Vorhang auf, Bühne frei
Dario [bluepicture@directbox.com]
Werner kam zum Wagen zurück und stieg ein. »Mensch, wenn wir uns mal so einen Pinguin leisten können, haben wir’s geschafft, was Ralf?«
Ich lächelte gequält. Nun, irgendwo hatte er ja recht, nur, wir würden diesen Status nie erreichen. Dabei fiel mir wieder ein, wie ich an Angelos Seite die Welt erobern wollte. Egal wie auch immer, dieser Traum war einer der schönsten in meinem bisherigen Leben.
Wie alt würde ich werden, bis ich nicht mehr an den Roten Teppich denken musste? Nun aber stand erst Mal die Sache an sich im Vordergrund.
Wir fuhren um das Gebäude herum und ich beobachtete jeden Meter des Geländes; aber alles lag still und friedlich. Gut, es war gerade mal Neun Uhr, also noch nicht unbedingt die Tageszeit, in der Angelo – so er überhaupt noch hier weilte – schon fit war.
Werner parkte den Wagen direkt in dem fast leeren Schuppen, das hatte Paul wohl so vorgeschlagen. Dann würde sich unser Kombi nicht so schrecklich aufheizen.
Wir luden einige Werkzeuge aus, danach legte ich die Leiter an und stieg als erster auf das Dach. Erst mal die Lage da oben peilen. Ein altes Schieferdach, an etlichen Stellen löchrig und spröde.
an musste aufpassen wohin man trat; das Dach war zwar nur drei Meter über dem Erdboden, aber trotzdem war Vorsicht angesagt, denn, um sich viele Knochen oder gar das Genick zu brechen reichte die Höhe aus.
Kaum stand ich oben auf einer sicheren Stelle, lenkte ich meinen Blick zur Terrasse. Tja, in einem Theater musste man Höchstpreise für einen solch genialen Ausblick bezahlen.. Und auf dieser Bühne da unten tat sich etwas, ohne Zweifel.
Während Werner unsere Utensilien richtete, beobachtete ich Paul, wie er den Frühstückstisch deckte. Ich war nahe genug dran um zu erkennen, dass es sich um zwei Gedecke handelte. Damit ergaben sich folgende Konstellationen: Mutter und Vater, Mutter und Sohn oder Vater und Sohn.
Welche ich nun bevorzugen würde, das vermochte ich so nicht zu sagen. Richtig gern gesehen würde ich am Ende von keinem der Dreien.
»Träumst du?«, rief Werner zu mir hoch und erinnerte mich an den Ursprung unseres Aufenthalts.
»Ich komme.«
Hemd aus, dick eincremen. LF 40. Der Sonnenbrand war abgeklungen, aber auf einen neuen hatte ich echt keinen Bock. Dann Material und Werkzeuge hoch schaffen. Das war hier echt kein Problem und unter anderen Umständen hätte mir die Arbeit da sicherlich viel mehr Spaß gemacht.
Wir machten uns ans abdecken der alten Schindeln, aber immer mal wieder schielte ich zur Terrasse. Das tat ich so, dass Werner es nicht bemerkte.
Aha, der Kaffee wurde gebracht. Lange konnten die entscheidenden Personen nicht mehr auf sich warten lassen. Unschlüssig war mein Vorgehen, sollte Angelo tatsächlich da unten erscheinen.
Einige Minuten war mit Spionage nichts zu machen, ich musste Werner zur Hand. Als ich mich nach einer Weile so halb umdrehte und runtersah, ja, da war dann meine Arbeitsmoral und Schaffenskraft in ernsthafter Gefahr. Vorhang auf.
Mutter saß schon da und dann kam auch schon er, der Hauptdarsteller in dem Stück da unten. Auf zwei Krücken gestützt betrat er die Bühne. Was genau da nun gespielt wurde, na ja, zu dieser Aufführung gab es kein Begleitheft.
Das Stück hatte schlicht keinen Namen. Schlagartig änderte sich wieder meine Pulsfrequenz und schnell bückte ich mich zu Werner hin. Frau Kassini saß halbschräg, sie hatte also auch keinen direkten Blick zu uns.
Möglicherweise war das Absicht. Man wollte sich ja vielleicht nicht von ein paar lausigen Handwerkern ablenken lassen.
»Hast du was? Ist dir nicht gut? Du sollst doch eine Kopfbedeckung tragen. Ein Sonnenstich ist nicht zu unterschätzen.«
Ich nickte, weil Werner unbedingt Recht hatte.
»Ich geh sie mal eben holen«, gab ich zurück und stieg die Leiter hinunter.
Da konnte ich wegen der Hecken nicht gesehen werden und atmete erst mal kräftig durch. „Keine Panik jetzt. Er sitzt mit dem Rücken zu dir, falls er so setzt wie Paul gedeckt hat. Zumindest so lange die da am essen sind gibt’s nichts zu befürchten.“ Na ja, wir würden über kurz oder lang eh Lärm machen und ob er sich nicht dann doch näher mit uns beschäftigte..
Ich setzte meine Kappe auf, mit dem Schild nach hinten wie üblich, und ging zu meinem Arbeitsplatz zurück.
Es gelang mir dann tatsächlich, mich sozusagen in die Arbeit zu stürzen. Klar, ein verstohlener Blick ab und an, dagegen konnte ich aber praktisch gar nichts machen. Das war wie so ein innerer Zwang.
So bekam ich dann mit, dass Angelo Zeitung las, leise dudelte Musik aus einem Radio herüber.
»Mann, was sticht der Planet heut wieder.«
»Werner!« Wenigstens einmal am Tag musste ich ihn bei so einem Wetter dran erinnern, dass die Sonne kein Planet ist.
Er winkte ab.
»Ach du immer. Ich weiß ja, es ist ein Stern.. Aber das hindert uns nicht, Frühstück zu machen«
Ich hatte überhaupt nicht mitbekommen, wie schnell die Zeit vergangen war. Wir stiegen vom Dach und begaben uns in den Schuppen. Dort war es um einige Grade kühler und auf ein paar alten Kisten gab’s auch Sitzmöglichkeiten.
Kaum hatten wir unsere Brötchen ausgepackt, tauchte Paul auf. In der Hand ein Tablett, darauf eine Glaskaraffe mit was drin und zwei Gläser. Er stellte es auf einer der Kisten ab.
»Mit besten Empfehlungen des Hauses – sehr kühler, schwarzer Tee. Lassen Sie es sich schmecken.«
Er nickte kurz mit dem Kopf und verschwand, wie ich es schon kannte, so schnell wie er gekommen war.
Mit stieg sämtliches Blut in den Kopf, denn Paul hatte mir ziemlich tief in die Augen gesehen, wenn auch nur für einen kurzen Moment. Und klar war mir auch, dass er ganz genau wusste wen er da vor sich hatte. Allerdings, ich dachte nicht, dass er nun zu Angelo rennen und dem die Neuigkeit erzählen würde.
Werner sah mich etwas entgeistert an.
»Huch. Hätte ich hier gar nicht erwartet.«
Nun, wie dem auch sei, von der Sache her passte das schon ins Bild. Mein Bild, bevor mir Angelo den Rausschmiss offenbarte. Ab da hatte ich ja ein anderes.
»Aber.. «,
Werner hielt eine Hand neben seinen Mund,
»wer will denn schon Tee?«
Er zwinkerte und im selben Augenblick kappte er eine Flasche Bier. Standardgetränk., bei jedem Wetter und zu jeder Uhrzeit. Ich hielt mich als Azubi da ziemlich zurück, zudem hätte ich bei der Hitze da oben nach drei Zügen einen Affen gehabt.
Drum griff ich zu der Karaffe und goss mir den eiskalten Tee ein, wobei das Glas sofort beschlug. Komisch, dachte ich noch, in der kurzen Zeit.. das war wohl schon von vorneherein so geplant.
Werner und ich, wir quatschten eigentlich nicht sonderlich viel. Mal über Fußball, Politik, die üblichen Schimpfereien über die Preise und auch den Job. Ich mochte das, bei anderen waren nämlich immer wieder die Frauen ein Leitthema.
Für mich eher ein Leidthema und es war oft gar nicht einfach sich da rauszuhalten. Die wollten dann schon wissen wie sich meine Freundin ficken ließ und noch ganz andere, ziemlich wüste Dinge. Keiner kann mir nachfühlen wie es mir dabei ging.
Schon aus dem Grund war mir Werner der liebste, obwohl er schon fast Fünfzig war. Familienvater, zwei fast erwachsene Kinder und Frauen in dem Sinn gab es für ihn nicht, nur seine eigene Frau.
Über die wusste ich natürlich ziemlich viel. Werner akzeptierte aber auch, wenn ich ihm sagte dass ich zurzeit keine Freundin hätte.
»Hast recht, leb erst mal dein Leben, dann ist immer noch Zeit.«
Klar, dabei dachte ich schon manchmal dran, ihn einzuweihen. Er hatte sich nie irgendwie abfällig über die Schwulen geäußert, ich dachte, wenn, dann war er es der das verstehen würde. Aber ich hielt immer die Klappe, denn was nicht unbedingt sein musste..
Werner vertiefte sich dann in seine Zeitung und ich, ich sinnierte so vor mich hin während ich mein Brötchen verzehrte. Und dann hörte das kauen von ganz alleine auf. Ich musste nicht rätseln wer oder woher oder was. Binnen einer Sekunde war ich zurück in jener Nacht da oben im Zimmer.
Als ich Klänge hörte und ihnen gefolgt war, bis hinunter in den Keller.
Nun waren sie wieder da, ich wusste sofort, das war das gleiche Musikstück. Es klang etwas anders. Schöner, voller.
Ich schloss die Augen. Werner schien es nicht zu hören oder war zu abgelenkt vom lesen. Als wäre es ein paar Stunden her, sah ich Angelo vor meinem Geistigen Auge da unten sitzen, auf dem Barhocker. Weggetreten in diese seine Welt.
Eine Welt, an der ich teilhaben wollte, um jeden Preis. Und was war nun? Ich hörte die Melodie, aber sie hämmerte mehr wie ein Bass in meinem Kopf. Verschaffte sich gewaltsam Zutritt in eine Region, die ich gelöscht hatte.
Zumindest dachte ich das. Aber mitnichten, sie war noch da, die Erinnerung. Fast jedes Wort, das wir zusammen gewechselt hatten, formte sich zu einem durchaus realen und fast erschreckend lebhaften Bild. Nichts war gelöscht, nichts war vergessen.
Eine unheimliche Sehnsucht erfüllte mich, begann mich einzuweben wie die Spinne ihr Opfer. Angelo war plötzlich wieder greifbar. Ich konnte ihn fühlen, schmecken und riechen. Und seine Stimme hören.
Das war fast Abnormal was da mit mir passierte. Werner kaute, nahm einen Schluck, dann ging’s weiter mit seiner Lektüre. Bildete ich mir das alles ein? Spielte da gar keine Geige? Ich lauschte genauer. Doch, natürlich.
Und zum ersten Mal hörte ich sie. Sie musste es sein, seine Geige – Margie. War es ein Hirngespinst oder gab es tatsächlich Unterschiede zu jenem Instrument, auf dem er damals im Keller gespielt hatte?
Ja, das hier klang wirklich schöner. Und irgendwie kam es mir vor, als wäre ich tatsächlich im Konzert. Nur, der Solist spielte im Hintergrund. Ich rief mich zur Vernunft und biss erneut in mein Brötchen.
Ich begann mich mit der Frage zu beschäftigen, welche Rolle Margie bei Angelo tatsächlich spielte. Stand sie über allem, absolut? War er nur so angepisst weil sie.. außer Betrieb war? Aber am Ende kann man eine Geige vielleicht küssen, aber sie gab das nicht zurück.
Ins Bett gehen konnte man auch mit ihr, ja, sie konnte sogar neben einen schlafen. Nur mit ihr schlafen, das würde echt Probleme aufwerfen.
Währenddessen spielte Angelo weiter. Wehmut, Traurigkeit, Sehnsucht, Freude Wut und Hass.. all diese Dinge schien er aus Margie hervorzuzaubern. Ja, er konnte spielen, dazu musste man nicht mal Könner oder Kenner sein. Kein Wunder dass man ihm hinterher rannte.
Sammy Willard war somit auch wieder da, ganz plötzlich, nebst diesem Dorfler. Nein, das passte wirklich nicht. Angelo konnte das niemals ernst gemeint haben.
»Bist noch ein bisschen in Urlaub?«, fragte Werner plötzlich.
Er hatte mich scheinbar schon eine Weile beobachtet.
»Und dann, hörst du diesen Katzenjammer? Meine Güte bin ich froh, dass wir keine solchen Nachbarn haben. Stell dir vor, die quälen tagaus tagein so ein Instrument..«
Ich nickte und lächelte. Er verstand halt nichts von Musik, gar nichts, sonst hätte er es herausgehört. Diese sanften Töne, die manchmal auch forsch kamen. „Du bist geblendet. Angelo macht keine bessere Musik als andere. Du siehst ihn, nicht das was er tut.“ Blabla.
Ich war kein Spezialist, aber ich bildete mir zumindest ein, dass man einen Besseren als Angelo erst mal suchen musste.
Ich konnte Margie an dem Vormittag noch lange hören. Dabei gab’s nicht immer das gleiche Musikangebot. Angelo hatte eine große Palette parat und die spielte er durch. Ich konnte mich ja täuschen, aber es kam mir vor, als würde er nicht nur so aus Jux und Dollerei spielen.
Übte er für Frankfurt? War er noch gar nicht dort zum Vorspielen? Alles denkbar.
Dumm eben nur, dass es damit natürlich ein aussichtsloses Unterfangen war, an dem Tag nicht an ihn zu denken.
Zur Mittagspause fuhren Werner und ich in den Ort, es gab beim Metzger Ludewig ein Schlachtfest. Das durfte man sich als Handwerker auf keinen Fall entgehen lassen und für mich war’s dann auch so ne Art Pause. Wie in langen Konzerten.
Ich würde lügen wenn ich behaupte, nicht öfter als einmal in der Minute an Angelo gedacht zu haben. Er war da, so präsent wie vor ein paar Tagen. Mich scherten alle meine Vorsätze, ihn ein für alle Mal aus dem Kopf zu streichen, nicht mehr. Es war schlichtweg nicht einzuhalten.
Während ich mich später mit Werner und einer ganzen Horde Mannsbilder über gekochte Schweinsfüße, Sauerkraut und Kartoffelbrei hermachte, saß Angelo mit an dem Brauereitisch im Hinterhof der Metzgerei.
Er lachte, grinste, zog nachdenklich eine Augenbraue hoch oder spielte mit seinen Fingern. Einmal, da war er sogar nackt. Splitternackt. Alle Bilder sah ich, nur die letzten nicht. Der Tag dort im Krankenhaus, an dem unsere Freundschaft endete, der war plötzlich gelöscht.
Nichts davon war mehr übrig. „Du willst sie nicht sehen, weil du ihn liebst. Du wirst das immer, Freundchen, und es wird allmählich Zeit dass du das kapierst.“ „Ja, ganz toll. Und was soll ich mit ihm machen?
Mit einem Lasso einfangen, entführen, verschleppen? Unter Drogen setzen dass er bei mir bleibt? Vergiss nicht, dass er Schluss gemacht hat. Er will mich nicht mehr sehen, nicht umgekehrt. Und dass er seine Meinung ändert, das glaub ich nicht.“
So hin- und hergerissen fuhren wir nach dem üppigen Mittagsmahl wieder zurück an jenen Ort. Ich wünschte mir jetzt fast, dass er mich sehen würde. Auge in Auge. Er hatte Zeit gehabt über alles nachzudenken, vielleicht sah er ja sogar ein, dass es auf Dauer keine andere Lösung als die meine gegeben hatte. Kurzum, ich wollte Angelo zurückhaben.
Schon einmal war ich mir sicher, ohne ihn nicht überlebensfähig zu sein. Von diesem baren Unfug wollte ich nichts mehr wissen, gleich nach der Trennung. Nun aber war dieser Unsinn zurück, stärker als je zuvor. Bloß, war es wirklich so abwegig? „Denk an die mögliche Macht, warum du hier bist. Ausgerechnet.“
Ja, das genau wurde zu meinem Problem. Die Möglichkeit einräumen zu müssen, dass es eben doch keine Zufälle gab. Und so wie die Dinge vor mir lagen, war es erneut meine Sache, Licht in das Dunkel und Ruhe in den Aufruhr meiner Seele zu bringen.
Ich musste mit ihm reden. Vernünftig, Emotionslos, von Mann zu Mann und nicht von Memme zu Tucke. Hand und Fuß, nichts glitschiges was einem wie ein Aal aus den Fingern glitt. Aber eines überließ ich dann doch dieser vermeintlichen Macht:
Angelo sollte mich hier sehen, zufällig von mir aus. Denn, bereits aus einer dabei entsehenden Reaktion konnte ich ablesen, ob überhaupt eine Chance bestand.
Zu der Hitze kam dann die Schwüle. Es war wirklich kein Zuckerschlecken, obwohl wir gut vorankamen mit dem Dach.
»Wenn wir Glück haben, schlägt das Wetter um wenn wir fertig sind«, orakelte Werner denn auch.
Ich hörte nur mit einem Ohr hin, verständlicherweise, denn seit der Mittagspause schwieg Margie, beharrlich. Weder von Angelo noch sonst jemanden eine Spur. Waren sie gar nicht da?
Am Auto konnte man es nicht sehen, das stand ja immer in der Garage und Paul hatte eh die Aufgabe, unsichtbar zu sein.
»Komm, wir machen Schluss für heut. Wenn es dir nichts ausmacht, fangen wir morgen früher an, dann ist es noch nicht so heiß.«
Ich stimmte sofort zu, das war allemal besser und zudem konnte ich dann länger am Baggersee bleiben, denn diesen Plan hatte ich zumindest für den nächsten Tag eh schon ins Auge gefasst.
Auch während wir unser Werkzeug im Wagen verstauten und grob aufräumten, tat sich am Haus nichts. Und auch Margie war mit keinem Ohr zu vernehmen. Nun gut, der nächste war auch noch ein Tag und wenn es diese fremde Macht gab, würde sie schon dafür sorgen dass da etwas passiert. „Und wenn nicht?“
Dann gibt’s solche Mächte halt nicht und ich konnte getrost zu dem Urteil kommen, dass Zufälle nichts weiter als Zufälle waren.
Am ersten Arbeitstag war ich so futsch, dass schwimmen gehen überhaupt kein Thema war. Nach der Dusche und einer kleinen Zwischenmahlzeit legte ich mich auf mein Bett. Nicht das Geringste tun.
Abwarten bis es abkühlte, ein bisschen wenigstens und dann würde man weitersehen.
Mein Handy klingelte.
»Hallo Felix.«
»Hi Ralf. Was machst’n?«
»Stell dir vor: Nichts, gar nichts. Wobei Nichts im Vergleich zu meiner Auffassung noch eine ganze Menge Holz ist.«
»Aha. In der Tat, das ist ja schon Vakuum würde ich sagen.«
»Eben. Wolltest du was Besonderes?«
»Nö. Ich dachte, wir könnten an den Felle fahren.. am Baggersee treten sie einem ja in die Nasenlöcher.«
Im selben Augenblick saß ich senkrecht auf meinem Bett. Was hatte Felix gerade vorgeschlagen? Hatte ich wirklich.. Felle.. verstanden? Nein, sicher nicht. Angelo waberte ja immer noch in meinem Schädel und bestimmt..
»An den Felle?«
Ich musste es wissen, ganz genau. Und ich wusste gleichzeitig, was Felix dort wollte. Zu der Umgebungshitze kam dann die innere Wallung. Ich saß eher in als auf einem Hochofen. „NEIN. DU GEHST DA NICHT HIN!!“
Und wieso nicht? Angelo hin oder her, noch ist nichts entschieden.
»Von mir aus.«
„Du bist ein Arschloch.“ Danke, ich werde mich gelegentlich dafür revanchieren.
Eine halbe Stunde später trafen wir uns am Pfad. Aus unerfindlichen Gründen jedoch dachte ich keine Sekunde an eine Wiederholung. Erstens glaubte ich nicht, dass Felix plötzlich schwul geworden war und zweitens fehlte mir irgendwie die Lust.
Kein Bock auf Sex wenn man so will. Kommt schließlich vor, besonders an so anstrengenden Tagen wie diesem. Ob es eine innere Abwehr war, das vermochte ich nicht zu deuten. Nüchtern betrachtet war es bestimmt so.
Immerhin hatte der Felle auch ohne Sex seinen Reiz und die Füße in den kühlen Bach zu stellen.. da gab es weitaus schlimmere Dinge.
Und so kam’s. Wir zogen die Sandalen aus und hängten unsere Füße in das klare Wasser. Feix hatte sich nicht, wie ich anfänglich befürchtet hatte, sonderlich herausgeputzt. Nein, nach kurzer Zeit war mir klar dass er nichts von mir wollte. Abhängen, nichts tun.
Das geht auch zu zweit, besonders wir beide hatten nie ein Problem damit. Zeit totschlagen, das gab’s oft. Nur, solche Meuchelmorde begangen wir selten mit Worttiraden.
Wie es geht, was anliegt, mehr nicht.
Trotz allem was dieser Tag und der nächste auf Lager hatte, ich fühlte mich wohl. Da an dieser Stelle, neben Felix. Den besten Freund, den ich nun hatte. Zumindest bis zu diesem Tag.
Und ich musste es ihm sagen. Wir lagen wieder nebeneinander, nur ganz dicht am Wasser, so dass unsere Beine bis zu den Knien im Bach hängen konnten. Ich kitzelte Felix mit einem Grashalm an der Nase.
Er blinzelte richtig süß und lachte.
»Wenn das ein Annäherungsversuch ist.. ich hab.. irgendwie keine Lust.«
Welch Erkenntnis. Felix hatte nicht gesagt, dass er das nie wieder tun wollte. Nur, dass er heut keine Böcke hatte. Irgendwie kam mir das dann schon wieder zu einfach vor. Aber warum eigentlich ständiges Wenn und Aber? So wie es war, so war es gut.
»Ha, du auch nicht? Nein, das war nicht der Grund. Ich wollt dir einfach mal sagen wie froh ich bin dass wir uns kennen. Dass ich dich kenne. Und dass du mein Freund geblieben bist.«
»Hey, Alter. Das ist doch keine Frage.«
»Meinst du? Ich denk grad an Jo und Alex.«
Felix stützte seinen Kopf wieder auf den Arm.
»Du vergisst, dass das Ärsche sind.«
Japp. Und Felix war eben kein Arsch. „Und zu was zählst du Angelo?“ Au, eine klasse Frage. Eine Million für die richtige Antwort. Trotz allem was dieser Tag zu offenbaren versuchte, ich musste ehrlich zu mir selbst bleiben.
Und demnach stand Angelo nun mal auf der gleichen Ebene wie Jo und Alex. Bloß, ob ich damit die Million gewonnen hatte, das sagte mir niemand.