BBTs Corner – Gedanken einer österreichischen Grübeltante

Raus aus dem Schrank?

Die Pubertät ist keine schöne Zeit – meine zumindest war es nicht. Auch kenne ich niemanden, der sagen würde: „Ach was, war eine ganz lustige Zeit. Wenn ich könnte, würde ich das nochmal ausprobieren.“

Zu den körperlichen Veränderungen (wie Hormonstaus und Wachstumsschübe) kommen – je nach Gemüt – noch mehr oder minder deprimierende Erkenntnisse zur eigenen Persönlichkeit. Man versucht festzustellen, wer man eigentlich ist und was man will.

Zusätzlich fangen die eigenen Eltern an, einem auf die Nerven zu fallen, weil sie zu viele oder zu wenige Freiheiten gewähren, weil sie zu stark oder aber nicht genug unterstützen; kurz, weil sie einfach alles falsch machen. Eltern pubertierender Jugendlicher sind wahrlich nicht zu beneiden – ich glaube gar, dass sie machen können, was sie wollen, es wird immer verkehrt sein.

Diese Zeit, die wohl für keinen wirklich angenehm und einfach ist, wird noch um einiges komplizierter, wenn es sich bei den Betroffenen um Homosexuelle handelt. Nicht umsonst ist die Suizidrate unter homosexuellen Jugendlichen höher als unter heterosexuellen.

Als schwuler Junge bzw. als lesbisches Mädchen (oder als bisexueller Jugendlicher) hat man zusätzlich zu den „normalen“ Unbilden der Pubertät das Problem, irgendwann festzustellen, dass man anders ist, als die Norm. Und ich weiß aus eigener Erfahrung, dass das nicht angenehm ist – ich selbst habe mich sehr lange und beharrlich dagegen gewährt, auch nur vor mir selbst zuzugeben, schwul zu sein.

Doch auch wenn dieser Schritt getan ist – oftmals ist vom „inneren Coming-Out“ die Rede – hört die Unsicherheit nicht auf. Dann nämlich beginnen sich andere, weitreichende Fragen zu stellen: „Wem sag ich’s? Sag ich’s überhaupt irgendwem? Und wenn ja, wie? Und wem zuerst?“

Kurzum, ein mögliches „Coming-Out“ (Eine, wie ich finde, sehr herzige Umschreibung – man stelle sich vor, wie ein Jugendlicher aus dem Schrank kommt und sagt „Ich bin schwul/lesbisch/bi!“; das Coming-Out kommt nämlich vom englischen „to come out of the closet“) hängt wie ein Damoklesschwert über dem Betroffenen – und ist man (noch) nicht zu diesem bereit, so fangen die eigentlichen Schwierigkeiten erst an: Man muss sich verstellen, um nicht aufzufallen (im schlimmsten Fall muss man sich sogar selbst verleugnen); man muss darauf achten, sich nicht durch Kleinigkeiten zu verraten; und und und…

Ob und wann man sich zu seinem eigenen Coming-Out entschließt, ist eine Entscheidung, die jeder für sich selbst treffen muss, denn auch wenn das meinige mir gut getan hat (ich habe mich frei und befreit gefühlt und bin generell lockerer geworden), würde ich niemals jemanden dazu drängen wollen.

Es hängt von so vielen Faktoren ab, ob ein Coming-Out „vernünftig“ ist oder nicht, das kein Außenstehender wirklich dazu qualifiziert ist, zu sagen: „An deiner Stelle würde ich…“. Selbst als Betroffener ist es nicht leicht, die Reaktionen in seinem Umfeld ansatzweise richtig vorauszusagen. Deshalb halte ich auch von „Zwangs-Outings“, wie sie teilweise in Hollywood vorkommen (Perez Hilton beispielsweise ist sehr aktiv, was das Outen von Prominenten betrifft), überhaupt nichts.

Wenn ich aber einen Rat geben müsste, was das Coming-Out betrifft, so würde ich folgendes sagen: Ich rate nicht prinzipiell zu einem Coming-Out, ich rate aber auch nicht prinzipiell davon ab. Das einzige, was ich eventuell ungeouteten Lesern mitgeben kann, ist, sich gut zu überlegen, wie die eigene Situation ist. Wie ist das Verhältnis zu den Eltern, Verwandten oder Freunden? Vor allem aber – wie sehr wird man selbst durch das Verstecken eines doch nicht zu verachtenden Teils seiner Persönlichkeit beeinträchtigt?

Diese Überlegung war es auch, die mich nach meinem inneren Coming-Out dazu gebracht hat, mich meinen Eltern gegenüber zu outen.

Ich habe mir im zarten Alter von 17,5 Jahren auf einer Klassenfahrt endlich eingestanden, dass man die Gefühle gegenüber einem Klassenkollegen von mir nicht wegdiskutieren kann. Die darauf folgenden drei Monate waren wohl die depressivsten meines bisherigen Lebens. Schließlich habe ich es nicht mehr ausgehalten und mich (vielleicht etwas pietätlos) am Tag des Begräbnisses meines Großvaters geoutet (mit ein Grund für die „Wahl“ dieses Zeitpunktes war meine Mutter, die mir Egoismus vorgeworfen hatte, weil mein Vater seinen Vater verloren habe und ich mich trotzdem tagelang in meinem Zimmer verschanzen würde).

Die Reaktion meiner Eltern unterschied sich eigentlich im Wesentlichen nicht von den späteren meiner Freunde – es war eigentlich allen im Wesentlichen „egal“. Es hat sich, abgesehen von einigen gut gemeinten, und teilweise sogar lustigen, Witzen auf meine Kosten nichts geändert. Weder hat sich mein Verhältnis zu meinen Eltern verschlechtert, noch habe ich Freunde verloren.

Das Coming-Out bei meinen Kommilitonen (das sich aus Mangel an Gelegenheiten noch immer hinzieht) verlief sehr ähnlich. Und hat mit einer Ausnahme eigentlich mit stillschweigender Kenntnisnahme geendet. Ein paar Kommilitonen haben mich mal auf meiner Geburtstagsfeier mit meinem Freund tanzen sehen und überhaupt keinen Kommentar abgegeben. Ein anderer hat auf seine Vermutung, meine miese Laune sei auf „Probleme mit der Freundin“ zurückzuführen, von mir die Antwort bekommen: „Probleme mit Frauen sind’s bei mir nie.“ Die angesprochene Ausnahme hat aber auch nicht negativ reagiert, sie hat mir nur sehr lange nicht geglaubt und dann von mir verlangt, mit meinem Freund zu knutschen xD Offenbar wollte sie einen Beweis haben…

Der eine oder andere wird sich jetzt vielleicht fragen, warum ich das erzähle. Nun, das hat zwei Gründe: Zum einen ist das Thema Coming-Out für mich persönlich ein wichtiges – weil ich weiß, wie es mir dabei ergangen ist. Zum anderen dachte ich mir, es ist vielleicht nicht schlecht, wenn mal eine Art „Erfahrungsbericht“ von jemandem verfasst wird, der keine negativen Reaktionen erlebt hat – quasi um zu zeigen, dass es auch ohne Mobbing oder Probleme mit der Familie geht.

In diesem Sinne wünsche ich allen ungeouteten Lesern, die sich mit dem Gedanken tragen, diesen Umstand zu verändern, alle Kraft, die sie brauchen, und alles Gute!

Euer BBT

 

 

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2 Kommentare

  1. Hallo BBT,

    danke für den Beitrag, den ich so wie auch Ralf wichtig finde.
    Es wäre schön, wenn das ComingOut für jeden ein positives Erlebnis sein könnte. Dass dem nicht immer so ist, habe ich eher bei anderen erlebt, wobei ich denke, dass die eigene Haltung da auch keine unwesentliche Rolle spielt. Etwas, das ich selbst im Grunde nicht wirklich akzeptieren kann oder gar insgeheim an mir ablehne, kann ich auch nicht positiv nach außen transportieren.
    Da hab ich Glück gehabt. Ich war verliebt… und das sogar glücklich. So überschäumend, dass ich glaube ich sogar der Bäckereifachverkäuferin um die Ecke strahlend mitgeteilt habe, dass ich mit der tollsten Frau der Welt zusammen bin. Mein Umfeld hatte sozusagen gar keine Chance, irgendetwas Negatives darin zu sehen und war bestenfalls nach einer Weile von meinen Glücksdmitteilungen dezent genervt *lach*
    Natürlich gab es auch Schwierigkeiten. Zwei Freundinnen habe ich „aussortieren“ müssen, uu Familienfeiern wurde ich fortan ausdrücklich alleine eingeladen, so dass ich eine ganze Weile darauf verzichtet habe, den Einladungen zu folgen. In einem Restaurant sind wir mal nicht bedient worden, eine Arbeitskollegin wollte sich nicht mehr in meiner Gegenwart umziehen, mein Chef erklärte mir, ich hätte nur noch nicht den richtigen Kerl gehabt.
    Aber ganz ehrlich? Im Glücksrausch ist all das völlig an mir abgeprallt. Ich war mit einer Frau zusammen, und für mich war es perfekt, was auch immer irgendjemand sagte.
    Warum ich das jetzt schreibe?
    Ich will einfach auch ein wenig Mut machen. Positive Coming Outs gibts eben nicht nur in Geschichten 🙂
    LG
    Bine

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    • schulle auf 20. Februar 2012 bei 18:54
    • Antworten

    Hallo Blue,

    vielen Dank für Deinen Beitrag, zeigt er doch gerade auch auf dieser Seite, die Probleme, die ein Jugendlicher haben kann. Nicht jedes Coming Out geht so ruhig über die Bühne wie oft zu lesen ist. Ich glaube man sehnt sich ein wenig nach der Harmonie in den Geschichten, da man selbst nicht gerade positive Erfahrung machen dürfte.
    Umso mehr hoffe ich, das Leser, vielleicht auch Eltern und Freunde, dieses lesen und in sich kehren und überlegen, wie sie mit dieser Situation umgehen sollten. Ich kann es nur hoffen und wünschen….
    Dieses ist in meinen Augen ein sehr wichtiger Beitrag und könnte dazu beitragen, dass es in unserer Gesellschaft zu mehr Menschlichkeit kommt und auf die Person geschaut wird und nicht auf die sexuelle Ausrichtung.
    LG
    Ralf

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