berührten sich unsere Lippen.

Alexander schien zu merken, wie überrascht ich war und ließ plötzlich von mir ab.

»Sorry, ich hab mal wieder nicht nachgedacht.«

Ich hielt ihn fest und zog ihn wieder auf mich.

»Was ist denn los? Ich fand das herrlich, ich wurde noch nie von einem Jungen geküsst!«

»Echt nicht? Du hattest doch sicher schon einen Freund!“

»Nein, leider nicht, der, in den ich mich verguckt hatte, wollte ja nichts von mir wissen.«

»Versteh ich nicht, du siehst doch echt voll goldig aus! Na ja vielleicht etwas zu dünn.«

Ich konnte sein Grinsen sehen, mit welchen er die Bemerkung gemacht hatte. Aber es machte mir nichts aus, ich wusste, dass ich zu dünn war.

»So ich seh gut aus und dass ist wohl der Grund, warum du meinen Lippen nicht widerstehen konntest.«

Meine Behauptung schien ihn etwas aus der Fassung zu bringen. Etwas ratlos starrte er auf den Boden.

»He Alexander, ich fand das wirklich toll!«

Unsicher schaute er mich an, aber als er merkte, wie ich lächelte, schien ihn das auch zu beruhigen.

»Ich hoffe, du denkst jetzt, ich will etwas von dir, ich hatte nur das Bedürfnis, dich zu küssen.«

»Jederzeit wieder!«

Ich streckte meine Arme aus und zog ihn zu einem weiteren Kuss zu mir herunter.

*-*-*

Zwei Wochen später… Ich hatte meine Sitzung hinter mir und öffnete die Tür zu meinem Zimmer.

Und ich düse, düse, düse im Sauseschritt,

und die bring die Liebe mit,

von meinem Himmelsritt.

Denn die Liebe, Liebe, Liebe die macht viel Spass,

viel mehr Spass, als irgendwas!

©DÖF – Codo

Alexanders Radio dudelte vor sich hin. Dies schien ein Lied aus den Achtzigern zu sein. Es saß über seinen Hausaufgaben und wippte im Takt zur Musik. Leise stellte ich meine Tasche auf meinen Tisch ab.

Er schien mich nicht zu bemerken, denn plötzlich sang er den Refrain mit. Er hatte so eine wunderschöne, klare Stimme, ich bekam eine Gänsehaut. Starr stand ich an meinem Tisch und schaute auf Alexander.

Die Melodie klang aus, es kam nur noch Text und er sang immer noch Vollhals mit. Als das Lied endete drehte er den Kopf zur Seite, er blickte in meine Richtung und fuhr zusammen.

»Oh man, hast du mich jetzt erschreckt! Stehst du schon lange hier?«

»Das ganze Lied!«

Alexander lief rot an und starrte auf seine Hausaufgaben.

»Was ist, Alexander?«

»Ich wusste nicht, dass du im Raum warst, sonst hätte ich doch nicht so laut mitgesungen.«

Sehr leise waren diese Worte über seine Lippen gekommen, ich spürte, wie er sich dafür schämte. Ich lief zu ihm hin und legte mein Arm um ihn.

»Glaubst du, du könntest für eine halbe Stunde deine Hausaufgaben unterbrechen?«

»Ich kann mich jetzt eh nicht konzentrieren, wieso, was hast du denn vor?«

»Lass uns auf die Klippe gehen!«

Alexander nickte und folgte mir aus dem Zimmer. Nachdem wir uns bei Laura abgemeldet hatten, liefen wir denselben, kleinen Pfad entlang wie auch am ersten tag meiner Ankunft. Mittlerweile hatte ich mich hier etwas eingelebt, auch Dank Alexander.

Wie gewohnt hielt Alexander meine Hand und lief voraus. Wir kicherten laufend und ich wusste nicht einmal warum. Die letzte Biegung des kleinen Wäldchens hatten wir hinter uns gelassen und da lag sie, die Klippe.

Diesmal war etwas anders wie sonst. Wir waren nicht alleine. Ein Junge saß recht weit vorne, am Abgrund, ließ sich den Wind um die Nase wehen. Alexander schaute mich an. Er kam mit seinem Mund direkt an mein Ohr und flüsterte.

»Ich glaub, dass ist der Neue, von dem Laura gestern gesprochen hat.«

Ich nickte ihm zu. Ohne auf den Boden zu sehen, wollte ich weiter laufen, was ich aber gleich bereute. Der Stein unter meinem Fuß kippte zur Seite und ich stolperte. Wäre Alexander nicht gewesen, läge ich jetzt auf der Nase.

Er bekam mich noch rechtzeitig zu fangen und so lag ich nun halb in seinen Armen. Diese Aktion war nicht ohne Geräusche abgelaufen, sprich, ich hatte einen Schrei ausgestoßen. Was natürlich zur Folge hatte, dass der Junge auf der Klippe herumfuhr.

Wortlos stand er auf und lief zum Internat zurück, der Blick der mich traf tat weh, ich hatte noch nie solche traurige Augen gesehen.

»Hallo!«

Er reagierte nicht und Alex sah mich verwundert an.

»Lass ihn, oder kannst du dich nicht erinnern, wie du dich am ersten Tag gefühlt hast?«

»Klar, aber da warst du für mich da!«

Alexander lächelte verlegen.

»Meinst du nicht, dass ich ebenso auf Neue zugehen sollte, um es ihnen leichter zu machen?«

»Lukas unser Retter!«

Alexander hatte wieder diesen schelmischen Blick drauf, ich konnte nicht anders und musste lachen.

»Lass uns zurückgehen und ihn suchen!«

»Du wolltest doch zur Klippe und ich habe extra meine Hausaufgaben unterbrochen.«

»Das ist wichtiger, Alex, komm lass uns ihn suchen!«

Alexander schaute mich an.

»So hast du mich noch nie angesprochen!«

Stimmt Alexander hatte Recht, ich hatte wirklich noch nie Alex zu ihm gesagt.

»Danke!«

Jetzt war ich irritiert.

»Für was?«

»Dass es dich gibt!«

Jetzt vollends verwirrt, folgte ich ihm zurück zum Internat.

*-*-*

»Was ich dich fragen wollte Lukas, kommt dir der Junge auch bekannt vor?«

»Nein, woher denn auch?«

Wir befanden uns auf dem Weg zu Laura.

»Ich meine sein Gesicht, ich habe den schon einmal gesehen!«

»Weiß ich, wen du alles kennst?«

»Nicht viele, dass ist schon mal klar, aber den kenne ich irgendwo her.«

»Fernseher?«

»Kann sein, ich frag jetzt Laura einfach nach dem Namen.«

»Tu das! Ich geh zurück ins Zimmer und fang mit meinen Hausaufgaben an.«

»Och komm Lukas, komm doch mit!«

»Nein, aber du kannst mir ja dann gleich erzählen, wer das ist.«

»Okay, bis gleich.«

Alexander zog von dannen und bewegte mich zu unserem Zimmer. Eben wollte ich dem Jungen noch helfen, aber als Alex anfing, er meinte er kenne den, fiel mir schlagartig ein, wo ich den schon einmal gesehen hatte, im Kino, in einem Film.

Er musste es sein, ich hatte den Film ja mindestens sechs Mal schon gesehen. Ich hatte mich auf mein Bett niedergelassen, als die Tür aufflog. Alexander.

»Weißt du wer das ist?«

»Kostja Ullmann!«

Alex starrte mich an.

»Woher weißt du das nun schon wieder?«

»Ich habe den Film Sommersturm mindestens sechs Mal gesehen.«

»Oh!«

»Ja oh, und jetzt mach bitte die Tür zu!«

Alex schloss die Tür und setzte mich zu mir.

»Und jetzt?«

»Was und jetzt, ich setz mich jetzt an meinen Schreibtisch und mache Hausaufgaben!«

»Aber eben wolltest du ihm noch helfen…«

»Alex, dass ist ein Schauspieler, der ist bekannt. Meinst du, der will mit jemandem wie mir etwas zu tun haben?«

»Jetzt mach mal halblang, nur weil Kostja in ein paar Filmen mitgespielt hat, wird er nicht so abgehoben sein, um nicht mit uns zu reden. Du vergisst, was für ein Haus dass hier ist, ohne Grund wird er nicht hier sein.«

»Vergiss es Alex!«

»Oh, der Herr ist schüchtern!«

»Arsch!«

»Ja, gestatten Tillmeier!«

Alex grinste mich schon wieder so an.

»Ich kann doch nicht einfach zu ihm so hingehen.«

»Warum nicht, was hindert dich daran?«

»Ich weiß ja nicht einmal, in welchem Zimmer er liegt.«

»Zimmer 217, den Gang runter, er bewohnt das alleine.«

Alex schaute mich an.

»Nun geh schon, sei kein Hasenfuss!«

»Du meinst wirklich?«

»Klar!«

Alex schob mich zu Tür.

»Wenn du in fünf Minuten nicht wieder da bist, gebe ich eine Vermisstenanzeige heraus!«

»Du bist so ein …«

»Arsch, ich weiß!«

Somit stand ich vor der Tür unseres Zimmers, die Alex hinter mir geschlossen hatte. Unsicher und mir immer noch nicht im Klaren, was ich eigentlich dort wollte, lief ich langsam den Flur hinunter, bis ich auf der Zimmertür 217 lesen konnte.

Ich hob die Hand und ließ sie wieder sinken. Als ich mich gerade wegdrehen wollte, öffnete sich die Tür und zwei wunderschöne, aber traurige Augen sahen mich an.

»Ja?«

»Ähm, hi«

»Ich habe etwas vor der Tür gehört und fand dich hier, wolltest du zu mir?«

»Ja!«

Ich fühlte mich auf einmal so elend, wollte am liebsten wegrennen. Ich spürte wie meine Knie weich wurden und nachgaben.

»Ist dir nicht gut?«

Kostja sah mir in die Augen.

»Tut mir leid, ich wollte dich nicht belästigen.«

Ich wollte mich umdrehen, wieder in mein Zimmer zurückgehen, aber meine Beine gehorchten nicht, ich konnte mich nicht von diesem Blick, Kostjas Augen trennen.

»Tust du nicht, jedenfalls nicht so wie die Anderen.«

Mit diesen Worten ließ er mich stehen und ging zurück in sein Zimmer, ließ aber die Tür offen stehen. Langsam und unsicher folgte ich ihm und schloss die Tür hinter mir. Er hatte sich auf sein Bett fallen lasen und starrte aus dem Fenster.

»Willst du ein Autogramm?«

Diese Frage kam fast mechanisch und erschreckte mich.

»Nein Danke.«

Kostja sah mich erstaunt an.

»Warum bist du dann hier?«

Ich nahm allen Mut zusammen und setzte mich auf den Stuhl, der am Bett stand.

»Ich… ich wollte dich fragen, warum du so traurig schaust?«

»Bitte?«

Er schaute mich erstaunt an.

»Als du vorhin, an der Klippe an uns vorbei gelaufen bist, hast du so traurig geguckt.«

»Interessiert das wen?«

»Ja mich?«

»Und warum? Will jeder nur noch wissen, welch unglückliches Leben Kostja Ullmann führt?«

»Ich finde es egal ob du Kostja oder Phillip oder irgendwie heißt. Aber es macht mich traurig, dich traurig zu sehen.«

Kostja drehte seinen Kopf wieder langsam zu mir.

»Dich interessiert nicht, wer ich bin?«

»Halt, so habe ich das nicht gemeint. Ich meinte… was ich sagen will, du interessierst mich schon, aber nicht der öffentliche Kostja, sondern der Private!«

»Da wärst du der Erste!«

Meine Hände waren kalt und feucht. Nervös rieb ich sie aneinander.

»Dann bin ich eben der Erste! Und Alexander, mein Zimmerkollege wäre schon der Zweite, der denkt wie ich.«

Eine Pause entstand, Kostja sah zum Fenster hinaus, aber ich bemerkte, dass er nachdachte, angestrengt nachdachte.

»Weißt du, jeder versucht bei mir drein zureden. Jeder weiß es besser, vor allem weiß jeder alles! Ich ertrage das nicht mehr.«

»Hast du deswegen so sehr abgenommen?«

Erschrocken sah er mich an und senkte seinen Blick nach unten.

»Kostja, entschuldige, wenn ich dir zu Nahe getreten bin, aber jeder hier im Haus hat Probleme, warum er abgenommen hat.«

»Und warum bist du hier?«

Ich atmete tief durch. Jetzt war ich schon zwei Wochen hier, hatte einige Sitzungen hinter mir, doch ich spürte, dass es mir immer noch schwer viel, darüber zu reden.

»Ich habe versucht jemanden zu gefallen!«

»Und wie hat sie reagiert?«

Redeten wir jetzt noch von einer Person, oder meinte Kostja, dass ich ein Mädchen meinte. Wieder holte ich tief Luft und nahm meinen ganzen Mut zusammen.

»Er wusste nicht, dass ich für ihn schwärmte!«

Kostja sah mich kurz entsetzt an und richtete sich auf.

»Halt, bevor du dir irgendwelche Hoffnungen machst, weil ich in Sommersturm mitgespielt habe, dass war nur ein Film. Robert hat nur einen Schwulen gespielt, er ist keiner! Und ich erst Recht nicht!«

Wie vor den Kopf geschlagen sah ich ihn an. Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Hatte ich gesagt, ich wolle etwas von ihm, oder gar, er wäre schwul? Ich stand auf, ohne etwas zu sagen.

Ohne mich herum zudrehen verließ ich den Raum und ging zurück zu meinem Zimmer. Ich öffnete die Tür und ein erwartungsvoller Alex sah mich von seinem Schreibtisch an. Nach dem ich kurz inne gehalten hatte, ließ ich mich auf mein Bett fallen und begann zu weinen.

Nur weit weg hörte ich wie Alex sein Suhl wegschob, aber nicht wie erwartet, kam er zu mir, die Tür zu unserem Zimmer ging auf.

»Bist du noch ganz Jeck? Was hast du mit Lukas gemacht. Meinst du, nur weil du ein berühmter Pinkel bist, kannst du jeden behandeln wie Dreck?«

Alex schien zu Kostja gegangen zu sein, er war außer sich und schrie Kostja laut an.

»Ich habe doch nichts…«

»Und warum liegt Lukas in seinem Bett und weint?«

»Ich habe doch nur gesagt, ich bin nicht schwul.«

»Na toll, meinst du er ist zu dir gekommen, weil er dachte du bist schwul?«

»Ich … ich…«

»Alexander könntest du mir vielleicht mal sagen, was hier los ist?«

Das war Laura. Ich stand auf und ging zur Tür. Dabei bekam ich so ein seltsames Gefühl in der Magengegend, wie ich es nur zu gut kannte. Postwendend drehte ich mich um, und rannte auf die Toilette.

Ich übergab mich, wie schon lange nicht mehr. Mir wurde schwindlig, versuchte mich aber trotzdem an der Klobrille fest zuhalten. Ich zitterte am ganzen Körper und Tränen quollen mir aus den Augen.

»Der kommt einfach hier her und meinte er müsse Lukas fertig machen!«,hörte ich Alex laut rufen.

Ich wusch mir mein Gesicht ab und lief wieder langsam zur Tür.

Alex war immer noch außer sich, bemerkte aber, dass ich an der Tür stand. Mitleidig sah er mich an. Laura drehte den Kopf und sah ebenso zu mir.

»Ihr beiden meldet euch in fünf Minuten an meiner Tür, klar! Und das gilt für dich, Lukas auch!«

Ich nickte und sah Laura nach, wie sie wieder zurück, zu ihrer Bleibe ging. Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter und drehte meinen Kopf. Alex stand hinter mir und lächelte mich sanft an.

Kostja stand direkt hinter ihm. Er war blass im Gesicht, zeigte aber sonst keine Regung.

»Gehen wir?«

Alex schaute mich fragend an und ich nickte. Ich schloss die Tür und lief etwas unsicher gemeinsam mit ihm und Kostja zu Lauras Zimmer. Dort angekommen klopfte Alex an der Tür. Sie öffnete sich einen Spalt und wir traten ein.

Laura telefonierte noch, ließ uns aber mit einem Handwink wissen, dass wir uns setzten sollten. Dann drückte sie das Gespräch weg.

»So ihr drei, jetzt reden wir mal Klartext. Ich war von Anfang dagegen, dass Herr Ullmann zu uns ins Haus kommt. Er ist schon 21 und somit gehört er eigentlich nicht hier her. Aber der Presserummel um ihn und auch seine Magersucht, haben meine Meinung geändert.«

Laura machte eine Pause und sah jeden Einzelnen von uns an.

»Was ist eben passiert, warum hat Lukas geweint und wie ich sehe, auch anderes!«

»Daran bin ich schuld, ich habe ihn… Lukas anscheinend verletzt!«

Kostja schaute zum Boden.

»Ich dachte, wenn man ihn so einem Film mitspielt, wäre man toleranter, aber das ist bei dir wohl nicht der Fall!«

»Alexander, du bist erst mal ruhig! Ich finde es ja toll, dass du dich so für Lukas einsetzt, aber deine Art und Weise, ist nicht die Richtige!«

Betroffen schaute Alex erst zu mir, dann zu Kostja.

»Ich wollte doch nur, dass es keine Missverständnisse gibt.«

Dies kam nun von Kostja. Nun sahen alle zu mir.

»Ich wollte nur helfen… ich…«

Ich spürte, wie sich wieder neue Tränen ihren weg bahnten.

»Tut mir leid Lukas, ich habe das falsch verstanden, können wir noch einmal von Vorne anfangen?«

»Sind wir hier beim Film? Klappe, noch einmal von Vorne?«

»Alexander es reicht jetzt wirklich!«

»Ja, ist ja schon gut. Ich will nur nicht das Lukas jemand weh tut, er bedeutet mir nämlich sehr viel!«

Erstaunt sah ich Alex an, der mich verlegen anlächelte.

»Das ist mir nicht entgangen Alexander und das spricht auch für dich, aber ich finde Kostja hat Recht, versucht es doch noch einmal von Vorne! Ich denke ihr geht jetzt jeder in sein Zimmer und denkt darüber nach, später schau ich noch einmal kurz bei euch herein!«

Wir nickten alle drei und standen auf. Wenig später waren wir alle auf dem Flur. Schweigend! Alex schaute mich kurz an und nahm dann Kostjas Hand in die Seine.

»Kommst du mit, in unser Zimmer?«

Kostja nickte und ließ sich von Alex zu unserem Zimmer ziehen. Auch wenn Alexander größer als Kostja war, er war immerhin vier Jahre jünger und irgendwie sah es drollig aus, ich musste grinsen.

»So gefällst du mir schon besser! Nun komm, bevor Laura auf dem Flur auftaucht!«

Ich folgte den Beiden und es fiel mir auf, dass er überraschend ruhig auf dem Flur war. Keiner schaute aus dem Zimmer, um sich zu vergewissern, was passiert war.

Im Zimmer bot Alex, Kostja, seinen Stuhl an. Er selber setzte sich auf meinen Schreibtischstuhl. Ich dagegen stand irgendwie ratlos an der Tür. Alex schaute mich an und zeigte auf sein Knie.

Meinte er das jetzt Ernst, ich soll mich auf sein Knie setzten, er sah mich fragend an. Zögernd lief ich langsam zu ihm und setzte mich auf seinen Schoss. Er legte den Arm um meinen Bauch und zog mich näher zu sich.

»Seid ihr ein Paar?«

Erschrocken schaute ich zu Kostja.

»Nein, noch nicht!«

Nun sah ich zu Alex, dessen Mund gerade diese Behauptung aufgestellt hatte.

»Meinst du das jetzt Ernst? Ich dachte du und Thomas…«

»Thomas und ich sind Freunde, mehr nicht…«

»Soll ich lieber gehen?

Ich spürte, dass Kostja sich nun fehl am Platz vorkam.

»Nein bleib ruhig hier, mein Kleiner hier, ist jetzt nur ein wenig überrascht.«

»Überrascht ist gut, er wusste ja von nichts!«

»Könntet ihr beiden Mal aufhören nicht von mir, sondern mit mir zu reden?«

Jetzt war ich schon ein wenig genervt, obwohl dieses Gefühl schnell wieder wich, als die Worte „mein Kleiner“ in meinem Kopf nach halten. Alex grinste mich frech an.

»Lukas, ich möchte mich noch einmal bei dir entschuldigen, tut mir Leid, aber ich bin etwas neben der Rolle.«

»Versteh ich, ging mir nicht anders, als ich vor zwei Wochen hier herkam.«

»Du bist erst zwei Wochen hier, ich denke ihr… du… geht das so schnell?«

Ich verstand nicht recht, was Kostja meinte, aber Alex antwortete dafür.

»Ja, so schnell kann man sich verlieben. Wie gesagt, in zwei Wochen! Ich habe zwei Wochen Lukas jeden Tag von morgens bis abends um mich herum gehabt, durfte ihn näher kennen lernen. Wir habe sehr viel mit einander geredet und vor kurzem wurde mir bewusst, ich hab mich in Lukas verliebt!«

»Wow, dass is ja fast wie im Fernsehen!«

Nun fing ich über Kostjas Bemerkung das lachen an, gerade er, wo vom Film ist. Aber dennoch war ich auch gerührt über Alex Worte.

»Darf ich fragen, wann du es gemerkt hast, oder ist dass zu privat?«

»Hier haben wir so gut wie kein Geheimnis voreinander, da kann ich dir das ruhig erzählen, und ich denke auch Lukas würde das Gerne wissen!«

Ich konnte nur nicken, aus meinen Lippen entrann keine Silbe. Zufrieden genoss ich die Zärtlichkeiten, die mir Alex zukommen ließ. Seine Daumen strichen sanft über meinen Bauch auf und ab.

»Na ja, wir hatten uns vor kurzen einmal aus Spaß gebalgt und das endete in einem Kuss?«

»Bei diesem Kuss? Ich dachte es war dir peinlich, weil es ein Ausrutscher war?«

»Nein war es nicht, ich spürte plötzlich, was ich für dich empfinde und konnte deinen Lippen nicht wiederstehen.«

Ein Seufzer entrann aus Kostjas Kehle, erstaunt sahen wir ihn an.

»Oh Mann, ist dass schön, ich werde direkt neidisch!«

»Hast du keine Freundin?«, fragte Alex.

»Nein, liegt aber wohl an meinem Ruf!«

»Ich kenne deinen Ruf nicht, nur das was ich aus den Zeitungen kenne.«

»Eben, dass ist es ja. Und nach dem was nun alles verbreitet worden ist, über mich, meint jeder ich wäre ein eingebildeter Fatzke, der nach ein paar Erfolgen total abgehoben ist.«

»Womit sie auch Recht hätten!«, stichelte Alex, was ihn einen Stoss in die Seite meinerseits einbrachte.

»Lass nur Lukas er hat ja Recht! Irgendwie bin ich auch auf einem Trip, seit ich mehrere Filmangebote bekomme. Vielleicht war das hier nötig, um mich wieder auf den Boden der Tatsachen herunter zubringen.«

»Aber deswegen gleich so abnehmen?«, fragte ich.

»Ich weiß nicht warum…, es passierte einfach!«

Kostja schaute mich durchdringend an.

»Warum bist du vorhin zu mir gekommen?“«

»Weil ich dir einfach helfen wollte…, dass du dich nicht alleine fühlst… wie ich am Anfang… bis Alex kam.«

Alexander lächelte mich an.

»Sorry, wenn ich dir irgendwelche Hintergedanken unterstellt habe, aber irgendwie steckt das in mir drin, die… «

»Unsicherheit, dein Misstrauen?«, unterbrach ich ihn.

»Ja! Ich weiß nicht. Plötzlich ist man bekannt und jeder will etwas von einem. Ich weiß nicht mehr, wer Freund oder kein Freund ist. Ich kann es nicht mehr unterscheiden!«

»Dann musst du das wieder lernen, zum Beispiel, jetzt hast du zwei Freunde vor dir sitzen!«, sagte Alexander.

Kostja lächelte uns beide an und Alex nahm mich in seinen Arm.

*-*-*

Ich schaute auf das Meer hinaus, beobachtete die Sonne, wie sie langsam im Meer verschwand.

»Ach hier bist du, ich habe dich schon überall gesucht!«

Ich fuhr zusammen und drehte mich herum, Alexander stand hinter mir.

»Ich wollte etwas Nachdenken!«

»Soll ich wieder gehen?«

»Nein, bleib ruhig hier, es geht ja auch um dich!«

»Um mich?«

»Ja, klar! Du hast mir heute Mittag gestanden, dass du mich liebst. Und ich habe mir Gedanken gemacht, wie es weiter geht. Mit uns beiden!«

»Und zu welcher Feststellung bist du gekommen?«

»Dass ich es einfach probieren möchte. Ich weiß von dir, das du nicht weit von mir wegwohnst… ich fühle für dich das Gleiche, wie ich nach langem Nachdenken endlich erkannt habe.«

»Du willst es mit mir probieren?«

»Ja, ich weiß, ein blödes Wort. Alex, ich habe einfach Angst, es ist alles so neu für mich, ich weiß nicht was auf mich zukommt. Dann diesen Absturz heute Mittag, als ich über der Kloschüssel hing. Ich habe einfach Angst, dass ich dass nicht schaffe.«

Alex ließ sich neben mir nieder und legte den Arm um mich.

»Machst du es dir nicht vielleicht selber schwer? Ich meine, was erwartest du von deiner Zukunft?«

»Wenn ich das nur wüsste. Die Schule mich ach und Krach herum bekommen, eine Ausbildungsstelle finden und du…!«

Bei diesen Worten schaute ich in seine Augen.

»Du musst das alles langsam angehen, mein Spatz! Oder du endest wo möglich wieder hier!«

»Wenn ich nicht hier gelandet wäre, hätte ich dich niemals kennen gelernt!«

Alexander lächelte und dieses Lächeln zog mich schon wieder in seinen Bann.

»Hör mal zu Lukas! Als erstes versuchen wir mal gemeinsam das hier mit Anstand über die Bühne zu bekommen. Ich gebe ja zu, ich stehe auf schlanke Jungs, aber ich möchte doch etwas mehr, als nur Knochen oder deinem harten Teil in der Hand haben!«

Boah, jetzt wurde er auch noch frech. Ich streckte ihm die Zunge raus, was er zum Anlass nahm, mit seinem Mund danach zu schnappen und mit mir in einen Zungenkuss zu verfallen.

»Ich liebe dich, mein kleiner Spatz und keine Klobesuche mehr, die unnötig sind!«, meinte Alex.

»Versprochen! Und… und ich liebe dich auch!«

»Und jetzt gehen wir zurück, ich habe Hunger?«

»Auf was?«

»Auf dich natürlich!«

Alexanders Magen knurrte, ich musste grinsen.

»Ob du von mir satt wirst?«

»Von dir wird ich wohl nie genug bekommen.«

»Ich werde dich daran erinnern!«, meinte ich und drückte mich noch mal eng an Alex.

Danach verließen wir die Klippe und wanderten Hand in Hand ins Heim zurück.

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