I can’t stop loving you

Ich hatte mir einen Whiskey eingeschenkt und folgte Marc auf den Balkon. An der Tür blieb ich aber stehen und lauschte seinem Gespräch.

„Nein ich sehe da keine Probleme. Der Vorstand ist überzeugt, der Kauf steht unmittelbar bevor. Die Firma ist Geschichte!“

Ich traute meinen Ohren nicht, was da Marc am Telefon sagte. Ich griff nach meiner Jacke, stellte das Glas ab und verließ das Hotelzimmer. Ich blieb einen Augenblick vor der Tür stehen und atmete tief durch.

Hatte ich mich so in Marc getäuscht? Er ließ die Firma aufkaufen, um sie dann zu vernichten. Ich sah meine Freunde schon auf der Straße sitzen, ohne Geld und Arbeit. Den Kopf schüttelnd nahm ich dieses Mal die Treppe und rannte hinunter.

Sarah hinter der Rezeption sah mich komisch an, als ich schnell an ihr vorbei lief und das Hotel verließ. Ich rannte zu meinem Rover und fuhr Richtung Innenstadt.

*-*-*

In der Bar wurde es still, als Marc den Laden betrat. Alle Blicke hafteten auf ihm. Er kam direkt zu mir an die Theke.

„Bill, was ist los, ich habe dich überall gesucht…“

Ich stellte mein Glas ab und drehte meinen Kopf zu ihm.

„Mich gesucht? Entschuldige, wenn ich dir das nicht glauben kann.“

„Oh, fängt der Herr wieder an zu zicken, bekommst du deine fünf Minuten?“

„Der Herr hat einfach die Nase voll von dir. Marc zieh doch einfach Leine und verkriech dich unter den Stein zurück unter dem du vorgekrochen kamst.“

Er lachte.

„Gut, wenn du meinst. Damit hab ich keine Probleme… ich kann hier jeden haben, der auf Männer steht. Jeder ist ersetzbar.“

Das war jetzt zu viel für mich. Ich wuchtete so schnell hoch, dass mein Barhocker zu Boden krachte. Meine Sitznachbarn fuhren zusammen und wichen zur Seite. Ich holte aus und meine Faust landete direkt in seinem Visage.

Marc torkelte nach hinten und ich griff nach seinem Kragen. Ich schob ihn rückwärts, bis er gegen das kleine Stück Wand neben der Eingangstür krachte.

Mein Unterarm lag auf seiner Kehle, meine Hand krallte sich in seine Jacke. Mein Gesicht kam seinem ganz nahe und meine Augen funkelten ihn an. An seiner Lippe rann etwas Blut aus meinem Mund.

„Es gibt Menschen wie mich, die ihr ganzes Leben kämpfen müssen, damit sie etwas erreichen und es gibt Menschen, wie dich, denen immer alles zufällt…“, fuhr ich ihn an.

Überheblich sah er mich an.

„Nur eins vergisst du. Am Ende meines Lebens schaue ich auf ein erfülltes Leben zurück und was hast du?“

Sein Grinsen verging.

„Du wirst eine Leere in dir spüren, die mit nichts mehr aufzufüllen ist, keine schöne Erinnerung… und alleine sein. Erst dann wirst du merken, dass für dich der Zug abgefahren ist und einsam sterben.“

Ich ließ ihn los er sank in sich zusammen.

„Mach ruhig weiter wie bisher, zerstöre unsere Firma, bringe die Arbeiter von Barr and Stroud  um ihre Arbeitsstellen. Irgendwann, wirst du die Rechnung dafür zahlen.“

Ich hatte mich in Rage gesprochen.

„Aber dann, kannst du an meine Worte denken, denn dann ist niemand da, der zu dir steht, niemand der für dich da ist… und niemand der dich liebt! Dann bist du alleine!“

Er schaute mich an und ich blickte verachtend zurück.

„Du hast mich vielleicht benutzt…, mein Herz zerbrochen…, aber damit ist jetzt Schluss, verschwinde aus meinem Leben…“

Ich atmete durch und wandte mich von ihm ab. In der Bar war es dermaßen still, das man meinen konnte, ich wäre mit Marc alleine. Aber hinter mir standen alle, die mich kannten und liebten.

Sie schauten mich an, aber keiner sagte etwas.

„Am Besten du verschwindest aus dieser Stadt. Sag deinen Bossen, hier gibt es nichts zu holen. Wir werden uns wehren!“

„Bill…“, hörte ich seine jetzt fast unscheinbare Stimme.

„WAS?“, fuhr ich ihn an, während ich mich wieder zu ihm drehte.

War das Marc, der davor mir auf dem Boden saß? Eine jämmerliche Person in sich zusammen gesunken. Er hatte feuchte Augen. Tränen liefen über seine Augen.

„WAS ist das jetzt für eine Tour…? Ich heule und krieg den doofen Bill wieder herum?“

Meine Stimme krächzte, so etwas war einfach nicht mein Ding.

„Du hasst… mich…?“, fragte er weinerlich.

„Nein!“

Verwundert schaute er mich an. Ich spürte auch, dass es den anderen im Pub nicht anders ging.

„Alle hier mögen mich vielleicht für verrückt halten, aber ich liebe dich immer noch. Ich weiß nicht, warum ich einem Scheißtypen wie dir vertrauen konnte, was mich dazu bewegt hat, mich in dich zu verlieben.“

„Dein Herz war schon immer leicht zu erobern“, hörte ich meinen Bruder hinter mir rufen.

Ein kurzer Blick zu Kevin, der den Daumen nach oben hielt, brachte mich zum Grinsen. Ein Lachen ging durch die Bar. Ich drehte mich wieder zu Marc. Er saß immer noch zusammen gekauert da.

„Fühlst du endlich selbst, was du sonst anderen an tust?“

Das Lachen verstummte wieder.

„Spürst du endlich, wie es dein Herz zusammenkrampft, als hätte es ein Bodybuilder in der Hand und würde es zerquetschten wie eine reife Frucht? Spürst du die Peinlichkeit, die sich in jeder deiner Gehirnzellen breit macht…“

„Bill… hör auf!“, unterbrach mich Sally hinter der Theke, „du bist sonst nicht besser als er.“

Ich atmete tief durch. Sie hatte Recht. Ich ging an die Bar zurück und hob meinen Hocker auf. Dann zog ich mit einem Zug mein Bier leer. Danach lief ich wieder zu Marc, der schützend seine Hände vor das Gesicht hob. Ich griff nach seinem Arm und zog ihn wieder auf die Füße.

Ängstlich schaute er mich an.

„Ich bring dich in dein Hotel zurück.“

*-*-*

Ich stand am Geländer der Brücke gelehnt. Hart blies ich den Rauch aus meiner Lunge. Wie konnte ich nur so blöd sein und auf diesen Typen herein fallen. Einzelne Tränen glitten mir über die Wange.

Nie hätte ich gedacht, dass mir meine Gefühle solche Streiche spielen. Hatten sie das? Konnte ein Mensch sich so verstellen und Gefühle vorspielen. Meine Gedanken hingen weiterhin an Marc.

Dachte ich doch, dass er der Richtige wäre. Was hatte ich mir alles ausgemalt. Gemeinsamer Urlaub und vielleicht auch zusammen ziehen. Und jetzt? Ich wischte mir die Tränen aus den Augen.

Alles vorbei. Ein Traum, der ausgeträumt war. Ich schnippte die Zigarette in den Fluss. Langsam, Schritt für Schritt, ging ich am Geländer entlang. War das alles? War das, was am Ende unter dem Schlussstrich übrig blieb.

Ein verletztes Herz und viel Traurigkeit. Schmerzen, die mir immer wieder die Tränen in die Augen trieben. Ich hielt inne und schaute in den vernebelten Himmel, der sich wie ein Schleier über der Stadt lag.

Ich griff in meine Jackentasche und zog meinen Schlüssel heraus. Minuten später war ich in der Innenstadt. Mein Parkplatz vor dem Pub war noch frei. Ich parkte ein und verließ den Wagen.

Selbst nach zwei Stunden waren alle noch da, die vorhin dieses Trauerspiel einer verlorenen Liebe mitbekommen hatten. Als ich den Pub betrat wurde es kurz still. Alle sahen mich an, bevor Kevin, mein kleiner Bruder, das Wort ergriff.

„He Bill, hier ist noch ein Platz frei.“

Schweigend drängte ich mich durch die Menge, bis ich den kleinen Stehtisch im hinteren Teil der Kneipe erreicht hatte.

„Sally, noch ein Bier für Bill“, rief Kevin, dann schaute er mich durchdringend an.

„Alles klar mit dir?“, fragte er.

Ich nickte.

„Wirklich?“

Ich schaute ihn an, während Sally mein Bier vor mich stellte.

„Kevin, es ist im Augenblick egal.“

„Das ist nicht egal…!“

Ich nahm das Glas und leerte es fast mit einem Zug.

„Was wird nun aus uns?“

„Ich weiß es nicht Bruderherz. Ich kann im Augenblick nicht klar denken.“

„Kann man nicht mit der Geschäftsleitung sprechen…?“

„… habe ich schon versucht, man glaubt mir nicht.“

„Das kann doch nicht sein…?“

„Doch kann es. Die sehen das Geld und alles andere ist egal.“

„Kann man die nicht irgendwie anzeigen? Dass ist doch sicher gegen das Gesetz?“

„Kevin, wie überall gilt hier auch fressen oder gefressen werden!“

„… und was wird dann aus uns?“

Kevin ließ seinen Blick durch das Pub schweifen. Es waren ausschließlich Kollegen da. Alle hier Anwesenden würden auf der Straße sitzen. Ich wollte gar nicht weiter denken, was dann alles folgte. Barr and Stroud  war einer der größten Arbeitgeber in der Stadt.

*-*-*

Ich parkte den Rover auf meinem Parkplatz vor der Fabrik. Durch langes Zureden und Hintergrundinformationen konnte ich die Führung, kurz vor dem Verkauf davon überzeugen, einen Rückzieher zu machen.

Doch nun hatten wir wieder das alte Problem, die Firma brauchte Finanzen um modernisiert zu werden. Wir hatten im Glasbereich in England nicht viel Konkurrenz, aber die Maschinen waren veraltet und um den reibungslosen Ablauf zu gewähren, waren eben neue Investitionen nötig.

Dieses Geld fehlte aber leider. Schneeflocken bahnten sich ihren Weg. Ich schloss den Wagen und machte mich zu meinem Büro auf. Der eine oder andere begegnete mir auf dem Weg dorthin.

Ich grüßte freundlich oder nickte nur. Als ich endlich vor meinem Büro stand, atmete ich kurz durch, bevor ich die Klinke hinunter drückte. Wie jeden Morgen saß Gwenn bereits auf ihrem Platz und tippte irgendwelche Unterlagen.

„Morgen Chef.“

„Morgen Gwenn.“

„Bill, sie sollen sich nachher bei Mr. Stroud melden und hier sind noch fünf Anrufe.“

„Danke“, meinte ich, hängte Schal und Jacke über den Ständer, bevor ich die Zettel im Empfang nahm.

Fünf Anrufe von Marc. Zu Hause hatte ich kurzerhand einfach das Telefon abgestellt. Aber hier? Ich lief in mein Büro und warf die Zettel einfach in den Mülleimer. Seufzend ließ ich mich in meinen Stuhl fallen.

„Einen Kaffee…“, meinte Gwenn, die gerade ins Zimmer kam.

Sie war eine gute Seele. Mit ihren vierzig Jahren war sie ein emsiges Bienchen, dass das Räderwerk der Firma am laufen hielt. Ihre braunen Haare hatte sie zu einem Dutt hochgesteckt und ließ ihr ohnehin rundes Gesicht noch etwas runder erscheinen.

Aufgeregt zwinkerten ihre Augen hinter den dicken Brillengläsern hervor. Natürlich wusste sie über den gestrigen Abend Bescheid. Sie wusste generell über alles und jeden etwas, wie es sich für eine gut organisierte Sekretärin gehörte.

„Danke Gwenn, den kann ich gebrauchen.“

Ihr Blick fiel auf den Mülleimer, in dem sich die fünf Zettel befanden, dann wanderten ihre Augen zurück zu mir.

„Gehe ich recht in der Annahme, dass sie keinen weiteren Kontakt mehr zu diesem Herrn wünschen?“

Ich nickte ihr zu, während ich versuchte einen Schluck heißen Kaffee zu trinken.

„Ich habe hier zwar nichts zu sagen, Bill, aber wenn es nach mir gegangen wäre, hätte dieser Herr nie unser Haus betreten dürfen.“

Fragend schaute ich sie an. Wie aus dem nichts zauberte sie mir ein Blatt auf den Schreibtisch.

„Was ist das?“

„Daten…“

Ich nahm das Blatt auf und stellte meine Tasse ab. Stilvoll aufgeführt waren alle Firmen, die Marc in den letzten zwei Jahren für seinen Konzern aufgekauft hatte und diese dann zerschlagen wurden.

„Ich frage mal lieber nicht, wie sie da daran gekommen sind.“

„Würde ich auch nicht preisgeben“, meinte sie lächelnd und verschwand aus meinem Büro.

Die Daten legte ich in die Ablage, vielleicht könnte ich sie ja noch später gebrauchen. Im Vorzimmer klopfte es. Ich hörte die Tür gehen.

„Ist mein Bruder schon da?“

Mein lieber Bruder Kevin.

„Einen Moment Mister Savage“, hörte ich Gwenn sagen und wenige Sekunden später erschien sie an meiner Tür.

„Ihr Bruder…?“

Ich nickte lächelnd.

„Mister Savage…!“, sagte sie und machte eine einladende Bewegung zu meinem Bruder, der gleich darauf erschien.

„Bill du musst mir helfen…“

„Auch guten Morgen, Kevin.“

Gwenn verschwand und zog hinter sich die Tür zu.

„Äh… guten Morgen… ja.“

„Setz dich hin und erzähl der Reihe nach.“

Es klopfte und Gwenn kam unaufgefordert mit einer weiteren Tasse Kaffee herein.

„Danke Gwenn“, sagte ich und sie verschwand lächelnd.

Mein Blick fiel wieder auf Kevin.

„Was hat mein Bruder auf dem Herzen?“

Er schaute immer noch zur Tür, durch die gerade Gwenn entschwunden war. Gestern war mir nicht aufgefallen, dass er seinen schwarzen Wirrkopf zum Frisör getragen hatte und einen Kurzhaarschnitt verpassen hat lassen.

Er war fünf Jahre nach mir auf die Welt gekommen und war mit seinen siebenundzwanzig immer noch recht unbeholfen. Am Sterbebett unseres Vaters musste ich ihm versprechen, mich ja immer gut um ihn zu kümmern. Sein Kopf drehte sich langsam zu mir.

„Ich… äh… bräuchte deine Hilfe.“

„Um was geht es…, Geld…, Frauengeschichten?“

„NEIN! Nichts Privates.“

Oh, dass war mal etwas Neues.

„Du weißt doch, dass der alte Harrison, fehlt doch laufend und wir schaffen es einfach nicht jemanden aufzutreiben, der seine Fahrten übernimmt.“

Da musste ich ihm Recht geben. Es kam ein Artest nach dem anderen ins Haus geflattert.

„Und wie kann ich dabei helfen?“

„Wie du dich vielleicht erinnern kannst, habe ich doch einen Kumpel in Craigleith.“

Ich durchwühlte meine grauen Zellen und irgendwo am hintern Teil meines Kopfes machte es Klick und ein Bild von einem kleinen, fetten Jungen kam in die Erinnungssektion.

„Du meinst Lucas?“

„Ja, genau der. Er braucht … sucht einen Job… und ich weiß, dass er gut mit Transporter umgehen kann.“

Das konnte ich mir bei seiner Körperfülle jetzt nicht vorstellen.

„Kevin, wie kommst du darauf, dass ich jemand Neues einstellen kann? Ich konnte mit viel Glück den Verkauf abwenden, aber…“

„Dafür sind wir dir auch sehr dankbar.“

Ich schaute ihn überrascht an. Neuigkeiten gingen hier wohl wie ein Lauffeuer durch die Firma. Er legte den Kopf leicht schief, schaute mich mit seinen hellgrünen Augen bittend an. Diese fiese kleine Kröte.

„… ich kann nichts versprechen“, meinte ich und schaute auf die Uhr.

Kevin strahlte.

„Wenn du ihn erreichen kannst, er soll sich um elf bei mir vorstellen und auch gleich seine Papiere mitbringen. Wenn er keine Zeit hat, soll er die einen Termin geben!“

„Öhm, ja… danke.“

„Was anderes.“

„Ja?“

„Ist das mit deiner Grace jetzt etwas Festes?“

Kevin wurde leicht rot und nickte.

„Es sollen doch noch Zeichen und Wunder geschehen, man könnte meinen du wirst endlich sesshaft.“

„Du stellst mich gerade so hin, als hätte ich jede Woche eine andere…“

Ich grinste breit.

„Das war auch bisher so…“

Genervt rollte Kevin mit den Augen.

„Okay, ich muss zum Chef, wir sehen uns später und du kümmerst dich um Lucas.“

Kevin stand auf und verließ mit mir gemeinsam, mein Büro.

„Ich bin dann beim Chef, Gwenn.“

Sie nickte.

„Ach Gwenn, es kann sein, dass sich später ein junger Mann hier meldet. Sein Name ist Lucas…“, ich wandte mich zu meinem Bruder, „wie heißte er noch?“

„Lucas Evans“, antwortete Kevin.

„Habe ich notiert“, sagte Gwenn.

Ich schob Kevin vor mir her aus dem Vorzimmer. Ich schlug die entgegengesetzte Richtung wie er ein, als er mir noch mal hinter herrief.

„Danke Bruderherz, du hast etwas gut bei mir.“

Ich nickte grinsend und lief weiter, ich hatte sehr viel gut bei ihm. Wenig später stand ich vor der Tür meines Chefs, Mr. Stroud. Ich zupfte meine Klamotten zu Recht und klopfte an.

„Herein!“

Ich öffnete die Tür und gab den Blick auf Molly frei, die Sekretärin meines Bosses.

„Ah, Mr. Savage, sie können gleich durchgehen, Mr. Stroud erwartet sie schon.“

Ich nickte und lief direkt an ihr vorbei, an die nächste Tür, die offen stand. Noch mal klopfend trat ich ein. Mr. Stroud saß an seinem Schreibtisch in irgendwelchen Papieren vertieft und schaute auf.

Auch er war wie Gwenn ein Brillenträger. Zwar hatte sein typisch englischer grauer Tweedanzug schon bessere Tage gesehen, aber dennoch sah er wie ein gut situierter älterer Herr darin aus.

Graue Haare, die fein säuberlich und akkurat zum Seitenscheitel gekämmt waren.

„Bill, hallo! Kommen sie herein.“

„Hallo Mr. Stroud.“

Er stand auf und reichte mir die Hand.

„Setzten sie sich, Bill.“

Er tat dasselbe.

„Ich wollte mich noch einmal bei ihnen, im Namen meines Partners und mir bei ihnen bedanken, dass sie diesen Schwindel aufgedeckt haben.“

Ein Schwindel…, so nannte man das jetzt also.

„Danke, aber für mich war das selbstverständlich sich über die Praktiken dieser Firma in Kenntnis zu setzten.“

„Noch mal Danke! Aber warum ich sie zu mir gebeten habe, ist etwas Anderes.“

Ich liebte es, wenn er gleich zum Punkt kam.

„Sagt ihnen etwas die Holdinggruppe Amestist&Borger etwas?“

Ich schüttelte den Kopf.

„Diese Firma möchte bei uns investieren…“

Oh, hatten die Partner so schnell jemand gefunden? Die ganzen Monate war kein Geldgeber aufzutreiben. Er reichte mir einen kleinen Hefter.

„Wo kommt diese Holding her?“

„Irland.“

„Aha…“

Ich sah mir die Broschüre an und war angenehm überrascht.

„Warum ich sie rufen ließ, ich bräuchte nochmals eine Aufstellung unseres kompletten Stammpersonal.“

„Das ist kein Problem.“

„Gut, dass war es schon.“

Schon? Komisch! Sonst hielt er mich in langen Gesprächen unnötig fest. Diese Anforderungen hätten unsere Sekretärinnen unter sich ausmachen können.

„Wann wäre denn frühestens mit einer Geldspritze zu rechnen?“, fragte ich.

„Das müssten sie meinen Partner Mr. Barr fragen, er führt die Verhandlungen.“

Mr. Barr, das große Fragezeichen. Seit ich hier arbeitete hatte ich ihn noch nie zu Gesicht bekommen, Auch Marc konnte mir nicht genau schildern, was für ein Mann er war. Marc. Da war der Gedanke wieder.

Mein Herz krampfte sich zusammen, als die Erinnerung an den Vorabend zurück kam.

„Gut ich werde alles veranlassen, damit sie die Unterlagen schnellstmöglich bekommen.“

„Danke Bill“, er stockte kurz, „… ist alles in Ordnung mit ihnen?“

Man sah mir das also an, ich musste dringend auf meine Mimik achten.

„Ja, war nur eine lange Nacht.“

Er stand auf und streckte mir seine Hand entgegen. Eine galante Aufforderung, dass man gehen sollte. Ich erhob mich ebenfalls und verabschiedete mich.

*-*-*

Ich öffnete die Tür zum Vorzimmer.

„Gwenn, der Chef benötigt dringend noch einmal die Auflistung unseres Personals.“

„Ist es jetzt soweit?“

„Mit was?“

„Mit den Kündigungen.“

„Gwenn, wenn es Kündigungen gäbe, wüssten sie dass doch noch vor mir!“

Gwenn lächelte.

„Ach, bevor ich es vergesse. Könnten ihre geheimnisvollen Quellen etwas über eine Holdinggroup Amestist&Borger herausfinden?“

Emsig wie sie war, schrieb sie lächelnd sich gleich alles auf.

„Mr. Evans hat angerufen, möchte sich gegen elf Uhr vorstellen…“

Da hatte Kevin wohl noch beim Hinunter gehen sofort angerufen.

„Wenn er da ist, einfach herein schicken.“

„Stellen wir neues Personal ein?“

„Ersatzweise…, Gwenn. Und wenn wir gerade dabei sind, fertigen sie mir doch bitte einen befristeten Arbeitsvertrag aus.“

„Welches Datum soll ich einsetzten?“

„Schwierige Frage… machen sie sechs Monate.“

Sie nickte.

„Die Daten bekommen sie dann später.“

Mit diesen Worten verschwand ich in meinem Büro.

*-*-*

Es stellte sich als Schwierigkeit heraus, etwas über den Gesundheitszustand des alten Mr. Harrison herauszubekommen. Ich kam einfach nicht weiter. Plötzlich klopfte es aus der Tür und riss mich aus meinen Gedanken.

„Ja?“

Die Tür ging auf und Gwen schaute herein.

„Mr. Evans ist da.“

Ich schaute auf meine Armbanduhr und war über die fortgeschrittene Zeit entsetzt. Ich nickte.

„Mr. Evans…“, meinte Gwenn.

Ich stand auf und wenige Sekunden später erschien Lucas in der Tür. Etwas fassungslos schaute ich ihn an. Spielte mir gerade mein Hirn einen Streich, oder hatte ich etwas mit den Augen.

„Hallo Bill“, strahlte mich ein gut aussehender junger Mann an.

Ich hob meine Hand.

„Lucas?“

Wir schüttelten uns die Hände. Seine Hand war warm und weich.

„Ja…“

„Ähm, du musst entschuldigen… ich hatte…“

„… einen kleinen, dicken fetten Jungen in Erinnerung.“

Ich lief rot an.

„… ja…“

Gwenn schloss hinter sich die Tür und ließ uns alleine. Lucas lachte.

„Das ist schon eine Weile her“, meinte Lucas und ließ meine Hand wieder los.

Vor mir stand ein junger Mann, mit dunkelbraunen, lebendigen Augen, feingelocktes Haar. Seine Figur war schlank und durch seine Klamotten konnte man den muskulösen Körper nur erahnen.

„Setz dich!“, meinte ich immer noch verwirrt.

Ein Dreitagebart rundete das Gesicht ab. Lucas setzte sich und reichte mir seine Unterlagen.

„Kevin hat zwar immer von dir geredet, aber nicht wirklich etwas über dich erzählt“, meinte ich entschuldigend.

„Kein Problem!“

Ich versuchte wieder zur Tagesordnung zurück zukommen, was mir sichtlich schwer fiel, bei so einem Schmuckstück in meinem Zimmer.

„So, du suchst also Arbeit?“

„Ja.“

Ich blätterte in seinen Unterlagen.

„Du bist ganz schön herum gekommen“, sprach ich einfach weiter.

„Man tut was man kann, um sich über Wasser zu halten, …“

Ich hob  mein Kopf und sah ihm in die Augen. Diese Augen. Sie strahlten soviel aus.

„… aber leider immer nur viel zu kurz.“

„Tut mir Leid, Lucas, aber ich kann dir im Augenblick auch nur einen befristeten Vertrag anbieten.“

„So etwas hat Kevin schon verlauten lassen.“

„Ich kann dir jetzt nichts versprechen, aber…“

Das berühmte Aber.

„… es kann auch eine Festanstellung werden. Zuvor muss ich aber noch Einiges regeln, bevor ich da etwas Genaueres dazu sagen kann.“

„Alles ist besser, als auf der Straße zu stehen.“

„Das stimmt allerdings! Einen Moment bitte“, sagte ich und stand auf.

Ich lief zum Vorzimmer von Gwenn.

„Gwenn, hier sind die nötigen Unterlagen von Mr. Evans für den Zeitvertrag.“

Sie nickte und reichte mir ein Blatt.

„Hm?“

„Die Holding…“

Erstaunt schaute ich sie an.

„So schnell?“

Sie lächelte. Ich lief wieder zurück zu Lucas.

„Warum habe ich dich eigentlich nie im Pub mit Kevin gesehen?“, fragte ich und setzte mich wieder auf meine Platz.

„Ich habe zurzeit keinen Wagen und immer den von meiner Mutter zu leihen… Auf alle Fälle ist es zu weit, nur wegen eines Pubbesuches jeden Abend mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren.“

Ich nickte. Er lebte also noch bei seiner Mutter.

„Zumindest bist du als Fahrer der Firma nicht auf ein privates Fahrzeug angewiesen. Du kannst den Wagen abends mit nach Hause nehmen.“

„Das hört sich gut an.“

„Bis meine Sekretärin den Vertrag fertig hat, können wir nach unten gehen und dir mal etwas von der Firma zeigen.“

„Sollte sie nicht verkauft werden?“

„Das wurde im letzten Augenblick rückgängig gemacht.“

„Aha.“

Und wieder war Marc in meinem Gedanken, ganz automatisch.

„Ist irgendetwas?“, fragte Lucas plötzlich.

Ich schrak aus meinem Gedanken.

„Nein…, wieso?“

„Du hast irgendwie… gerade sehr traurig geschaut.“

So der Herr beobachtete mich also.

„Nein, der Firmenverkauf… waren heftigen Wochen… Komm lass und nach unten gehen.“

Ich erhob mich, Lucas ebenfalls.

*-*-*

„Kevin, dann kannst du ihn ja schon etwas einweisen, oder?“

Kevin sah mich freudig an.

„Könntest du… ähm…“

„Kevin, ein Wunsch am Tag reicht, oder?“, meinte ich und hob die Augenbraue.

Er grinste.

„Danke Bruderherz.“

Lucas grinste ebenfalls.

„Bring Lucas einfach nachher wieder nach oben, damit wir seine Papiere fertig machen können.“

„Okay.“

Zurück im Büro widmete ich mich wieder meiner Arbeit. Mein Blick fiel auf das Blatt, das mit Gwenn vorhin gereicht hatte. Ich schaute auf die Namen der Firmen, die der Holding angehörten.

Irgendetwas stimmte da nicht. Es war ein Gefühl, dass mich beschlich.

„Die Papiere sind fertig“, hörte ich Gwenn sagen und schaute auf.

„Danke Gwenn.“

Sie legte sie neben mich auf den Schreibtisch und verließ mich wieder. Ganz oben auf prangte ein Bild von Lucas. Ich ertappte mich wie ich dieses Bild anstarrte, es in Einzelteile zerlegte. Jeden Millimeter von Lucas‘ Gesicht prägte ich mir ein.

Shit war der Typ geil. Aber solche Typen waren entweder hetero oder schon lange vergeben. Ich rieb mir über das Gesicht, während ich draußen bei Gwenn Stimmen hörte.

„Gehen sie einfach durch, Mr. Evans, er ist in seinem Büro“, hörte ich sie sagen.

Nanu, mal keine Privateskorte? Kevin vorne an, gefolgt von Lucas betraten mein Büro.

„Du Bill, ich hole heut Abend Lucas ab und wir treffen uns im Pub, kommst du auch?“

„Wo soll ich sonst hin?“, fragte ich.

Kevin schaute etwas geknickt. Er hatte ja Recht zu fragen. War ich doch die letzte Zeit viel mit Marc unterwegs gewesen und hatte mich selten blicken lassen. Ich spürte Lucas‘ Unsicherheit und wie er zwischen Kevin und mir hin und her schaute.

Ich atmete tief auf und nahm Lucas‘ Papiere.

„Hier müsstest du unterschreiben!“

Wieder lächelte mich Lucas an, nahm den Kugelschreiber entgegen und unterschrieb.

*-*-*

Frisch geduscht und mit Handtuch um die Hüften stand ich vor dem Spiegel. Ich fand dass mein Sixpack etwas nachließ. So entschloss ich mich dazu, abends wieder öfter laufen zu gehen.

Bell schwänzelte um mich herum.

„Du hast dein Fressen bekommen, es gibt nicht mehr“, sagte ich zu meiner Schäferhündin.

„Wenn du brav bist, bekommst du vielleicht noch einen Happen bei Sally.“

Bell trottete zufrieden und schwanzwedelnd zurück ins Wohnzimmer. Stimmt eine gute Idee, ich lass den Wagen einfach stehen und würde mit Bell zum Pub laufen. Ich wuschelte mir durch mein nasses, braunes Haar.

Und was sollte ich anziehen. Plötzlich fing ich einfach an zu lachen. Kaum war mir ein anderer hübscher Mann an mir vorbei gelaufen, machte ich mir schon wieder Gedanken über mein Aussehen.

Ich wunderte mich über mich selbst, dass ich jetzt nicht mit verheulten Augen da saß und Marc nachtrauerte. Aber ich dachte, dieses Ende im Pub war richtig um mich sehr schnell und plötzlich von ihm zu lösen.

Ich lief ins Schlafzimmer zurück und zog mich an. Wenig später pfiff ich leise und sofort stand Bell im Flur.

„Komm Mädchen, wir wollen noch etwas laufen.“

Ich zog meine Jacke an, steckte alles Benötigte ein und nahm zum Schluss Bells Leine. Kurz überlegte ich, ob ich etwas vergessen hatte. Ich erinnerte mich an den Schneefall, den ganzen Tag über, so wickelte ich mir noch einen Schal um.

Komplett eingekleidet öffnete ich die Haustür und Bell sprang nach draußen. Mist! In der Zeit wo ich unter der Dusche stand, war etwas schnell liegen geblieben.

„Bell, bei Fuß!

Bell kam zurück und ich legte ihr die Leine an. Ich zog die Haustür hinter mir zu und schloss ab. Gemütlich lief ich los. Wie nicht anders zu erwarten, war der Verkehr um diese Zeit zurück gegangen.

Mit dem bisschen Schnee auf der Straße, hatte er sich völlig reduziert. Gut für mich und Bell, so liefen wir fast alleine an der Straße entlang. Es dauerte eine Weile, bis wir den Pub erreichten.

Warme, Bierhaltige Luft kam mir entgegen, als ich die Tür aufzog. Ich entledigte mich meines Schals, steckte ihn in den Ärmel meiner Jacke, die ich an die Garderobe neben der Tür hängte.

Freudig wurde ich von einigen Gästen erkannt und begrüßt. Sally umrundete den Tresen und stellte an einem Tisch vier Biergläser ab. Dann lief sie auf mich zu. Aber anstatt mich zu begrüßen, beugte sie sich nach vorne.

„Hallo Bell, du warst aber schon lange nicht mehr hier.“

Dann erst sah sie mich an.

„Hallo Bill, alles klar?“

Ich nickte.

„Falls du deinen Bruder suchst, der sitzt hinten am letzten Tisch.

„Danke Sally.“

„Wer ist der junge Mann bei Kevin? Ich habe ihn hier noch nie gesehen.“

„Ein Freund von Kevin, sie kennen sich noch schon seit Kindertage.“

Sie beugte sich zu Bell hinunter.

„Und für dich finde ich bestimmt eine Leckerei“, meinte sie zu Bell, die dies mit einem kurzen Kläffer bestätigte.

Ich drückte mich an den Leuten vorbei, bis ich den letzten Tisch erreichte. Dort saß Kevin, in Begleitung mit Lucas.

„Hallo zusammen!“, sagte ich laut und die beiden schauten von ihrer Unterhaltung auf.

Bell schnüffelte kurz an Lucas, bevor sie zu Kevin lief. Ich machte die Leine ab und setzte mich zu den beiden.

„Hallo du einer“, meinte Kevin.

Bell verkroch sich unter den Tisch und lag zu meinen Füßen.

„Du bist gelaufen?“, fragte Kevin.

„Ja und es tat richtig gut.“

Sally kam an den Tisch und brachte mir ein Bier. Für Bell hatte sie eine Knabberstange mit. Freudig schaute Bell zu mir und ich nickte. Sie schnappte kurz danach und lag dann wieder zufrieden auf dem Boden.

Lucas hatte bisher noch nichts gesagt. Er lächelte nur die ganze Zeit. Kevin prostete mir zu und auch Lucas nahm sein Glas in die Hand.

„Eigentlich wollte ich noch Grace mitbringen, aber sie hatte keine Zeit“, sagte Kevin plötzlich.

„Scheint ja wirklich sehr Ernst zu sein. Und wann gedenkst du mir sie mal vorzustellen?“

„Das wollte ich heute Abend.“

„Aha.“

„Eine nette Dame“, meinte Lucas grinsend.

Das erste, das er heute Abend von sich gab.

„Du kennst sie?“, fragte ich.

„Nur ganz grob, habe sie einmal mit Kevin zusammen getroffen.“

„Na ja, bisher bekam ich von Kevins Damenbekanntschaften nicht viel mit.“

„Du tust grad so, als wäre ich ein Schwerenöter und dass auch noch vor Lucas.“

„Hatten wir das Thema nicht schon einmal heute?“

Anstatt etwas zu sagen, trank Kevin einen kräftigen Schluck aus seinem Glas. Er stellte es ab und sah mich an.

„Wäre dein Handy nicht abgeschaltet, könnte man dich über solche Begegnungen wie heute eher informieren.“

„Begegnungen die nicht stattfinden.“

„Ja… leider.“

„Es wird schon irgendwann funktionieren und wirst deinem Bruder deine Holde vorführen“, meinte Lucas.

Ich nickte.

„Und wann lerne ich deine Eroberung kennen?“, fragte Kevin.

Lucas schaute etwas verlegen.

„Wenn ich denn eine Eroberung hätte!“

Oh er war solo. Das verstand ich gar nicht bei diesem Aussehen, äußern dazu wollte ich mich aber nicht.

„Ich versteh das nicht“, übernahm Kevin nun meinen Part, „nach dir drehen sich dutzendweise die Weiber herum.“

„Na ja“, fing Lucas an, sah dabei auf sein Glas, „war noch nichts Richtiges dabei.“

„Nichts Richtiges? Bist du blind oder was?“

„Nein…!“

Kevin wandte sich an mich.

„Du glaubst es nicht, darunter sind Traumweiber, von den wir nur träumen könnten… oh entschuldige, ich träumen könnte. Dir bleiben die Prinzen überlassen!“

Feinfühlig wie immer mein lieber Bruder. Nicht dass es mich störte, dass er mich gerade vor Lucas outete, der es wahrscheinlich eh schon wusste, aber nach dem letzten Erlebnis, war ich auf das Thema nicht so gut zu sprechen.

„Davon gibt es ja auch eine Menge“, warf nun Lucas ein, was mich erstaunte, denn er blickte mir dabei direkt in die Augen.

„Könntest du mich mal hinauslassen, ich muss mal das Bier wegtragen“, meinte Kevin.

Ich stand also auf und ließ meinen Bruder ziehen. Danach setzte ich mich wieder und war alleine mit Lucas.

„Gefällt es dir hier?“

Lucas sah sich um und nickte.

„Ruhiges Pub nicht zu voll und auch nicht so groß. Urgemütlich.“

„Stimmt.“

„Und du bist öfter hier?“, fragte Lucas.

„Na ja, die letzte Zeit nicht so, aber ich denke, dass wird sich nun ändern.“

„Gab es einen bestimmten Grund?“

Eigentlich hatte ich keine Lust jetzt von Marc zu reden, aber was machte das für einen Unterschied.

„Ich war sehr viel mit meinem Ex zusammen und habe hier meine Freunde vernachlässigt.“

„Deinem Ex?“

„Hat dir Kevin nichts erzählt?“

„Er hat nur etwas angedeutet, aber richtig heraus rücken wollte er nicht.“

Aha, man hatte sich also über mich unterhalten.

„Mein Ex Marc war derjenige, der mit unserer Firma über den Verkauf verhandelte.“

„Und wieso Ex?“

Neugierig schien Lucas überhaupt nicht zu sein.

„Ich habe heraus gefunden, dass sein Auftraggeber die Firma nur kaufen wollte, damit sie sie anschließend zerschlagen konnten. Da habe ich einen Riegel vorgeschoben und mit Marc Schluss gemacht.“

„Das ist Schei… Aber denkst du, Marc hat sich nur an dich heran gemacht, wegen der Firma?“

Darüber hatte ich mir eigentlich noch keine Gedanken gemacht.

„Entschuldige, manchmal schlage ich mit meiner Neugier über die Stränge, ich hätte dich das nicht fragen sollen.“

Mein Blick fiel wieder auf Lucas.

„Nein, mir wurde gerade bewusst, dass ich darüber noch nicht nach gedacht habe. Aber was soll es, es ist vorbei und Marc ist Geschichte.“

„Und man soll ja bekanntlich immer nach vorne schauen.“

Das tat ich doch gerade und ich sah einen hinreißenden Kerl vor mir.

„Und du, wirklich nichts in Sicht?“

Seine Wangen färbten sich leicht rot und er schüttelte den Kopf.

„Alles Träumereien“, sagte er leise.

Bevor ich nachhaken konnte, kam Kevin wieder an den Tisch. Ich stand auf ließ ihn wieder hinsitzen. Aber kaum saß er, kam Harry an.

„Kevin? Eine Runde Pool?“

Kevin schaute zu Harry.

„Aber nur wenn du die nächste Runde zahlst!“

„Okay“, kam es von Harry und ich musste Kevin wieder heraus lassen.

„Ich glaube ich geh eine Rauchen“, meinte ich, da ich nun ja sowieso schon stand.

„Kann ich mit?“, fragte Lucas.

„Du rauchst?“

„Nein, aber ich wollte auch mal kurz an die frische Luft.“

Lucas stand auf und Bell erhob sich ebenfalls.

„Bell, Platz!“

Bell legte sich wieder nieder.

„Und sie bleibt dann wirklich liegen?“

„Ja, wenn ich nicht so lange wegbleibe…“

„Gut gezogen!“

„Wenigstens jemand der auf mich hört.“

Lucas folgte meinen Blick zu Kevin und fing an zu lachen.

*-*-*

Lucas

Ich wusste nicht was mit mir los war, aber seit ich Bill begegnet war, arbeitete mein Hirn auf Hochtouren. So trostlos die vergangenen Wochen auch waren, so super fühlte ich mich heute. Er zog an seiner Zigarette und blies den Rauch in den Himmel.

Der zog wie eine Nebelschwade langsam von uns ab. Im Schein der Laterne funkelten seine Augen, wie das Sternenmeer über uns, das jetzt aber von dicken Schneewolken verdeckt war.

Der Schnee hatte kräftig angezogen. Auf der Straße war einiges liegen geblieben und auch die Fahrzeuge waren alle bedeckt.

Ich beobachtete Bill weiter, ohne dass er etwas davon merkte. Warum zog mich dieser Mann so an. Mir war klar, dass ich schon immer einen Hang zu Dramatischen hatte, aber das schlug jetzt beim Fass den Boden durch. Ich interessierte mich für einen Mann?

„Es ist kalt geworden“, meinte Bill und zog seinen Schal enger.

„Ja und es liegt zwar nicht viel Schnee, aber unter die Schneedecke ist es glatt“, erwiderte er und rieb mit dem Schuh über den Boden.

Ich wollte etwas erwidern, als die Tür zum Pub aufgestoßen wurde. Kevin erschien und schaute sich um, bis er uns erspähte.

„Ach hier seid ihr…, scheiße, es hat ja geschneit.“

„Ja unter dem Schnee ist es spiegel glatt“, fügte ich hinzu.

„Mist und wir soll ich dich nach Hause bringen?“, fragte Kevin.

Ich zuckte mit den Schultern.

„… ihr könnt doch auch bei mir schlafen“, sagte Bill hinter mir.

Hatte ich gerade richtig verstanden?

„Das wäre nett, Brüderchen. So kann ich wenigstens noch Einen oder Zwei trinken.“

*-*-*

Es kam wie es kommen musste und mein allerbester Freund war wieder heftig besoffen. Das war ja nicht ungewöhnlich, denn ich war ja öfter mit Kevin weg. Dieses Mal war aber sein älterer Bruder Bill dabei.

Das letzte Stück hatte ich Bell übernommen und Bill kurzerhand seinen Bruder über die Schulter geworfen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Kevin leicht war, aber bei Bill sah das so leicht aus.

Vor einem kleinen Häuschen ein paar Straßen weiter, blieb Bill plötzlich stehen.

„Lucas, könntest du meinen Schüssel aus der rechten Jackentasche ziehen. Mit Kevin auf der Schulter komme ich nicht hin.“

„Kein Problem…, Moment.“

Ich trat an ihn heran, griff in die Jackentasche und wurde sofort fündig. Aber etwas anderes fand ich auch. Der Geruch der von Bill verströmte war gut. Anders konnte ich es nicht ausdrücken.

Ich zog eine Brise in mich auf und betrat dann den kleinen Vorgarten, Bell immer noch schön an meiner Seite. Bill folgte mir im gewissen Abstand. Ein Licht ging an, als ich die zwei Treppenstufen hinauflief.

Irgendwo schien ein Lichtsensor zu sitzen.

„Welcher Schlüssel ist es denn?“

„Der Größte…“

Ich schaute mir den Schlüsselbund an und fischte den Größten heraus. Bell stand neben mir und wedelte freudig mit dem Schwanz. Sie konnte es wohl auch noch kaum erwarten ins Warme zu kommen.

Mit meinen eiskalten Finger erwies es sich als kleine Schwierigkeit, den einzelnen Schlüssel richtig zu greifen und auch noch die Tür aufzuschließen. Nach ein paar missglückten Versuchen, bekam ich die Tür endlich auf.

Ich schob die Tür auf und trat zur Seite.

„Danke Lucas“, meinte Bill und zwängte sich vorsichtig in den Hausflur, „und lass Bell einfach von der Leine.“

Wie geheißen, lies ich Bell von der Leine und schloss die Haustür hinter mir. Ich knöpfte meine Jacke auf und brachte sie zur Garderobe. Auf dem Boden standen schön aufgereiht ein paar Schuhe.

Ich öffnete die Schnürsenkel und stellte meine daneben. Dann folgte ich Bill und kam zu einem Zimmer, wo der gerade dabei war Kevin abzulegen. Der war so hinüber, dass er nichts mehr mitbekommen hatte.

„Ich bin gleich bei dir“, sagte Bill, als er mich an der Tür bemerkte.

„Du brauchst mir nur zu sagen, wo ich schlafen soll.“

Bill hielt in der Bewegung inne.

„Mist?“

„Was ist?“

„Eigentlich ist das Bett hier für dich, sorry ich habe absolut nichts gedacht. Moment ich trage Kevin schnell hinüber in mein großes Bett und…“

„Lass doch“, unterbrach ich ihn, „mir reicht auch eine Couch.“

„Dass wäre ja noch schöner. Nein, ich bring Kevin hinüber zu mir.“

Er machte Anstalten Kevin wieder hochzuheben. Ich ging zu ihm und legte meine Hand auf seinen Arm.

„Lass es bitte.“

Er schaute mich durchdringend an.

„Aber auf der Couch schläfst du auch nicht… macht es dir etwas aus… ähm bei mir zu schlafen?“

Ich schüttelte den Kopf.

„Also ich meine… du weißt ich bin schwul und…“

Ich grinste ihn nur an.

„Okay“, meinte er und begann Kevin auszuziehen.

„Ich weiß nicht, wie oft ich dass schon gemacht habe.“

„Was?“

„Kevin ausziehen!“

Jetzt musste ich lachen und begann ihm zu helfen. Schnell waren Schuhe, Socken und Hose aus, während Bill sich mit der Oberbekleidung befasste.

„Man könnte meinen, du hast dass schon öfter gemacht“, sagte Bill.

„Kevin hat auch schon mehrere Male bei mir übernachtet“, erklärte ich.

Bill lächelte mich an. Er deckte Kevin zu und schob mich dann aus dem Zimmer.

„Noch ein Bier oder so etwas“, meinte Bill und schloss hinter sich Kevins Zimmer.

„Lieber so etwas…“

„Ich nickte.

„Tee?“

Wieder nicke ich. Er öffnete eine andere Tür und ich bekam Einblick in seine Küche. Der Boden fühlte sich warm an und so machte es mir nichts aus mit Socken herum zu laufen. Bill befüllte einen Wasserkocher und schaltete ihn an.

Es machte Spaß ihn zu beobachten. Seine Bewegungen waren so fließend. Halt, was war hier los? Ja Bill war schwul… Gott verdammt, war ich es auch? Tausend Gedanken gingen mir durch den Kopf.

Es würde vieles erklären…, aber warum merkte ich das erst jetzt?

„Ist etwas?“, fragte mich Bill.

*-*-*

Bill

„Alles in Ordnung, Lucas?“

Lucas Gesicht war bleich, seine Augen glasig. Irritiert schaute er auf.

„Hast du etwas gesagt?“

„Ich fragte, ob alles in Ordnung sei?“

Lucas nickte, obwohl ich ihm dass nicht glauben konnte. Der Wasserkocher machte sich bemerkbar und so nahm ich ihn aus der Vorrichtung und füllte zwei Tassen mit heißem Wasser.

„Lebst du schon lange hier?“, fragte Lucas hinter mir.

„Seit fast zehn Jahren. Bin günstig dran gekommen und musste viel selbst renovieren.“

Ich drehte mich wieder zu ihm. Seine Gesichtsfarbe hatte sich etwas normalisiert, aber seine Augen waren immer noch glasig. Ich reichte ihm die Tasse Tee.

„Komm, lass uns rüber ins Wohnzimmer gehen.“

Er nickte und folgte mir. Ich löschte das Licht in der Küche und durchquerte den Flur. Bell war bereits im Wohnzimmer und hatte es sich in ihrem Korb bequem gemacht.

„Schön hast du es hier“, hörte ich Lucas hinter mir sagen.

„Danke.“

Ich setzte mich auf die Couch, während Lucas ließ auf einem der Sessel nieder.

„Und mit dir ist wirklich alles in Ordnung?“, fragte ich besorgt.

Er nickte erneut.

„Die vergangenen Wochen und Monate waren nicht leicht… und heute ist der erste Tag, wo ich irgendwie positiv in die Zukunft blicken kann…“

„Das ist doch schon mal etwas.“

Das konnte nicht alles sein. Ich hatte seine Augen beobachtet, die die ganze Zeit starr auf die Tasse schauten. Irgendetwas schien da noch zu sein.

“Ich überlege gerade, ob ich nicht auch hier in die Gegend ziehen sollte, wenn das mit dem Job etwas Festes wird.“

„Gute Idee, aber wie heute morgen gesagt, erst mal nur sechs Monate.“

„Damit kann ich leben, aber ich muss von zu Hause heraus.“

„Kann ich mir vorstellen, dass es nicht einfach ist, mit der Mutter in einem Haus zu wohnen.“

„Vorstellen? Du hast keine Ahnung wie nervend dass ist, du hast fast kein Privatleben, in alles mischt sie sich ein.“

„Und warum hast du nicht schon früher den Absprung geschafft?!“

„Das liebe Geld! Bisher habe ich eben noch keine Festanstellung gefunden. Und ein Stiefvater tut sein Übriges.“

„Stiefvater?“

„Ja, er ist arbeitslos wie ich…“

„… na ja, im Augenblick nicht.!

„Ja, aber er versäuft das wenige Geld, dass meine Mutter verdient… es ist ein Teufelskreis.“

Ich nickte. Schnarchen drang von draußen in den Raum und wir mussten beide grinsen.

„Also ich mach mich lang…“, meinte ich.

„Ich auch…, will ja morgen nicht gleich verschlafen.“

„Morgen sicherlich nicht. Dein Personalchef höchst persönlich wird dich aus den Federn schmeißen.“

Er grinste und seine Augen sahen auch nicht mehr so traurig aus. Ich brachte die Tassen kurz in die Küche zurück. Dann löschte ich alle Lichter bis auf das im Flur.

„Man folge mir“, meinte ich und lief die Treppe hinauf.

*-*-*

„Brauchst du ein Schlafshirt oder Ähnliches?“

Lucas schüttelte den Kopf.

“Hier ist es schön warm und da reicht die Shorts.“

„Welche Seite?“

„Hm?“

„Auf welcher Seite du schlafen möchtest?“

„Ach so…, da richte ich mich nach dir.“

„Okay.“

Mittlerweile waren auch die letzten Hüllen gefallen und ich stand nur noch in Shorts da. Ebenfalls Lucas, der etwas verlegen seine Klamotten über den Stuhl hängte.

„Hinter der Tür ist das Bad.“

„Danke.“

„Benutz einfach alles was du brauchst…“

Lucas verschwand im Bad, während ich ihm nachschaute. Ein absolut süßer Kerl dachte ich, aber wohl nichts für mich.

*-*-*

Der Radiowecker verrichtete seinen Dienst und weckte mich pünktlich. Lust hatte ich zwar keine zum Aufstehen, aber es half nichts. Plötzlich kam die Erinnerung an den gestrigen Abend zurück und dass ich nicht alleine im Haus war.

Mein Kopf drehte sich leicht nach links. Aber was war das? Das Bett neben mir war leer. Wo war Lucas? Ich warf die Decke zurück und spürte gleich, dass ich gestern vergessen hatte, das Fenster zu schließen.

Fröstelnd zog ich mir ein Hemd über und lief in den Flur. Von unten drangen Geräusche aus der Küche. Auf Zehnspitzen lief ich die Treppen hinunter und fand Lucas in der Küche.

„Morgen Chef!“, sagte Lucas lächelnd und stellte drei Tassen auf den Tisch.

„Öhm… guten Morgen…, bist du aus dem Bett gefallen, oder warum bist du schon zu fit?“

„Nein, ich konnte nicht richtig schlafen…“

Er wollte diese Aussage wohl nicht weiter ausführen. Ich verließ die Küche und ging ins Zimmer meines Bruders. Ich blieb kurz grinsend stehen. Wie man so schlafen konnte war mir ein Rätsel.

Er lag auf dem Bauch, ein Fuß hing halb vom Bett und der Kopf lag verdreht am Betende.

„Kevin… Aufstehen!“

„… noch… eine viertel Stunde…“, bekam ich als Antwort.

„Nichts da, aufstehen aber flott!“

„… Sklaventreiber.“

„Immer wieder gerne!“

Ich verließ ihn wieder und ging zur Küchentür. Bell kam mir entgegen und ich wuschelte ihr über den Kopf.

„Ich zieh mich schnell an, du kannst schon mal den Kaffee einschenken.“

„Mach ich“, kam es lächelnd von Lucas.

Schneller als sonst war ich durchs Bad und kam wenige Minuten später wieder in der Küche an. Kevin hatte es tatsächlich fertig gebracht und saß am Küchentisch, allerdings noch in Shorts.

„Na, Bruderherz, gut geschlafen?“

„… wie ein Toter“, meinte er und stütze seinen Kopf ab.

„Tote schnarchen?“, fragte Lucas und griff sich ein Brot.

Ich musste grinsen.

„… hat wer eine Kopfwehtablette für mich“, jammerte Kevin.

Nun seufzte ich und stand wieder auf.

„Vielleicht solltest du ein paar Gläser Bier weglassen“, meinte ich und öffnete den Hängeschrank neben der Spüle.

„Soviel…, waren dass doch gar nicht.“

„Stimmt, solange du nüchtern warst, waren es nicht viele“, sagte ich und griff nach dem Päckchen mit den Schmerztabletten.

„Ich glaub ich… sollte damit aufhören.“

„Welche weiße Eingebung, Bruderherz.“

Kevin schaute auf und grinste schief.

„Kann ja nicht jeder so diszipliniert sein wie du!“

Ich befüllte ein Glas mit Wasser, stellte dies zu Kevin und legte die Tablette daneben.

„Danke!“

“Bitte.“

Lucas saß einfach nur da, kaute an seinem Brot und grinste.

*-*-*

„Gwenn, schauen sie sich das mal an“, rief ich zur offenen Tür hinaus.

Wenige Sekunden später betrat die Gerufene mein Büro.

„Um was geht es?“

„Hier ist der Bericht über Amestist&Borger.“

„Ja?“

Ich hielt ihr die Liste mit den Firmen unter die Nase, die Marc im Auftrag seiner Firma aufgekauft hatte.

„Fällt ihnen etwas auf?“

Gwenn nahm beide Blätter in die Hand und lass nachdenklich darüber.

„Warum ist mir das nicht vorher aufgefallen?“, fragte sie plötzlich.

„Ich habe es auch nur durch Zufall entdeckt.“

Sie nickte. Sämtliche Expansionen der Firma Amestist&Borger fielen mit den Firmenaufkäufen von Marc zusammen.

„Ein erneuter Angriff auf unsere Firma?“

„Ich weiß es nicht. Auf alle Fälle verschwanden diese Firmen aus dem Handelsregister und tauchen hier als Tochterfirmen der Firma wieder auf.“

Gwenn schaute mich durchdringend an.

„Kann ich mal kurz telefonieren?“, fragte sie.

Ich nickte.

Sie nahm meinen Hörer und tippte eine Nummer ein.

„Hallo Molly… ja gut und dir… hört sich gut an… ja… du, warum ich anrufe…, du hast mir doch von diesem Marc Oswald erzählt… arbeitet der noch für euch?“

Ich schaute sie verwirrt an. Woher hatte sie so gute Kontakte.

„Wie… der hat nie für euch gearbeitet…, dass verstehe ich nicht… wenn… ach so, das wusste ich nicht… okay, dass war es schon… ja danke, du auch… bye!“

Sie legte auf und sah mich an.

„Dieser Marc Oswald hat nie für Campel gearbeitet…, Campel ist eine Tochterfirma von…“

… Amestist&Borger“, beendete ich ihren Satz.

„Nicht ganz…“

Jetzt verwirrte sie mich noch mehr. Gwenn verließ kurz mein Büro, um mit einem Stapel an Papieren wieder zurück zu kommen. Diesen legte sie vor mich.

„Campel ist eine Tochterfirma der amerikanischen Dolfgroup, deren Firmenbesitzer kein anderer als Oswald ist.“

„… sein Bruder?“

„Nein sein Vater.“

„Aber was hat sein Vater mit Amestist&Borger zu tun?“

„Hier der Lebenslauf von Marc Oswald“, meinte sie und zeigte auf das Blatt vor mir.

Ich schaute sie an und sie zuckte mit den Schultern.

„Sagen wir mal so, ich bin eben gerne gut informiert, mit wem unser Haus Geschäfte macht, oder wer eventuell mein neuer Vorgesetzter gibt.“

Ich musste lächeln und schaute auf die Stelle, die mir Gwenn zeigte.

„… Marc Oswald, Sohn des Industriellen Oswald. Oswalds, Besitzer der Dolfgroup. Mutter Lauren Borger – Oswald…“

Fassungslos schaute ich Gwenn an.

„Es ärgert mich wirklich, dass mir dies nicht sofort aufgefallen ist“, gab Gwenn von sich.

„Schon gut, Gwenn. Es ist ja nicht so, als wüssten sie über alles Bescheid.“

„Was machen sie jetzt?“

„Hm, Amestist&Borger haben dreißig Prozent der Firmenanteile gekauft, um neues Kapital in unsere Firma zu schießen, damit können sie Barr und Stroud nicht übernehmen.“

„Es wurden schon mit weniger Anteilen, Firmen zum Untergang gebracht.“

„Nein Gwenn, das glaube ich nicht. Irgendetwas führen die im Schilde, weiß nur noch nicht was, aber ich werde es schon noch heraus finden. Gwen, dass bleibt erst einmal unter uns!“

Gwenn nickte. Sie verließ kurz das Büro und kam mit einem leeren Ordner zurück. Fragend schaute ich sie an.

„Da werden sicher noch mehr Unterlagen zusammen kommen, oder?“

„Stimmt“, meinte ich und gab ihr die ganzen Papiere.

*-*-*

„Nachdenklich saß ich vor dem Feuer in meinem Wohnzimmer. Das Holz knisterte. Bell lag vor meinen Füßen und hatte ihren Kopf auf ihre Pfoten gebettet. Ich nippte an meinem Whiskey.

Wie oft ich nun schon die Papiere dieser Firma durchgegangen war, wusste ich nicht mehr. Ich klappte den Ordner zu und legte ihn beiseite. Müde rieb ich mir die Augen. Ich verstand die Firmenphilosophie nicht.

Die Firmen die sie geschluckt hatten waren in so vielen unterschiedlichen Gebieten tätig. Traktormotoren, Möbel, Mode und vieles anderes, sogar eine Firma, die medizinischen Bedarf herstellte. Wie passte da die Glasfirma Barr und Stroud dazu?

Bell hob den Kopf und sah mich an. Es klingelte an der Haustür.

„Nanu, bekommst du noch Besuch?“, meinte ich grinsend zu Bell und strich ihr über den Kopf.

Ich stellte meinen Whiskey ab und erhob mich. Keine Ahnung, wer mich um die Zeit noch besuchte. Schon müde lief ich zur Haustür und öffnete sie. Geschockt schaute ich meinem Gegenüber in die Augen.

„Was willst du hier?“, fragte ich Marc säuerlich.

„Dich besuchen…?“

„Es hat dich niemand eingeladen!“

„Muss es das…?“

Ich begann zu frieren. Langsam schob ich die Haustür auf und ließ Marc eintreten. Ich schloss die Tür und er öffnete seinen Mantel.

„Hör mal Bill…, ich wollte mich…“

„Wenn du dich entschuldigen willst, bist du bei mir an der falschen Adresse“, winkte ich ab.

„Bill…, jetzt lass mich doch erklären.“

„Was soll es da noch groß zu erklären geben? Du hast versucht unsere Firma zu übernehmen und mich dazu benutzt.“

„Glaubst du… das wirklich?“

„Ich weiß gar nicht was ich glauben soll, Marc“, sagte ich nun etwas energischer, „oder willst du mir erzählen, am Anfang war es Spaß und dann kam die große Liebe?“

„Ja…“

„Marc, dass ist gequirlte Scheiße…, so etwas kommt doch nur im Fernsehen.“

„Du… hast gesagt…, dass du mich noch liebst.“

„Hatte ich…, aber mittlerweile denke ich… nein ich weiß es…“

Ich schüttelte meinen Kopf.

„Marc, das war alles nur Einbildung…, ich liebe dich nicht mehr…!“

Sein Blick wurde traurig.

„Du hast mich sehr verletzt und hintergangen.“

„Aber ich…“

„Vergiss es einfach, ich tu es auch.“

Das war zwar von mir gelogen, aber das brauchte ich ihm ja nicht gerade auf seine Nase zu binden. Ich öffnete die Haustür.

„Leb Wohl Marc…, vielleicht findest du ja jemand, der deine Spielchen mit dir teilt. Ich für meinen Teil werde jetzt meinen Whiskey zu Ende trinken und mich dann schlafen legen.“

Ohne auf Antwort zuwarten, ließ ich die Haustür ins Schloss fallen. Hatte der doch die Dreistigkeit hier aufzutauchen. Ich löschte das Licht im Flur und ging zum Wohnzimmer zurück.

Schlafen konnte ich jetzt vergessen, so aufgewühlt ich war. Ich griff nach meinem Whiskey und nahm einen Schluck. Wie konnte Marc nur denken, dass ich ihn zurück wollte? Ich schüttelte den Kopf.

*-*-*

Müde und gerädert kam ich im Geschäft an. Irgendwann musste ich wohl eingeschlafen sein, aber es war eben zu kurz. Ich betrat das Firmenhaus und wenig später mein Büro.

„Morgen Chef!“, begrüßte mich wie immer die lächelnde Gwenn.

„Morgen Gwenn.“

„Sie sehen aus, als hätten sie zu wenig Schlaf bekommen.“

Ich hängte meine Jacke an den Haken.

„Habe ich auch… ein unverhoffter Besuch hat mir den Schlaf geraubt.“

„Es handelt sich da nicht zufällig um einen gewissen Marc Oswald?“

Etwas erschrocken sah ich Gwenn an.

„Woher wissen sie?“

„Das war eine Vermutung! Was ich dagegen sicher weiß, dass seine Mutter heute hier zu einer Betriebsbesichtigung erscheint.“

„Seine Mutter?“

„Ja. Lauren Borger – Oswald. Der Chef will später mit ihr hier vorbei schauen“, antwortete Gwenn und reichte mir eine Mitteilung von Mr. Stroud.“

„Dann hat er also Verstärkung mitgebracht“, sagte ich mehr zu mir selbst.

„Könnte es sein…, dass es noch einen anderen Grund gibt…, warum Frau Borger – Lauren hier Geld ins Geschäft pumpt?“, fragte Gwen.

„Ich weiß es nicht!“

Ich zuckte mit den Schultern und lief in meinen Raum nebenan. Meine Gedanken überschlugen sich. Was hatten die vor? Ich ließ mich auf meinen Chefsessel fallen, während Gwenn ins Zimmer kam und ohne mich zu fragen, einen Kaffee servierte.

Aber anstatt mein Büro wieder zu verlassen, blieb Gwenn an meinem Schreibtisch stehen. Gedankenverloren schaute ich sie an.

„Ich will ihnen ja nicht zu Nahe treten…“

„Was…?“

„Könnte es sein, dass dieser Marc sich mütterliche Verstärkung geholt hat?“

„… ähm, wie meinen sie das?“

„Ich habe von ihrem kleinen Disput in der Kneipe gehört… und denke, dass dieser Marc doch eventuell mehr von ihnen wollte…, als sie auszunutzen.“

Etwas verzweifelt schaute ich sie an und schüttelte den Kopf.

„Dann müssten sie auch wissen, dass er vor versammelter Mannschaft…, ich zitiere: …ich kann hier jeden haben, der auf Männer steht. Jeder ist ersetzbar… gesagt hat. Das hört sich nicht danach an, als hätte er das wirklich ernst gemeint.“

„Es war auch nur so ein Gedanke…, dass vielleicht seine Mutter deswegen Geld in die Firma schießt, damit die Firma nicht schließen muss, keine Entlassungen anstehen und die Arbeitsplätze auf Dauer gesichert sind.“

Ich zuckte mit den Schultern.

„Ich gebe ihnen Bescheid, wenn sich die hohen Herrschaften uns nähern“, sagte Gwenn und verließ mein Büro wieder.

Gut, Marc wusste, wie wichtig mir das Wohlergehen der Belegschaft war. Aber wieso diese 180 Grad Drehung, erst aufkaufen wollen und jetzt Geld zu schießen. Wollte er mich damit beeindrucken?

Er kann doch gar nicht wissen, dass ich die Zusammenhänge gefunden habe, oderdenkt ich bin einfach schlau genug, sie zu finden. Draußen klopfte es. Wenig später hörte ich Gwenn reden.

„Guten Morgen Mr. Stroud.“

„Guten Morgen Gwenn…, ist Bill da?“

„Ja, er erwartet sie schon.“

„Darf ich ihnen Mrs. Borger – Oswald vorstellen. Sie ist die neue Teilhaberin unseres Betriebes.“

Ich atmete tief durch und stand auf. Langsam lief ich zur Tür, wo auch schon Mr. Stroud und Gwenn in Sicht kamen.

„Ah Bill, guten Morgen. Darf ich ihnen Mrs. Borger – Oswald vorstellen.“

Gwenn ging zur Seite und gab mir die Sicht auf die Dame frei. Aber nicht wie erwartet, stand da eine stark geschminkte, in Designerklamotten gepresste Frau vor mir, sondern eine unscheinbar wirkende ältere Dame. Ich hob meine Hand.

„Guten Morgen, Mrs Borger Oswald.“

Sie trug eine braune Bluse auf Jeans. Ihre Haare waren kurz und grau. Das Gesicht mit einigen Kummerfalten übersät.

„Guten Morgen Mr. Savage. Endlich lerne ich sie kennen, meine Sohn hat mir schon vieles über sie erzählt.“

Stroud und Gwenn schaute mich gleichermaßen überrascht an.

„Ich hoffe nur Positives…“

Eine andere Antwort fiel mir nicht ein. Ein kleines Lächeln machte sich in Mrs. Borger – Oswalds Gesicht breit.

„Ja, er hat nur in den höchsten Tönen von ihnen geschwärmt.“

Unbehagen machte sich in mir breit. Sie musste doch wissen, dass ich mit ihm Schluss gemacht hatte.

„Jeffrey, hätte jede Firma einen so aufgeschlossenen Personalchef wie ihre Firma, müssten nicht so viele Firmen schließen.“

Sie nannte ihn schon per Vornamen, dass tat niemand hier in der Firma. Ich wusste nicht mal, ob jemand seinen Vornamen kannte. Stroud nickte ihr zu, aber ich sah ihm an, dass er nicht verstand, was sie meinte.

„Bill… ich darf sie doch Bill nennen…“, fragte sie und ich nickte, „… könnten sie mir etwas die Firma zeigen?“

Damit war mein Chef wohl aus dem Rennen.

„Aber gerne doch“, sagte ich lächelnd.

Gwenn hatte Mühe sich ein Grinsen zu verkneifen und Mr. Stroud wurde rot im Gesicht.

*-*-*

Die Führung war zu Ende und ich brachte Marcs Mutter noch zu ihrem Wagen. Ein Chauffeur hielt ihr die Tür offen.

„Bill, wir müssen uns unbedingt bei einer Tasse Tee über dieses Thema weiter unterhalten, wäre ihnen heute Mittag vier Uhr Recht?“

Das war keine Frage, sondern ich wusste, dass ich dies nicht ausschlagen dürfte.

„Kein Problem, das lässt sich einrichten“, antwortete ich.

„Gut, dann heute Mittag um vier im Balmoral.“

Ich nickte. Natürlich eine Top Adresse, auch wenn es nicht ganz zu ihr passte. Sie stieg ein und ihr Fahrer schloss die Tür. Ich dagegen blieb anstandshalber noch stehen, bis der Wagen das Gelände verlassen hatte.

„Klasse Frau!“

Ich fuhr erschrocken herum. Lucas stand hinter mir.

„Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken.“

Ein Lächeln huschte über meine Lippen. Dieser Mann durfte mich so oft erschrecken wie er wollte.

„Nicht schlimm! Was führt dich zu mir?“

„Ich habe dich im Hof gesehen und wollte kurz Hallo sagen.“

Mein Lächeln verstärkte sich.

„Was machst du heute Abend?“, fragte ich, selbst über mich überrascht.

„Ich habe noch nichts vor.“

„Treffen wir uns in der Kneipe?“

„… können wir…“

Ich spürte, dass ihm diese Antwort Unbehagen bereitete.

„Ist irgendetwas?“

Lucas lief rot an. Mein Gott, war der süß!

„Ich…, ich müsste dann… ich habe ja noch keinen Wagen und… wenn ich etwas trinken möchte.

Ich verstand.

„Du müsstest dann von meinem Gästezimmer Gebrauch machen.“

Er nickte.

„Das ist doch kein Problem…, okay dann sehen wir uns heute Abend.“

Wir standen dich voreinander und mein Verlangen, ihn jetzt einfach in den Arm zunehmen und zu küssen, war heftig, aber mein Verstand gebot mir Einhalt.

„Dann bis heute Abend“, meinte Lucas plötzlich und lief weiter Richtung Fertigungshalle.

Ich schaute ihm noch etwas nach, spürte aber wir mir Zusehens kälter wurde. Es fing wieder an zu schneien. Zügig betrat ich das Verwaltungsgebäude und wenige Minuten später war ich wieder in meinem Büro.

„Wie war die Führung?“, fragte Gwenn.

„Sie führte zu einer Einladung zum Tee heute Mittag“, antwortete ich.

„Oh, doch gleich so intim!“

Ich hörte den Unterton in Gwenns Stimme und musste grinsen.

„Ich muss doch wissen, welche Waffen die Gegenseite auffahren will und was gibt mir das die beste Möglichkeit dazu? Ein intimes Gespräch zu zweit!“

Gwenn grinste mich an.

*-*-*

Die heftigen Schneefälle machten es mir fast unmöglich gut durch die Straßen zu kommen. Entnervt vor dem Hotel angekommen, kam ein Boy und bat mich um meine Wagenschlüssel. Ich übergab ihm diese und sah zu, wie er den Wagen in die enge Einfahrt der Tiefgarage fuhr.

Ich lief die kleine Treppe zum Eingang hinauf und auch hier war ein Boy, der mir die Tür aufhielt.

„Herzlich willkommen im Balmoral“, ließ er verlauten und ich nickte ihm zu.

Trotz meiner Stoffhose und Hemd kam ich mir jetzt etwas deplatziert vor. Langsam kam ich zur Rezeption, die mit einer jungen Frau und einem älteren Herren besetzt war.

„Guten Tag, sie wünschen?“, fragte mich die junge Dame.

„Mein Name ist Bill Savage und ich habe eine Verabredung mit Mrs. Borger – Oswald.“

„Sie werden schon erwartet…, würden sie mir bitte folgen?“

Ich nickte. Der Blick des älteren Herren, wie er mich musterte, war mir natürlich nicht entgangen. So folgte ich der jungen Frau, die mich ins Restaurant des Nobelschuppens brachte.

Sie wies mit der Hand in eine Richtung, wo ich Marcs Mutter auch entdeckte.

„Danke!“, sagte ich, worauf mich die Frau alleine ließ.

Ich schlängelte mich durch die Tische, bis ich bei meiner Gastgeberin ankam.

„Hallo Bill, da sind sie ja endlich!“

„Entschuldigen sie Mrs. Borger – Oswald…, bei diesem vielen Schnee war ein gutes Durchkommen fast unmöglich.“

„Hauptsache sie sind sicher hier angekommen.“

Ich nickte und setzte mich zu ihr an den Tisch.

„Sie wollten mit mir über Produktionsvorschläge reden, Mrs. Borger – Oswald…, wäre da nicht Mr. Harris aus der Entwicklung besser gewesen?“

Diese Frage hatte mich schon die ganze Zeit beschäftigt.

„Zum Ersten…, Bill nennen sie mich bitte Glenda… und zum zweiten muss ich gestehen, dies war nur ein Vorwand, um sie näher kennen zu lernen. Wobei ich nicht behaupten möchte, dass ich nicht über das Wissen verfügen, welches nötig wäre, um in der Produktplanung mitzuwirken.“

Einerseits schmeichelte mir dies, aber andererseits störte es mich auch. Hatte Marc sie wirklich auf die Firma angesetzt, oder so wie Glenn vermutete auf mich? Ich beschloss zum Gegenangriff überzugehen. Wenn sie ehrlich war, wollte ich es auch sein.

„Hat dieses Treffen eventuell etwas mit ihrem Sohn Marc zu tun?“

Sie schwieg kurz, rührte in ihre Tasse Tee herum und schaute mich dann wieder an.

„Bill…, ich will nicht um den heißen Brei reden, aber ich denke, ich muss etwas weiter ausholen, damit sie verstehen, warum ich das alles hier mache.“

Ich nickte und nahm ebenso ein Schluck Tee.

„Sie müssen wissen, dass die Ehe mit meinem Mann nur noch auf dem Papier rechtskräftig ist. Er hat mich geheiratet, um einen wirtschaftliche Zweig in England zu besitzen. Wobei ich anmerken muss, es gehört nach wie vor alles mir, er ist nur ein kleiner stiller Teilhaber.“

Ich verstand nicht, warum sie mir das nun erzählte.

„Durch Marc bin ich mittlerweile über die Geschäftspraktiken informiert und möchte ihnen zusichern, dass ich mich davon distanziere. Ich halte nichts davon, Firmen aufzukaufen und sie samt Belegschaft gewinnbringend zu veräußern.“

„Aber, die meisten Firmen laufen doch jetzt unter der Dolfgroup als Tochterfirmen weiter.“

„Ich sehe Bill, sie haben ihre Hausaufgaben gemacht.“

Sollte ich darauf stolz sein?

„Aber es sind nur die Firmen, die rentabel gewesen sind.“

„Und welche Rolle spielte dabei ihr Sohn?“

Hatte ich meine Frage zu sehr mit Unterton gestellt?

„Dazu muss ich auch noch etwas erklären. Ich lebe das ganze Jahr über hier in Schottland und bin nur selten in Amerika. Mein Sohn Marc allerdings, zu meinem Leidwesen, ging in Amerika auf die Schule und studierte dort auch, so dass die Erziehung, wenn man sie so überhaupt nennen kann, meinem Mann zu fiel.“

Interessant!

„Sie müssen mir glauben, dass ich mit vielem, wie mein Sohn sich gibt, oder von sich gibt, nicht immer einverstanden war. Genauso wenig, dass er sich von meinem Mann hat einspannen lassen, um Firmen aufzukaufen.“

Ja, dass hatte ich ja am eigenen Leib zu spüren bekommen.

„Sonst ist Marc ein lieber Kerl…, solange er nicht unter dem Einfluss meines Mannes stand.“

Stand?

„Marc kam vor zwei Wochen zu mir, unerwartet, und klärte mich in einem langen Gespräch bis tief in die Nacht über alles auf.“

Also musste sie auch über die Beziehung zwischen Marc und mir Bescheid wissen.

„Nach diesem Gespräch habe ich Marc einfach alleine gelassen und bin zu Bett gegangen. Es war einfach zu viel für mich. Auch wusste ich bisher nichts darüber, wie sich das Leben meines Sohnes privat gestaltete.“

Ich spürte, wie langsam das Blut unter meine Gesichtshaut kroch. Glenda lächelte etwas.

„Ich sehe, sie wissen was ich meine. An diesem Wochenende ließ ich mir von Marc alles zeigen, welches das Geschäftsgebaren meines Mannes komplett offen legte. Auch wie die beiden bei ihrer Firma vorgingen und ich muss zugeben, ich war geschockt.“

Dies konnte ich mir gut vorstellen.

„Dann kam eben noch diese kleine Geschichte über sie und Marc heraus“, sprach sie im leisen Ton weiter, „und meine Meinung ist…, mein Sohn hat es nicht anders verdient! Ich wäre mit ihm genauso verfahren.“

O ha und dies von meiner fast angehenden Schwiegermutter. Ich konnte nicht anders und musste etwas lächeln.

„Was belustigt sie daran, Marc?“

„Dass sie in Sachen Marc die gleiche Meinung haben.“

„Nicht ganz junger Mann, denn ich bin eine Verfechterin der zweiten Chance. Jeder sollte eine zweite Chance bekommen, auch wenn er einen riesen Mist gebaut hat.“

Da konnte ich nicht mithalten. Den Schmerz, den ich immer noch empfand, war einfach zu groß. Glenda senkte den Kopf leicht nach links und schaute mich durchringend an.

„Was meinen sie dazu?“

Ich überlegte kurz, um die passenden Worte zu finden.

„Generell gebe ich ihnen Recht, Glenda…“

„… aber?“

„Es kommt auch darauf an, was derjenige gemacht hat. Nicht für alles gibt es eine zweite Chance.“

„Auch nicht für Marc?“

*-*-*

Bell lag wie immer vor meinen Füssen und wärmte sie. Zu Hause hatte ich es nicht mehr ausgehalten. Ich war Glenda am Mittag die Antwort schuldig geblieben, denn ich konnte darauf nicht antworten.

Die ganze Zeit schwirrte mir diese Frage im Kopf herum.

„Schon lange da?“, riss mich eine Stimme aus meinen Gedanken.

Ich schaute auf und sah Lucas.

„Oh hallo Lucas…“

„Entschuldige, du musst ja meilenweit weg gewesen sein.“

Ich schüttelte den Kopf. Bell war aufgestanden und ließ sich genüsslich von Lucas kraulen. Er hing seine Jacke die Stuhllehne und setzte sich zu mir.

„Was ist los?“, fragte er mich.

Ich rieb mir über das Gesicht und atmete tief durch.

„Die Gegenseite fährt harte Bandagen auf.“

Lucas schaute mich fragend an und ich seufzte.

„Was hat dir Kevin über mich erzählt?“

Lucas hob seine Augenbraue hoch und das Fragezeichen in seinem Gesicht wurde noch größer.

„Wie meinst du das…, über dich erzählt?“

„Was du über mich weißt.“

Lucas atmete hörbar aus.

„Hm…, dass du Personalchef bei unserer Firma bist, alleine mit deinem Hund ein Häuschen bewohnst und… anscheinend vor kurzen etwas Pech in einer Beziehung hattest.“

„Etwas… ist gut.“

Lucas zuckte mit den Schultern.

„Du musst entschuldigen, ich höre mir nicht gerne Erzählungen aus dritter Hand an. Wenn mich etwas interessiert, dann möchte ich das schon im Original hören.“

„Und willst du wissen, was passiert ist?“

„Das kommt darauf an, ob du mir es erzählen willst. Wir kennen uns eigentlich noch nicht so richtig…, also ich meine… kennen schon, aber eng befreundet, ich hoffe du verstehst…?“

Ich konnte nicht anders und lächelte.

„Mir kommt es so vor, als würde ich dich schon ewig kennen…“

Nun lächelte auch Lucas.

„Okay… Kurzfassung. Eine Firma schickte einen Unterhändler, der den Kauf unserer Firma abwickeln sollte. Ich verliebte mich in ihn und fand aber heraus, dass der Interessent die Firma nur aufkaufen wollte, um sie anschließend zu zerpflücken.“

„Nicht schön und was passierte dann?“

„Ich habe ihm den Laufpass gegeben, weil mir ins den Sinn kam, dass er sich nur an mich heran gemacht hat, um es wegen der Firma leichter zu haben.“

„Glaubst du das wirklich?“

Ich nickte.

„Heftig. Und wie ging es weiter?“

„Seine Mutter tauchte auf und fragte mich, ob ich ihm nicht eine zweite Chance geben könnte?“

„…Mrs. Oswald – Borger?“, fragte Lucas ungläubig.

Wieder nickte ich. Lucas blähte seine Wangen auf und ließ langsam Luft ab. Ich sah, wie es in seinem Kopf anfing zu arbeiten.

„… und… und gibst du ihm eine zweite Chance?“

„Nein!“

„Die Antwort kam sehr schnell, du bist dir da also völlig sicher.“

„Schon.“

„Aber?“

Ich rieb mir kurz die Augen und nahm einen Schluck von meinem Bier. Sally kam an den Tisch.

„Hallo Lucas, möchtest du auch etwas trinken?“

„Ein Bier“, lächelte er.

„Kommt sofort!“

Sally lief zur Theke zurück und Lucas sah mich durchdringend an. Er wartete auf eine Antwort.

„Ich… ich weiß nicht. Wenn Glenda…“

„Glenda?“

„Glenda Oswald – Borger, die Mutter von Marc.“

„Aha.“

„Also wenn Glenda, nun ihr Geld deswegen nur in die Firma gesteckt, um bei mir für Marc Chancen einzuräumen und nicht wie behauptet einen Fehler ihres Mannes zu korrigieren…“

Nun hob Lucas beide Augenbrauen hoch.

„Das glaube ich nicht, Bill. Wegen so etwas so viel Geld auszugeben.“

„Mutterliebe…“

„Nein Bill, bei allem was Recht ist, das kann ich mir nun wirklich nicht vorstellen.“

„Ich will es mir auch nicht vorstellen, aber nach dem Gespräch heute Mittag, drängte sich mir der Gedanke auf. Zudem habe ich andere Dinge im Kopf, als mich in so ein Abenteuer zu stürzen.“

Bildete ich es mir nur ein, oder schaute Lucas jetzt enttäuscht.

„Also ich meine, ich werde sich nichts mehr mit Marc anfangen… es tat einfach nur höllisch weh.“

Lucas legte seine Hand auf meine. Sie fühlte sich warm und weiche an.

„Tat…?“

Wieder atmete ich scharf aus. Sally kam an unseren Tisch zurück und Lucas zog seine Hand zurück.

„So…, hier ist dein Bier.“

„Danke.“

Vorne ging die Tür auf und ich sah meinen Bruder herein laufen.

„Ich glaube, ich geh schon mal ein Bier zapfen“, meinte Sally, die wie ich ebenfalls Kevin erspäht hatte.

Lucas drehte den Kopf und schaute nun auch nach vorne.

„Oh, er hat Grace dabei“, hörte ich ihn sagen, bevor sich Lucas wieder zu mir drehte.

Nun fiel mir die junge Frau, die etwas verdeckt hinter Kevin stand ebenso auf. Er schaute sich kurz um, bevor er uns sah. Grinsend kam er auf uns zu.

„Hallo ihre beiden“, rief er uns entgegen.

„Hallo Kevin“, kam es von Lucas.

„Bruderherz!“, sagte ich.

„Bill, darf ich dir meine Freundin Grace vorstellen?“

Kevin ging etwas zur Seite und gab mir die Sicht auf Grace frei.

„Du stellst blöde Fragen! Was würdest du jetzt machen, wenn ich nein sagen würde?“

Lucas und Grace fingen an zu grinsen und Kevin lief rot an. Etwas, was ich schon lange nicht mehr an ihm gesehen hatte. Ich stand auf und reichte Grace die Hand.

„Hallo Grace! Was findest du an diesem Tunichtgut?“

Sie lachte laut auf und Kevin schaute mich entsetzt an.

„Hallo Bill, nett dich kennen zu lernen. Ich kann dir die Frage leider nicht beantworten… ich mag ihn halt.“

„… mag?“, stammelte Kevin.

Nun musste ich ebenfalls grinsen.

„Komm setzt euch, bevor mir Kevin an die Gurgel springt“, sagte ich und ließ mich wieder auf meinen Stuhl nieder.

Trotz dieses kleinem Wortaustausch, vergaß Kevin nicht Bell zu begrüßen. Die zwei setzten sich zu uns.

„Das glaube ich weniger, so wie mir Kevin immer von seinem großen Bruder vorschwärmt.“

Verblüfft schaute ich zu Kevin, der immer noch nicht seine Sprache gefunden hatte.

„… und dann die ganzen Geschichten, wie du ihm aus der Sche… ähm dem Schlamassel gezogen hast. Er kann wirklich froh sein, so einen Bruder zu haben.“

„Grace…!“, kam es nun von Kevin verlegen.

Sie grinste ich nur an und gab ihm einen Kuss auf die Wange.

„Wenn ich es nicht besser wüsste, könnte man meinen, du flirtest mit meinem Bruder.“

Lucas und ich fingen an zu lachen und Grace verzog ihr Gesicht zu einer Grimasse.

„Mein Bruder… eifersüchtig…, dass ich so etwas Mal erleben darf“, warf ich ein.

„Ja, macht euch nur lustig über mich.“

„Och Kevin“, sagte Grace und wuschelte ihm durch die Haare.

Sally kam an den Tisch und stellte Kevin ein Bier hin.

„Oh… äh… ich wollte nur eine Coke trinken“, kam es leise von Kevin, „ ich muss noch Auto fahren.

Verwundert schauten wir Kevin an.

„Eine Cola… und die junge Dame?“

„Ein Wasser bitte“, antwortete Grace.

Sally wollte das Bier wieder nehmen, doch ich winkte ab.

„Ich nehm es, meins ist eh fast leer!“, sagte ich.

Ich nahm mein Glas, leerte es und reichte es Sally.

„Danke“, meinte sie und zog ab.

Schmunzelt sah ich meinen Bruder an.

„Was?“

„Ich mag Grace…, sie scheint einen vernünftigen Menschen aus dir zu machen. Den Job, den ich die ganzen Jahre nicht fertig gebracht habe.“

Mein Bruder funkelte mich an, während Grace und Lucas wieder am Lachen waren. Sally kam mit einer Coke und einem Glas Wasser zurück und bediente die zwei.

„Danke!“, meinte Grace.

„Bill ich kann dich beruhigen, so schlimm ist dein Bruder überhaupt nicht.“

„Gut zu hören.“

Grace schaute zwischen mir und Lucas hin und her. Er nahm sein Bier und trank ein Schluck daraus.

„… und ihr zwei… seit zusammen?“, fragte Grace.

Lucas verschluckte sich am Bier und begann zu husten.

„… ähm nein…, sind wir nicht…“, sagte ich leicht verlegen.

„Kevin ließ so etwas verlauten… ihr würdet so gut zusammen passen.“

Ein kleiner Blick zu meinem Bruder verriet mir, dass er jetzt am liebsten im Boden versunken wäre.

„Oh… entschuldigt…, da war ich wohl zu voreilig.“

Lucas grinste Grace an.

„Was ja nicht ist, kann ja noch werden“, ließ er von Stapel, was mich nun verblüfte.

Die Verkupplungstheorie seitens meines Bruders nahmen Formen an. Lucas unterstrich das Gesagte damit, dass er wieder meine Hand nahm. Kevin schaute mich an.

„Habe ich etwas verpasst?“

Ich grinste ihn süffisant an.

„Nicht, dass ich wüsste“, sagte ich.

*-*-*

„Du mir macht es nichts aus in deinem Gästezimmer zu schlafen“, sagte Lucas.

„… und ich soll mich alleine in das große kalte Bett legen.“

Wir standen dicht bei einander. Er hob die Hand und streichelte sanft über meine Wange.

„Du… meintest das vorhin ernst im Pup, oder?“, fragte ich leise.

„Was?“

„Dass zwischen uns…“

Lucas nickte und zog mich sanft zu sich. Sekunden später spürte ich seine warmen, weichen Lippen und schloss die Augen. Ich ergab mich dem Kuss und erwiderte. So schnell es angefangen hatte, so schnell endete es auch wieder.

Ich öffnete wieder die Augen und Lucas‘ Gesicht war immer noch dicht bei mir. Seine Augen funkelten dunkel.

„Ich war schon damals in dich verliebt“, hauchte Lucas leise.

„Damals?“

„Ja… damals, als du mich nicht beachtet hast…, wer spielt schon mit einem fetten Jungen.“

„Was soll ich jetzt sagen?“

„Nichts!“, entgegnete Lucas und küsste mich erneut.

*-*-*

Wir lagen nebeneinander im Bett und schauten uns an.

„… du warst vierzehn…“

„Ja ich weiß! Vielleicht war es auch nur ein Schwärmen. Eigentlich habe ich erst jetzt begriffen, als ich dich wieder sah, dass da mehr ist als früher, ein anderes Gefühl. Ich fühlte mich aber immer so wohl und sicher, wenn du mit Kevn zum Spielen kamst.“

„Sicher?“

Sein Blick senkte sich leicht nach unten.

„Na ja…, ich war fett und immer das Ziel der anderen. Wenn du dabei warst, ließen sie mich in Ruhe.“

„Davon habe ich nie etwas bemerkt und Kevin hat auch nie etwas gesagt.”

„Kunststück! Ein kleiner Dicker und eine Bohnenstange…, wie Pat und Pattachon.“

Ich musste über den Vergleich grinsen.

„Und wie kam es dann, dass aus dir ein so… ansehnlicher junger Mann wurde?“

„Die Hormone? Quatsch! Ich wurde krank. Man steckte mich kurzerhand in ein Heim, wo ich nach und nach die Pfunde verlor.“

„Davon hat mir Kevin auch nie etwas erzählt.“

„Das lag an mir. Kevin musste versprechen, dass er nie jemanden etwas erzählen würde. Und zu dem, warum sollte er dir etwas über mich erzählen? Du bist vier Jahre älter als ich, was für Interessen solltest du an einem Pickligen vierzehn Jährigen haben.“

„Stimmt auch wieder. Aber dass ist ja jetzt Vergangenheit!“

Lucas nickte. Seine Augen funkelten im Schein der Nachtischlampe.

„… und was wird jetzt…, also ich meine…“, fing Lucas stotternd an.

„Was aus uns wird?“, fragte ich.

„Ja.“

Ich ließ mich nach hinten auf mein Kopfkissen fallen und atmete tief durch.

„Lucas…, ich weiß es nicht Recht. Es tut gut mit dir zusammen zu sein, es ist schön deine Nähe zu spüren…“

„… aber?“

„Kein aber. Ich will nur, das es dieses Mal langsam von statten geht. Ich will dich richtig kennen lernen, wissen wie du fühlst und denkst.“

Sanft drehte ich den Kopf Richtung Lucas und schaute ihm wieder in die Augen, doch ich konnte nichts Trauriges darin entdecken.

„… um ehrlich zu sein…, ich wollte im Augenblick auch nicht mehr… Du bist der… erste Mensch…, den ich so dich an mich heran lasse.“

„Wie der erste?“

Ich winkelte meinen Arm und stützte meinen Kopf mit der Hand ab.

„Ich hatte bisher keine… Freundin…, geschweige denn einen Freund. Einzig Kevin gab es, mit dem ich über alles reden konnte.“

„Für Kevin hast du nie geschwärmt?“, fragte ich mit einem süffisanten Lächeln.

„Kevin? Nein…“, er unterbrach und schien zu überlegen, „… Kevin war wie ein Bruder…, bei ihm kam nie ein Gedanke auf…, dass ich vielleicht mehr wollte.“

„Und bei mir ist es anders?“

„Wann hast du das letzte Mal in den Spiegel geschaut?“

„Vorhin…, beim Zähne putzen.“

Lucas grinste.

„Schau dich an, du bist der Idealmann. Eine Topfigur, gutes Aussehen und vor allem was im Kopf!“

Ich spürte, wie sich das Blut hinter meiner Gesichtshaut sammelte.

„Mister Perfekt, anders kann ich es nicht beschreiben.“

„Übertreib bitte nicht, ich habe sicher auch meine Fehler und als Modell geh ich auch nicht durch!“

„Wieso? Hast du es schon probiert?“

Lucas grinste mich hämisch an. Mein Blick fiel auf die Uhr neben der Tür.

„Es hilft nichts…, wir müssen morgen früh raus und sollten jetzt schlafen.“

„… ähm…, darf ich?“

„Was?“

„… in deinem Arm einschlafen.“

Dies sagte er mit einer so leisen Stimme, dass es fast nicht hörbar war. Seine Augen funkelten  um die Wette und um mich war es geschehen. Ich lächelte und streckte meinen Arm aus. Lucas rückte etwas näher und ließ seinen Kopf auf meine Schulter sinken.

„Gute Nacht…, schlaf gut“, sagte ich ebenso leise.

„Ja…, werde ich… gute Nacht!“

*-*-*

Als ich durch Bells Tapsen erwachte, hatte sich unser Schlafarrangement etwas geändert. Lucas schlief mit dem Rücken zu mir und ich hatte meinen Arm um ihn gelegt. Ich hauchte ihm sanft einen Kuss auf den Nacken.

„Morgen“, hauchte ich leise.

Vor mir nahm ich ein sanftes Brummen war. Plötzlich drehte sich Lucas leicht und fing sich an zu strecken.

„Morgen“, brummelte er nun, bevor er seine Augen aufschlug.

Auf seine Lippen war ein sanftes Lächeln.

„Willst du als erstes ins Bad?“, fragte ich.

Er nickte und befreite sich von der Decke. Mit einem Ruck stand er auf und lief ins Bad.

„Süß!“, meinte ich.

„Hm?“, gab Lucas von sich und drehte seine Kopf zu mir.

„Du hast einen süßen Hintern meinte ich.“

Lucas schaute nach unten und stellte fest, dass er keine Shorts anhatte. Mein Hand fuhr suchend unter die Decke und wurde fündig. Langsam zog ich seine Shorts heraus und hob sie in die Luft.

„… ähm… kann passieren…, ab und zu strample ich meine Shorts ab.“

Verlegen verließ er das Schlafzimmer und ich ließ mich wieder in mein Kissen sinken. Ich musste lächeln. Was für ein Kerl. Aber mit einem Male kam mir wieder Marc in den Sinn. Hatte ich damals nicht genauso gedacht?

Wie oft konnte ich mich an seinem Körper nicht satt sehen? Ich schloss die Augen und atmete durch. Aufstehen! Das war vielleicht das einzig Vernünftige jetzt, um nicht weiter nach zu denken.

*-*-*

„Morgen Bruderherz“, kam mir Kevin entgegen.

„Morgen Kevin.“

Ich folgte Kevins Blick, der Lucas nach schaute, der gerade die Halle betrat.

„Ist da wirklich nichts Ernstes zwischen euch?“, wollte mein Bruder wissen.

Ich blieb stehen und drehte mich zu Kevin.

„Um ehrlich zu sein…, ich weiß es nicht. Ich fühl mich wohl in Lucas‘ Nähe, aber das war es auch schon.“

„… du hängst noch an Marc… oder?“

„Quatsch!“

„Sei ehrlich!“

Ich sah ihn an und seufzte.

„Ich weiß es nicht…, doch…, nein… ich will mit Marc nichts mehr zu tun haben.“

„Bill…, normalerweise gibt’s du mir immer die Ratschläge…, aber dieses Mal geb ich dir einen. Spiel nicht mit Lucas, das wäre nicht fair, das hat er nicht verdient. Er hat schon genug mitgemacht!“

„Das habe ich auch, und ich bin sicher der Letzte, der so etwas tun würde.“

„Gut!“

Wenig später betrat ich mein Büro und wunderte mich, dass Glen nicht da war. Ich ließ meine Jacke auf den Haken gleiten und betrat mein Zimmer. Auf meinem Schreibtisch lagen ein paar Unterlagen und so machte ich mich gleich ans Werk.

Oben auf lag ein Brief vom städtischen Krankenhaus. Ich öffnete ihn und zog ein Brief heraus. Ich überflog den Text. Hier wurde mir mitgeteilt, dass der alte Harrison verstorben sei.

Ich wunderte mich, weil es ja normalerweise nicht die Aufgabe des Krankenhauses war, den Arbeitgeber zu informieren, wenn jemand verstarb. Andererseits hatte er auch keine Familie, auf alle Fälle, was ich bisher heraus bekommen hatte.

Ich hörte draußen die Tür gehen und wenig später tauchte Glen in meinem Raum auf.

„Morgen Mister Savage.“

„Guten Morgen Gwenn.“

„Wie ich sehe, haben sie den Brief vom Krankenhaus schon geöffnet.“

„Ja… es wurde uns mitgeteilt, dass der alte Harrison verstorben sei.“

„Der Arme…“

Ich reichte ihr den Brief.

„Legen sie es bitte zu seinen Unterlagen.“

Sie griff danach, aber ich zog das Papier wieder zurück und überlegte kurz. Wenn Harrison nicht mehr kam, konnte ich Lucas die Vollanstellung geben. Wieder streckte ich den Arm aus und reichte Glenn den Brief erneut.

„Dann rufen sie mir Lucas Evans und ändern seinen befristeten Vertag zu einem unbefristeten.“

Sie nickte und verließ mich wieder. Ich hörte sie kurz telefonieren und ein wenig später kam sie erneut.

„Mister Evans ist gerade unterwegs und wird in ca. einer halben Stunde zurück erwartet.“

„Danke Gwenn.“

„Einen Kaffee?“

„Danke… gerne!“

Ich schaute die weiteren Unterlagen durch, die vor mir lagen. Eine Memo von Stroud ließ mich inne halten. Es ging darin um die Weiterführung der Firma. Arbeiter sollten keine entlassen werden.

Das freute mich. Weiter ging es darum, dass modernisiert werden sollte und verschiedene Arbeiter deshalb auf Kurse geschickt werden, damit sie mit dem neuen Gerät umgehen konnten und darum sollte ich mich kümmern.

Ein weiteres Blatt zeigte die Neuanschaffungen an. Ich hob meine Augenbraun und schmunzelte.

„Ihr Kaffee“, riss mich Gwenn aus dem Gedanken.

„Gwenn, hier ist eine Liste, der neuen Maschinen, die angeschafft werden sollen. Könnten sie sich bitte mit den Firmen in Verbindung setzten und erfragen, welche Möglichkeiten der Fortbildung es gibt.“

„Ja…“

Mit der Liste in der Hand verschwand sie wieder. Ich rührte in meinem Kaffee und nahm ein Schluck davon. Ich fand die Aufstellung des Personals wieder, die Gwenn Mr. Stroud zu kommen ließ.

Bei Arbeitern, die schon lange der Firma dienten, standen Vermerke über Gehaltserhöhungen. Endlich dachte ich, denn seit vier Jahren gab es keine Erhöhung mehr. Als ich meinen Namen fand, stieß ich einen kleinen Pfiff aus.

War das ein Druckfehler, oder sollte ich wirklich 500 Pfund mehr bekommen? Wie kam ich zu der Ehre. Das Telefon ging und ich hörte Gwenns Stimme.

„Ja… in Ordnung ich richte es ihm aus.“

Wenig später steckte Gwenn ihren Kopf zu mir herein.

„Bei Mr. Evans kann es etwas länger dauern. Man hat mir gerade mitgeteilt, dass er sich in einem Stau befindet.“

„Okay. Gwenn, ich bin mir sicher, dass sie die Neueinstufungen der Gehälter bereits gesehen haben.“

Sie nickte.

„Ich setzte gleich ein allgemeines Schreiben auf, dass an die betreffenden Personen weiter geleitet werden muss.“

„Kein Problem.“

*-*-*

Ich hatte Probleme mich richtig zu konzentrieren. Wieder und wieder löschte ich falsch geschrieben Worte oder Textpassagen die mir nicht gefielen.

„Chef?“

Ich hob meinen Kopf und sah Gwenn vor mir stehen.

„Ja?“

„Mr. Evans ist eingetroffen“, meinte sie und hob mir seine Unterlagen hin.

„Danke“, meinte ich.

Sie drehte sich um.

„Mr. Evans…“, sagte sie.

Wenig später trat Lucas ein und Gwenn verließ lächelnd das Zimmer.

„Du hast nach mir rufen lassen?“, fragte Lucas.

„Ja…, hier sind deine Papiere.“

„Papiere…, wieso?“

Sein Gesichtsausdruck war geschockt.

Lucas

Entsetzt sah ich ihn an. War der Traum auf Arbeit schon vorbei?

„Ich brauche da und dort eine Unterschrift, für deine Festanstellung.“

Was hatte er da gerade gesagt?

„Oder willst du nicht mehr?“

Festanstellung? Wow!

„… ähm… doch… klar, natürlich.“

Er hielt ihm seinen Kugelschreiber hin, den ich freudig entgegen nahm. Ich setzte meine Unterschrift an die mit Kreuz gekennzeichneten Stellen, dann gab ich ihm den Schreiber zurück.

„… eine Frage… Hat dass jetzt damit zu tun…“, ich schaute mich um, beugte mich vor ihn und flüsterte weiter, „…, dass wir uns etwas näher gekommen sind?“

Bill schüttelte den Kopf.

„Nein…, dein Vorgänger ist verstorben und somit die Stelle offiziell frei. Dein Gehalt wird mehr, aber sonstige Regelungen bleiben gleich.“

„Danke…“

Ich hätte ihn jetzt am liebsten in den Arm genommen. Er schaute mich durchdringend an

„Was?“, fragte Bill.

„… ich würde dich gerne umarmen“, antwortete ich flüsternd.

„Warum tust du es nicht“, grinste mich Bill an.

Etwas verlegen umrundete ich seinen Schreibtisch. Er stand auf und wir umarmten uns.

„Glückwunsch“, flüsterte er mir ins Ohr und hauchte mir einen Kuss auf die Wange.

„Die Kopien werden dir zu gestellt“, meinte Bill, als er mich wieder losgelassen hatten.

„Danke… nochmal.“

„Immer wieder gerne.“

Ich gab ihm noch mal die Hand und verabschiedete mich schweren Herzens. Glen nickte mir zu, als ich ihr Vorzimmer verließ. Nachdem ich die Tür hinter mir verschlossen hatte, machte ich einen Luftsprung und jubelte laut: „Ja!“

*-*-*

„Was wollte Bill von dir?“, fragte mich Kevin, als ich in die Halle zurück kam.

Ich grinste über das ganze Gesicht.

„Ich habe eine Festanstellung bekommen!“

„Wow, wie hast du meinen Bruder so schnell herum gekriegt?“

„Du Arsch…, habe ich das nötig?“, grinste ich weiter, „mein Vorgänger ist anscheinend verstorben und nun hab ich die Stelle.“

„Der alte Harrison tot…?“, sagte er nachdenklich.

„Ja…“

„Komisch…, der hatte doch nur etwas mit den Beinen.“

Bill

„Mr. Savage, da sind zwei Herren von der Drylow Police Station, die ein paar Fragen an sie haben.“

„Polizei?“

Gwenn nickte und ich folgte ihr ins Vorzimmer.

„Guten Tag, mein Name ist Bill Savage und ich bin hier der Personalchef…, wie kann ich ihnen behilflich sein?“

Ich schüttelte beiden die Hände.

„Chief Inspektor William Holmes und mein Kollege Sergeant Alfie Whitehead“, stellte die beiden sich vor.

„Kommen sie doch in mein Büro…“, meinte ich und machte den Weg frei.

„Möchten sie einen Kaffee?“, kam es von Gwenn.

„… danke“, meinte Holmes.

Sie folgten in mein Büro.

„Nehmen sie doch Platz“, meinte ich und umrundete meinen Schreibtisch.

Als wir dann saßen, sah ich die beiden erwartungsvoll an.

„Mr. Savage, bei ihnen ist ein Finley Harrison angestellt?“

„Ja…, aber ich habe heute Morgen eine Benachrichtigung bekommen, er sei verstorben.“

„Das ist richtig. Wir haben mitgeteilt bekommen, sie hätten sich des Öfteren über seinen Gesundheitszustand erkundigt?“

„Ja, er ist ein wichtiger Fahrer und sein Fehlen ergab Probleme. Ich wollte nur wissen, wann er wieder Einsatzfähig ist. Aber man konnte oder wollte mir keine Informationen geben.“

„Und wie sind sie jetzt weiter verfahren?“

„Wir hatten jemanden als Ersatz befristet eingestellt.“

„Könnten sie und da bitte Name und Adresse geben?“

„Darf ich fragen…warum?“

„Mr. Harrison ist keinen normalen Tod gestorben.“

Ich schaute sie entsetzt an. Wie sollte Lucas über Den alten Harrison wissen? Gwenn, die gerade mit dem Kaffee herein kam, war anscheinend auch etwas geschockt, denn man hörte, wie die Tassen aneinander stießen.

„… und… und was hat das jetzt mit uns zu tun?“, fragte ich weite

„Reine Routineermittlungen…“

„Mister Lucas Evans, der Ersatzfahrer… ist noch im Haus…, da können sie gleich mit ihm selbst sprechen.“

„Wenn es keine Umstände macht“, meinte Holmes.

Gwenn stellte die Tassen ab und die zwei Beamten bedanken sich. Ich rief derweil unten im Lager an.

Kevin Savage, Lager“, meldete sich mein Bruder.

„Kevin, hier ist Bill, ist Lucas noch da.“

Kannst du Gedanken lesen?“

„Wieso?“, fragte ich.

Weil ich dich gerade anrufen wollte. Lucas ist mit dem Transporter ungebremst in das Einfahrtshäuschen gekracht.“

„Mein Gott…, ist ihm etwas passiert?“

Nein, aber der Wagen hat Totalschaden.“

„Okay…,  wir sind gleich bei euch.“

Wir?“

„Wirst du gleich sehen. Bye.“

Ich legte auf.

„Meine Herren, der besagte Herr hat auf dem Firmengelände gerade einen Unfall gebaut.“

Die zwei schauten sich kurz an.

*-*-*

Wenig später trafen wir am Tor ein. Ich sah, wie Kevin neben Lucas stand, der an einem Balken lehnte. Der Wagen war wirklich hinüber und das Häuschen ebenso.

„Alles klar? Was ist denn passiert?“, rief ich den beiden entgegen.

„Die Bremsen gingen nicht mehr“, rief Kevin zurück.

Er schaute erst mich, dann die zwei Herren, die mir folgten kurz an.

„Chiefinspektor Holmes und Sergeant Whitehead“, stellte ich vor.

„Die Polizei… so schnell, aber wir haben doch erst angerufen“, meinte Lucas, noch leicht benommen.

Ich sah Sergeant Whitehead aus dem Augenwinkel heraus, wie er das Fahrzeug umrundete.

„Chief…, kommen sie mal?“

Holmes setzte sich in Bewegung und folgte seinem Jungen Kollegen. Kevin und Lucas sahen mich fragend an.

Die zwei Beamten kamen zurück.

„Mr. Evans…, wann haben sie das Fahrzeug das letzte Mal benutzt?“

„Vor ungefähr einer Stunde.“

„… und da funktionierte noch alles?“

„Ja“, antwortete Lucas.

„Jemand hat sich an der Bremsleitung zu schaffen gemacht, sie können nichts für den Unfall.“

Entsetzt sah ich Holmes an.

*-*-*

„Ich versteh das nicht“, meinte Lucas.

Wir saßen in dem kleinen Aufenthaltsraum der Arbeiter in der Halle.

„Ich habe von diesem Harrison gestern das erste Mal gehört. Wieso verdächtigen sie mich?“

Lucas war sichtlich aufgeregt, er zitterte am ganzen Körper.

„Sie gehen jeder Spur nach“, sagte ich leise.

„Ich glaube nicht, dass du zum Kreis der Verdächtigen gehörst“, meinte Kevin.

„Und warum fragten sie mich ob ich Harrison kenne, oder im Krankenhaus war?“

Kevin zuckte mit den Schultern.

„Die denken sicher nicht, dass du dir selbst die Bremsleitungen durchtrennst“, versuchte ich ihn zu beruhigen.

„War klar…, immer wenn ich denke, es geht bergauf… kommt mir etwas in die Quere.“

„He du bist unschuldig an dem Unfall und ich kann mir nicht vorstellen, dass dich der Personalchef gleich raus wirft“, sagte Kevin und schaute mich dabei grinsend an.

Kevin merkte schnell, dass ich mit den Gedanken wo anders war.

„Was ist?“, fragte er mich und riss mich damit aus den Gedanken.

„Wer sollte davon profitieren, dass Lucas etwas zu stößt?“, warf ich in den Raum.

„Wie kommst du darauf, dass jemand so etwas machen würde.“

„Komm Kevin, sein nicht so naiv. Erst wird Harrison umgebracht und dann werden bei Lucas die Bremsleitungen durchgeschnitten“, fuhr ich ihn an.

„Harrison umgebracht…?“

„Was denkst du…, heißt ist nicht an einen normalen Tod gestorben?“

Mein Blick fiel auf Lucas der verängstigt drein schaute.

„Aber muss es denn mit Lucas zusammen hängen…, vielleicht kann es auch wegen der Firma sein.“

„Kevin, es gibt leichtere Wege, eine Firma zu stürzen! Ich kann mir nicht vorstellen, dass man zwei Fahrer nachstellt…“

„War auch nur so ein Gedanke“, kam es traurig von Kevin.

Ich atmete tief durch. Es war nicht richtig Kevin anzupflaumen, aber er hatte die Begabung mich des Öfteren mich auf die Palme zu bringen.

„Entschuldige…, ich wollte dich nicht anpflaumen…“

„Schon gut…, ich mach mir halt nur Sorgen. Wir sind fast an einer Schließung vorbei geschliddert und jetzt das…“

*-*-*

Der Gedanke, dass jemand der Firma schaden wollte ließ mich nicht mehr los. Ich hatte die Unterlagen, die Gwenn mittlerweile alle zusammen getragen hatte vor mir auf Schreibtisch ausgebreitet.

Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Marcs Mutter uns irgendwie an den Karren fahren wollte. Ihr Mann war eigentlich aus dem Rennen, oder gab es da doch noch Verbindungen. Ich rieb mir mit den Händen über das Gesicht.

Leicht erschöpft sammelte ich die Papiere ein und heftete sie in den Ordner zurück.

„Gwenn?“

„Ja Sir?“

„Ich werde Feierabend machen, wenn noch etwas ist…, einfach anrufen.“

„In Ordnung Mr. Savage.“

Ich ließ meinen Computer herunter fahren, griff nach meiner Jacke und verließ das Büro.

„Einen schönen Abend noch Mr. Savage.“

„Ihnen auch Gwenn, bis Montag.“

Wenig später saß ich in meinem Wagen und fuhr langsam aus der Ausfahrt. Es hatte wieder geschneit und eine leichte Schicht von Schnee bedeckte die Straße. Vor der nächsten Kreuzung verringerte ich die Geschwindigkeit.

Ich wusste nicht, wie glatt es unter dem Schnee war und bevor die Ampel plötzlich auf Rot umsprang, wollte ich lieber langsam machen. Die Ampel war grün und ich kam näher. Vor dem Blumenladen an der Kreuzung stand eine Person.

Es blieb grün und so rollte ich langsam weiter. Ein kurzer Blick nach links, ob die Person auch stehen bleiben würde, ließ mich zusammen schrecken. War das nicht Marc? Doch ich konnte mich darum nicht weiter kümmern, denn ein Fahrzeug, das mir entgegen kam, schlingerte und ich musste ausweichen.

Als ich wieder in den Rückspiegel schaute, war die Person, die ich als Marc zu erkennen glaubte weg. Hatte ich jetzt schon Halluzinationen? Ich versuchte mich weiter auf die Straße zu konzentrieren, was mir mehr schlecht als recht gelang.

Seufzend fuhr ich meine Auffahrt hinauf und stellte mein Wagen ab. Ich wusste nicht, warum ich suchend die Straße entlang schaute. Die Kälte trieb mich ins Haus, wo mich Bell schon freudig begrüßte.

Bei der Post war nichts Interessantes so ließ ich mich im Wohnzimmer in meinen Sessel nieder. Bell kam an getrottet und legte ihren Kopf auf ihren Schoss.

„Na, wie war dein Tag? Bist du mit Arnie spazieren gewesen?“

Arnie war ein Nachbarjunge, der mit dem Gassi gehen sein Taschengeld aufbesserte. Plötzlich stand Bell auf und lief knurrend zur Wohnungstür.

„Bell, was ist?“

Ich hörte sie kurz Bellen. So stand ich widerwillig auf und lief zur Wohnungstür.

„Was ist los, altes Mädchen…, ist jemand vor der Tür?“

Vorsichtig öffnete ich die Tür und Bell flutschte nach draußen.

„Bell…aus!“

Aber sie reagierte nicht. Ich trat ebenfalls nach draußen, aber ich sah niemanden.

„Bell… bei Fuß!“

Sie gehorchte und kam wieder zu mir an die Tür. Ob eine Katze ihre Aufmerksamkeit erregte, wobei Bell bei so etwas nie an die Tür rannte. Ich schaute auf den Boden und konnte keine Katzenspuren entdecken, dafür aber Spuren von Schuhen, die nicht meine waren.

*-*-*

Nervös schaute ich mich um. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass mich jemand verfolgte, aber jedes Mal wenn ich mich umdrehte, war ich mit Bell alleine auf der Straße. Wer sollte den auch bei dem Wetter hier draußen herum laufen.

Ich atmete tief durch und blies scharf den Atem aus. Eine kleine Nebelwolke verließ mein Gesicht und stieg langsam in die Höhe. Bell verrichtete ihr Geschäft, was für mich hieß, endlich zurück zu können.

„Komm Bell…“

Sie machte kehrt und trottete zu mir zurück. Ich wuschelte ihr kurz durch das nasse Fell und wir liefen zurück. Ob es am Schnee lag, oder die Gewissheit, dass Samstagmorgen war und sich so gut wie kein Mensch sich auf der Straße befand, konnte ich nicht ergründen.

Von hinten hörte ich ein Auto nahen und ich drehte meinen Kopf herum. Kevin. Was machte der schon so früh unterwegs? Das Auto wurde langsamer und kam schließlich mit etwas rutschen neben mir zum stehen.

Kevin ließ die Scheibe herunter.

„Morgen Bruderherz“, begrüßte ich ihn.

„Morgen Bill…, hast du dein Handy nicht dabei?“

„Warum…, das liegt zu Hause.“

„Weil man dich schon ist einer halben Stunde versucht zu erreichen. In der Firma wurde eingebrochen und…“

„Was?“

„… dann haben sie mich aus den Federn geschmissen, ob ich wüsste wo du bist. Und weil ich deine Route mit Bell kenne, bin ich einfach losgefahren.“

„Bell komm“, rief ich und umrundete das Auto.

Ich öffnete Das Heck und ließ Bell hinein springen. Selber ging ich nach vorne und setzte mich zu Kevin. Ohne große Worte gab er leicht Gas und mit einem leichten Schlingern, setzte sich der Wagen in Bewegung.

„Wo haben sie eingebrochen… Fabrikation… Lager?“

„So wie ich Gwenn verstanden habe bei dir im Personalbüro und auch in der Fabrikation.“

„Gwenn? Bei mir? Da gibt’s doch nichts zu holen…, außer die Computer vielleicht.“

„Ich weiß auch nicht, Gwenn hat nicht mehr gesagt.“

Eine viertel Stunde später ließ Kevin seinen Wagen auf dem Firmengelände ausrollen. Mehrere Polizeiwagen waren über den Hof verteilt. Kevin und ich stiegen aus und liefen direkt zur Verwaltung.

Ein Constable stand an der Tür und versperrte uns den Weg.

„Bill Savage…, Chef der Personalabteilung“, sagte ich und der Mann ließ uns vorbei.

Ich rannte die Treppe hinauf. Wenig später kam ich an die Tür zu meinem Büro. Schon von weiten sah ich, dass sie aufgebrochen war. Das Holz des Rahmens war in der Höhe des Schlosses zersplittert.

Als ich das Büro betrat wimmelte es von Menschen. Und in der Mitte Gwen.

„Morgen Gwenn“, rief ich und alles drehte sich zu mir um.

„Morgen Mr. Savage.“

Ihre Lider klimperten aufgeregt hinter den Brillengläsern und ich bemerkte, dass sie geweint haben muss.

„Hallo Mr. Savage, so schnell sieht man sich wieder.“

Chief Inspektor William Holmes baute sich vor mir auf.

„Morgen“, sagte ich.

„Da hat jemand ganze Arbeit geleistet.“

Erst jetzt sah ich, dass sämtliche Aktenschränke offen standen und jede Menge Papier auf dem Boden verteilt waren.

„Wissen sie schon, ob etwas fehlt?“

Meine Frage war an Gwenn gestellt. Sie schüttelte den Kopf.

„Wenn die Spurensicherung durch ist, können sie nachschauen ob etwas fehlt. Wir bräuchten ihre Fingerabdrücke und ebenso die ihrer Sekretärin.“

„Wieso?“

„Damit wir wissen, was sie angefasst haben und eventuell der oder die Einbrecher.“

Stimmt, war einleuchtend, wo war ich nur mit meinen Gedanken?

„Wer hat sonst noch Zutritt zu ihrem Büro?“, fragte Holmes.

Ich atmete tief durch.

„Die ganze Firma…, dass heißt, praktisch jeder der etwas Personelles erledigen muss kommt hier her, … 52 Männer und Frauen“, antwortete ich wahrheitsgemäß.

Nun seufzte Holmes.

„Aber deren Fingerabdrücke werden sich nur an der Tür oder an den Stuhllehnen befinden, oder?“, mischte sich Sergeant Alfie Whitehead ein, der mir bisher noch nicht aufgefallen war.

Ich nickte.

„Hier im Büro sind nur ich und meine Sekretärin Gwenn Smith tätig.“

„Oh mein Gott“, kam es von der Tür.

Ich schaute zur Tür und konnte Mr. Stroud entdecken.

„Mein Chef, Mr. Stroud“, sagte ich leise zu Holmes, der mir zu nickte.

„Gwenn… Bill, alles in Ordnung“, fragte Stroud besorgt und trat zu uns.

Ich nickte ihm zu und lief in mein Büro. Hier sah es genauso aus. Aber beim hereinkommen viel mir gleich etwas auf.

„Gwenn?“, rief ich.

„Ja Mr. Savage?“, antworte sie und erschien in meinem Büro.

„Haben sie den Ordner über Oswalds Firma.“

Sie zwinkerte aufgeregt mit den Augen.

„Nein, Mr. Savage. Der lag, als ich gestern das Büro verließ noch auf ihrem Tisch.“

Dann hatte ich das richtig in Erinnerung, dass ich die Papiere gestern dort liegen ließ. Die Ablage war ebenfalls leer gefegt und über den Boden verteilt. Ich beugte mich hinunter, um kurz zu schauen, was da alles lag.

Entsetzt nahm ich die Papiere in die Hand. Ich fand keine Unterlagen von Lucas und ich war mit Hundert sicher, dass ich sie dort abgelegt hatte. Ich legte die Papiere auf den Tisch und griff nach meinem Telefon.

Kurz Lucas‘ Nummer gewählt, es tutete. Er meldete sich nicht.

„Sir?“, sagte jemand hinter mir.

Ich legte auf und drehte mich um.

„Könnte ich bitte ihre Fingerabdrücke nehmen?“

Eine viertel Stunde später leerte sich das Büro. Holmes und Whitehead waren die Letzten.

„Mr. Savage, mir ist nicht entgangen, dass sie eine besondere Freundschaft zu Lucas Evans haben.“

Auf was wollte er hinaus?

„Ich möchte ihnen nicht verschweigen, dass er nach wie vor in Verdacht steht, etwas mit dem Tod von Mr. Harrison zu tun hat.“

„Aber…“

„Mr. Savage, wenn sie irgendetwas über den Verbleib von Mr. Evans wissen, sagen sie es uns bitte.“

Ich senkte den Kopf. Sollte ich mich auch in Lucas getäuscht haben. Meine Gedanken drehten sich im Kreis.

„Seine Unterlagen sind weg… und ich habe versucht ihn zu erreichen…“

„Ein Wagen wurde schon an seinen Wohnsitz geschickt, dort wurde aber nur seine Mutter angetroffen. Da alle seine Sachen noch da sind, muss er noch in der Stadt sein.“

Ich sah Chief Inspektor Holmes direkt in die Augen.

„Mein Verhältnis zu Mr. Evans steht im Augenblick nicht zur Debatte…“

Ich spürte Kevins und Glens Blicke auf mir.

„…, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Lucas… Mr. Evans mit dem Tot von Mr. Harrison zu tun hat, auch nicht hier mit dem Einbruch.“

„Ich auch nicht“, kam es von Kevin, „und ich kenne ihn schon sehr lange.“

Holmes schaute zu Kevin.

„Aber dennoch spricht vieles dafür, dass er etwas damit zu tun hat.“

Stroud stand die ganze Zeit sprachlos daneben. Ob er wusste, dass ich dem männlichen Geschlecht zugetan war, war mir im Augenblick egal. Nur dass es hier jetzt breit getrampelt wurde, ging mir gegen den Strich. Es war mein Privatleben und hatte hier mit der Firma nichts zu tun.

„Mein Name ist Glenda Oswald, ich bin Mitinhaberin der Firma von Barr and Stroud.“

Nicht auch noch Marcs Mutter.

Wenig später erschien sie, gefolgt von Marc.

„Hallo Jeremy, Marc hat gehört was passiert ist, darauf bin ich sofort gekommen“, meinte Glenda zu Mr. Stroud.

Sie schüttelten sich die Hände, bevor sie sich an mich wandte. Marc mied meinen Blickkontakt.

„Wisst ihr schon, ob etwas fehlt.“

„Anscheinend ein paar Unterlagen“, meinte ich knapp, wobei ich ja bei der Wahrheit blieb.

Während ich das sagte, schaute Marc kurz auf. Seine Augen schienen traurig, doch gab ich nichts darauf.“

„Und in der Fabrikation?“

An die hatte ich nicht mehr gedacht, aber ich wunderte mich, woher Marc diese Informationen hatte, von uns hatte ihn sicher niemand angerufen.

„Das weiß ich nicht, da müsste man nachschauen.“

Fünf Minuten später betraten wir alle die Fabrikation. Auch hier war die Polizei zu Gange. Auf den ersten Blick sah alles normal aus, nichts fehlte. Auch später, als Kevin einiges kontrolliert hatte, konnten wir nichts finden.

*-*-*

Kevin hatte mich zu Hause abgesetzt. Ich stand in der Küche und schlürfte meinen Tee. Lucas… nein niemals. Ich wollte nicht glauben, dass er damit zu tun hatte. Andererseits konnte ich mich noch auf meine Menschenkenntnisse verlassen?

Bell knurrte kurz, kurz darauf klingelte es an der Wohnungstür. Leicht genervt stellte ich meine Tasse ab und lief zur Tür. Ich öffnete und Marc stand vor mir.

„Hi.“

„Hi“, murrte ich und lief in die Küche zurück.

Marc schloss die Wohnungstür und folgte mir.

„Es tut mir Leid…“, fing er an.

„Marc hör auf…, was willst du?“

„Meine Mutter wollte dich zum Essen einladen.“

Ich nahm wieder meine Tasse und trank einen Schluck.

„Ich habe Telefon…, warum bist du wirklich hier?“

Marc schaute sich in der Küche um.

„Ich war in der Nähe und dachte ich schau vorbei.“

Warum glaubte ich ihm dass nicht? Er drehte sich zum Fenster.

„Die Polizei scheint ja einen Verdächtigen zu haben…“

„Ja und…?“, fragte ich noch genervter.

„Ich frage mich, warum dieser braune Lockenkopf das gemacht hat. Jemanden umbringen, dann in eine Firma einbricht, in der er selbst arbeitet. Vielleicht brauchte er Geld.“

„Marc… überlass dass der Polizei, oder fahr doch besser gleich hin und teil denen deine Meinung mit.“

„Warum bist du immer noch so feindselig, Bill… ich dachte meinem Mutter hat dir erklärt…“

„Marc ich mag von dem all nichts mehr hören. Sag deiner Mutter Bescheid, dass ich heute nicht kann, aber ich werde mich bei ihr melden und es wäre schön, wenn du jetzt wieder gehen würdest, ich habe noch etwas vor!“

Das war zwar gelogen, aber dies war mir egal. Ich lief zur Wohnungstür.

„Du entschuldigst bitte…, ich muss mich fertig machen.“

Ich zog die Tür auf und machte eine einladende Bewegung nach draußen. Marc nickte kurz und ging, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Ich ließ hinter ihm die Tür ins Schloss fallen und atmete tief durch.

Warum machte er das? Was bezweckte er damit? Dachte er wirklich mich so zurück gewinnen zu können? Plötzlich kam mir der Gedanke zu Kevin zu fahren. Ich sprintete die Treppe hinauf, entledigte mich meiner Joggingklamotten und ging unter die Dusche.

*-*-*

„Was machst du denn hier?“

Mein Bruder schaute mich überrascht an.

„Mir war danach…“, antwortete ich und trat ein.

Kevin schloss die Tür. Verwirrt schaute in der Einzimmerwohnung umher.

„Hast du eine Putzfrau, oder warum ist hier so sauber?“, fragte ich.

„… ähm…, seit Grace öfter zu Besuch ist…“

Ich fing an zu lachen.

„Ich glaub es nicht, was ich seit Jahren verzweifelt versuche, schafft eine Frau binnen weniger Wochen.“

Kevin wusste wohl nichts darauf zu sagen und sein Gesicht wurde langsam rot. Ich klopfte ihm auf die Schulter.

„He, Kleiner, ich freu mich für dich…echt!“

„Ich bin…, na ja oder war halt nicht der Reinheitsfanatiker wie du… Aber was anderes, warum bist du wirklich hier? Du lässt dich selten hier blicken, außer es steht etwas an.“

Ich ließ mich auf Kevins Sofa fallen und atmete tief durch.

„Lucas?“, fragte Kevin leise.

Ich nickte. Kevin lief an seinen Kühlschrank, zog zwei Dosen heraus und warf mir eine davon zu.

„Glaubst du…, dass Lucas wirklich…?“

„Nein!“

„Aber warum ist er verschwunden?“

„Das weiß ich auch nicht. Ich kann dir nur erzählen, was Lucas‘ Mutter mir gesagt hat. Er hätte einen Anruf bekommen, sich dann komisch verhalten und wäre überstürzt gegangen.“

Ich schaute Kevin lange an.

„Du hast dich in Lucas verliebt…“

„Ja…“, hauchte ich leise und nickte.

„… und hast Angst davor, genauso wie bei Marc enttäuscht zu werden.“

Wieder nickte ich. Kevin ließ sich neben mich fallen.

„Tut mir Leid großer Bruder. Wegen Lucas…, ich kann mir im besten Willen nicht vorstellen, dass er damit etwas zu tun hat. Einen Menschen umbringen…, der bringt ja sogar jede Spinne einzeln aus der Wohnung, die sich unerlaubt eingenistet hat.“

Ich musste lächeln.

„Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll. Lucas ist ein so lieber Kerl…“

„Er war es nicht!“, meinte Kevin und stand auf.

Er lief zu seinem Telefon und wählte eine Nummer.

„Hallo Grace, ich bin es. Du, sein nicht böse, aber ich wollte unsere Verabredung heut Abend absagen…, ich möchte mich um meinen Bruder kümmern.“

Ich schaute auf.

„Ja? Danke… ja richte ich ihm aus. Ja… ich dich auch… wir telefonieren….bye.“

Er legte auf und kam zu mir zurück.

„Das hättest du jetzt wirklich nicht tun brauchen.“

„Bill! Wie oft warst du schon für mich da? Da werde ich mir doch nicht entgehen lassen, wenn ich mal meinem Bruder helfen kann.“

Ich grinste ihn an.

„Und was machen wir jetzt?“, fragte Kevin, „selbst nach Lucas suchen?“

„Wie willst du das machen? Das tut schon die Polizei.“

„Sein Handy orten…“

„Du schaust eindeutig zu viel Krimis im Fernsehen.“

„Tu ich nicht. Ein Freund von mir ist ein Computerfreak, der kann so etwas. Du hast doch selbst probiert ihn anzurufen. Also geht sein Handy.“

„Ich kenn mich da nicht aus.“

Kevin stellte seine Dose ab und stand auf.

*-*-*

Eine halbe Stunde später standen wir bei Kevins Freund. Wenn ich schon viel gesehen hatte, aber das übertraf alles. Jeder Platz im Zimmer war mit Technik belagert. Vier Monitore säumten den Tisch.

„Wie ist die Nummer?“, fragte Kevins Freund.

Kevin zog sein Handy vor, tippte etwas ein und gab es dem Typ. Der machte sich sogleich daran und seine Finger rasten über die Tastatur. Einer der Monitore flackerte kurz auf und das Stadtplan von Edinburgh erschien.

„Geht ja schneller als ich dachte… und da soll Lucas sein?“, fragte der Typ.

„Wieso?“, fragte Kevin.

„Das ist in eurer Firma!“

Kevin und ich schauten uns an.

„Danke Brian, du hast etwas gut bei mir“, meinte Kevin.

„Nichts zu danken, immer wieder gerne.“

Noch während wir zu meinem Wagen zurück liefen, ging mein Handy. Teilnehmer unbekannt.

„Savage“, meldete ich mich.

Sir hier ist Gwenn, hätten sie Zeit in die Firma zu kommen…, ich weiß es ist Samstag und…“

„Gwenn, ich bin schon auf dem Weg zur Firma, aber was tun sie dort?“

Ich bin geblieben und habe aufgeräumt. Dabei habe ich etwas gefunden, was sie sich anschauen sollten.“

„Wie gesagt, ich bin unterwegs… bis gleich.“

Ich drückte das Gespräch weg und öffnete den Wagen.

„Was wollte Gwenn denn?“

„Sie ist in der Firma und hat etwas gefunden.“

*-*-*

Ich steuerte den Wagen auf das Firmengelände. Von den Beamten war nichts mehr zu sehen, einzig Gwenns Wagen stand dort einsam auf dem Parkplatz. Ich ließ meinen Wagenneben ihrem ausrollen.

Der fallende Schnee hatte sämtliche Spuren von Reifen und Fußabdrücken bedeckt. Also war außer Gwenn auch niemand mehr in der Firma.

„Kevin…, ich geh hoch zu Gwenn und du suchst nach Lucas…, oder seinem Handy.“

„Und wie soll ich das machen?“

„Ruf ihn an!“

„Oh…, okay, ich habe gerade nicht nach gedacht.“

„Wir sehen uns gleich…“

Vor dem Verwaltungsgebäude trennten wir uns. Ich nahm nicht den Aufzug, sondern rannte die Treppe hinauf. Wenige Augenblicke später stand ich in meinen Räumen.

„Oh, Mr. Savage, dass ging aber schnell.“

„Ich war bei meinem Bruder…“

Das Durcheinander war behoben, nur Gwenns Schreibtisch war ein heilloser Wirrwarr.

„Was wollten sie mir zeigen?“, fragte ich und umrundete ihren Schreibtisch.

Auf ihrem Monitor waren eine Menge Seiten aufgerufen.

„Ich habe alle Fakten über Amestist&Borger und ich habe heraus gefunden, dass auch sie weitere Tochterfirmen besitzt.“

„Ja… und?“

„Diese Firmen wurden gegründet, jeweils nachdem die Dolfgroup Firmen aufgekauft und zerschlagen hat.“

Ich verglich die Papiere, der zerschlagenen Firmen von Oswald mit den gegründeten Firmen von Bogner.

„Dann hat mich Mrs. Glenda Bogner-Oswald angelogen.“

„Angelogen?“

„Ja, sie meinte, sie hätte über die Geschäftspraktiken ihres Mannes nichts gewusst und den Sohn aus den Fesseln des Bösen entrissen.“

„Eher die Arbeitsaufteilung geändert.“

„Sie sagen es…“

„Ist Barr and Stroud jetzt doch in Gefahr?“

„Das weiß ich nicht Gwenn, aber es sie so aus, dass wir anscheinend auch eine Tochterfirma vom Amestist&Borger werden sollen. Anders kann ich mir das nicht vorstellen. Sie haben wohl ihre Strategie geändert.“

„Und was hat das mit Mr. Evans zu tun…?“

„Ich glaube nicht, dass Mr. Evans mit denen unter einer Decke steckt. Das beide Dinge aber etwas miteinander zu tun haben, davon bin ich überzeugt.“

„Und wie soll es jetzt weiter gehen?“

„… Lucas… äh Mr. Evans finden.“

„Mr. Savage…, wie lange kennen wir uns jetzt schon?“

„… ähm dreizehn Jahre?“

„So ungefähr ja. Ich kenne sie gut und mir entgeht fast nichts, wie sie wissen.“

Ich spürte, wie meine Wangen leicht zu glühen begangen.

„Es ist nicht unbemerkt geblieben, dass sie und Mr. Evans doch mehr für einander empfinden, als nur eine normale Freundschaft…“

Erwischt!

„Sie mögen Recht haben, Gwenn, aber was hat das jetzt mit dem hier zu tun?“

„Ich wollte nur sagen, sie können ruhig Lucas sagen und dass ich egal was kommt, voll hinter ihnen stehe und weiterhin genauso fleißig meine Arbeit tun werde.“

„… ähm…danke Gwenn, das weiß ich sehr zu schätzen.“

Mein Handy klingelte und rettete mich aus der peinlichen Situation. Kevin.

„Ja?“

„Kannst du bitte schnell kommen?“

„Hast du ihn gefunden?“

„Nein… aber sein Handy…“

„Ja und?“

„Es ist Blutverschmiert.“

*-*-*

Gwenn hatte Mühe mir zu folgen. Ihre Schuhe waren auch nicht für dieses Wetter geeignet.

„Und wo ist ihr Bruder?“

„Im Keller hat er gesagt.“

„Da war ich noch nie.“

„Ich gebe zu, ich auch selten. Der dient eigentlich nur als Lager für ausgediente Sachen“, entgegnete ich ihr und zog die Tür zur Halle auf.

„Wo müssen wir hin?“, fragte Gwenn.

„Dahinten links, ist der Abgang.“

Wenig später waren wir im Keller angelangt.

„Kevin?“

„Hier Bill“, hörte man seine Stimme aus den hinteren Räumen.

So schnell ich konnte, folgte ich seiner Stimme und darf ihn in ehemaligen Granulatlager an.

„Oh Gwenn… hallo“, sagte Kevin, als er sie erblickte.

„Hallo Mr. Savage…“

„Wo ist das Handy?“

„DA!“, sagte Kevin und deutete auf das hintere Regal.

Ich lief hin und wollte es aufheben.

„Lass es liegen… Fingerabdrücke…“, fuhr mich Kevin an.

„Ich sagte schon… du schaust zu viel Fern, aber ich gebe dir Recht, vielleicht ist da etwas dran…“

„Soll ich die Polizei rufen?“, fragte Gwenn.

„Moment Gwenn…“, antwortete ich und wandte mich wieder an Kevin, „hast du noch etwas Anderes gefunden?“

„Nein noch nicht… die Beleuchtung ist nicht gerade gut hier.“

„… Mr. Savage, ich habe an der Kellertreppe einige Taschenlampen gesehen…“

„Gut Gwenn, holen sie die, vielleicht haben wir ja Glück und ein geht.“

Gwenn verließ den Raum, während ich mich aufrichtete.

„Was ist hier passiert?“, fragte Kevin leise.

„Ich weiß es nicht…, mein Kopf ist voller Dinge und ich krieg nichts auf die Reihe.“

„Dich hat es richtig erwischt… oder?“

„Hä?“

„… Lucas.“

„Scheint offensichtlich, wenn dass nicht mal meiner Sekretärin entgeht.“

Kevin grinste. Auf dem Flur hörte man Schritte und etwas später erschien Gwenn wieder, die Hände voller Taschenlampen.“

„Sie gehen alle noch“, meinte sie etwas stolz.

„Gut, dann suchen wir alle den Raum genau ab…“

Gwenn gab jedem eine Lampe und den Rest stellte sie in einem Regal ab.

„Und was suchen wir genau?“, wollte Kevin wissen.

„Das weiß ich auch nicht, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass hier nur das Handy liegt.“

Unruhig und zitternd ließ ich den Schein meiner Lampe über den Boden wandern, wie die anderen beiden auch. Aber ich fand nichts, jedenfalls nichts, was mir den Verbleib von Lucas erklären könnte.

„Sir?“, meldete sich Gwenn.

„Ja?“

„Schauen sie hier…, Kratzspuren auf dem Boden…, die scheinen frisch.“

Kevin und ich liefen beide zu ihr und leuchteten ebenfalls auf ihre Fundstelle.

„Stimmt!“, meinte Kevin, „sie so aus, als hätte jemand das Regal verrückt.“

Kevin sah mich an und ich nickte ihm zu. Wir gaben Gwenn beide unsere Lampen. Ich griff an die mittlere Verstrebung, Kevin begab sich auf die andere Seite und tat dasselbe. Unser erster Versuch das Regal zu bewegen, scheiterte.

„Mist!“, ärgerte ich mich.

„Und wenn wir uns mit dem Fuß gegen die Wand stemmen?“, fragte Kevin.

„Könnte gehen…“

Wir setzten unser Vorhaben in die Tat um und stemmten uns gegen die Wand, aber das Regal, bewegte sich nicht wie erhoffte nach vorne, sondern begann zu kippen.

„Vorsicht Kevin“, rief ich und sprang zur Seite.

Mit einem lauten Knall krachte das Regal zu Boden und wirbelte ordentlich Staub auf. Automatisch fingen wir alle drei an zu husten.

„Da ist eine Tür“, rief Kevin, der sich den Staub von den Klamotten abklopfte.

Ich sah sie auch und drehte mich zu Gwenn.

„Alles in Ordnung.“

Sie nickte und befreite sich ebenso vom aufgewirbelten Staub. Kevin lief auf die Tür zu und wollte sie öffnen, was aber bei dem Versuch blieb. Er lief voll auf.

„Verschlossen…“

„Geh auf die Seite“, rief ich und lief mit voller Wucht dagegen.

Ein kurzer Schmerz durchfuhr meine Schulter, aber das Objekt gab unter meiner Wucht nach und ich flog mit der Tür nach innen.

„Bill?“, hörte ich besorgt Kevin rufen.

„… alles klar…“, rief ich zurück und versuchte mich zu Recht zu finden.

Der Raum vor mir war dunkel, ich konnte fast nichts erkennen. Es wurde noch dunkler, als Gwenn und Kevin im Türrahmen erschienen.

„Ich brauche eine Lampe“, rief ich und versuchte aufzustehen.

Einige Sekunden später flammte hinter mir ein Lichtkegel auf und wanderte durch den Raum. Er war genauso groß, wie der andere und ebenso mit Regalen voll gestellt. Kevin trat neben mich und drückte mir eine Taschenlampe in die Hand.

„Du rechts… ich links“, sagte er, während Gwenn im Türrahmen stehen blieb.

Langsam leuchte ich jedes Regal ab und lief tiefer in den Raum.

„Bill“, schrie plötzlich mein Bruder und ich eilte zu ihm.

Im Lichtkegel, sah ich einen großen Bündel Planen auf dem Boden. Darunter schaute ein Schuh heraus.

*-*-*

Mir stockte der Atem. War das Lucas. Er wird doch nicht…? Kevin begann die Planen wegzuziehen, die zerknüllt aufgehäuft waren.

„Bill hilf mir und steh da nicht wie angewurzelt da!“

Kevin riss mich aus dem Gedanken.

„Gwenn…, kommen sie, wir brauchen ihre Hilfe“, rief ich.

Zögernd kam sie zu uns.

„Leuchten sie“, meinte ich und reichte ihre meine Taschenlampe.

Wie Kevin zog ich eine Plane nach der anderen weg. Aus dem Schuh wurde ein Bein und die Gewissheit, dass es Lucas sein musste, war immer gewisser.

„…Lucas“, sagte ich leise.

Kevin erwischte eine größer Plane und legte Lucas Gesicht frei. Gwenn neben mir schrie kurz auf, weil sein Gesicht Blutverschmiert war. Ich beugte mich hinunter, während Kevin schon den Puls prüfte.

„Er lebt“, konnte ich die Stimme meines Bruder hören.

Gemeinsam entfernten wir beide die restlichen Planen, bis wir Lucas komplett befreit hatten. Ich ging zu Boden und strich sanft durch Lucas Haar.

„Lucas…?“, sagte ich leise.

Mir liefen die Tränen über die Wangen.

„Wir müssen ihn hier heraus bringen“, kam es von Kevin, der anscheinend einen kühleren Kopf wie ich hatte.

Gemeinsam versuchten wir Lucas auszurichten, der plötzlich stöhnend Laute von sich gab.

„Gwenn, gehen sie voraus und leuchten sie. Wenn wir oben sie rufen sie sofort einen Krankenwagen und die Polizei!“

„Ja Sir.“

Lucas hing an uns wie ein nasser Sack. Gelegentlich dachte man er kam zu sich, aber er knickte immer wieder weg. Oben angekommen, ließen wir ihn sanft zu Boden gleiten und ich kniete mich neben ihn.

„Lucas…? Hörst du mich?“, fragte ich leise.

Kevin sah mich an.

„Ich schau, ob ich etwas zum Verbinden finde“, meinte er, während Gwenn bereits die Halle verließ.

Mein Blick richtete sich wieder zu Lucas, dessen Kopf ich mit beiden Händen festhielt.

„Lucas?“

Er röchelte und reagierte. Seine Augen begannen zu blinzelten, bevor sie sich langsam öffneten.

„Lucas… hörst du mich?“

„…Bill…“

Er begann zu husten und sein ganzer Körper bebte. Seine Hand wanderte Richtung Kopf und fasst direkt auf die Wunde.

„Scheiß… tut das weh.“

„Lucas…, was ist passiert?“

„Marc…“

„Was?“

Lucas versuchte sich aufzurichten. Vorsichtig half ich ihm auf, bis er saß. Inzwischen kam Kevin zurück.

„Hier ist Verbandszeug…“

„… Marc… hat mich angerufen…“

„Welcher Marc?“, fragte Kevin.

„Kevin… bist du so blöd?… mein EX“, fuhr ich meinen Bruder an.

„Was wollte er von dir?“, versuchte ich deutlich ruhiger Lucas zu fragen.

Kevin ging nun ebenfalls in die Knie und versuchte sich daran ein Verbandspäckchen auf zu reisen.

„… er… meinte… dir wäre etwas passiert… ich bin so… schnell wie es ging… hier her. Ich betrat die Halle… und dann… weiß ich nichts mehr.“

„Woher hat Marc denn deine Nummer?“, wollte Kevin wissen und tupfte mit einem Tuch auf Lucas‘ Wunde herum.

„… aua… ich weiß es nicht…, ich kenn den Typ nicht mal.“

„Ihr habt euch nie gesehen?“, fragte ich verwundert.

 Lucas sah mich an und schüttelte leicht den Kopf. Plötzlich fiel mit einiges wieder ein. Die Spuren im Schnee, vor meinem Haus, dass Knurren von Bell. Lucas’ Unfall und woher wusste Marc von dem Einbruch.

Wenn Marc Lucas angeblich noch nie gesehen hatte, woher wusste er, dass Lucas braune Locken hatte. Ich richtete mich auf.

„Kevin, du bleibst bei Lucas, bis der Krankenwagen kommt.“

„Was hast du vor?“

„Ich habe etwas zu erledigen…“

*-*-*

Mein Wagen schlitterte auf den Bordstein zu. Gerade noch rechtzeitig kam ich vor dem Hotel zu stehen. Ich zog die Schlüssel ab und verließ den Wagen. Der Schnee war mehr geworden und ich hatte Mühe ohne hinzufallen ins Hotel zu kommen.

Ich riss die Eingangstür auf und betrat das Haus. An der Rezeption war niemand zu sehen und so stürmte ich die Treppe hinauf. Wenig später stand ich vor der Zimmertür von Glenda Borger-Oswald.

Etwas zu energisch klopfte ich gegen die Zimmertür, denn wenige Sekunden später öffnete sich diese. Glenda stand vor mir und sah mich entsetzt an. Ich schob die Tür auf.

„Wo ist der Scheißkerl?“, schrie ich wütend.

„Bill… ich bin dafür, sie verlassen augenblicklich meine Räumlichkeiten!“

Ich drehte mich zu ihr um.

„Ach nehmen sie ihn auch noch in Schutz?“, fuhr ich sie an.

„Ich weiß gar nicht wovon sie reden!“

„Nicht!“, meine Stimme überschlug sich, „ihr lieber Sohn Marc hat meinen Freund niedergeschlagen…“

„Das glaube ich nicht!“

Ihr Tonfall war nun auch lauter geworden.

„Das soll ich glauben!“, ich trat ein Schritt auf sie zu, „… sie wissen natürlich auch nichts von ihren Tochterfirmen, die, die zerschlagenen Firmen ihres Mannes dazu nutzen, um erfolgreich zu werden?“

Geschockt sah sie mich an.

„Sie weiß wirklich nichts davon“, hörte ich eine Stimme hinter mir und ich wirbelte herum.

Marc stand vor mir und ich sah genau in den Lauf einer Waffe.

„Marc…!“, schrie Glenda.

„Halt die Klappe Mutter!“

„Aber…, aber…“

Glenda verstummte.

„Du hast also Lucas gefunden…“

„Ja…“, sagte ich zornig.

„… und er lebt noch…, schade.“

Ich kannte den Typ vor mir nicht mehr. Er hatte mit Marc nichts mehr gemeinsam.

„Hast du noch alle im Oberstübchen? Lucas hätte draufgehen können!“

„Na und?“, Marc zuckte mit den Schultern, „wenn ich dich schon nicht haben kann…, dann soll er dich auch nicht kriegen. Aber nun bist du ja bei mir.“

Marc sagte das mit einer Gelassenheit, die mir Angst einjagte. Zu was war der Typ noch alles fähig.

„… und vielleicht hätte ich nach Lucas Verschwinden und dem erwiesenen Mord an dem alten Fahrer ja wieder Chancen bei dir gehabt…, wer weiß.“

Harrison.

„Du hast Harrison…“

„Nur etwas nachgeholfen…, er hätte so wieso nicht mehr lange zu leben gehabt. Sterbehilfe nennt man das…, oder?“

„Du tickst echt nicht mehr richtig…“

„Wieso? Das habe ich alles für dich gemacht…“

„Für mich?“

Er trat auf mich zu, ohne die Waffe sinken zu lassen. Marc hob die andere Hand und strich mir sanft über die Wange.

„Bill… ich liebe dich, dass weißt du doch!“

Ich schüttelte den Kopf. Der Typ war echt krank.

„Ich liebe DICH nicht mehr!“, fuhr ich ihn an, wohl wissend, dass er nur abdrücken brauchte, um den Ganzen ein Ende zu setzen.

„Sag nicht so ein Quatsch, natürlich liebst du mich und kannst nicht mehr ohne mich sein!“

Marc war absolut gaga. Ich wusste auch nicht, wie ich mich weiter verhalten sollte. Glenda stand dicht hinter mir, aber sagte kein Wort.

„… und was jetzt?“, fragte ich ruhiger.

„Was hältst du von einer Reise in die Staaten?“

„Was soll ich dort?“

„Mit mir leben?“

Sein Lächeln war süffisant.

„… und deine Mutter?“

„…ist überfallen wollen. Man bin ich genial, keiner wird es je erfahren.“

„Da wäre ich mir nicht so sicher“, hörte ich plötzlich Chief Inspektor William Holmes Stimme.

Plötzlich wurde die Tür aufgestoßen und Holmes und sein Kollege Whitehead stürmten mit gezogener Waffe ins Zimmer. Ich fuhr zusammen.

„Lassen sie die Waffe fallen“, schrie Holmes.

Ich schaute immer noch auf Marc, der sich seiner Lage immer noch nicht bewusst war.

„Warum?“, fragte er noch genauso gelassen und fuchtelte mit der Waffe vor meinem Gesicht herum.

„Waffe fallen lassen!“

Holmes Tonfall war noch schärfer geworden. Marc ließ die Waffe langsam sinken und schließlich zu Boden fallen. Whitehead stürmte auf ihn zu und zerrte ihn zu Boden. Ich atmete tief durch.

„Das tut weh!“, jammerte Marc, der mittlerweile mit dem Gesicht zu Boden lag.

„Warum… Marc?“

Glenda schien wohl ihre Stimme wieder gefunden zu haben.

„Warum hast du das gemacht, Marc?“, fragte sie erneut.

Die Handschellen klickten.

„… Bill ich liebe dich… du kannst alles aufklären…“

Ich sah zu Glenda und Holmes, dann wieder zu Marc, der von Whitehead hochgezogen wurde.

„Kapier es endlich. ICH… LIEBE… DICH… NICHT!

*-*-*

Ich stampfte etwas auf den Boden, um den Schnee von den Schuhen zu bekommen, während Bell sich schüttelte.

„Hallo Bill, ein Bier?“

„Hallo Sally…, ähm hast du auch etwas Warmes für mich?“

„Sicher! Die anderen sitzen im Nebenraum.“

„Danke“, meinte ich, während ich meine Jacke auf hing und Bell schon davon trottete.

Ich folgte ihr und betrat den Nebenraum.

„Bill…!“, rief Lucas und sprang auf.

Er fiel mir um den Hals und gab mir eine Kuss.

„Hallo mein Kleiner“, lächelte ich.

Seine Stirn zierte noch ein Pflaster und war alles, was an den vergangenen Vorfall erinnert.

„Hallo Bruderherz“, hörte ich Kevins Stimme.

Ich löste mich von Lucas.

„Hallo Kevin… hallo Grace.“

Ich klopfte Kevin auf die Schulter, gab Grace ein Begrüßungsküsschen auf die Wange und setzte mich zu ihnen. Während Lucas sich setzte, kam Sally herein.

„Hier ein Tee mit Schuss“, meinte sie und stellte ihn ab.

„Danke“, lächelte ich sie an.

„Kein Bier?“, fragte Kevin.

„Später vielleicht…, mir ist etwas kalt.“

Wenige Sekunden später spürte ich, wie Lucas den Arm um mich legte. Ich lächelte ihn an.

„Was wird jetzt?“, fragte Kevin.

„Was meinst du?“, fragte ich zurück.

„Ich habe zwar in der Zeitung gelesen, dass Marc des Mordes angeklagt ist…“

„… zwei versuchte Morde und, Einbruch und… und“, unterbrach ich Kevin.

“Der Kerl ist echt nicht mehr dicht”, sagte Lucas.

“Darauf wird es hinaus laufen, dass er sicher in eine geschlossene Anstalt kommt”, entgegnete ich.

„Aber was wird nun aus unserer Firma?“, wollte Kevin wissen.

„Was soll mit der sein? Wenn ihr fleißig arbeitet und die Bestellungen alle schafft geht es uns wieder gut.“

„Aber was ist mit Marcs Mutter? Ihr Geld…“

„… ist gut in unsere Firma angelegt.“

Ich beugte mich vor und rührte in meiner Tasse.

„Leider sind feindliche Übernahmen nicht strafbar. Aber Steuerhinterziehung schon. Marcs Vater hat mit seinen „sauberen“ Geschäften, die Steuerbehörde umgangen und dass ist strafbar.“

„Und bei uns?“

„Das war ein reales Geschäft mit Mrs. Bogner-Oswald. Und da sie nachweißlich wirklich nichts von diesen Geschäften ihres Mannes wusste, bleibt sie unbehelligt und unsere Firma auch.“

„Aber wie hat es Marc fertig gebracht, ihr Tochterfirmen unterzujubeln, ohne dass sie es merkte?“, wollte nun Lucas wissen.

„Marc ist oder war nur der Handlanger seines Vaters und der hat alles aus Amerika gesteuert, ohne das Wissen seiner Frau.“

„Dann können wir alle nun beruhigt schlafen“, meinte Kevin.

„Du sowieso, wenn du noch mehr Bier trinkst“, sagte Grace und wir fingen alle an zu lachen.

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5 Kommentare

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    • Crazy auf 2. November 2011 bei 20:26
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    Nette Story mit ner Menge Spannung.
    Ich denke aber, daß Du diese Geschichte noch viel besser hättest ausbauen können.
    Da steckt noch so viel Potential drinne.

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  1. Hallo Crazy,
    danke für dein Feedback, ich wollte einfach mal wieder eine kurze Geschichte schreiben…, keiner dieser Megamehrteiler 🙂
    Gruß Pit

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  2. Hallo Pit,
    vielen Dank für die schöne und spannende Gayschichte. Dir noch viele Ideen und auch Spaß beim schreiben.

    Gruß
    Ralf

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    • Claus auf 4. November 2011 bei 06:00
    • Antworten

    Hallo Pit,

    eine gelungene Geschichte, spannend geschrieben!
    Vielen Dank
    LG Claus

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  3. Hy Pit 🙂

    Deine Story liest sich sehr gut und ist sehr spannend geschrieben. Ich mag ja etwas kürzere Stories.
    Mach weiter so, Pit. *knuddel*
    Und Danke schön. 😉

    Ganz liebe Grüße,

    Sephi

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