Die zweite Chance – Teil 5

Am nächsten Morgen grummelte Florian in sein Kissen.
Irgendetwas hatte ihn gestört und geweckt. Aber was es war, war ihm noch egal. Dafür war es mit Sicherheit noch zu früh am morgen.
Kurz darauf wiederholte es sich jedoch. Ein kurzes Aufblitzen, als hätte er die Augen geöffnet. Doch auch wenn er noch im Halbschlaf war, dass er nicht unabsichtlich seine Augen öffnet war ihm schon mit Sicherheit bewusst. Dementsprechend unruhig machte es ihn. Mühsam öffnete er erst ein Auge. Aber das Bild, das sich ihm bot gefiel ihm zum Teil gar nicht.
Die Wände waren in einem sehr hellem blau gestrichen, fast schon kaum als Farbe zu erkennen. Also war es Toms Zimmer. Ein Teil seines Blickfeldes war durch Lauras blondgelockte Haare verdeckt. Dicht zusammengekuschelt lagen er und seine Geschwister im Bett. Ihre Köpfe aneinander gelehnt.

Das war der angenehme Teil.

Der unangenehme Teil jedoch, in diesem Fall seine Mutter, lehnte am Türrahmen und grinst ihn an. Direkt daneben stand sein Vater mit der Digitalkamera in der Hand.

„Du hattest Recht“, meinte Joachim, „das ist wirklich ein schönes Motiv für die nächsten Weihnachtskarten!“

Florian gab ein empörtes Grummeln von sich und zog sich, wie auch Tom, die Decke über den Kopf.

„Ja da wird sich die Verwandtschaft freuen. Und das nur, weil der halbe Hausrat in Florians Bett liegt.“

„Mum lass uns weiterschlafen!“

„Nix da! So wie ich euch kenne habt ihr eure Sachen noch nicht gepackt und wir wollen doch morgen früh los! Außerdem ist das Frühstück schon fertig.“

„Au ja, ich will Rührei!“ meldete sich Laura plötzlich und sprang erstaunlich munter auf dem Bett rum.

„Nur wenn Florian die macht.“

Toms Stimme war nur schwach unter dem Kissen zu hören.

„Hey ich hab auch Ferien!“ versuchte Florian zu protestieren als er unter der Bettdecke hervor kroch. Allerdings war ihm klar, dass wenn er selbst gut schmeckende Eier haben wollte sie auch selber machen musste.

Eine viertel Stunde später stand Florian dann wirklich hinter dem Herd. In der Pfanne lagen die verquirlten Eier. Er fing grade an sie umzurühren als seine Mutter in die Küche kam.

„Warum kochst du eigentlich nicht.“ Florian sah nicht auf während er in der Pfanne rührte.

„Du weißt doch wie ich koche.“

„Ja klar, aber das mein ich nicht. Wie kommt es, dass du es nicht kannst?“

„Ist es echt so schlimm was ich koche?“

Florian wurde rot und sah seine Mutter an.

„Ich… ähm…“ versuchte er zu erklären, bevor er unterbrochen wurde.

„Schon klar. Vielleicht ist der Unterschied, dass es mir keinen Spaß macht. Ich hab einfach anderes in Kopf während ich koche. Und irgendwann liegt halt ein brauner Klumpen im Topf.“

„Braun?“ Florian hob eine Augenbraue und drehte seinen Kopf zu seiner Mutter.

„Übertreib es nicht Florian!“ fuhr seine Mutter dazwischen, jedoch mit einem lächeln auf den Lippen.

Er selbst widmete sich wieder den Eiern, rührte sie um und achtete darauf, dass die Stücke nicht zu klein wurden.
Er war jedoch nur halb bei der Sache.
Aus den Augenwinkeln sah er seine Mutter die ihn aufmerksam beobachtete. Dann tief Luft holte und sie langsam wieder entweichen ließ, als wollte sie etwas sagen und nicht mehr wissen was. Dies wiederholte sie ein weiteres Mal bevor Florian eingriff.

„Sag es einfach, Mama.“ Er konnte sich ein grinsen nicht verkneifen.

„Du bist irgendwie anders heute.“

„Marcus war gestern hier.“

„Und das heißt?“

„Wir haben geredet.“

„Und worüber?“

„Weshalb wir hergezogen sind.“

Seine Mutter sah ihn eine Weile an und nickte dann.

„Und so gut, wie du drauf bist ist es wohl gut gegangen. Aber das hab ich ja schon vorher gesagt.“

Damit was das Thema für sie auch schon wieder beendet und sie verließ die Küche. Florian rührte noch einmal prüfend in der Pfanne, füllte die Eier in eine Schüssel und folgte ihr grinsend.

Die ganze Familie frühstückte ausgiebig, immerhin war es der erste Ferientag, und auch Florians Eltern und Tom hatten sich frei genommen.

„Braucht ihr noch was für den Urlaub?“ fragte sein Vater nach fast einer Stunde. „Ich fahr nachher noch mal einkaufen, das ist die letzte Gelegenheit.“

„Ja klar, ich brauch noch Batterien für meinen Mp3-Player, ein neues Buch wollt ich auch noch mitnehmen und vernünftige Shorts brauch ich noch, da wird’s doch bestimmt warm sein“, fing Florian sofort an, „und ich wollt noch einen Reiseführer besorgen, also ich mein wo nicht NUR Kultur drin steht und Haargel brauch ich neues, meins ist bald alle.“

„Dann solltest du am Besten mitkommen und ich setze dich kurz in der Stadt ab. Wo hast du denn in den letzten Tagen wieder deine Gedanken gehabt? Du wusstest doch, dass wir morgen fahren.“

Florian konnte nicht verhindern rot zu werden.

„Schon klar, warum frag ich überhaupt, einfach nur das Flori-Chaos!“

*-*-*

„Geht da nicht so nah ran!“

Am Vortag waren sie am späten Abend in ihrem Ferienhaus in der Provence angekommen. Heute waren sie dann erstmal einkaufen, immerhin mussten sie sich selbst versorgen. Aber irgendwie ging alles etwas langsamer als gedacht. Die Hitze machte ihnen doch zu schaffen, obwohl es auch in Deutschland in diesem Jahr nicht grade kühl war.
Jetzt am Abend wollten sie erst einmal ein wenig mit dem Auto die Gegend erkunden, und Tom hatte sie gleich zu einer der Sehenswürdigkeiten der Region geführt.

„Da kann doch sonst was passieren!“

„Mum, hier ist doch ein Geländer!“

Und das natürlich, bevor ihr Mutter mitbekam, dass es so etwas hier gab und sie davon abhalten konnte hinzufahren.

„Laura, klettere nicht auf das Geländer.“

„Mama, sie steht doch auf dem Boden. Ich pass schon auf.“

Florian konnte es sich aber nicht verkneifen selbst auch näher an der Geländer zu gehen. Tief unter ihm sah er eine Yacht an der Küste des Mittelmeeres schwimmen.

„Wow! Wie hoch sind wir denn hier?“

„Über dreihundert Meter. Das ist eine der höchsten Steilküsten Europas!“

„Echt krass…“

Wirklich Höhenangst kannte Florian eigentlich nicht, aber das hier war noch anders. Wie sollte er auch sonst einen Ausblick beschreiben, der so hoch war, dass er nicht mal ein kribbeln im Bauch spürte, weil man nicht sah wie hoch die Straße wirklich war. Die ‚Corniche des Crêteses’ führte von Cassis nach La Ciotat, zwei kleineren Städten östlich von Marseille, wo sie auch ihr Haus hatten.

„Und wo klettern wir morgen rauf?“

„Morgen machen wir was Vernünftiges! Wo es nicht so hoch ist.“

„Ist ja gut Mum, du hast ja schon gesagt, dass wir nach Le Baux fahren.“

„Ist da auch was für uns?“

„Ja! Eine Kirche, eine alte Festung, Ein bisschen Bildung wird dich schon nicht umbringen.“

Florian gab ein unzufriedenes Brummen von sich.

„Keine Sorge“, flüsterte Tom in Florians Ohr, „in ihrem Reiseführer sind kaum Bilder und sie hat nicht so richtig mitbekommen, dass der Ort auf einem hohen Felsgrad liegt.“

Auf Florians Gesicht schlich sich ein leichtes Lächeln.

„Aber nur wenn wir Übermorgen wieder was machen, was uns Spaß macht!“

„Na klar, das ist doch ein Familienurlaub. Da muss doch für jeden was bei sein.“

Zufrieden gingen Florian und Tom hinter den Anderen zurück zum Auto.

*-*-*

Zwei Wochen später saß Florian am Strand. Die Zehen im warmen Sand vergraben.
Ein paar Meter neben ihm führte der kleine Pfad in die steinigen Dünen, auf dem man zu ihrem Ferienhaus gelangte.
Es war Ihr letzter Abend hier in Frankreich. Sein obligatorischer Sonnenbrand den er sich am ersten Strandtag geholt hatte war auch wieder verheilt.
Am nächsten Tag würden sie wieder Stundenlang im Auto sitzen und dann hieß es wieder Alltag. Es waren zwar immer noch Ferien, aber sie wären wieder zu Hause. Mit Terminen und Verpflichtungen die über einmal am Tag abwaschen hinausgingen.
Die Sonne versank grade im Westen im Meer. Das Wasser unter ihr schimmerte in rot und orange. Ein leichter Wind strich ihm um den Nacken, wie jeden Abend wechselte er die Richtung und wehte dann aufs Meer hinaus.
Etwas weiter entfernt spielten einige Jungs und Mädchen Volleyball. Florian beobachtete ihr ziemlich chaotisches Spiel.
Hinter sich hörte er leise Schritte im Sand näherkommen. Er drehte sich kurz um und sah Tom der sich neben ihn auf den warmen Boden setzte.

„Worüber denkst du schon wieder nach, Kleiner?“

„Siehst du die da vorne?“

„Sicher! Und zu überhören sind sie auch nicht. Wieso?“

„Vier Jungs und vier Mädchen. Und es sind vier Paare.“

Tom schauter verwundert zu seinem Bruder und versuchte etwas in dessen Gesicht zu erkennen.

„Wie lange sitzt du denn schon hier und beobachtest die?“

Florian zuckte mit seinen Schultern.

„Und warum ist das nun wichtig?“

„Siehst du wie sie miteinander umgehen? Völlig selbstverständlich! Umarmen, ab und zu mal ein Kuss…“
„… wird das auch so sein wenn ich mal einen Freund habe? Wird er das überhaupt wollen?“

Fing Florian an zu erklären.

„Oder gucken wir uns immer vorher um, ob auch niemand in der Nähe ist. Es werden immer Leute gucken und ich wird mich immer rechtfertigen müssen.“

Zum Schluss wurde er immer leiser.

„Ich weiß es nicht, und ich weiß auch nicht so recht was ich dir jetzt sagen soll.“

Was sollte Tom auch sonst darauf antworten.

„Klar das ist etwas was du nun wirklich nicht selbst kennst.“

Florian wollte sich grade an seinen Bruder lehnen als dieser aufsprang.

„Warte kurz mir ist da grad was eingefallen. Bin gleich wieder da.“

Mit diesen Worten rannte Tom den Pfad in die Dünen.

Verwirrt blieb Florian im Sand zurück bis er sich wieder der spielenden Gruppe zuwandte. Diese packte mittlerweile ihre Sachen zusammen und schienen den Strand verlassen zu wollen.

„Da bin ich wieder. Hier halt mal.“

Tom drückte ihm zwei einfache Glaser in die Hände, entkorkte eine Flasche Wein und goss ihnen ein.

„Ist dir grad eingefallen, dass du heute noch nix getrunken hast? Muss ich mir jetzt sorgen machen?“

Florian konnte sich ein grinsen nicht verkneifen.

„Idiot!“ kam es von Tom, unterstrichen mit einem leichten Schlag auf seinen Hinterkopf.

„Ich bin deshalb losgelaufen.“

Tom nahm ein kleines Päckchen das neben ihm im Sand lag und drückte es seinem Bruder in die Hand.

„Was ist das?“

Florian hielt eine graue Pappschachtel in der Hand. Der Deckel war mit einer einfachen Schnur verschlossen.

„Weiß nicht?“

„Hä? Und wieso nicht?“

„Weil das nicht von mir ist. Ich soll es dir nur geben, wenn du mal wieder eine deiner Phasen hast. Ich weiß auch nicht was drin ist.“

„Ich hab keine Phasen!“ Rechtfertigte sich Florian sofort gespielt empört. „Und von wem ist das?“

„Marcus. Er war am Tag vor den Ferien bei uns, als du mit Dad einkaufen warst.“

„Oh!“

„Ist das Alles? Willst du es nicht aufmachen?“

„Ähm, doch. Klar.“

Florian zog die Schnur runter und öffnete den Deckel. Darin fand er einen handgeschriebenen Zettel und darunter eine Lederschnur mit einem kleinen Verschluss. Auf die Schnur waren sechs dünne Ringe aufgefädelt.
Rot. Orange. Gelb, Grün. Blau. Lila.
Regenbogenfarben!
Florian musste schwer schlucken. Er Lies die Kette erst mal in der Schachtel liegen und las den Brief.

Hallo Flo,
da Tom dir die Schachtel wohl grad gegeben hat und ich mir denken kann in welcher Stimmung du grade bist, das wichtigste zuerst:
Ich bin dein FREUND! Ich bin für dich da und werde für dich da sein!
Nachdem du mir die Gründe für euren Umzug erzählt hast habe ich die letzte Nacht kaum geschlafen. Ich bin irgendwie hin- und hergerissen. Ich mag dich unheimlich gerne. Du bist ein echt cooler Freund. Aber wenn ich daran denke, dass die einzigen Gründe weshalb wir uns kennengelernt haben deine Probleme und deine Angst waren…
Versteh mich nicht falsch, ich möchte unsere Freundschaft echt nicht missen. Aber wenn dir das Alles erspart geblieben wäre…dann würde ich gern drauf verzichten, dir zuliebe.
Niemand sollte so etwas durchmachen!
Und niemand hat das Recht einen anderen Menschen so zu behandeln!
Ich kann die Zeit leider nicht zurückdrehen.
Aber etwas anderes kann ich. Dir sagen: du bist nicht mehr allein. Du musst auch nichts mehr alleine durchmachen wenn du es nicht willst. Du musst nur etwas vertrauen haben, auch wenn dir das wohl noch schwerfallen wird.
Vertrauen in deine Freunde und auch in dich selbst.
Deshalb habe ich dir auch die Kette geschenkt. Fühl dich nicht verpflichtet sie zu tragen. Das erwarte ich nicht. Nicht heute und auch nicht in Zukunft.
Die Kette ist ein Versprechen.
Das Versprechen, dass du sie eines Tages tragen könntest. Weil du es selbst willst, weil du selbst stark genug bist zu sagen „Na und?“ wenn dich jemand von der Seite anmacht.
Und weil du Freunde haben wirst, die dich so sehen wie du bist: ein lieber, hilfsbereiter Kerl!
Wir sehen uns spätestens zum zelten.
Komm wieder gut zurück.
Marcus

Florian starrte weiter auf den Brief in seinen Händen. Seine Augen wurden feucht und er spürte die ersten Tränen seine Wange runter laufen. In letzter Zeit war er einfach zu nah am Wasser gebaut.

„Was hat er geschrieben.“

Die Skepsis, aber auch sein Ärger war in Toms Stimme deutliche zu hören. Florian wischte sich die Tränen weg und drückte seinem Bruder wortlos den Brief in die Hand. Dann nahm er die Kette aus der Schachtel und drehte sie in seinen Händen.

„Wow! Und nun?“

Tom hatte den Brief gelesen. Und sah nun auch auf das Lederband in Florians Hand.

„Das einzige, was ich jetzt machen kann.“

Florian nahm das Band in beide Hände, öffnete den Verschluss und legte sich die Kette um den Hals. Nach einigen Versuchen hatte er sie dann endlich wieder geschlossen und grinste seinen Bruder an.

„Bist du sicher, dass du das willst?“

„Ja!“

Florians Stimme klang selbstsicher.

„Wenn mich jemand nicht so akzeptiert, dann such ich mir halt jemand anderen zum Freund.“

„Gut! Aber übertreib es jetzt bitte nicht mit deinem Ego-Trip.“

„Hör auf mich zu unterdrücken“, kam es vom Florian mit einem Grinsen, „oder hast du etwas gegen Schwule?“

„Klar, mal sehen was man dagegen unternehmen kann.“

Tom griff nach Florian und kitzelte ihn mal wieder durch. Kurz darauf rollten die Brüder lachen über den Strand und bekamen nicht einmal mit wie der Rest der Familie an den Strand kam. Erst als auch noch Laura noch anfing mit ihnen zu toben und fast schon auf Beiden herum sprang wurden sie bemerkt.

„Ich hab doch gesagt unsere Kinder sind am Strand und machen sich mal wieder dreckig.“

„Aber dass wir auch unseren verschollenen Wein hier finden hätte ich nicht gedacht.“
Florians Vater goss beide Gläser wieder voll und reichte eins seiner Frau. Zusammen setzten sie sich in den Sand und beobachteten ihre Kinder.

„Ihm geht es wieder gut, oder?“

„Ja, endlich wieder. Er wird seinen Weg machen, genau wie Tom und Laura auch.“

„Wenn ich daran denke, dass wir ihn fast verloren hätten. Und das nur wegen meiner Dummheit.“

„Hör auf darüber nachzudenken. Guck dir die drei an und sei einfach froh über den Neuanfang.“

„Das bin ich, bei Gott, das bin ich.“

Joachim nahm die Hand seiner Frau in seine und sah seinen Kindern weiter beim herumtoben zu. Florian lag grade über Toms Schulter, der ihn ins Wasser trug. Mit einem Schwung schmiss er seinen Bruder in eine Welle. Laura lief ihrem schreienden Bruder hinterher ins Wasser. Nach kurzer Zeit war sie genauso durchnässt wie Florian.

„Das zahl ich dir heim, Tom!“

Florin sprang auf seine Schultern und drückte ihn nun ebenfalls ins Wasser.
Nach Luft ringend tauchten beide wieder auf. Zusammen mit Laura kehrten sie ans Ufer zurück. Bei ihren Eltern angekommen setzten sie sich einfach mit ihren nassen Sachen in den Sand.

„Ist das nicht unser Wein?“

„Du solltest lieber deinen Bruder fragen, ob er uns gefragt hat.“

Florian sah Tom fragend an.

“Was denn? Wenn ich gefragt hätte, hätten sie mir nie erlaubt die letzte Flasche Wein mitzunehmen.“

Florian hob seine Augenbrauen und nickte langsam.

„Das rechtfertig natürlich deinen Mundraub.“

*-*-*

„Florian du bist selbst schuld. Was musstest du auch den ganzen Abend in nassen Sachen am Strand sitzen.“

Florian hatte Kopfschmerzen und war fast die ganze Zeit am Niesen. Sie hatten sogar kurz nach Fahrtbeginn an einer Tankstelle angehalten um noch Taschentücher zu kaufen.

„Hatschi“

Für Florian wurde so eine langweilige Autofahrt zur Tortur. Zwischen seinen Füßen hatten sich mittlerweile eine ganze Menge Taschenbücher in einer Plastiktüteangesammelt.

„Wann machen wir wieder Pause?“

„Erst wenn wir Luxemburg hinter uns haben! So lange musst du noch aushalten.“

„Haben wir denn noch ne Kopfschmerztablette?“

„Du hast erst vor einer halben Stunde eine genommen. Ein wenig solltest du dich noch gedulden.“

Florian versuchte seine Kopfschmerzen zu verdrängen, rutschte auf dem Sitz etwas nach unten und lehnte seinen Kopf gegen die Autotür.
Nach zehn Minuten war er entgegen seinen Erwartungen doch eingeschlafen.

„Florian?“

Tom schüttelte leicht die Schulter seines Bruders.

„Wach auf. Wir sind auf einem Rastplatz und wollen was essen gehen.“

Nur langsam fand Florian wieder in die Realität zurück.
Seine Schmerzen waren kaum besser. Er fühlte sich dreckig und klebrig. Und genauso hing sein T-Shirt auch auf seiner Haut.

„Wo sind wir denn?“

„Schon kurz hinter Trier. Wir wollten dich noch etwas schlafen lassen.“

„Danke.“

„Dafür hast du aber einiges bei Laura gutzumachen! Sie hat schon über eine halbe Stunde auf eine Pause bestanden.“

Florian öffnete die die Autotüre und stieg leicht schwankend aus.

„Ohje, du kannst einen echt aufbauen.“

Zusammen mit Tom folgte er dem Rest der Familie, der schon auf dem Weg zu Restaurant war. Am Eingang warteten sie kurz bis Beide aufgeschlossen hatten.
Zusammen gingen sie dann in das Restaurant.
Das Innere stellte sich als typische Selbstbedienung heraus. Florian bat seine Mutter ihm nur ein Wasser mitzubringen, um dann schon mal einen freien Tisch zu suchen.
Nachdem er den Großteil des Raumes durchquert hatte ließ sich Florian an einem großen Tisch auf einen freien Platz fallen. Mit gekreuzten Armen auf der Tischplatte wartete er auf seine Familie. Nur um nach kurzer Zeit auch noch seinen Kopf auf seine Arme zu legen.

„Da sind wir wieder.“

Mit diesen Worten bekam Florian nicht nur ein Glas Wasser zugeschoben sondern auch noch eine heiße Terrine hingestellt.

„Hühnersuppe? Ich hab aber keinen Hunger!“

„Danach hab ich nicht gefragt. Du musst was essen. Oder willst du den Rest der Ferien krank sein.“

„Schon gut.“

Florian gab sich lieber geschlagen als sich auf eine Diskussion mit seiner Mutter in zulassen. Mit wenig Lust fing er an seine Suppe zu löffeln. Doch schon nach ein paar Löffeln merkte er, wie gut sie ihm tat. Den lächelnden Blick seiner Mutter ignorierend, immerhin hatte sie mal wieder Recht behalten, bekann er mit mehr Leidenschaft zu essen.

Nach einer halben Stunde waren sie alle mit dem Essen fertig. Florian spülte mit dem letzten Rest seiner Wasser eine weitere Tablette herunter, die er von seiner Mutter bekam.

„Ich komm gleich nach“, rief er den Anderen nach, die schon auf dem Weg nach draußen waren. Sein Vater folgte ihm jedoch zu den Toiletten.
Schon von weitem konnten sie eine hitzige und laute Diskussion durch die Tür hören.

„Ich hab nie gesagt, dass ich mit will!“

„Es war doch immer klar; das Stand doch immer fest!“

„Klar das habt ihr ja auch einfach entschieden ohne zu fragen!“

Wahrscheinlich war es wohl doch eher ein Streit als eine Diskussion. Florian stockte an der Türe bevor er sie öffnete. Irgendwie war ihm unwohl da jetzt einfach so reinzuplatzen.
Die Entscheidung nahm ihm dann jedoch sein Vater ab. Er öffnete die Tür und schon Florian vor sich her.

„Das ist nicht deren Privatraum“, hörte er noch leiser von seinem Vater.

Als sie eintraten war dann auch sofort Ruhe im Waschraum.
Am Waschbecken standen ein Mann und ein Teenager, scheinbar ungefähr in Florians alter. Sie sahen sich trotz des Altersunterschiedes recht ähnlich. Scheinbar waren es Vater und Sohn und sahen jetzt auf die beiden Neuankömmlinge.
Auch wenn sich Florian grad ziemlich unwohl fühlte ging zu einem der Stehbecken, gefolgt von seinem Vater.

„Ich hasse euch!“

Mit diesen Worten rannte der Jüngere zur Tür raus. Der Ältere wusch sich noch die Hände bevor er ebenfalls ging.
Kurz darauf schloss Florian seine Hose wieder. Dass es keine Papierhandtücher mehr gab bemerkte er erst, als er mit nassen Händen vor dem Spender stand.
Seine Hände in der Luft schwingend und vor sich hin fluchend verließ er die Toiletten.
Vor der Tür wartete er noch kurz auf seinen Vater, der wenig später folgte. Gemeinsam gingen sie wieder zum Auto zurück.

„Florian?!“

Er hatte nicht gemerkt, dass sein Vater stehen geblieben war.

„Ich bin froh, dass du uns eine zweite Chance gegeben hast. Ich könnte es nicht ertragen, wenn wir so miteinander umgehen würden die Beiden grade.“

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