Margie 41 – Die Verschwörung

»Nee, ich.. ich wollte damit nur sagen, dass du es nicht einfach haben wirst. Angelo will erobert werden, man muss ihn zu seinem Glück regelrecht zwingen. Aber wenn ich ehrlich sein soll.. ich beneide dich nicht. Soviel Energie und Zeit zu investieren – da musst du wirklich schwer verliebt in ihn sein.«

»Ähm.. bin ich auch.. Hattet ihr.. was miteinander?« Kurz und knapp stellte ich die für mich sehr wichtige Frage. Es konnte mir ja egal sein, aber wissen wollt ich’s trotzdem.

»Sex mit Angelo? Meinst du das?«

Ich nickte.

»Nein.« Das kam kurz und knapp, klang so ein bisschen nach Enttäuschung. »Ralf, ich hätte Morde begangen, wenn ich eine Chance gesehen hätte mit Angelo zu pennen, glaub mir das. Aber nach ner Weile, da bildete ich mir ein er hätte irgendwie seine Ideale, dachte, er wird nur mit dem Sex haben wollen, den er wirklich liebt. Deshalb ist so völlig unverständlich.. «

Ein dummes Gefühl beschlich mich, trotz dieser aufschlussreichen Erkenntnis. „Sex nur dem, den er liebt..“ Hm, wenn da was Wahres dran war. »Was meinst du mit unverständlich?«

»Darüber wollen wir, Andreas und ich, mit dir reden. Nachher.«

Ich merkte, dass er da etwas beiseite schob. Die ganze Zeit schon hatte ich das Gefühl, dass er mir etwas sagen wollte. Da musste etwas im Busch sein und die wussten auch schon genau, was. Ich beließ es dabei, würde sicher noch früh genug erfahren um was es ging. »Du wolltest also nur.. Sex mit ihm haben? Sonst nichts?«, hakte ich trotzdem nach.

Sebastian zog die Mundwinkel nach oben. »Hör mal zu. Angelo ist ein geiler Hecht, der jeden Schwulen rumkriegen kann. Ich hab manchmal den Verdacht, das weiß er auch. Und jeden, der ihm zu nahe kommt, lässt er erst mal ordentlich zappeln. Auf diese Art kriegt er automatisch raus, wann es einer ernst mit ihm meint. Ich hab’s inzwischen aufgegeben, es war nämlich verdammt anstrengend. Ja, ich wollte anfangs nur mit ihm in die Kiste. Er hat mich fusslig gemacht, nur durch seine Erscheinung. Mit der Zeit, als ich merkte dass das so nicht funktioniert, wollte ich ihn haben. So nach dem Motto, jetzt erst recht. Ich konnte ihn mir dann als Freund sehr gut vorstellen. Zumal, jeder Konkurrent würde es genauso schwer haben. Aber ich hab’s dann, als diese Sache herausgekommen ist, bleiben lassen.«

Welche Sache, verflucht noch mal? Ich wurde richtig nervös, weil Sebastian um den heißen Brei redete. Aber die paar Minuten würde ich noch rumkriegen. Jedenfalls sah es wohl so aus, dass mich Angelo am Haken hatte, nicht ich ihn. Er ließ mir lange Leine, dann spulte er sie wieder auf, bis fast zu seiner Angel. Als wir es zusammen trieben, da hatte er mich an Land gezogen und vorhin einfach wieder ins kalte Wasser geschmissen. Wenn das stimmte, was Sebastian da von sich gab, hing ich aber immer noch an der Leine. »Wie lange hält der denn das durch?«, fragte ich so halblaut.

»Oh, ich fürchte, Angelo hat einen langen Atem. Der geht auf Nummer sicher. Zumindest was eine feste Freundschaft anbelangt.«

»Hast du Angelo das alles gesagt? Also ich mein, dass du, was von ihm willst.«

Er drückte seine Kippe in den Aschenbecher. »Nee, nicht direkt. Aber ein Blinder mit Krückstock hätte gemerkt, wie ich ihn umworben hab.«

»Und.. welche Rolle spielt Ronald bei der Sache?« Ich nahm an, dass er den Jungen kannte.

»Ronald.. den hat Angelo durch mich kennengelernt. Der ist nicht schwul, aber ein lieber Kerl. Sie trafen sich auf meinem Geburtstag und irgendwie scheinen sie doch die gleiche Wellenlänge zu haben. Mit Sicherheit in Richtung Musik.«

Sebastian setzte den Blinker und bog auf den Parkplatz des Restaurants.

»Hast du auch mit Musik zu tun?« Ich vermutete das, wegen seinem Aussehen. Künstler halt..

»Ja, klar. Ich spiele zwar kein Instrument falls du das meinst, aber ich gehöre zum Stab sozusagen.«

»Rundfunk?«

Sebastian parkte den Wagen und stellte den Motor ab. »Richtig. So, nun lass uns erst mal was essen.«

Ach, ich machte mir viel zu viel Gedanken. Wenn es das Schicksal so wollte, dann musste ich halt noch ne Weile um Angelo kämpfen. Die Aussichten, als Sieger hervorzugehen, standen so schlecht ja nicht und zumindest im Augenblick schien es keine Konkurrenz für mich zu geben.
Aber viel mehr Kopfzerbrechen bereitete mir dieses Gespräch und die kommende Nacht. Sebastian hatte ja unmissverständlich durchblicken lassen, dass ich ihm gefiel. Außerdem schien er nicht an einer festen Beziehung interessiert zu sein. Was also lag näher, dass er es auf ein ONS mit mir anlegte? Aber mein Typ war er nun wirklich nicht.. „Na, und wie war das mit Felix?“ „Ja, okay, Felix ist das im Grunde auch nicht. Aber dem bin ich vielleicht nur deswegen anheim gefallen, weil er jung ist. Und der trotz allem so etwas an sich hat, das ich nicht erklären kann.“ „Soso. Er hat also etwas an sich..“ „Papperlapapp. Ich hab keinen Bock auf Sebastian Kienmann, okay?“

»Weiß du von seinem Freund.. der damals ums Leben gekommen ist?«, fragte ich beim aussteigen.

»Klar. Das ist ja auch so ein Punkt. Vielleicht muss ihm jemand zeigen, dass es nicht nur diesen einen gab und gibt.«

Wir durchquerten die Gaststätte, die einen ziemlich biederen Eindruck auf mich machte. Eben so eine typische Vorstadtkneipe. Hausgemachtes würde es hier geben. Deftig, viel, billig. Wir setzten uns im Hinterhof an einen der Tische. Viel Betrieb herrschte nicht, aber mit diesem Zustand haben ja eh die meisten Gastronomen zu kämpfen.

Sebastian sah auf seine Uhr. »Andreas wird wohl gleich kommen«, sagte er und nahm die Karte.

Ich tat es ihm nach und zum Glück gehöre ich nicht zu jenen Spezies, die schon beim studieren der Speisekarte zunehmen. Ich stellte fest, dass ich mich nicht aushalten lassen musste, selbst die teuerste Speise lag weit in meinem Budget.

Nur wenige Minuten später tauchte Andreas tatsächlich auf. Er wirkte auf mich müde, abgekämpft. So ließ er sich auch neben mir auf dem Stuhl nieder. Schweißtröpfchen standen auf seiner Stirn. »Ich wünsch mir meinem ärgsten Feind nicht, bei so einem Wetter umziehen zu müssen«, seufzte er.

Da mochte er recht haben, aber mich interessierte etwas ganz anderes. Was war mit Angelo und Ronald noch passiert nachdem ich weg war und wieso saßen ausgerechnet wir drei hier in diesem Restaurant?

Bis unsere Getränke kamen, herrschte allerdings erst mal Schweigen und ich mutmaßte ein Luftholen bevor es losging. Jene trügerische Ruhe vor dem Sturm. Aber, vielleicht ging ja überhaupt nichts los. Ich jedenfalls wollte versuchen, mich an mein Vorhaben zu halten, keine Fragen zu stellen. Höchstens antworten, wenn ich gefragt wurde. Ich bekam auf einmal den lustigen Verdacht, hier würde eine Verschwörung stattfinden.

Nachdem ich mein großes Glas Mineralwasser in so quasi einem Zug geleert hatte, ging’s mir besser. Nun konnten sie loslegen. Nur, sie taten es nicht.
Es begann mir dann aber doch unter der Zunge zu brennen. War am Ende – ich der Mittelpunkt hier und die warteten auf mein Statement? Das konnte gar nicht sein.

Eine Pasta suchte ich mir aus, darauf hatte ich echt Lust und die beiden zogen Pizza vor. Nachdem die Bedienung mit der Bestellung abgezwitschert war, wurde mir das Schweigen echt zu bunt. Nur, wo anfangen und vor allem, wie?

Andreas’ Räuspern ließ schließlich hoffen. Vielleicht hatte man ja selber eine Weile gebraucht um die richtigen Worte zu finden. Er lehnte sich auf den Tisch und sah mich an. »Also.. na ja, ich weiß jetzt auch nicht wie ich anfangen soll.«

Gut, wenn du es nicht weißt, ich erst recht nicht.

»Es ist so, dass Angelo.. er hat diese Stelle im Rundfunk bekommen wie du weißt.«

Ich nickte, das war in der Tat nicht neu. Sonst würden wir wahrscheinlich gar nicht hier sitzen.

»Nun ist es aber so, dass Angelo vor ein paar Tagen Besuch bekam. Ich kannte die beiden Männer nicht. Dachte erst, sie kämen wegen Angelos.. also wegen dem Vorspielen. Man wollte ihn ja über das weitere Vorgehen informieren. Kam mir zwar komisch vor, weil das doch meistens per Telefon oder Email geht.«

Ohne große Umwege sah ich die beiden Männer vor mir. Ich fürchtete, keine Beschreibung zu brauchen, ich könnte sie selbst abgeben. In diesem Zusammenhang fiel mir das Gespräch mit Sebastian ein. Diese Geheimnistuerei. „Aber wenn ich ehrlich sein soll.. ich beneide dich nicht. Soviel Energie und Zeit zu investieren – da musst du wirklich schwer verliebt in ihn sein.“ Zugegeben, ich hatte Willard, nachdem ich Angelo das Foto gezeigt hatte, abgehakt. Eigentlich vergessen im engeren Sinn. Aber vielleicht befand ich mich mit dieser schrecklichen Vermutung ja auch auf dem völlig falschen Dampfer.

»Angelo war nicht da, unterwegs mit Ronald«, fuhr Andreas fort.

Zu dem allerdings würde ich nun doch ein paar kleine, unbedeutende Fragen haben. Wegen einer Nacht außer Haus und so. Aber ich ließ Andreas ausreden.

»Die beiden haben mir ihre Visitenkarten dagelassen und darum gebeten, dass er sich dringend bei denen melden soll.«

»Hießen die Herren zufällig.. Willard oder Dorfler?« Ich betete, dass er nein sagen würde, obwohl ich rein vom Bauch raus die Antwort wusste.

Andreas starrte mich an. »Ja.. aber woher..?« Er war jetzt wirklich verblüfft.

Und ich hatte doch recht. Die Pornomafia war hinter Angelo her, genauso hatte ich die Typen eingeschätzt. Angelo als Star.. ja, das passte ganz genau. So ein Zugpferd lässt man nicht einfach laufen, zumal Angelo so gut wie Ja gesagt hatte. Sie wittern ihr Geschäft und da würde denen jedes Mittel recht sein. »Spielt vielleicht keine Rolle jetzt«, gab ich als Antwort. Erst musste ich rauskriegen, was Andreas wusste.

»Oh, ich denke schon. Dann weißt ja auch was sie von ihm wollen.«

Ich nickte. »Mich haben sie auch gefragt.«

Ungläubig sah Andreas zu Sebastian hin. Der begann sich nun zu räkeln auf seinem Stuhl. »Es wird so ne Art Eingebung gewesen sein, dass mich Andreas sofort anrief.«

»Ja, ich kannte die Firma nicht die da drauf stand, nur dass sie hier in Frankfurt ist. Daraufhin hab ich Sebastian angerufen und gefragt, ob er sie kennt.«

Sebastian nickte. »Ich kenne die Firma.. zwar nicht persönlich, aber..«

Nun konnte ich ja zu Wort kommen. »Ich kannte sie auch, wenn auch nicht auf Anhieb.«

Andreas holte Luft. »Dann muss ich ja nichts weiter dazu sagen. Was mir Angst macht ist, dass Angelo scheinbar schon so gut wie unterschrieben hat.«

»Ja, ich vermute das auch. Und, nun?«, fragte ich deshalb.

»Ich habe Angelo dann nichts von diesem Besuch erzählt. Nur, ich fürchte irgendwie, sie werden ihn finden. Abgesehen davon, dass er vielleicht selbst Kontakt zu denen aufnimmt. Und dann auch noch hier in Frankfurt..«

Ich dagegen war mir sicher, dass sie ihn längst gefunden hatten. Aber diese Befürchtung behielt ich für mich. »Und.. was hab ich jetzt mit all dem zu tun?«

»Ralf, wirst du.. da mitmachen?«

Ich beugte mich nah zu Andreas hin. »Ich hätte mitgemacht, ja. Aber nur, um Angelo nicht alleine zu lassen.«

Gott, wie musste das rübergekommen sein? Ich, der heilige Schutzengel. Oder Schmutzengel? Wohl eher Letzteres.

»Hör zu Ralf. Ich möchte unter allen Umständen verhindern, dass Angelo in dieses Geschäft einsteigt. Aber ich hab keine Ahnung, wie. Ich weiß wie emotional er reagieren kann und manchmal ist er ein richtiger Trotzkopf. Dann macht er Dinge, die eigentlich völlig falsch sind, nur um eben seinen Kopf durchzusetzen. Darum habe ich ihm überhaupt nichts gesagt, ihn nichts gefragt. Er hat keine Ahnung.«

»Und nun soll ich.. ?« Gut, man musste hier erst mal klarstellen, welche Möglichkeiten ich überhaupt hatte, von den geringen Chancen völlig abgesehen. »Leute, Angelo geht mir aus dem Weg, schmeißt mich raus wenn’s grad passend ist. Ich liebe ihn, ohne Zweifel und nur deshalb bin ich hier. Aber allmählich glaube ich, das ist sehr, sehr einseitig. Ich kann nicht zu ihm hin und sagen, was er tun und lassen soll. Du hast mitgekriegt wie er mich behandelt hat«, richtete ich mein Wort an Andreas. »Und zudem, ich habe logischerweise mit ihm darüber gesprochen: Er will es machen. Zumindest ist das der letzte Stand, den ich kenne.«

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