Die zweite Chance – Teil 3

„Deinem Knöchel geht’s ja wieder ganz gut.“

Florian stand mit Kathrin und Marcus unter dem Ahorn und wartete auf die Anderen damit sie zumindest noch einen Teil des Weges zusammen nach Hause gehen konnten.

„Ist ja auch schon zwei Wochen her.“
„Klasse, dann kannst du ja mal wieder mit in den Park!“ freute sich Marcus.

„Du kannst ihn später wieder zum Invaliden machen. Heute brauchen wir ihn noch gesund!“

„Wie jetzt?“

„Heute ist nämlich viel laufen geplant.“

Die beiden sprachen mal wieder in Rätseln.

„Was? Wieso das?“

„Heute ist mal wieder unser Gruppen-Shoppen angesagt!“ Lars brachte Licht in seine Unkenntnis. Mit den restlichen drei der Clique kam er zu ihnen. „Du kommst doch mit, oder?“

„Ähh… muss das heute sein?“

„Das ist unser traditioneller Termin. Kannst du etwa nicht?“

„Nein, leider nicht. Ähh… meine Familie hat mich schon eingeplant.“ Florian sah ziemlich enttäuscht aus.

„Mist, kannst du da gar nichts machen?“

„Glaub nicht.“

„Bist du sauer wenn wir trotzdem gehen? Wir können ja auch vor den Ferien noch mal gehen.“

„Nee, ist kein Problem. Ich versuch trotzdem mitzukommen. Ansonsten sehen wir uns ja Morgen wieder.“

„Gut und jetzt lasst uns nach Hause. Ich hab Hunger.“

*-*-*

„Florian beeil dich! Warum musst du immer alles auf die letzte Minute machen?!!“

„Ich hab noch meinen MP3-Player gesucht. Ich nehme das Rad zum Bahnhof. Bis heut Abend!“

Ohne eine Antwort abzuwarten war er aus der Tür raus.

Keine 4 Minuten später sprintete Florian die Treppe zur S-Bahn hinauf. Sein persönlicher Rekord, und keine Sekunde zu spät. Er schaffte es gerade noch in den Zug und streifte mit seinem Rucksack die Tür bevor sie sich schloss. Außer Atem ließ er sich auf einen Sitz fallen.
Der Wagon war erstaunlich leer. Florian guckte sich um. So ein leerer Zug hieß, der Schaffner würde es schaffen in der nächsten halben Stunde mindestens zwölf Mal an ihm vorbei zu kommen. Hektisch suchte er nach seiner Fahrkarte.

„Du kannst dir ruhig Zeit lassen.“

„Was?“

Florian schreckte auf. Neben ihm stand ein junger Mann. Florian schätzte ihn auf Anfang zwanzig, etwas größer als er selbst, kurze braune Haare und schwarze Augen. Das ganze in die Uniform der Bahn gekleidet.

„Ähh… wieso das?“

„Weil ich mich, wenn du etwas suchen musst, hier setzten kann.“

Damit ließ er sich auch schon auf den Sitzt gegenüber fallen und streckte die Beine aus.

“Das ist jetzt nötig.“

„Oh, so schlimm?“

„Nö, eigentlich nicht. Manchmal gibt es ja angenehme Zwangspausen. Ich bin übrigens Nico.“ Grinste dieser.

„Ähh… Florian.“

„Freut mich. Kannst dir ruhig noch Zeit lassen. Die nächste Station macht mein Kollege.“

„Wie jetzt?“

„ Aber dann brauch ich so langsam was von dir.“

„Hab’s schon“ Florian zog seine Dauerkarte aus dem Portemonnaie.

„Schade.“

„Warum das?“

„Ich hätten noch fünf endlose Minuten mit dir bis zur Station gehabt.“ Nico zog eine Augenbraue hoch.

Florian starrte ihn an, konnte gerade seinen Unterkiefer am Runterklappen hindern und wurde rot.

„Niedlich…“ kam es von Nico. „Gibst du mir nun den Fahrschein?“

„Ja, klar. Hier!“

„Danke. Scheinst die Strecke ja öfters zu fahren.“

„Ja, schon. Wie kommst du darauf?“

„Wegen der Dauerkarte.“ Nico gab sie Florian zurück. „Vielleicht sollte ich mich häufiger um diese Strecke bemühen.“

„Weiß nicht ob sich das lohnt. Ich hoffe, dass sich ich bald nicht mehr fahren muss.“

„Doch nicht wegen mir, oder?“

„Nein, ich hab nur einen Termin den ich gerne auslassen würde.“

„Na dann ist gut!“ Nico sprang wieder auf. „Ich muss jetzt aber wieder los, bevor ich noch Ärger bekomme. Vielleicht sehen wir uns ja mal wieder.“

Er ging zum Ende des Zuges um die anderen Fahrgäste zu kontrollieren.

„Nico?“ Florian starte unsicher auf seine Füße.

„Ja?!“

„Wie hast du es gemerkt?“

„Wie jetzt?“ Nico drehte sich wieder zu ihm um. „Oh Mist.“

Er kam wieder auf ihn zu und setzte sich auf den Platz wo er vorhin schon saß.

„Ich hab es nicht gewusst. Es war wohl eher Wunschdenken.“

„Hmmm…“

„Du hast dich grade erst selbst verraten.“

„Na toll!“

„Wer weiß es denn schon von dir?“

„Eigentlich nur meine Familie.“

„Ist doch toll. Dann hast du das Schwerste doch schon hinter dir.“

„Ach wirklich?“

„Klar deine Freunde werden es schon verstehen!“

„Meine FREUNDE haben mich zu einem Selbstmordversuch getrieben. Deshalb weiß meine Familie davon!“

Florian war laut geworden und sprang auf. Nico hielt ihn jedoch am Arm fest und zog ihn zu sich, bevor er weglaufen konnte. Florian zitterte als dieser ihn zu sich zog und eng an ihn drückte.

„Das waren nicht deine Freunde! Freunde sind für einen da, helfen wenn es einem schlecht geht, und lachen wenn es einem gut geht!“

Nico flüsterte die Worte nur ins Ohr und strich ihm dabei durch die Haare.

„Und glaub mir man kann gut damit leben.
Es ist sogar schön.
Du wirst jemanden begegnen und dich verlieben. Du wirst ihn erforschen und neu entdecken, und doch wird er dir vom ersten Augenblick vertraut sein, weil für ihn die Liebe auch nicht selbstverständlich war. Es gibt nichts Schöneres.“

Nico ließ Florian los.

„Alles wieder OK?“

Ein nicken von Florian.

„Und versprich mir eins! Mach keine Dummheiten, egal was kommt!“ dabei kam er Florian Kopf näher, legte seine Hand unters Kinn und hob seine Kopf an. Florian fühlte Nicos Lippen auf seinen. Langsam öffnete er seine Lippen und fühlte darauf Nicos Zunge in seinem Mund. Nach einer Halben Ewigkeit ließ er wieder von ihm ab.

„Wow!“

„Und jetzt stell dir vor du Küsst jemanden in den du auch noch verliebt bist.“

„Wow!“

„Genau! Jetzt muss ich aber echt los! Ich verlass mich auf dich, Kleiner!“

Nico drehte sich wieder weg und ging ans andere Ende des Wagons. Dort wandte er sich noch mal zu Florian und zwinkerte ihm zu.

Florian blieb ziemlich verwirrt zurück. Klar war er schwul und wusste das auch schon eine ganze Weile. Er wollte einen Freund haben, und irgendwann auch mal Sex. Er hatte sich immer vorgestellt wie es sein würde. In seiner Phantasie war es schon unglaublich, aber dass ein einfacher Kuss mit einem Fremden schon so eine Wirkung hatte, hätte er nicht gedacht. Richtigen Sex würde er wohl kaum mit klarem Verstand überleben…

„Wow!“ sagte er noch einmal. Nur am Rand bekam er mit das irgendetwas entsetzlich laut quietschte. Als das Geräusch ins sein Bewusstsein vorgedrungen war stellte er erschrocken fest, dass die S-Bahn schon im Bahnhof stand. Schnell griff er nach seinem Rucksack und verließ die Bahn so wie er sie betreten hatte, laufend.

Mechanisch ging er zur Praxis von Sarah, noch immer in Gedanken versunken und gleichzeitig auf Wolken schwebend. Diese kurze Begegnung mit Nico hatte ihm mehr zu denken gegeben, als alle Ratschläge von seiner Familie und Sarah zusammen.
Genauso abwesend lief er dann auch die Treppe hoch. Florian griff zur Türklinke und bemerkte Nichteinmahl, dass die Tür schon aufstand.

„Au!“

Autsch!“

Florian war mit jemand zusammengestoßen und lag nun der Länge nach auf dem Boden.

„Kannst du nicht aufpassen?“ bekam er zu hören. „Florian? Was machst du denn hier?“

Erst nachdem er seinen Namen gehört hatte kam dieser wieder langsam zu sich. Der andere war niemand anders als Marcus.

„Ähh… Marcus! Ich Ähh… hab doch gesagt, das ich was, ähh… erledigen muss.“

Florian winkte mit der Hand wage zu den Oberen Stockwerken.

„Aber was machst du denn hier?“

„Wir wollten doch shopen gehen, da musste ich vorher noch meine Mutter anpumpen.“

„Und deshalb bist du hier?“

In seinem Inneren ahnte Florian die Antwort schon.

„Ja, das ist ihre Praxis.“ Und sie wurde zur Gewissheit. „Sorry, aber ich muss weiter, sonst verpass ich die Anderen. Wir sehen uns ja morgen!“

Marcus drehte sich um, ließ Florian stehen und lief die Treppe runter. Auf der Hälfte blieb er stehen.
„Florian, du hast wieder gestottert!“

Bevor Florian etwas erwidern konnte rannte Marcus weiter. Kurz darauf hörte er die Haustüre zuschlagen.

„So ’ne Scheiße!“ War alles was er dachte.

Nach kurzem zögern ging er zu Sarah in die Praxis. Olaf war mal wieder nicht hinter dem Tresen, was Florian sehr beruhigend fand, dann hatte er wenigstens nicht das kurze Gespräch mit Marcus mitbekommen.

Kurz darauf kam er jedoch. „Hallo, geh am besten gleich rein, Florian.“

„Ist Okay, Olaf.“

Noch kurz anklopfen und dann war er auch schon im Zimmer. Wie bei den letzten Malen setzte er sich gleich auf eines der Sofas. Sarah war noch nicht da. Ihm kamen die beiden Begegnungen auf dem Weg wieder in den Kopf. Wie konnte ein einziger Tag nur so unterschiedliche Gefühle wecken? Erst das Aufeinandertreffen mit Nico, und dann auch noch Marcus. Was daraus werden sollte war ihm noch nicht ganz klar. Er hatte ihn ja schon einmal gefragt, was mit ihm los sei. Aber jetzt würde er bestimmt nicht mehr locker lassen!

„Hallo, Florian.“

Dieser hatte gar nicht mitbekommen, dass er nicht mehr allein war. Sarah saß ihm gegenüber.

„Oh, hallo.“

„Du scheinst wieder sehr abwesend zu sein. Was geht dir denn diesmal durch den Kopf?“

„Nichts.“

„Ah, auf dem Trip sind wir wieder. Dann kann ich mich ja auch wieder an die Buchhaltung setzten.“

Sarah verließ die Sitzecke und setzte sich an ihren Schreibtisch. Das brachte Florian noch ein wenig Zeit zum nachdenken. Ihm war aber auch klar, dass sie ihn auch bis Mitternacht sitzen lassen würde wenn er ihr nicht etwas erzählen würde.
Nach einigen Minuten begann er dann.

„Ich hatte eine eigenartige Begegnung im Zug.“

Von dem treffen mit Marcus wollte er lieber nichts erzählen. Florian druckste eine Weile herum bis er endlich auch von Nicos Kuss erzählte. Ein breites Grinsen zierte dabei sein Gesicht.

„Und?“

„Was und?“

„Florian, fang nicht wieder damit an. Du kennst das Spiel doch!“

„Weiß nicht.“

„Du bist heut echt wieder ein schwerer Brocken!“

„Ich glaub…“ Florian spielte mit seinen Fingern. „Ich denk es hat mir gefallen.“

„Nur gefallen?“

„Wohl nicht… Es war das tollste, was ich jemals erlebt habe!“

„Na endlich!“ grinste Sarah ihn an.

„Wieso na endlich?“

„Ist das nicht klar? Seit einigen Wochen kommst du nun schon her, und weißt du noch was du mir bisher erzählt hast?“

„Sicher.“

„Na dann erzähl mal.“

„Na ja, ich hab von mir erzählt, meinen Problemen, meinem Selbstmordversuch und meiner Angst, dass jemand erfahren könnte, dass ich schwul bin. Und auch, dass ich nicht weiß ob ich wirklich auf Jungs stehen will, wegen der ganzen Probleme…“

Sarah zog eine Augenbraue hoch. So langsam dämmerte ihm worauf das hinauslief.

„Oh…“

„Ich denk du hast erst mal wieder genug zum Nachdenken, nachdem dir nun dein erstes, positives Erlebnis aufgefallen ist. Wir sehen uns nächste Woche.“

*-*-*

Florian trat wieder auf die Straße. Was nun? Er war früher, sehr viel früher, von Sarah weggekommen als gewöhnlich und zu Hause wurde er noch nicht erwartet. Blieb nur die Frage, was er mit dem angefangenen Nachmittag machen sollte. Eigentlich hatte er ja Lust auf shoppen und seine Freunde waren auch irgendwo in der Stadt. Florian zog grade sein Handy aus der Tasche, las ihm wieder Marcus fragendes Gesicht einfiel. Da war sicher noch einiges zu klären, doch das konnte warten. Florians Tag war bisher eher gut gewesen. Na ja, eher ’normal’, mit ein bisschen ’keine Ahnung’ und einer gehörigen Portion ’will mehr’. Und was auch immer ihn mit seinen Freunden noch erwarten würde, diesen Tag würde er sich nicht vermiesen lassen.

Florian ging die paar Meter zur S-Bahn-Haltestelle, bis zur Innenstadt war es nur noch eine Station. Dort angekommen ging er in den Seitenstraßen entlang der Einkaufstraße. Er hatte zwar nicht unbedingt den Plan was er machen wollte. Aber zumindest wollte er erst Mal nicht auf die Anderen Treffen. Blieben also nur die Nebenstraßen, in denen ja meist eh die interessanteren Geschäfte zu finden waren. Kleine CD-Läden, die nicht nur den Mainstream im Angebot haben und Klamottenläden, die auch etwas abseits der fast Gleichaussehenden Stangenware anboten.

Florian schlenderte an etlichen Schaufenstern vorbei. Aber das Richtige hatte er noch nicht gesehen. Die aktuelle Mode gefiel ihm nicht sonderlich, entweder saß das meiste wie nasse Säcke oder die Farben waren so bunt, dass selbst ein Ministerpräsident eines der südlicheren Bundeslandes darin schwul aussähe. Und die Musikcharts hatte er im letzten halben Jahr kaum mitbekommen. In der Disco war er schon länger nicht mehr gewesen und Musik mit Freunden hören war ja auch eine ganze Weile nicht drin.

Im nächsten Schaufenster waren fast nur Bücher ausgelegt. Oscar Wilde wohin das Auge blickt. Im Hintergrund eine Reproduktion eines Portraits. Auf der linken Seite lagen noch einige DVDs. Auf den Cover Waren fast nur Jungs oder auch Männer zu sehen. „Schuljungs“, „Kostbare Augenblicke“, in Florians Kopf fanden einige Synapsen zueinander.

„Oh…“

Er hob den Kopf und fand über der Eingangstüre was er vermutet hatte, eine Regenbogenfahne.
Das war dann wohl doch sein Tag…
Er ging zur Tür, hob seine Hand zur Klinke, noch einen kurzen Blick nach Rechts und Links ob auch niemand bekanntes in der Nähe war. Und öffnete die Türe.
Florian betrat einen relativ kleinen Verkaufsraum, der aber durch die Großen Fenster sehr hell war.

„Hallo“ kam es von der rechten Seite.

Dort stand hinter einem Tresen mit der Kasse ein etwas älterer Mann min scheinbar rasierter Glatze und Lachfältchen um die Augen und dem Mund.

„Möchtest du dich umsehen oder soll ich dir Alles zeigen?“

„Ich glaub ich guck mich erst mal um, danke.“

Der Mann nickte und widmete sich wieder seinem Hefter in dem er auch schon vorher geblättert hatte.
Die cremefarbenen Wände im Laden waren mit Holzregalen gesäumt, in denen hauptsächlich Bücher zu finden waren. Die meisten Titel sagten ihm aber nichts, war ja auch nicht unbedingt das, was man in der Schule zu lesen bekam oder auf den Bestsellerlisten stand.
In der Mitte stand ein großer Tisch mit gestapelten DVDs und einigen Bildbänden. Das interessierte ihn schon mehr. Zumindest die DVDs, die Bildbände zwar auch, immerhin waren da einige nett anzuschauende junge Männer drauf. Aber die Kommentare von Tom und seinen Eltern wenn sie das im Regal sehen würden wollte er sich doch lieber nicht antun, auch wenn die Bücher Jugendfrei waren.
Die Filme erweckten schon eher sein Interesse. Immerhin kannte er ja auch einige Titel aus der Kinovorschau oder aus dem Fernsehen. Nach einigem stöbern entschied er sich für „Sommersturm“ und „Schuljungs“ den er ja schon im Fenster gesehen hatte.
Florian bezahlte die Filme und verließ den Laden wieder. Da er erst wieder zum Abendessen zurückerwartet wurde beschloss er noch etwas durch die Innenstadt zu gehen. Vielleicht fand sich ja noch etwas Interessantes. Florian lief wieder zur Hauptstraße. So gut, dass er alleine durch die Seitenstraßen streifen wollte kannte er sich in der Stadt noch nicht aus.

„Florian!?“

Wer war das denn jetzt? Florian guckte sich um, obwohl er nicht wusste ob er überhaupt gemeint war.

„Hey, Skaterboy2!“ Florian sah einen grinsenden Lars auf sich zustürmen.

„Hätte ja nicht gedacht, dich hier zu sehen. Kommst du mit zu den Anderen oder hast du noch was zu tun?“

„Bin fertig, klar komm ich mit.“

Kathrin, Marcus, Arne, Michael und Sabine saßen vor einem kleinen Café am Straßenrand. Florian schob einen Stuhl vom Nachbartisch zwischen Lars und Marcus und bestellte sich noch eine Cola.

„Ist das eigentlich der Abschluss eurer Shoping-Tour oder wollt ihr noch wo hin?“

„Ein Laden steht noch aus.“

Michael verdrehte dabei die Augen, Arne gab ein Seufzen von sich, Lars kicherte amüsiert, nur Marcus grinste von einem Ohr zum anderen.

„Was heißt das denn jetzt?“

„Das, unser lieber Freund, heißt, dass uns jemand die ganze Zeit auf die Nerven gegangen ist in einen speziellen Laden zu gehen und wir irgendwann zugesagt haben um Ruhe zu haben.“

„Und nach eurer Reaktion zu urteilen war dieser jemand Marcus.“

Dieser Grinste noch breiter. „Yep.“

„Cool, dann wird’s mir wohl auch gefallen.“ Florian grinste nun auch.

„Oh Gott, ich hab doch gesagt wir dürfen keinen weiteren Skater in die Clique aufnehmen!“ kam es natürlich von Arne.

„Du bist ja nur neidisch, Arne.“ So etwas konnte Florian nicht auf sich sitzen lassen.

„Und warum das?“

„Weil du als Basketballer“, fuhr Marcus fort, “hier keinen eigenen Laden hast!“

„Die beiden Zwerge schaffen mich echt noch…“ Arne verdrehte wieder seine Augen, konnte sich aber ein lächeln nicht verkneifen.

„Ja, sind echt niedlich unsere Kleinen.“ lachte Lars.

*-*-*

Eine halbe Stunde später stand die ganze Gruppe vor einem Laden in einer weiteren Seitenstraße.

„Und ich hab immer geglaubt unsere Schule ist das Tor zur Hölle.“

„Halt die Klappe, Arne. Sonst werden dich unsere kleinen Teufelchen eigenhändig reinschleifen.“

„Wen meinst du? Die beiden sind doch sofort völlig kopflos reingestürmt.“

Florian und Marcus durchstreiften währenddessen schon den Laden. Aus Florians sicht war der Laden das reinste Paradies. Es gab nicht nur das nötige Equipment zum skaten, sondern auch die passenden Klamotten dazu. Und in einer anderen Ecke fanden sich Musik, Bücher und DVDs.
Florian blieb so abrupt stehen, dass Marcus in seinen Rücken lief.

„Marcus?“

„Äh.. ja, is was ?“

„Ich bin echt sauer!“

„Warum das denn jetzt?“

Florian drehte sich um und grinste Marcus an.

„Ich bin schon ein paar Wochen hier und du zeigst mir den Laden erst jetzt?“

„Klar! Sonst wärst du schon vor Wochen schon pleite gewesen!“

„Das schon, aber auch glücklich!“

„Na los, weiter! Ich glaub nicht, dass es die Anderen hier drin so lange aushalten.“

Ein Blick von Florian bestätigte dies. Zwar guckten sich ihre Freunde alle die Auslagen an, aber die Begeisterung der beiden fehlte ihnen doch.
Florian widmete sich wieder den T-Shirts. Marcus tat das gleiche auf der anderen Seite des Ständers. Die meisten Shirts waren Florian aber doch zu bunt für den Alltag. Ab und an nahmen er und auch Marcus ein Teil vom Ständer, hoben es hoch um es dem auf der anderen Seite zu zeigen. Doch meist bekam es nur ein Kopfschütteln, eine hochgezogen Augenbraue oder ein amüsiertes kichern.
Fast am Ende des Ständers fand Florian dann ein schwarzes T-Shirt dessen rechte Seite vorne und hinten mit einem einzigen großen, dunkelroten Tribal bedruckt war.

„Wow, Marcus guck mal!“

„Cool! Das musst du anprobieren!“

Florian nahm sich noch ein einfarbiges dunkelrotes T-Shirt und eine Cargo-Hose aus dem Regal und machte sich auf den Weg zu den Umkleidekabinen. Dort zog er sich schnell das neue T-Shirt an und verlies die Kabine wieder. Davor fand er sich Kathrin gegenüber.

„Hey, das sieht ja richtig gut aus!“

„Ich find es irgendwie irritierend, so zwei unterschiedliche Farben links und rechts…“

„Nee, du siehst richtig gut damit aus.“

„Wirklich?“

„Klar, dir steht doch eh Alles.“

Leicht lächelnd ging Kathrin wieder zu den anderen zurück.
Nicht wissend was er davon halten sollte, zog sich Florian in der Kabine wieder aus um noch die Hose und das nächste T-Shirt anzuprobieren.

„Mach mal platz!“

Er hatte grad das Shirt ausgezogen als sich Marcus in die Kabine drängelte.

„Die haben hier nur eine Umkleidekabine“ entschuldigte sich Marcus und zog sich schon aus. Kurz darauf grinste dieser ihm nur noch in seinen Shorts entgegen.
Florian schluckte schwer.

„Dann lass mal sehen was du dir ausgesucht hast.“

„Wart’s ab.“

Marcus zog sich eine braune Cargo-Hose an. Um die Beine war sie wie das Name vermuten ließ, weit geschnitten. Der Obere Teil jedoch ließ Florian wieder schlucken. Der saß ziemlich eng. Vorne konnte man erahnen was er in der Hose hatte und Hinten da wurde nach Florians Meinung noch knackiger was eh schon knackig war.
Dazu zog er ein enges T-Shirt in einem dunklem orange an.

„Ähm… Marcus? Hast du auch vor das in der Schule anzuziehen?“

„Klar, warum?“

„Weil das zu Aufständen führen wird!“

„So gut?“

„Glaub mir. Du wirst Probleme haben dich zu unserem Baum durchzuschlagen.“

„Klasse, ein bisschen Chaos schadet dem Laden nicht!“

„Hihi, Stimmt, vielleicht sollte ich mir so was auch kaufen.“

„Öhm, dann brennen die Weiber den Schuppen nieder.“

„Stört sich das etwa? Dann könnten wir den ganzen Tag skaten.“

„OK, kauf dir das Gleiche auch!“

„Das war ein Witz! Wir können doch nicht in Partnerlook rumlaufen!“

„Stimmt, das käme komisch! Aber das was du da an hast reicht doch auch.“

„Meinst du?“

„Klar steht dir super!“

Florian betrachtete sich im Spiegel. „Na gut. Ich brauch eh mal wieder neue Sachen.“

„Hey ihr beiden beeilt euch mal ein wenig!“

Kam es von draußen. Florian und Marcus beeilten sich wieder in ihre alten Sachen zu kommen. Florian versuchte grade seine Hose in der engen Kabine anzuziehen, während Marcus seine noch auf dem Boden suchte.

„Wo kommt eigentlich dieses Chaos her?“

„Das war bestimmt schon vorher da.“

„Ah! Da ist meine Hose. Lass mich mal durch.“

„Nein, warte das…“ weiter kam Florian nicht. Marcus stieß ihn an und er verlor das Gleichgewicht. Mit beiden Händen hielt er sich an dem erst Besten fest, was er erreichen konnte: Marcus. Was jedoch zur Folge hatte, dass beide mit einem Schrei durch den Vorhang aus der Kabine fielen.
Florian lag auf dem Rücken, seine Hose hing ihm um die Knie. Marcus lag dagegen nur in seinen Shorts auf ihm drauf. Wären sie nicht grade in einem Laden mitten im Zentrum gewesen hätte Florian dieses Zusammentreffen als durchaus angenehm empfunden. Aber so war es ihm ziemlich peinlich, er hoffte nur, dass seine unteren Regionen der gleichen Meinung waren und es nicht noch peinlicher wurde. Ein Blick zu Marcus zeigte ihm aber, dass es ihm genauso ging, auch sein Kopf nahm eine leichte Rotfärbung an.
Kathrin, Sabine und die Verkäuferin starrten sie mit großen Augen an. Michael versuchte nicht ganz ernsthaft Sabine die Augen zuzuhalten, Arne lag vor lachen auf dem Boden während Lars unter Lachkrämpfen versuchte sein Fotohandy ruhig zu halten.

*-*-*

„Hallo, ich bin wieder da.“ Eine dreiviertel Stunde später war Florian wieder zu Hause.

„Komm in die Küche, wir sind schon am essen!“

Er deponierte seinen Rucksack im Hausflur und leistete dem Rest der Familie, nach dem Händewaschen, Gesellschaft.

„Was gibt es denn?“

„Normales Abendbrot. Das bekomm selbst ich hin, da du ja zum kochen nicht da warst.“

Seine Mutter lächelte ihn an. Florian nahm sich ein bisschen Brot und stapelte Wurst, Oliven, Gurke, Tomaten und etwas Kartoffelsalat auf seinem Teller.

„Wo warst du denn so lange? Oder hat die Sitzung so lange gedauert?“

„Nee, hat sie nicht. Wir waren sogar ziemlich schnell fertig. Ich bin danach noch mal in die Stadt gefahren und hab die anderen da getroffen.“

„Also mal wieder Geld ausgeben…“

„Klar!“ Florian grinste in die Runde. „Außerdem hab ich das doch schon ne ganze Weile nicht mehr gemacht.“

„Verrätst du uns auch was du gekauft hast?“

„War gar nicht so viel. 2 T-Shirts und ne Hose… und… ähm… noch 2 Filme.“

„So wie du rumdruckst hast du dich doch nicht etwa in einen Laden ab achtzehn geschlichen oder?“

„Natürlich nicht! Und wenn würde ich das bestimmt nicht erzählen. Ich hab einen kleinen Laden gefunden der sich ganz auf schwules und lesbisches Publikum spezialisiert hat.“

„Und da bist DU mit den anderen gewesen?“ Tom stellte die Frage stellvertretend für den Rest der Familie, die ihn mit großen Augen ansah.

„Da war ich allein drin, bevor ich den Rest getroffen hab.“ Gab er leise von sich.

„Florian, willst du es ihnen irgendwann sagen?“

Florian stocherte mit seiner Gabel im Salat herum. „Ich will ja…“

„Aber? Ist es immer noch so schwer?“

„Ist es. Ich mag die Alle wirklich gerne, und hab auch irgendwie vertrauen zu ihnen. Die sind eh alle schon so unterschiedlich da würde es nix ausmachen das ich schwul bin. Aber… die Angst ist trotzdem da…“

„Ich weiß, Florian.“ Seine Mutter strich ihm durch die Haare. „Aber gib deinen Freunden auch die Möglichkeit zu zeigen, dass du ihr Freund bist. Dass es beim ersten Mal völlig daneben gegangen ist, heißt nicht, dass es immer so ist. Und das wird es auch nicht sein.“

„Ich weiß, das hab ich heut schon gemerkt.“ Florian grinste wieder in die Runde.

„Und was sollen wir uns darunter vorstellen?“

„Ich hab jemanden kennengelernt.“

„Du hast was?“ Sein Vater verschluckte sich am Rotwein.

„Ich wusste doch ich hab was vergessen zu erzählen…“

„Florian!“ Sein Bruder wurde ungeduldig.

„Ein junger Schaffner im Zug, wir kamen irgendwie ins Reden und er hat mit mir geflirtet. Und dann hat er mich geküsst weil er meinte ich bräuchte eine Aufmunterung.“

„Und so was erzählst du so einfach nebenbei?“

„Na ja, wird doch eh nichts werden. Will ich eigentlich auch nicht. Er ist, glaub ich, 6 Jahre älter als ich, das ist mir jetzt doch etwas zu viel.“

„Ich glaub es ja nicht!“

„Freut euch doch. Der nächste Absturz kommt bestimmt.“ Konnte sich Florian nicht verkneifen.

„Das mein Sohn will ich nicht hoffen!“ erwiderte sein Vater mit einem lächeln.

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